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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 18.01.2006
Aktenzeichen: 7 ABR 25/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 25
BetrVG § 29 Abs. 2
BetrVG § 40 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gericht: bag Datum: 18.01.2006 Aktenzeichen: 7 ABR 25/05 BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS

7 ABR 25/05

Verkündet am 18. Januar 2006

In dem Beschlussverfahren

hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Anhörung vom 18. Januar 2006 durch den Vizepräsidenten des Bundesarbeitsgerichts Dörner, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Gräfl und den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Koch sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Gerschermann und Busch beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Rechtsanwalts M gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 20. Januar 2005 - 21 TaBV 6/04 - wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten, die dem zu 3) beteiligten Betriebsrat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren entstanden sind.

Die Arbeitgeberin stellt amtliche Mitteilungsblätter für Gemeinden und Städte in Baden-Württemberg her. Die Amts- und Gemeindeblätter werden üblicherweise an den Wochentagen Dienstag, Mittwoch und Donnerstag hergestellt. Fällt ein Arbeitstag auf einen gesetzlichen Feiertag, verschieben sich die Produktions- und Fertigstellungstage grundsätzlich auf die ersten drei Tage der Woche.

Betriebsrats- und Betriebsausschusssitzungen finden üblicherweise dienstags statt. In der Vergangenheit haben der Betriebsrat und Betriebsausschuss auf Sitzungen während der Produktionstage verzichtet, wenn sich die Herstellung der Mitteilungsblätter auf Grund eines gesetzlichen Feiertages verschoben hat. Von den elf Betriebsratsmitgliedern sind neun Betriebsratsmitglieder in der Produktion beschäftigt.

Mit Schreiben vom Mittwoch, den 25. September 2002 teilte die Betriebsratsvorsitzende der Arbeitgeberin mit, dass am Montag, den 30. September 2002 eine Betriebsausschuss-, Wirtschaftsausschuss- und vorgezogene Betriebsratssitzung anberaumt worden sei. Am Donnerstag, den 26. September 2002 widersprach die Arbeitgeberin der geplanten Abhaltung der Sitzungen im Wesentlichen wegen der durch den bevorstehenden Feiertag am 3. Oktober 2002 notwendigen Produktionsverschiebung auf den ersten Teil der Woche. Das Schreiben der Arbeitgeberin erhielt die Betriebsratsvorsitzende am 26. September 2002 gegen 9.30 Uhr. In einem der Arbeitgeberin am gleichen Tag gegen 14.30 Uhr übermittelten Schreiben erklärte sich der Betriebsrat zu einer Verlegung der geplanten Sitzungen auf den 1. Oktober 2002 bereit und forderte die Arbeitgeberin bis spätestens 16.00 Uhr zur Abgabe einer Erklärung auf, dass die Sitzungen entweder am 30. September 2002 oder am 1. Oktober 2002 stattfinden könnten. Gegen 15.00 Uhr teilte die Prokuristin der Arbeitgeberin der Betriebsratsvorsitzenden mit, dass sie die gesetzte Frist wegen einer fehlenden Rücksprachemöglichkeit nicht einhalten könne und eine Klärung erst am Folgetag möglich sei.

Der Betriebsrat trat am 26. September 2002 um 17.00 Uhr zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Von den elf Betriebsratsmitgliedern waren vier Betriebsratsmitglieder auf Grund von Urlaub oder Krankheit an der Sitzungsteilnahme gehindert. Für die verhinderten Betriebsratsmitglieder waren zwei Ersatzmitglieder erschienen. Der Betriebsrat beschloss, zur Duldung der geplanten Sitzungen am 30. September 2002 durch die Arbeitgeberin eine einstweilige Verfügung zu erwirken und den Antragsteller, einen Rechtsanwalt, mit der Vertretung zu beauftragen. Mit Schriftsatz vom gleichen Tag beantragte der Antragsteller für den Betriebsrat, der Arbeitgeberin im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, die für den 30. September 2002 vorgesehenen Sitzungen des Betriebsrats, des Betriebsausschusses sowie des Wirtschaftsausschusses zu dulden. In der mündlichen Anhörung vom Freitag, den 27. September 2002 verständigten sich Arbeitgeberin und Betriebsrat über die Durchführung der Sitzungen. Mit Beschluss vom 28. Januar 2003 trat der Betriebsrat seinen Freistellungsanspruch wegen der entstandenen Rechtsanwaltskosten an den Antragsteller ab, der erfolglos von der Arbeitgeberin einen Betrag von 875,80 Euro geltend machte.

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, seine Beauftragung als Verfahrensbevollmächtigter im einstweiligen Verfügungsverfahren sei auf Grund der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich gewesen. Die Arbeitgeberin könne sich auf einen Ladungsmangel bei der Einberufung der Sitzung am 26. September 2002 nicht berufen, da sich der Betriebsrat in einer zeitlichen Drucksituation befunden habe, die von der Arbeitgeberin herbeigeführt worden sei.

Der Antragsteller hat zuletzt beantragt,

die Arbeitgeberin zu verurteilen, an den Antragsteller 875,80 Euro nebst 5 % Zinsen seit dem 5. November 2002 zu zahlen.

Die Arbeitgeberin hat die Abweisung des Antrags beantragt. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die von der Arbeitgeberin eingelegte Beschwerde den Antrag abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen ursprünglichen Antrag weiter, während die Arbeitgeberin die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde beantragt.

II. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde der Arbeitgeberin den Antrag zu Recht zurückgewiesen. Der Betriebsrat hat keinen Anspruch nach § 40 Abs. 1 BetrVG auf Freistellung von den ihm im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens entstandenen Rechtsanwaltskosten gegen die Arbeitgeberin erworben. Der Beschlussfassung über die Beauftragung des Antragstellers lag kein wirksamer Beschluss des Betriebsrats zugrunde. Es fehlt an einer ordnungsgemäßen Ladung der Betriebsratsmitglieder zur Sitzung am 26. September 2002. Auf die Erforderlichkeit der Hinzuziehung des Antragstellers kommt es nicht an.

1. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Hierzu gehören auch die Honorarkosten für einen Rechtsanwalt, dessen Heranziehung in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren der Betriebsrat in Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechte für erforderlich halten durfte (BAG 20. Oktober 1999 - 7 ABR 25/98 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 67 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 89, zu B I 1 der Gründe mwN; 24. Oktober 2001 - 7 ABR 20/00 - BAGE 99, 208 = AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 71 = EzA BetrVG 1972 § 22 Nr. 2, zu B II 1 der Gründe). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitgeber nur diejenigen Kosten einer anwaltlichen Tätigkeit zu tragen, die auf eine Beauftragung auf Grund eines ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses zurückgehen. Der Betriebsrat muss sich als Gremium mit dem entsprechenden Sachverhalt befasst und durch Abstimmung eine einheitliche Willensbildung herbeigeführt haben (14. Februar 1996 - 7 ABR 25/95 - AP BetrVG 1972 § 76a Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 76, zu B II 4 der Gründe). Die Wirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses setzt voraus, dass er in einer Betriebsratssitzung gefasst worden ist, zu der die Mitglieder des Betriebsrats gem. § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung geladen worden sind (BAG 28. April 1988 - 6 AZR 405/86 - BAGE 58, 221 = AP BetrVG 1972 § 29 Nr. 2 = EzA BetrVG 1972 § 29 Nr. 1, zu II 3 a der Gründe; 1. Oktober 1991 - 1 ABR 81/90 -, zu B I 2 der Gründe). Die Ladung aller Betriebsratsmitglieder einschließlich etwaiger Ersatzmitglieder unter gleichzeitiger Mitteilung der Tagesordnung ist eine wesentliche Voraussetzung für das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Betriebsratsbeschlusses. Ist ein Betriebsratsmitglied verhindert, an der Sitzung teilzunehmen, ist ein Ersatzmitglied zu laden (§ 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Nach § 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG werden die Ersatzmitglieder unter Berücksichtigung des § 15 Abs. 2 BetrVG der Reihe nach aus den nichtgewählten Arbeitnehmern derjenigen Vorschlagslisten entnommen, denen die zu ersetzenden Mitglieder angehören. Wird bei der Heranziehung der Ersatzmitglieder gegen die in § 25 Abs. 2 BetrVG vorgesehene Reihenfolge verstoßen, leidet der Beschluss an einem erheblichen Mangel und ist deshalb unwirksam. Wird für ein zeitweilig verhindertes Mitglied ein vorhandenes Ersatzmitglied nicht geladen, ist der Betriebsrat an einer wirksamen Beschlussfassung gehindert. Hiervon ist nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn ein Betriebsratsmitglied plötzlich verhindert und es dem Betriebsrat nicht mehr möglich ist, das Ersatzmitglied rechtzeitig zu laden (BAG 23. August 1984 - 2 AZR 391/83 - BAGE 46, 258 = AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 17 = EzA BetrVG 1972 § 103 Nr. 30, zu B II 1 a der Gründe; 3. August 1999 - 1 ABR 30/98 - BAGE 92, 162 = AP BetrVG 1972 § 25 Nr. 7 = EzA BetrVG 1972 § 33 Nr. 1, zu B II 2 a der Gründe).

2. Danach hat der Antragsteller keinen Freistellungsanspruch erworben. Der Betriebsrat hat in seiner Sitzung am 26. September 2002 keinen wirksamen Beschluss über die Beauftragung des Antragstellers gefasst. Es fehlt an einer ordnungsgemäßen Ladung der Betriebsratsmitglieder. Der Arbeitgeberin ist es nicht verwehrt, sich auf den Ladungsmangel zu berufen.

a) Zur Betriebsratssitzung am 26. September 2002 waren von den elf ordentlichen Betriebsratsmitgliedern sieben Betriebsratsmitglieder geladen worden. Die verbleibenden vier Betriebsratsmitglieder konnten wegen Krankheit oder Ortsabwesenheit nicht an der Sitzung teilnehmen. Für die verhinderten Betriebsratsmitglieder hatte die Betriebsratsvorsitzende nur zwei Ersatzmitglieder geladen. Zu Beginn der Sitzung am 26. September 2002 stand weder fest, dass die anwesenden Ersatzmitglieder entsprechend der gesetzlichen Reihenfolge als Vertreter der verhinderten Betriebsratsmitglieder in den Betriebsrat nachgerückt waren noch dass weitere Ersatzmitglieder aus den in Betracht kommenden Vorschlagslisten nicht verfügbar waren. Trotz des ausdrücklichen Bestreitens durch die Arbeitgeberin haben weder der Antragsteller noch der Betriebsrat Tatsachen vorgetragen, aus denen auf eine ordnungsgemäße Ladung der Ersatzmitglieder geschlossen werden könnte. Vielmehr hat sich nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Betriebsratsvorsitzende nicht vergewissert, dass die nach der Regelung in § 25 Abs. 2 Satz 1 und 2 BetrVG heranzuziehenden Ersatzmitglieder durch Krankheit oder Ortsabwesenheit an einer Sitzungsteilnahme gehindert waren. Das Landesarbeitsgericht ist daher zu Recht von einer nicht ordnungsgemäßen Ladung der heranzuziehenden Ersatzmitglieder ausgegangen. Eine hiergegen gerichtete Rüge hat der Antragsteller auch nicht erhoben.

b) Die Arbeitgeberin kann sich auf den Ladungsmangel berufen. Die nicht ordnungsgemäße Ladung der Ersatzmitglieder zur Sitzung am 26. September 2002 beruhte nicht auf einer von ihr herbeigeführten zeitlichen Drucksituation.

Für den der Betriebsratsvorsitzenden bei der Ladung der Betriebsratsmitglieder zu der außerordentlichen Betriebsratssitzung am 26. September 2002 zur Verfügung stehenden knappen Zeitrahmen war die Arbeitgeberin nicht verantwortlich. Die außerordentliche Sitzung am 26. September 2002 war die Folge der kurzfristigen Beschlussfassung des Betriebsrats über die Anberaumung der Betriebsrats- und Ausschusssitzungen für den 30. September 2002. Der Betriebsrat musste in Betracht ziehen, dass der gewählte Zeitpunkt für die Arbeitgeberin angesichts der Verlagerung der Produktion der Mitteilungsblätter auf den Wochenanfang und der bisher vom Betriebsrat geübten Rücksichtnahme auf die betrieblichen Belange nicht vorhersehbar war und von ihr nicht widerspruchslos hingenommen werden würde. Betriebsrat und Arbeitgeberin stand danach für die Konfliktbewältigung nur ein kurzer Zeitraum zur Verfügung. Der Ankündigung der Sitzungstermine hat die Arbeitgeberin unverzüglich widersprochen. Die Notwendigkeit zur Einberufung einer außerordentlichen Sitzung noch am Nachmittag des 26. September 2002 beruhte dann auf der vom Betriebsrat der Arbeitgeberin bis 16.00 Uhr gesetzten Äußerungsfrist. Da angesichts dieser Fristsetzung mit einer kurzfristigen Rückäußerung der Arbeitgeberin zu rechnen war, musste die Betriebsratsvorsitzende frühzeitig sicherstellen, dass der Betriebsrat bei einer ablehnenden Reaktion kurzfristig zusammentreten konnte, um weitergehende Maßnahmen zu beschließen.

Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass sich die Betriebsratsvorsitzende bei der Ladung zu der Sitzung am 26. September 2002 überhaupt in einer zeitlichen Drucksituation befunden hat. Selbst wenn ihr für die Ladung des Gremiums nur der Zeitraum zwischen 15.00 bis 17.00 Uhr zur Verfügung gestanden hätte, war diese Zeitspanne ausreichend bemessen. Die Betriebsratsvorsitzende hatte neben den anwesenden Betriebsratsmitgliedern die für die verhinderten Betriebsratsmitglieder heranzuziehenden Ersatzmitglieder zu laden. Hierzu musste sie die Anwesenheit der Ersatzmitglieder feststellen und diese im Fall ihrer Verfügbarkeit entsprechend der gesetzlich vorgesehenen Reihenfolge zu der für 17.00 Uhr geplanten Betriebsratssitzung unter Mitteilung des einzigen Tagesordnungspunkts mündlich oder fernmündlich laden. Besondere Umstände, warum dies der Betriebsratsvorsitzenden innerhalb der ihr zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich gewesen sein soll, haben weder der Antragsteller noch der Betriebsrat vorgetragen.

Ende der Entscheidung

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