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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 29.01.1998
Aktenzeichen: 6 AZR 507/96
Rechtsgebiete: TVG, TV Ang-O, GG


Vorschriften:

TVG § 1 DDR
TV Ang-O § 16
TV Ang-O § 17
Übergangsvorschriften Nr. 1 a letzter Satz zu § 16
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsatz:

Eine Verpflichtung zu informeller Mitarbeit für das Ministerium für Staatssicherheit ist im Zweifel als in dem Zeitpunkt beendet anzusehen, in dem der Anlaß wegfiel, aus dem sie erklärt worden war. Behauptet der Arbeitgeber, die Verpflichtung habe nach diesem Zeitpunkt fortbestanden, oder sie habe sich auf weitere Gegenstände erstreckt, ist er dafür darlegungs- und beweispflichtig.

Hinweise des Senats:

Hinsichtlich der Voraussetzungen einer "Tätigkeit für das MfS" vgl. heutiges Urteil des Senats in der Sache 6 AZR 360/96, hinsichtlich der Voraussetzungen einer der Tätigkeit gleichstehenden "Verpflichtung zu informeller/inoffizieller Mitarbeit" vgl. heutiges Urteil des Senats in der Sache 6 AZR 300/96 (beide zur Veröffentlichung bestimmt).

Aktenzeichen: 6 AZR 507/96 Bundesarbeitsgericht 6. Senat Urteil vom 29. Januar 1998 - 6 AZR 507/96 -

I. Arbeitsgericht Potsdam Urteil vom 11. Oktober 1995 - 4 Ca 1284/95 -

II. Landesarbeitsgericht Brandenburg Urteil vom 11. Juni 1996 - 8 Sa 751/95 -


---------------------------------------------------------------------- Für die Amtliche Sammlung: Ja Für die Fachpresse : Ja Für das Bundesarchiv : Ja ----------------------------------------------------------------------

Entscheidungsstichworte: Postdienstzeit - Tätigkeit für das MfS

Gesetz: TVG § 1 Tarifverträge: DDR; TV Ang-O §§ 16, 17, Übergangs- vorschriften Nr. 1 a letzter Satz zu § 16; GG Art. 3 Abs. 1

6 AZR 507/96 ------------- 8 Sa 751/95 Brandenburg

Im Namen des Volkes!

Verkündet am 29. Januar 1998

U r t e i l

Backes, Reg.-Hauptsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In Sachen

pp.

hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. Januar 1998 durch den Vizepräsidenten Dr. Peifer, die Richter Dr. Freitag und Dr. Armbrüster sowie den ehrenamtlichen Richter Söller und die ehrenamtliche Richterin de Hair für Recht erkannt:

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 11. Juni 1996 - 8 Sa 751/95 - in der Kostenentscheidung und insoweit aufgehoben, als es die Zeiten vom 1. Dezember 1969 bis zum 27. März 1986 betrifft.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 11. Oktober 1995 - 4 Ca 1284/95 - in der Kostenentscheidung und insoweit abgeändert, als es die Zeiten vom 1. Dezember 1969 bis zum 27. März 1986 betrifft, und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Es wird festgestellt, daß als Postdienstzeit des Klägers die Zeit ab dem 29. Februar 1988 zu berücksichtigen ist.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die weitergehende Revision und die weitergehende Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 9/10 und die Beklagte 1/10.

Von Rechts wegen!

T a t b e s t a n d :

Die Parteien streiten darüber, ob die Zeit, die der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zur Deutschen Post zurückgelegt hat, als Postdienstzeit/Dienstzeit zu berücksichtigen ist.

Der Kläger war seit dem 1. Dezember 1969 bei der Deutschen Post der ehemaligen DDR im Funkamt S beschäftigt. Seit dem Jahre 1975 gehört er dem Stab des Zivilschutzes an. Für ihn galt die Geheimhaltungsstufe GVS (Geheime Verschlußsache), die ihn u.a. verpflichtete, jeden "West-Kontakt" zu melden. Mit der Wiedervereinigung ging sein Arbeitsverhältnis auf die Deutsche Bundespost und nach deren Privatisierung auf die Beklagte, die Deutsche Telekom AG, über. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag für die Angestellten der Deutschen Bundespost im Beitrittsgebiet (TV Ang-O) in seiner jeweiligen Fassung Anwendung.

Durch Tarifvertrag Nr. 401 e über die Anerkennung früherer Beschäftigungszeiten für die Angestellten im Beitrittsgebiet vom 5. Februar 1992, der rückwirkend zum 1. Dezember 1991 in Kraft trat, wurde folgende Regelung über die Postdienstzeit in den TV Ang-O eingefügt:

§ 16

Postdienstzeit

(1) Postdienstzeit ist die bei der Deutschen Bundespost/Deutschen Post und der Landespostdirektion Berlin in einem Ausbildungs-, Arbeits- oder Beamtenverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist; ...

...

Ist ein von den vorstehenden Regelungen erfaßtes Ausbildungs-, Arbeits- oder Beamtenverhältnis aus arbeitnehmerseitigem Verschulden beendet worden, so gelten die vor dem Ausscheiden liegenden Zeiten nicht als Postdienstzeit. Bei den Unternehmen Postdienst und Telekom kann die zuständige Direktion, bei dem Unternehmen Postbank kann die Generaldirektion Postbank jedoch solche Zeiten im Einzelfalle nach billigem Ermessen ganz oder zu einem Teil als Postdienstzeit anrechnen. ...

Übergangsvorschriften:

1. für Zeiten vor dem 1. Januar 1991

Von der Berücksichtigung als Postdienstzeit sind ausgeschlossen

a) Zeiten jeglicher Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit (einschließlich der Verpflichtung zu informeller/inoffizieller Mitarbeit),

b) Zeiten einer Tätigkeit als Angehöriger der Grenztruppen der DDR,

c) Zeiten einer Tätigkeit, die aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden war.

...

Von einer Berücksichtigung als Postdienstzeit ausgeschlossen sind auch Zeiten, die vor einer Tätigkeit im Sinne der Buchstaben a), b) und c) zurückgelegt worden sind.

Nach § 17 Abs. 1 Buchst. a TV Ang-O umfaßt die Dienstzeit auch die Postdienstzeit.

In seinem Antrag auf Anerkennung von Vordienstzeiten als Postdienstzeit vom 9. August 1992 gab der Kläger an, keine Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) ausgeübt zu haben. Die Beklagte rechnete daraufhin die Zeit ab dem 1. Dezember 1969 als Postdienstzeit an.

Mit Schreiben vom 23. August 1993 wurde der Beklagten in einem Einzelbericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (Gauck-Bericht) mitgeteilt, daß der Kläger seit dem 28. Februar 1986 als IMS (inoffizieller Mitarbeiter für Sicherheit) unter dem Decknamen "Johannes" registriert worden sei.

Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung erklärte der Kläger unter dem 24. Januar 1994, er habe im Jahre 1986 in seiner Dienststelle einen Brief von einer ehemaligen in die Bundesrepublik ausgereisten Bekannten erhalten. Dies habe er der Kaderleitung gemeldet, woraufhin ihn etwa eine Woche später ein Mitarbeiter des MfS aufgesucht habe. Dieser habe ihm den Auftrag gegeben, den schriftlichen Kontakt zu seiner Bekannten zu halten. Nach anfänglicher Weigerung habe er sich hierzu bereit erklärt. Zwischen dem 27. März 1986 und dem 28. Februar 1988 habe er insgesamt acht Briefe belanglosen Inhalts geschrieben, die sämtlich beantwortet worden seien. Jeweils nach Eingang der Antwortbriefe sei der MfS Mitarbeiter bei ihm im Betrieb erschienen und habe mit ihm über den Brief gesprochen. Da sich die Korrespondenz insgesamt als harmlos erwiesen habe, habe er Anfang 1988 darauf bestanden, sie zu beenden. Er sei daraufhin in dieser Angelegenheit vom MfS nicht mehr angesprochen worden. Im Frühjahr 1989 sei er schließlich von einem MfS-Mitarbeiter zur Flucht seiner geschiedenen Ehefrau in die Bundesrepublik befragt worden.

Mit Schreiben vom 21. April 1994 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß die Zeit vor dem 3. Oktober 1990 von der Berücksichtigung als Postdienstzeit nach Nr. 1 a der Übergangsvorschriften zu § 16 TV Ang-O ausgeschlossen sei.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Zeit seit dem 1. Dezember 1969 sei als Postdienstzeit/Dienstzeit zu berücksichtigen. Er habe keine Tätigkeit für das MfS im Sinne der tariflichen Bestimmungen ausgeübt, da ihm der Wille gefehlt habe, das MfS zu unterstützen. Auch habe er keine Verpflichtungserklärung abgegeben.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß seine Postdienstzeit/ Dienstzeit am 1. Dezember 1969 beginnt.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die gesamte Zeit, die der Kläger vor dem 3. Oktober 1990 bei der Deutschen Post zurückgelegt habe, sei von der Berücksichtigung als Postdienstzeit ausgeschlossen. Aufgrund des Gauck-Berichts und der persönlichen Anhörung des Klägers stehe fest, daß sich der Kläger bereit erklärt habe, für das MfS tätig zu werden und ab 27. März 1986 durch die Führung des Briefwechsels auch tätig geworden sei. Seine Verpflichtung sei auch nicht zeitlich begrenzt gewesen, so daß davon auszugehen sei, daß sie auch nach Beendigung des Briefwechsels im Februar 1988 fortbestanden habe. Deshalb sei die Zeit nach dem 28. Februar 1988 von der Berücksichtigung als Postdienstzeit nach Nr. 1 a der Übergangsvorschriften ausgeschlossen. Dies gelte nach Nr. 1 letzter Satz der Übergangsvorschriften auch für Zeiten, die vor seiner Tätigkeit für das MfS zurückgelegt worden seien.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich des Zeitraums vom 28. März 1986 bis 28. Februar 1988 abgewiesen und die Berufung der Beklagten im übrigen zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt die Beklagte auch insoweit Klageabweisung. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Revision ist nur zum Teil begründet. Sie führt zur Aufhebung des berufungsgerichtlichen Urteils und zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils hinsichtlich der Zeit vom 1. Dezember 1969 bis 27. März 1986. Insoweit ist die Klage abzuweisen. Im übrigen ist die Revision unbegründet. Die Zeit seit dem 29. Februar 1988 ist von der Berücksichtigung als Postdienstzeit und Dienstzeit nicht ausgeschlossen.

I. Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Zeit vom 28. März 1986 bis 28. Februar 1988 sei von der Berücksichtigung als Postdienstzeit nach Nr. 1 a der Übergangsvorschriften zu § 16 TV Ang-O ausgeschlossen, weil der Kläger während dieser Zeit durch die Führung des Briefwechsels bewußt mit dem MfS zusammengearbeitetet habe. Diese Tätigkeit sei zum 28. Februar 1988 unstreitig beendet worden. Bei seiner Vernehmung über die Flucht seiner geschiedenen Ehefrau im Jahre 1989 habe es sich nicht um eine Tätigkeit für das MfS gehandelt.

Soweit die Beklagte davon ausgehe, nach dem 28. Februar 1988 habe eine Verpflichtung zu inoffizieller Mitarbeit fortbestanden, reiche dies zur Begründung des Ausschlußtatbestandes schon deshalb nicht aus, weil bei inoffizieller Mitarbeit zusätzlich zu einer Verpflichtungserklärung die Ausübung einer Tätigkeit für das MfS zu fordern sei, die nach dem 28. Februar 1988 nicht mehr vorgelegen habe.

Soweit die vor der Tätigkeit des Klägers für das MfS zurückgelegten Zeiten vom 1. Dezember 1969 bis 27. März 1986 nach Nr. 1 letzter Satz der Übergangsvorschriften von der Berücksichtigung als Postdienstzeit ausgeschlossen seien, verstoße diese tarifliche Bestimmung gegen Artikel 3 Abs. 1 GG. Deshalb sei auch diese Zeit als Postdienstzeit im Sinne von § 16 Abs. 1 TV Ang-O zu berücksichtigen.

II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann im Ergebnis nur insoweit zugestimmt werden, als sie die Zeit ab dem 29. Februar 1988 betreffen. Diese ist von der Berücksichtigung als Postdienstzeit nicht ausgeschlossen. Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, auch die Zeit vom 1. Dezember 1969 bis 27. März 1986 sei von der Berücksichtigung als Postdienstzeit nicht ausgeschlossen, trifft dies nicht zu. Der Ausschluß von Zeiten, die vor einer Tätigkeit für das MfS zurückgelegt wurden, durch Nr. 1 letzter Satz der Übergangsvorschriften zu § 16 TV Ang-O verstößt, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, nicht gegen höherrangiges Recht.

1. Zwischen den Parteien ist in der Revisionsinstanz nicht mehr streitig, daß die Zeit vom 28. März 1986 bis 28. Februar 1988 nach Nr. 1 a der Übergangsvorschriften von der Berücksichtigung als Postdienstzeit ausgeschlossen ist. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger während dieser Zeit eine Tätigkeit für das MfS ausgeübt, indem er auf Veranlassung des MfS den Briefwechsel geführt und darüber berichtet hat. Damit ist er bewußt und gewollt im Sinne der Rechtsprechung des Senats (BAG Urteil vom 29. Januar 1998 - 6 AZR 360/96 - auch zur Veröffentlichung bestimmt) für das MfS tätig geworden. Die Abweisung seiner Klage auf Berücksichtigung dieser Zeit als Postdienstzeit und Dienstzeit ist rechtskräftig.

2. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Voraussetzungen des Ausschlußtatbestands der Nr. 1 a der Übergangsvorschriften für die Zeit nach dem 28. Februar 1988 abgelehnt. Dies folgt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts allerdings nicht schon daraus, daß allein eine Verpflichtung zur inoffiziellen Mitarbeit den Ausschlußtatbestand nicht begründen kann, sondern stets zusätzlich eine Tätigkeit für das MfS zu fordern ist, die beim Kläger nicht festgestellt werden kann. Vielmehr bestand für die Zeit nach dem 28. Februar 1988 keine Verpflichtung des Klägers zu inoffizieller Mitarbeit für das MfS mehr.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats (BAG Urteil vom 29. Januar 1998 - 6 AZR 300/96 - zur Veröffentlichung bestimmt) ist der Klammerzusatz "einschließlich der Verpflichtung zu informeller/ inoffizieller Mitarbeit" nach seinem Wortlaut und seinem Sinn und Zweck dahingehend auszulegen, daß auch Zeiten von der Berücksichtigung als Postdienstzeit ausgeschlossen sind, während derer sich der Angestellte zu einer inoffiziellen Mitarbeit gegenüber dem MfS verpflichtet hatte.

aa) Nach dem Wortlaut des Klammerzusatzes wird jeglicher Tätigkeit für das MfS auch eine Verpflichtung zu inoffizieller Mitarbeit und damit eine Verpflichtung zu einer Tätigkeit für das MfS zugerechnet. Dies ergibt sich aus der Verwendung des Begriffs "einschießlich". Der Ausschlußtatbestand soll sich nicht nur auf eine Tätigkeit für das MfS beziehen. Er soll vielmehr auch die Verpflichtung zu einer solchen Tätigkeit umfassen bzw. einschließen.

Dieser Auslegung steht nicht, wie das Landesarbeitsgericht meint, entgegen, daß im Tarifwortlaut auf "Zeiten" jeglicher Tätigkeit abgestellt wird. Mit Zeiten jeglicher Tätigkeit sind die Zeiträume gemeint, in denen der Angestellte für das MfS tätig war. Entsprechendes gilt für die Zeiträume, während derer sich der Angestellte zu einer Tätigkeit für das MfS verpflichtet hatte.

Würde die Tarifnorm bei einer vom Angestellten eingegangenen Verpflichtung zu inoffizieller Mitarbeit gegenüber dem MfS für die Erfüllung des Ausschlußtatbestands auch eine Tätigkeit fordern, wäre der Klammerzusatz überflüssig. Bei der Tarifauslegung kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien etwas Überflüssiges regeln wollen. Die ausdrückliche Aufnahme des Klammerzusatzes in die tarifliche Bestimmung kann deshalb nur die Bedeutung haben, daß zur Begründung des Ausschlußtatbestands bereits die Verpflichtung des Angestellten zu einer inoffiziellen Mitarbeit und damit zu einer Tätigkeit für das MfS ausreichen sollte. Auf eine bestimmte Form der Verpflichtung haben die Tarifvertragsparteien nicht abgestellt. Allerdings folgt aus der Gleichstellung der Verpflichtung zu inoffizieller Mitarbeit und einer Tätigkeit für das MfS durch den Klammerzusatz, daß an die Verpflichtung die gleichen Anforderungen zu stellen sind, wie an eine Tätigkeit für das MfS. Die Verpflichtung muß also vom Angestellten bewußt und gewollt abgegeben worden sein. Hingegen kommt es auf Art und Umfang der vom MfS aufgrund der Verpflichtung des Angestellten in Aussicht genommenen Tätigkeit nicht an.

bb) Diese Auslegung wird durch den Sinn und Zweck der tariflichen Bestimmung bestätigt.

Das Ministerium für Staatssicherheit gehörte ebenso wie die Grenztruppen (vgl. BAGE 77, 137 = AP Nr. 13 zu § 1 TVG Tarifverträge: DDR) zu den Hauptrepressionsorganen der DDR. Eine Tätigkeit für das MfS durften die Tarifvertragsparteien deshalb mit Recht zum Anlaß nehmen, die entsprechende Zeit von der Berücksichtigung als Postdienstzeit, insbesondere auch im Hinblick auf die sich daraus für eine höhere Vergütung ergebenden Rechtsfolgen, ausschließen. Dies gilt umso mehr, als die Tarifvertragsparteien durch diese Regelung auch auf die Interessen derjenigen Mitarbeiter bedacht nehmen konnten, die sich in der ehemaligen DDR einer Tätigkeit für das MfS widersetzt und deshalb möglicherweise berufliche Nachteile in Kauf genommen haben.

Gleiches gilt für eine Verpflichtung des Angestellten gegenüber dem MfS zu inoffizieller Mitarbeit. Mit der Abgabe einer solchen Erklärung bekundete der Angestellte seine Bereitschaft, in Zukunft für das MfS gleichgültig auf welche Art und Weise - tätig zu werden. Eine solche - bewußt und gewollt erklärte - Verpflichtung konnten die Tarifvertragsparteien im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums einer Tätigkeit für das MfS gleichstellen und für die Zeit, für die sie galt, von der Berücksichtigung als Postdienstzeit ausnehmen.

b) Für eine Verpflichtung des Klägers, nach dem 28. Februar 1988 für das MfS tätig zu werden, bestehen allerdings keine Anhaltspunkte.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hatte sich der Kläger gegenüber dem MfS nur bereit erklärt, den Briefwechsel mit seiner Bekannten zu führen und darüber zu berichten. Diese Korrespondenz wurde auf Betreiben des Klägers zum 28. Februar 1988 beendet. Danach wurde er vom MfS nicht mehr in Anspruch genommen. Mit Recht hat auch das Landesarbeitsgericht seine Befragung hinsichtlich der Flucht seiner geschiedenen Ehefrau im Frühjahr 1989 nicht als Tätigkeit für das MfS bewertet. Damit ist davon auszugehen, daß eine Verpflichtung des Klägers zu inoffizieller Mitarbeit über den 28. Februar 1988 hinaus nicht fortbestand.

Die Beklagte ist für das Vorliegen eines Ausschlußtatbestandes nach den Übergangsvorschriften zu § 16 TV Ang-O und dessen Dauer darlegungs- und beweispflichtig (vgl. BAG Urteil vom 29. Januar 1998 - 6 AZR 360/96 - zur Veröffentlichung bestimmt). Wird die Verpflichtung zu inoffizieller Mitarbeit für das MfS, wie vorliegend vom Kläger, aus einem bestimmten Anlaß erklärt und fällt dieser Anlaß weg, so ist im Zweifel davon auszugehen, daß auch eine Verpflichtung, für das MfS tätig zu werden, von diesem Zeitpunkt an nicht mehr vorlag. Behauptet der Arbeitgeber demgegenüber, die Verpflichtung habe auch über diesen Zeitpunkt hinaus fortbestanden oder sie habe sich auch auf weitere Gegenstände erstreckt, so muß er dafür entsprechende Tatsachen vortragen. Dies hat die Beklagte nicht getan. Sie leitet allein aus dem Umstand, daß sich der Kläger zur Führung des Briefwechsels bereit erklärt hatte, eine über den Zeitpunkt der Beendigung der Korrespondenz hinausgehende Verpflichtung des Klägers zu inoffizieller Mitarbeit für das MfS ab. Dies reicht jedoch zur Erfüllung ihrer Darlegungslast nicht aus.

III. Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Zeit, die der Kläger vor seiner Tätigkeit für das MfS vom 1. Dezember 1969 bis 27. März 1986 in einem Arbeitsverhältnis zur Deutschen Post zurückgelegt hat, sei nicht von der Berücksichtigung als Postdienstzeit und Dienstzeit ausgeschlossen, weil der Ausschlußtatbestand nach Nr. 1 letzter Satz der Übergangsvorschriften gegen Artikel 3 Abs. 1 GG verstoße, hält dies einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Die Zeit vom 1. Dezember 1969 bis 27. März 1986, die der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zur Deutschen Post vor der Zeit seiner Tätigkeit für das MfS zurückgelegt hat, ist nach Nr. 1 letzter Satz der Übergangsvorschriften zu § 16 TV Ang-O von der Berücksichtigung als Postdienstzeit und damit nach § 17 Abs. 1 a TV Ang-O auch als Dienstzeit ausgeschlossen. Nach der tariflichen Bestimmung sind auch Zeiten, die vor einer Tätigkeit im Sinne der Buchstaben a bis c zurückgelegt worden sind (fortan Vordienstzeiten) von einer Berücksichtigung als Postdienstzeit ausgeschlossen.

Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der Zeit der Tätigkeit des Klägers vom 1. Dezember 1969 bis 27. März 1986 gegeben, da die Zeit ab dem 28. März 1986 als Zeit einer Tätigkeit für das MfS nach Nr. 1 a der Übergangsvorschriften von der Berücksichtigung als Postdienstzeit ausgeschlossen ist.

2. Die tarifliche Bestimmung der Nr. 1 letzter Satz der Übergangsvorschriften verstößt, soweit sie den Ausschluß von Vordienstzeiten in den Fällen einer Tätigkeit für das MfS vorsieht, nicht gegen höherrangiges Recht. Die von ihr betroffenen Angestellten werden gegenüber den Angestellten, die nicht unter diese Tarifnorm fallen, nicht ungleich behandelt. Dies hat der Senat zu der gleichlautenden Regelung in Nr. 4 Buchst. c letzter Satz der Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O in Fällen der Übertragung einer Tätigkeit aufgrund besonderer persönlicher Systemnähe im Urteil vom 30. Mai 1996 (- 6 AZR 632/95 - AP Nr. 9 zu § 19 BAT-O, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt) entschieden. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Senats (BAG Urteil vom 29. Januar 1998 - 6 AZR 360/96 - zur Veröffentlichung bestimmt) auch für Vordienstzeiten vor einer Tätigkeit für das MfS.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Tarifvertragsparteien an die Grundrechte gebunden. Sie haben damit auch den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten. Dieser wird durch eine Tarifnorm verletzt, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen (BAGE 67, 264, 272 = AP Nr. 9 zu § 63 BAT, zu II 5 a der Gründe). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Letzteres gilt insbesondere bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen (BAGE 77, 137 = AP Nr. 13 zu § 1 TVG Tarifverträge: DDR). Aufgabe der Gerichte ist es jedoch nicht, zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die sachgerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen haben. Die Gerichte haben jedoch zu kontrollieren, ob durch die tarifliche Regelung die Grenzen der Tarifautonomie überschritten werden (BAGE 70, 62, 69 = AP Nr. 1 zu § 4 BeschFG 1985, zu II 2 b bb der Gründe).

3. Die Tarifvertragsparteien haben durch die Regelung in Nr. 1 letzter Satz der Übergangsvorschriften die Grenzen ihres normativen Gestaltungsspielraums nicht überschritten.

Durch den Ausschluß von Vordienstzeiten in den Fällen der Nr. 1 letzter Satz der Übergangsvorschriften haben die Tarifvertragsparteien Arbeitnehmer, bei denen Zeiten einer Tätigkeit als Postdienstzeit nach dieser Tarifnorm nicht zu berücksichtigen sind, mit den Arbeitnehmern gleichbehandelt, deren Arbeitsverhältnis aus ihrem eigenen Verschulden unterbrochen war. Eine Gleichbehandlung mit den Arbeitnehmern, bei denen mangels eines Ausschlußtatbestandes nach Nr. 1 der Übergangsvorschriften eine ununterbrochene Tätigkeit als Postdienstzeit zu berücksichtigen ist, ist nicht geboten. Insoweit ist eine Nichtberücksichtigung der Vordienstzeiten sachlich gerechtfertigt.

aa) Nach § 16 Abs. 1 TV Ang-O ist Postdienstzeit die bei der Deutschen Bundespost/Deutschen Post und der Landespostdirektion Berlin in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist. Ist das Arbeitsverhältnis aus arbeitnehmerseitigem Verschulden beendet worden, gelten nach § 16 Abs. 1 Unterabs. 4 TV Ang-O die vor dem Ausscheiden zurückgelegten Zeiten nicht als Postdienstzeit.

Gegen diese Regelung bestehen keine Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Tarifvertragsparteien sind danach nicht gehalten, die Anrechnung der Postdienstzeit in gleicher Weise bei Arbeitnehmern zu regeln, deren Arbeitsverhältnisse eine ununterbrochene Beschäftigung aufweisen wie bei Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse schuldhaft unterbrochen waren. Die Differenzierung bei der Anrechnung von Postdienstzeiten, die vor Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses liegen, je nachdem, ob der Angestellte aus seinem Verschulden ausgeschieden ist oder nicht, ist sachlich gerechtfertigt.

b) In entsprechender Weise haben die Tarifvertragsparteien in den Übergangsvorschriften die Anrechnung der Postdienstzeit vor dem 1. Januar 1991 geregelt. In den Fällen der Nr. 1 Buchst. a bis c haben sie aufgrund von Tatbeständen, die mit dem in § 16 Abs. 1 Unterabs. 4 TV Ang-O genannten vergleichbar sind, Zeiten von der Berücksichtigung als Postdienstzeit ausgeschlossen.

Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der Ausschluß der Berücksichtigung dieser Vordienstzeiten ist - ebenso wie in dertariflichen Regelung in § 16 Abs. 1 Unterabs. 4 TV Ang-O - in den Fällen sachlich gerechtfertigt, in denen die Nichtberücksichtigung als Postdienstzeit auf dem Verschulden des Arbeitnehmers beruht. Dies gilt sowohl bei Tätigkeiten als Angehöriger der Grenztruppen der DDR (Buchst. b) als auch für Tätigkeiten, die aufgrund besonderer persönlicher Systemnähe übertragen worden sind (Buchst. c). Hinsichtlich des Ausschlusses von Zeiten, die vor einer Tätigkeit für das MfS (Buchst. a) zurückgelegt worden sind, gilt nichts anderes. Ist ein Angestellter bewußt und gewollt für das MfS als einem der Hauptrepressionsorgane der ehemaligen DDR tätig geworden, so konnten die Tarifvertragsparteien diesen Tatbestand, ohne gegen höherrangiges Recht zu verstoßen, einem vom Arbeitnehmer verschuldeten Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gleichsetzen.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

Ende der Entscheidung

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