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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 10.04.2008
Aktenzeichen: 6 AZR 381/07
Rechtsgebiete: LBesG, Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, BAT, Landesverordnung über die Gewährung von Beihilfen, Landesverordnung zur Aufhebung der Beihilfeverordnung


Vorschriften:

LBesG Schleswig-Holstein § 12 Abs. 2
Verfassung des Landes Schleswig-Holstein Art. 38
BAT § 40
Landesverordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen an Arbeitnehmer und Auszubildende vom 9. Oktober 1987 (GVOBl. Schleswig-Holstein 1987 S. 321)
Landesverordnung zur Aufhebung der Beihilfeverordnung vom 6. November 2003 (GVOBl. Schleswig-Holstein 2003 S. 566)
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

6 AZR 381/07

Verkündet am 10. April 2008

In Sachen

hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der Beratung vom 10. April 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Fischermeier, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Linck und Dr. Zwanziger sowie den ehrenamtlichen Richter Klapproth und die ehrenamtliche Richterin Leising für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 4. April 2007 - 6 Sa 160/06 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Gewährung von Beihilfe für stationäre ärztliche Leistungen. Der am 3. Oktober 1942 geborene Kläger trat am 26. Januar 1970 als Medizinalassistent in die Dienste der Stadt D. Im unmittelbaren Anschluss an die dortige Beschäftigung war er ab dem 1. Oktober 1979 im öffentlichen Dienst des Landes Schleswig-Holstein tätig. Vom 1. September 1986 bis zum 30. Juni 1992 arbeitete der Kläger für den D A A (DAAD) in Tansania. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland war er in der Zeit vom 1. Juli bis zum 15. August 1992 beschäftigungslos. Seit dem 16. August 1992 ist der Kläger bei der beklagten Anstalt bzw. deren Rechtsvorgänger, dem Land Schleswig-Holstein, als angestellter Oberarzt am Institut für Pathologie beschäftigt. Der Kläger ist auf Grund seines Bruttoarbeitsverdienstes, der über der Jahresarbeitsentgeltgrenze des § 6 Abs. 6 und 7 SGB V liegt, in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden Kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und die diesen Tarifvertrag ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung.

§ 40 BAT bestimmt:

"Beihilfen bei Geburts-, Krankheits- und Todesfällen, Unterstützungen

Für die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen sowie von Unterstützungen werden die bei dem Arbeitgeber jeweils geltenden Bestimmungen angewendet. ..."

In Schleswig-Holstein galt zum Zeitpunkt des am 16. August 1992 begründeten Arbeitsverhältnisses des Klägers zunächst die Landesverordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen an Arbeitnehmer und Auszubildende vom 9. Oktober 1987 (GVOBl. Schleswig-Holstein 1987 S. 321 - Beihilfeverordnung -). In dieser Verordnung heißt es unter § 1 Abs. 1:

"Für die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen an Angestellte, Arbeiter und Auszubildende der in § 1 Abs. 1 des Landesbesoldungsgesetzes genannten Träger der öffentlichen Verwaltung sind die aufgrund des § 95 Abs. 2 des Landesbeamtengesetzes für die Beamten des Landes geltenden Vorschriften des Bundes in ihrer jeweils geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden."

Diese Verordnung wurde durch die Landesverordnung zur Aufhebung der Beihilfeverordnung vom 6. November 2003 (GVOBl. Schleswig-Holstein 2003 S. 566 - Aufhebungsverordnung -) aufgehoben. Dort ist bestimmt:

"Artikel 1

Die Landesverordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen an Arbeitnehmer und Auszubildende (Beihilfeverordnung - BhVO -) vom 9. Oktober 1987 (GVOBl. Schl.-H. S. 321), geändert durch Verordnung vom 25. April 1989 (GVOBl. Schl.-H. S. 52), Zuständigkeiten und Ressortbezeichnungen zuletzt ersetzt durch Verordnung vom 16. September 2003 (GVOBl. Schl.-H. S. 503), wird aufgehoben.

Artikel 2

1. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bereits bis zum 30. September 1970 eingestellt wurden und seither in einem ununterbrochenen Beschäftigungsverhältnis zu einem der in § 1 Abs. 1 des Landesbesoldungsgesetzes genannten Träger der öffentlichen Verwaltung gestanden haben, erhalten weiterhin Beihilfen.

2. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die am 1. Januar 2004 das 40. Lebensjahr vollendet haben und bis zur Aufhebung der Landesverordnung in Artikel 1 volle Beihilfe auf Grund einer beihilfekonformen Privatversicherung erhielten, erhalten weiterhin entsprechend diesen Voraussetzungen eine Beihilfe in Anwendung des § 95 Abs. 2 Landesbeamtengesetz.

3. Das Finanzministerium regelt weitere Voraussetzungen, Umfang und Höhe durch Erlass.

Artikel 3 Diese Landesverordnung tritt am 1. Januar 2004 in Kraft."

In Absatz 4 des Erlasses des Finanzministeriums vom 6. November 2003 heißt es:

"...

Beihilfekonform privat versicherte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen zu ihren Krankenversicherungsbeiträgen kein Zuschuss im Sinne des § 257 Abs. 2 SGB V von ihrem Arbeitgeber gewährt wird, erhalten weiterhin eine Beihilfe nach den Beihilferegelungen des Landes. Voraussetzung ist, dass diese Personen am 1. Januar 2004 das 40. Lebensjahr vollendet haben (Artikel 2 Nr. 2 der Landesverordnung zur Aufhebung der Beihilfeverordnung). Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die am 1. Januar 2004 das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben, haben keinen Anspruch mehr auf die Gewährung von Beihilfe. Diesem Personenkreis wird empfohlen, ihren Versicherungsschutz auf Grund des Wegfalls des Anspruches auf die Gewährung von Beihilfe anzupassen.

..."

Der Kläger erhielt von der Beklagten bis zum 31. Dezember 2003 Beihilfeleistungen auf der Grundlage der Beihilfeverordnung. Zur Abdeckung der nicht von der Beihilfe getragenen Kosten unterhielt der Kläger eine private Krankenversicherung. Hierfür zahlte er einen Beitrag von 491,02 Euro (einschließlich Pflegeversicherung). Die Beklagte leistete hierzu einen Zuschuss in Höhe von 232,31 Euro (einschließlich Pflegeversicherung). Nach Erlass der Aufhebungsverordnung änderte der Kläger seinen Krankenversicherungsvertrag mit Wirkung vom 1. Januar 2005. Nach dem Tarifwechsel beträgt sein Krankenversicherungsbeitrag (einschließlich Pflegeversicherung) 953,32 Euro.

Vom 31. Mai bis zum 4. Juni 2005 unterzog sich der Kläger einer stationären Behandlung. Hierfür wurde ihm einschließlich der Kosten für eine Chefarztbehandlung ein Betrag in Höhe von 3.862,49 Euro in Rechnung gestellt. Der Kläger beantragte hierfür im Oktober 2005 ohne Erfolg die Gewährung von Beihilfe. Mit seiner Klage begehrt er die Zahlung einer Beihilfe in Höhe von 50 % der angefallenen Kosten.

Der Kläger hat ua. geltend gemacht, die Beklagte sei nach Art. 2 Nr. 2 der Aufhebungsverordnung zur Zahlung der Beihilfe verpflichtet. Dieser Anspruch habe durch den Erlass des Finanzministeriums nicht wirksam eingeschränkt werden können.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.931,25 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags geltend gemacht, die Voraussetzungen des Art. 2 Nr. 2 Aufhebungsverordnung lägen nicht vor, denn der Kläger erhalte von der Beklagten gemäß § 257 Abs. 2 SGB V einen Zuschuss zu seinem Krankenversicherungsbeitrag. Diese weitere Voraussetzung für die Gewährung einer Vergünstigung habe auch wirksam durch den Erlass des Finanzministeriums festgelegt werden können. Schließlich seien in den streitgegenständlichen Aufwendungen wahlärztliche Leistungen enthalten, die bereits seit 1998 von der Beihilfe ausgeschlossen seien.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist begründet.

I. Der Kläger hat nach Art. 2 Nr. 2 der Aufhebungsverordnung vom 6. November 2003 einen Anspruch auf Beihilfe. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, in Absatz 4 des Erlasses des Finanzministeriums vom 6. November 2003 seien die in Art. 2 Nr. 2 der Aufhebungsverordnung bestimmten Voraussetzungen für die Gewährung von Beihilfe ab dem 1. Januar 2004 wirksam eingeschränkt worden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht. Auf der Grundlage des bislang festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht entscheiden, in welcher Höhe die Klage begründet ist.

1. Die gesetzliche Grundlage für eine Regelung der Gewährung von Beihilfe für Arbeitnehmer und Auszubildende im öffentlichen Dienst war in Schleswig-Holstein zum Zeitpunkt des Erlasses der Aufhebungsverordnung vom 6. November 2003 § 12 Abs. 2 LBesG idF vom 23. Januar 1998 (GVOBl. Schleswig-Holstein 1998 S. 37, 62). Danach bestimmt das Ministerium für Finanzen und Energie die Gewährung von Beihilfen an Angestellte, Arbeiterinnen und Arbeiter sowie Auszubildende, soweit tarifvertragliche Regelungen nicht entgegenstehen, durch Verordnung. Darin ist zu regeln, (1) welche Aufwendungen beihilfefähig sind, (2) unter welchen Voraussetzungen eine Beihilfe zu gewähren ist, (3) unter welchen Voraussetzungen sie gewährt werden kann und (4) wie hoch sie unter Berücksichtigung des Familienstandes zu bemessen ist.

2. Art. 2 Nr. 3 der Aufhebungsverordnung vom 6. November 2003 und die Regelung in Absatz 4 des Erlasses des Finanzministeriums vom 6. November 2003 sind von der Ermächtigungsgrundlage des § 12 Abs. 2 LBesG nicht gedeckt.

a) Nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Landes Schleswig- Holstein muss das Gesetz, das die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung erteilt, Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen. Ist durch Gesetz vorgesehen, dass eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, bedarf es nach Art. 38 Abs. 2 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein zu ihrer Übertragung einer Rechtsverordnung.

b) § 12 Abs. 2 LBesG ermächtigt das Ministerium für Finanzen und Energie, die Gewährung von Beihilfen an Angestellte, Arbeiterinnen und Arbeiter sowie Auszubildende, soweit tarifvertragliche Regelungen nicht entgegenstehen, durch Verordnung zu bestimmen. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 LBesG ist in der Verordnung zu regeln, unter welchen Voraussetzungen eine Beihilfe zu gewähren ist. Damit hat der Landesgesetzgeber dem Ministerium für Finanzen und Energie zwar die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung erteilt. Das Ministerium ist gemäß § 12 Abs. 2 LBesG jedoch nicht dazu befugt, durch Verwaltungsvorschriften im Wege eines Erlasses die Voraussetzungen der Beihilfegewährung weiter einzuschränken, als dies in der Rechtsverordnung selbst erfolgt ist. Die von der Exekutive erlassenen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften bzw. Erlasse müssen sich nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung im Rahmen des Rechts und der Gesetze bewegen (Möstl in Erichsen/Ehlers AllgVerwR 13. Aufl. § 19 Rn. 17 ff. mwN). Enthalten sie Rechtssätze, die einem höherrangigen Rechtssatz widersprechen, sind sie ungültig (Stober in Wolff/Bachof/Stober/Kluth Verwaltungsrecht I 12. Aufl. § 30 Rn. 5). Danach ist Art. 2 Nr. 3 der Aufhebungsverordnung vom 6. November 2003 unwirksam.

c) Der Erlass des Finanzministeriums vom 6. November 2003 grenzt den Kreis der Beihilfeberechtigten über die Regelung in Art. 2 Nr. 2 der Aufhebungsverordnung vom 6. November 2003 hinaus weiter ein. Während nach Art. 2 Nr. 2 der Aufhebungsverordnung Arbeitnehmer, die am 1. Januar 2004 das 40. Lebensjahr vollendet haben und bis zur Aufhebung der Beihilfeverordnung 1987 volle Beihilfe auf Grund einer beihilfekonformen Privatversicherung erhielten, weiterhin beihilfeberechtigt sind, erhalten nach dem Erlass nur beihilfekonform versicherte Arbeitnehmer, denen zu ihren Krankenversicherungsbeiträgen kein Zuschuss iSd. § 257 Abs. 2 SGB V von ihrem Arbeitgeber gewährt wird, weiterhin eine Beihilfe nach den Beihilferegelungen des Landes. Auf die Zuschussgewährung kommt es nach der Aufhebungsverordnung selbst nicht an. Mangels Wirksamkeit von Art. 2 Nr. 3 der Aufhebungsverordnung widerspricht der Erlass insoweit Art. 2 Nr. 2 der Verordnung als höherrangigem Recht und ist damit in diesem Umfang ungültig.

3. Der Kläger ist nach Art. 2 Nr. 2 der Aufhebungsverordnung vom 6. November 2003 auch über den 31. Dezember 2003 weiterhin beihilfeberechtigt. Er war am 1. Januar 2004 61 Jahre alt und hatte damit das 40. Lebensjahr vollendet. Bis zur Aufhebung der Beihilfeverordnung vom 9. Oktober 1987 zum 31. Dezember 2003 erhielt er volle Beihilfe auf Grund einer beihilfekonformen Privatversicherung.

4. Das Landesarbeitsgericht hat von seinem Standpunkt aus konsequent keine Feststellungen zur Höhe des erhobenen Zahlungsanspruchs getroffen.

Dies wird nachzuholen sein. Die Beklagte hat insoweit geltend gemacht, die streitgegenständlichen Aufwendungen seien zum Teil nicht beihilfefähig. Weiter wird zu berücksichtigen sein, dass der Kläger zu dem Zeitpunkt, als er die hier streitigen stationären und ärztlichen Leistungen in Anspruch nahm, im Tarif AV1 der Allianz versichert war und die errechnete Beihilfe zusammen mit den aus demselben Anlass gewährten Leistungen aus einer Krankenversicherung die dem Grunde nach beihilfefähigen Aufwendungen nicht übersteigen darf (§ 7 Abs. 1 der Landesverordnung über die Gewährung von Beihilfen an Beamtinnen und Beamte in Schleswig-Holstein vom 21. September 2004, GVOBl. Schleswig-Holstein 2004 S. 372, ber. S. 404). Der Kläger hat bislang keine Angaben dazu gemacht, welche Leistungen er von seiner privaten Krankenversicherung hinsichtlich der beiden streitgegenständlichen Rechnungen erhalten hat.

II. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Ende der Entscheidung

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