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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 28.11.2007
Aktenzeichen: 6 AZR 377/07
Rechtsgebiete: InsO, BGB
Vorschriften:
InsO § 11 Abs. 2 Nr. 1 | |
InsO § 93 | |
BGB § 779 |
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 28. November 2007
In Sachen
hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Fischermeier, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Armbrüster und Dr. Linck sowie die ehrenamtlichen Richter Schäferkord und Spiekermann für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. März 2007 - 17 Sa 1952/06 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) dem Kläger zur Zahlung von tariflichen Beiträgen nebst darauf entfallenden Zinsen verpflichtet ist.
Der Kläger ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Der Beklagte war neben Herrn K Gesellschafter der C GbR, über deren Vermögen am 3. September 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die C GbR hatte einen baugewerblichen Betrieb geführt und schuldete dem Kläger tarifliche Beiträge und Zinsen. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2001 meldete der Kläger rückständige Beiträge iHv. 23.384,83 DM sowie Zinsen und Kosten iHv. 1.324,28 DM zur Insolvenzeröffnung an. Die Insolvenzverwalterin stellte den Betrag von umgerechnet 12.633,57 Euro zur Insolvenztabelle fest. Dieser Betrag besteht zum Teil aus bereits im Wege des Mahnbescheidsverfahrens titulierten Forderungen des Klägers.
Die Insolvenzverwalterin stellte Forderungen in einer Gesamthöhe von 86.582,29 Euro zur Tabelle fest. Sie brachte von diesem Betrag ein Kontoguthaben der C GbR von 6.757,54 Euro in Abzug und nahm den Beklagten in Höhe der sich ergebenden Differenz von 79.824,75 Euro mit einer Klage beim Landgericht Rostock (Az.: - 10 O 141/03 -) in Anspruch. In der öffentlichen Sitzung des Landgerichts Rostock am 10. September 2003 schlossen die dortigen Parteien einen Vergleich, der auszugsweise wie folgt lautet:
"Vergleich:
1. Der Beklagte erkennt an, der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der C GbR - Bauunternehmen einen Betrag in Höhe von 79.824,75 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 03.09.2001 zu schulden.
2. Dem Beklagten wird nachgelassen, diesen Betrag in monatlichen Raten von 50,- EUR, beginnend am 01.10.2003 und jeweils fällig zum 01. eines Monats zu zahlen. Sollte der Beklagte mit der Zahlung einer Rate um mehr als 2 Wochen in Rückstand geraten, ist sofort die gesamte unter 1. bezeichnete Forderung abzüglich der bis dahin geleisteten Zahlungen zur Zahlung an die Klägerin fällig.
3. Wenn der Beklagte bis zum 31.12.2004 einen Betrag in Höhe von 4.500,- EUR an die Klägerin zahlt, wird der restliche unter 1. anerkannte Betrag erlassen.
4. ...
5. Wenn der Beklagte die Summe von 4.500,- EUR nicht bis zum 31.12.2004 an die Klägerin zahlt, ist er verpflichtet, bis zum 16.02.2005 auf eigene Kosten die Bestellung einer Grundschuld in Höhe der unter 1. genannten Forderung abzüglich bereits geleisteter Zahlungen zu Gunsten der Insolvenzmasse hinsichtlich seines hälftigen Miteigentumsanteil an dem Einfamilienhaus, eingetragen im Grundbuch, zu ... an rangbereiter Stelle zu bewilligen. ..."
Der Beklagte zahlte in Erfüllung von Ziff. 3 des Vergleichs an die Insolvenzverwalterin vor dem 31. Dezember 2004 insgesamt 4.500,00 Euro. Im Rahmen der Schlussverteilung hinsichtlich des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GbR erhielt der Kläger auf die von ihm angemeldete und festgestellte Gesamtforderung einen Betrag von 259,77 Euro, was einer Quote von 2,06 % entspricht.
Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens nahm der Kläger den Beklagten als Gesellschafter der C GbR in Anspruch. Er hat gerichtlich zunächst eine noch nicht titulierte Beitragsforderung von 4.983,45 Euro sowie eine noch nicht titulierte Zinsforderung über 443,17 Euro geltend gemacht. Nachdem der Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung in dem Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen war, hat ihn das Arbeitsgericht durch Versäumnisurteil antragsgemäß zur Zahlung von 5.426,62 Euro verurteilt. Nach frist- und formgerechtem Einspruch des Beklagten hat es das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert, das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers. Mit der Revisionsbegründung hat er allerdings unter Berücksichtigung der anteilig auf die eingeklagte Forderung anzurechnenden Quotalzuteilung im Insolvenzverfahren einen Betrag von 102,66 Euro von der Beitragsforderung und einen weiteren Betrag von 9,13 Euro von der Zinsforderung in Abzug gebracht.
Der Kläger macht geltend, der Beklagte hafte ihm in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der C GbR persönlich auf Zahlung dieser Beitragsrückstände. Der zwischen der Insolvenzverwalterin und dem Beklagten vor dem Landgericht Rostock abgeschlossene Vergleich habe seine Forderung nicht zum Erlöschen gebracht. § 93 InsO gebe dem Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit nur das Recht, die gegen die Gesellschafter gerichteten Forderungen der Gläubiger geltend zu machen, titulieren zu lassen und die titulierten Forderungen im Wege der Einzelzwangsvollstreckung oder gegebenenfalls durch Beantragung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters zu realisieren. Eine Befugnis zu einem vollständigen oder auch nur teilweisen Erlass oder Verzicht stehe dem Insolvenzverwalter hingegen nicht zu. Soweit der Insolvenzverwalter mit dem Gesellschafter einen solchen Vergleich abschließe, wirke er nicht für und gegen die Gläubiger.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. März 2007 - 17 Sa 1952/06 - aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 23. August 2006 - 97 Ca 73074/06 - mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. März 2006 iHv. 5.314,83 Euro aufrechterhalten bleibt.
Der Beklagte hält die Revision für unbegründet. Er vertritt die Auffassung, sein mit der Insolvenzverwalterin abgeschlossener Vergleich wirke für und gegen den Kläger. § 93 InsO gebe dem Insolvenzverwalter auch die Befugnis, mit den Gesellschaftern Vergleiche abzuschließen. Da er den Vergleich durch vollständige Zahlung des in der dortigen Ziff. 3 vorgesehenen Betrages erfüllt habe, seien die gegen die C GbR gerichteten Forderungen des Klägers, darunter die hier streitgegenständliche, erloschen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen, weil der geltend gemachte Anspruch nicht mehr besteht.
1. Die von dem Kläger geltend gemachte Forderung ist durch den Abschluss eines Erlassvertrags im Rahmen des gerichtlichen Vergleichs zwischen der Insolvenzverwalterin und dem Beklagten erloschen.
Die Insolvenzverwalterin über das Vermögen der C GbR hat mit dem Beklagten am 10. September 2003 vor dem Landgericht Rostock im Verfahren - 10 O 141/03 - einen wirksamen Prozessvergleich geschlossen. Ein Prozessvergleich fällt unter § 779 BGB, da er zwar Prozesshandlung ist, aber auch materiell-rechtlicher Vertrag, sog. Doppelnatur (BGH 21. März 2000 - IX ZR 39/99 - NJW 2000, 1942; 30. September 2005 - V ZR 275/04 - BGHZ 164, 190). Teil dieses Vergleichs war gemäß der Ziff. 3 ein Erlassvertrag hinsichtlich der persönlichen Haftung des Beklagten für sämtliche von Ziff. 1 des Vergleichs erfassten Forderungen. Hierzu zählten auch die Forderungen des Klägers gegen die C GbR, darunter die streitgegenständliche Forderung. Der Erlass ist ein verfügender Vertrag und bewirkt das Erlöschen des Schuldverhältnisses (Palandt/Grüneberg BGB 66. Aufl. § 397 Rn. 3). Der Erlass war gem. Ziff. 3 des Vergleichs davon abhängig, dass der Beklagte bis zum 31. Dezember 2004 einen Betrag iHv. 4.500,00 Euro an die Insolvenzverwalterin zahlte. Die Parteien haben damit den Erlass unter den Eintritt einer Bedingung gestellt. Diese Bedingung ist unstreitig infolge pünktlicher und vollständiger Zahlung des Beklagten an die Verwalterin eingetreten.
2. Die Insolvenzverwalterin war auch gem. § 93 InsO befugt, den Vergleich nebst dem seinen Bestandteil bildenden bedingten Erlassvertrag mit Wirkung für und gegen den Kläger abzuschließen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Geltendmachung der hier streitgegenständlichen Forderung durch die Insolvenzverwalterin lagen vor.
a) § 93 InsO findet Anwendung auf die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft in der Insolvenz von Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit. Nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO zählt dazu auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts wie die C GbR. Mit Beschluss des Amtsgerichts Rostock vom 3. September 2001 - 60 IN 161/01 - wurde über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung durch die Insolvenzverwalterin und zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses dauerte das Insolvenzverfahren an. Allerdings umfasst die Ermächtigung zur Geltendmachung durch den Insolvenzverwalter nur Haftungsansprüche der Gesellschaftsgläubiger, die ihre Forderungen im Verfahren anmelden (MünchKommInsO-Brandes 2. Aufl. § 93 Rn. 14; zu § 171 Abs. 2 HGB vgl. BGH 19. Mai 1958 - II ZR 83/57 - NJW 1958, 1139). Auch diese Voraussetzung war aber erfüllt, denn der Kläger hatte die streitgegenständliche Forderung im Insolvenzverfahren zur Tabelle angemeldet.
b) Die Befugnis des Insolvenzverwalters zur Geltendmachung der persönlichen Haftung des Gesellschafters umfasst auch das Recht, mit dem Gesellschafter im Rahmen eines Vergleichs einen Erlassvertrag abzuschließen, sofern dieser Vergleich nicht objektiv dem Insolvenzzweck zuwiderläuft. Dies ergibt die Auslegung des § 93 InsO.
aa) § 93 InsO bewirkt - wie § 171 Abs. 2 HGB - keine cessio legis; vielmehr wird der Verwalter treuhänderisch ermächtigt, Forderungen der Gläubiger gebündelt einzuziehen (sog. Ermächtigungsfunktion, MünchKommInsO-Brandes 2. Aufl. § 93 Rn. 14; Prütting ZIP 1997, 1725; zu § 171 Abs. 2 HGB vgl. BGH 17. September 1964 - II ZR 162/62 - BGHZ 42, 192; 19. Mai 1958 - II ZR 83/57 - NJW 1958, 1139). Da die Gesellschaftsgläubiger materiellrechtlich Anspruchsinhaber bleiben (Kübler/Prütting/Lüke InsO Losebl. Stand Juli 2007 § 93 Rn. 16), bildet § 93 InsO keine eigenständige Anspruchsgrundlage zugunsten des Insolvenzverwalters (Hammes in Hess InsO § 93 Rn. 4; MünchKommInsO-Brandes aaO). Bei der gerichtlichen Geltendmachung wird der Insolvenzverwalter als gesetzlicher Prozessstandschafter der einzelnen Gläubiger tätig, so dass der in Anspruch genommene Gesellschafter durch Zahlung an den Insolvenzverwalter konkrete Gläubigerforderungen zum Erlöschen bringt (BGH 9. Oktober 2006 - II ZR 193/05 - DB 2007, 51; Eickmann in HK-InsO 4. Aufl. § 93 Rn. 1; MünchKommInsO-Brandes aaO). Zweck der Regelung ist, einen Wettlauf der Gläubiger um die Abschöpfung der Haftsummen zu verhindern, den Haftungsanspruch der Masse zuzuführen und auf diese Weise den Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger auf die Gesellschafterhaftung auszudehnen (vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 140; MünchKommInsO-Brandes aaO). Eine möglichst weitgehende Reduzierung der Haftung zu Gunsten der Masse vermag der Insolvenzverwalter bei einem zahlungsschwachen Gesellschafter insbesondere durch den Abschluss eines Vergleichs sicherzustellen, durch den der Gesellschafter nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu einem Beitrag verpflichtet wird. Dagegen hat die kompromisslose gerichtliche Geltendmachung und anschließende Zwangsvollstreckung bei finanziell schlecht gestellten Haftenden, insbesondere wegen der zu beachtenden Vorschriften zum Vollstreckungsschutz bzw. zur Unpfändbarkeit (§§ 765a, 811, 850 ff. ZPO), oft keinen wirtschaftlichen Erfolg. Gleiches gilt für die Beantragung eines Insolvenzverfahrens über das Privatvermögen des haftenden Gesellschafters. Zu Recht bejaht deshalb die überwiegende Meinung im Schrifttum eine Befugnis des Insolvenzverwalters zum Vergleichsschluss (Krüger NZI 2002, 367; MünchKommInsO-Brandes aaO; Hammes in Hess InsO § 93 Rn. 77; Hmb-Komm/Pohlmann 2. Aufl. § 93 InsO Rn. 35; BK-InsO-Blersch/v. Olshausen Losebl. Stand Juli 2003 § 93 Rn. 7; MünchKommHGB-K. Schmidt 2. Aufl. § 128 Rn. 85; Gottwald/Haas Insolvenzrechts-Handbuch 3. Aufl. § 94 Rn. 91 iVm. § 92 Rn. 520; Runkel/Schmidt ZInsO 2007, 578; unklar Hirte in Uhlenbruck InsO 12. Aufl. § 93 Rn. 6).
bb) Die Entstehungsgeschichte der Norm spricht ebenfalls dafür, den Umfang der Befugnisse des Insolvenzverwalters weit auszulegen. Ihre Aufnahme in die neu geschaffene Insolvenzordnung geht zurück auf Karsten Schmidt, der bereits im Gutachten für den 54. Deutschen Juristentag 1982 forderte, die bis dahin vereinzelte und nur auf die beschränkte Kommanditistenhaftung anwendbare Bestimmung des § 171 Abs. 2 HGB solle Vorbild für ein allgemeines Konzept werden (Karsten Schmidt Gutachten zum 54. DJT, D 46, 47; ders. JZ 1985, 301, 303; ders. ZGR 1986, 205; ders. Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen 1990, 81). Im Regierungsentwurf (BT-Drucks. 12/2443 S. 140) wird maßgeblich darauf abgestellt, dass die persönliche Haftung der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger zugute kommen soll. Im Interesse der gleichmäßigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger wirke die Vorschrift darauf hin, dass sich keiner dieser Gläubiger in der Insolvenz der Gesellschaft durch einen schnelleren Zugriff auf persönlich haftende Gesellschafter Sondervorteile verschaffe. Zugleich werde verhindert, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft mangels Masse abgewiesen werden müsse, obwohl ein persönlich haftender Gesellschafter über ausreichendes Vermögen verfüge. Diesen Beitrag zur Überwindung der Massearmut kann § 93 InsO in der Praxis aber oft nur entfalten, wenn man den Insolvenzverwalter zum Vergleichsschluss für befugt hält. Er kann auf diese Weise der Masse zügig und rechtssicher Mittel zuführen, während er ansonsten auf einen ggf. langwierigen, mit rechtlichen Unsicherheiten behafteten Prozess angewiesen wäre, dem sich oftmals fruchtlose Vollstreckungsversuche anschließen.
cc) Entgegen der Auffassung der Revisionsbegründung spricht der Wortlaut des § 93 InsO nicht gegen die Annahme einer Befugnis des Insolvenzverwalters zum Abschluss von Vergleichen. Die Formulierung, dass der Insolvenzverwalter zur Geltendmachung lediglich "während der Dauer des Insolvenzverfahrens" berechtigt sein solle, lässt nicht darauf schließen, dass auf diesem Wege den Gläubigern ihre Forderungen - soweit nicht im Verlaufe des Insolvenzverfahrens befriedigt - in jedem Fall erhalten bleiben sollen. Sie entspringt nur der Notwendigkeit, das Schicksal der Forderung für den Fall zu regeln, dass sie vom Insolvenzverwalter, zum Beispiel auf Grund zweifelhafter Erfolgsaussichten, nicht oder ohne Erfolg geltend gemacht wird. Der Anspruch soll dann nach Abschluss des Insolvenzverfahrens an den Gläubiger zurückfallen. Besitzt der Insolvenzverwalter aber die Möglichkeit, für eine - sei es auch nur teilweise - gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger zu sorgen, so genießt dies nach der Intention des Gesetzgebers Vorrang. Von diesem Vorrang ist auch die Situation erfasst, dass unter Erlass des übrigen Betrages nur ein Teil der gesamten Forderungssumme im Vergleichswege beigebracht werden kann. Hinzu kommt, dass der mit dem teilweisen Erlass verbundene Anspruchsverlust der Gläubiger keinen Eingriff in deren Rechtspositionen darstellt, der nach den Vorschriften der Insolvenzordnung nicht auch auf andere Weise drohte. Zu berücksichtigen ist, dass ein Gesellschafter auch auf Grund eines im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft abgeschlossenen Insolvenzplans von seiner persönlichen Haftung gemäß § 227 Abs. 2 InsO befreit werden kann. Zudem wird ein wirtschaftlich überforderter Gesellschafter für den Fall einer im Anschluss an das Insolvenzverfahren über die Gesellschaft erfolgenden persönlichen Inanspruchnahme regelmäßig die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Privatvermögen und die Restschuldbefreiung nach § 286 ff. InsO beantragen (MünchKommInsO-Brandes 2. Aufl. § 93 Rn. 1; Kübler/Prütting/Lüke InsO Losebl. Stand Juli 2007 § 93 Rn. 53), wodurch die Forderungen der Gläubiger ebenfalls erlöschen können.
dd) Die materiellrechtlich beim einzelnen Gesellschaftsgläubiger verbleibende Verfügungsbefugnis steht dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen (BK-InsO-Blersch/v. Olshausen Losebl. Stand Juli 2003 § 93 Rn. 7; vgl. auch Hmb-Komm/Pohlmann 2. Aufl. § 93 InsO Rn. 36). So kann nach hM etwa auch der Rechtsvorgänger im Rahmen des § 265 Abs. 2 ZPO nach Veräußerung der Streitsache wirksam einen (Prozess-)Vergleich schließen, der den Rechtsnachfolger als verfügungsbefugten Rechtsinhaber prozessual und materiell bindet (BGH 14. Mai 1986 - IVa ZR 146/85 - NJW-RR 1987, 307; Hmb-Komm/Pohlmann aaO).
ee) Der abgeschlossene Vergleich wirkt nicht für und gegen die Gesellschaftsgläubiger, wenn er dem Insolvenzzweck objektiv zuwiderläuft (Krüger NZI 2002, 367; MünchKommInsO-Brandes 2. Aufl. § 93 Rn. 14). Das ist insbesondere der Fall, wenn dem persönlich haftenden Gesellschafter im Vergleichswege seine Verbindlichkeiten ganz oder teilweise erlassen werden, ohne dass der Masse eine Gegenleistung zufließt. Vorliegend bestehen für einen insolvenzzweckwidrigen Vergleichsinhalt keine Anhaltspunkte. Die Masse ist infolge des Vergleichs um eine mit 4.500,00 Euro nicht ganz unbedeutende Summe bereichert worden. Ob die Insolvenzverwalterin damit optimal im Interesse der Insolvenzmasse gehandelt hat, ist für die Wirksamkeit des Vergleichs nicht entscheidend.
ff) Keiner der Gläubiger hat infolge des Vergleichsabschlusses Sondervorteile erlangt. Die Insolvenzverwalterin hat sämtliche zur Tabelle festgestellten Forderungen geltend gemacht und sich darüber mit dem Beklagten verglichen. Deshalb kann dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen solche Sondervorteile dazu führen könnten, dass der einzelne Gläubiger den Vergleich nicht gegen sich gelten lassen muss (vgl. dazu Krüger NZI 2002, 367; MünchKommInsO-Brandes 2. Aufl. § 93 Rn. 14).
gg) Mit einer Freigabe der von § 93 InsO erfassten Ansprüche an einen einzelnen Gesellschaftsgläubiger ist der Abschluss eines Vergleichs mit dem persönlich haftenden Gesellschafter nicht gleichzusetzen. Die Verlagerung der Einziehungsbefugnis durch Freigabe ist von der organschaftlichen Befugnis des Insolvenzverwalters nicht erfasst.
c) Soweit der Kläger geltend macht, die Insolvenzverwalterin hätte die Abgeltung der Forderungen nicht auf die Zahlung eines derart geringen Betrages hin zulassen dürfen, da bei Vergleichsabschluss ersichtlich gewesen sei, dass der Beklagte über Vermögen in Gestalt eines hälftigen Miteigentumsanteils an einem Hausgrundstück verfügte, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Die Bindungswirkung des von der Insolvenzverwalterin abgeschlossenen Vergleichs für und gegen die Gläubiger hängt nicht davon ab, dass der Umfang des vergleichsweisen Erlasses die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Gesellschafters zutreffend widerspiegelt. Fraglos trifft den Insolvenzverwalter gerade im Fall des § 93 InsO, in dem er als bloßer Treuhänder von Fremdrechten tätig wird, eine Verpflichtung zu sorgfältigem Handeln. Er hat insbesondere vor dem Abschluss eines Vergleichs mit Erlasscharakter, der sich auf wirtschaftliche Motive gründet, auf einer umfassenden Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Haftenden zu bestehen, sich behauptete Belastungen im Einzelnen nachweisen zu lassen und bei Vorhandensein werthaltigen Vermögens eine sorgfältige Einschätzung über den im Wege der Zwangsvollstreckung voraussichtlich erzielbaren Erlös vorzunehmen. Rechtsfolge eines etwaigen schuldhaften Verstoßes der Insolvenzverwalterin gegen diese Verpflichtungen ist jedoch ihre eigene Haftung. Die Gläubiger sind durch diese Verwalterhaftung aus § 60 InsO ausreichend geschützt (Krüger NZI 2002, 367; BK-InsO-Blersch/v. Olshausen Losebl. Stand Juli 2003 § 93 Rn. 7, Fn. 23; Hmb-Komm/Pohlmann 2. Aufl. § 93 InsO Rn. 35).
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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