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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 15.11.2006
Aktenzeichen: 7 ABR 6/06
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 94 Abs. 2
ZPO § 551 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS

7 ABR 6/06

Verkündet am 15. November 2006

In dem Beschlussverfahren

hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der Beratung vom 15. November 2006 durch den Vizepräsidenten des Bundesarbeitsgerichts Dörner, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Gräfl, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Koch sowie die ehrenamtlichen Richter Hoffmann und Busch beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 29. November 2005 - 5 TaBV 4/04 - wird als unzulässig verworfen.

Von Rechts wegen!

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Errichtung eines Wirtschaftsausschusses. Der Antragsteller ist der aus neun Personen bestehende Betriebsrat im Betrieb der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin.

Die Arbeitgeberin beschäftigt ca. 360 Arbeitnehmer und erbringt im Rahmen des W-Konzerns Dienstleistungen für verschiedene Zeitungsverlage wie zB die T Zeitung, die O Zeitung und die T L. Nach § 2 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrags der Arbeitgeberin ist deren Unternehmensgegenstand auf allen Gebieten des Zeitungsverlagsgeschäftes, insbesondere im Bereich Anzeigen, Vertrieb, Einkauf und kommerzielle EDV tätig zu werden.

Der Betriebsrat beschloss in seiner Sitzung am 2. Juli 2003 die Bildung eines fünfköpfigen Wirtschaftsausschusses, dem fünf Betriebsratsmitglieder angehören. Der Betriebsratsvorsitzende wandte sich mit Schreiben vom 7. Juli 2003 für den Wirtschaftsausschuss an die Arbeitgeberin und bat um Abstimmung eines Termins zur Einsicht in die Bilanz, was die Arbeitgeberin unter Hinweis auf die Regelung des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG verweigerte.

Der Betriebsrat hat gemeint, die Arbeitgeberin könne sich auf den beanspruchten Tendenzschutz nicht berufen, da sie weder unmittelbar noch überwiegend den Unternehmenszweck der Berichterstattung oder Meinungsäußerung verfolge.

Der Antragsteller hat beantragt festzustellen, dass in dem Unternehmen der Arbeitgeberin ein Wirtschaftsausschuss gem. § 106 BetrVG zu bilden ist.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

Sie hat behauptet, sie nehme Einfluss auf die in den Zeitungsverlagen verfolgte Tendenz, da sie über das Erscheinen und den Inhalt der Anzeigen in der T Zeitung, der O Zeitung und der T L entscheide.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag weiter, während der Betriebsrat die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde beantragt.

II. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist ordnungsgemäß begründet worden ist. Die Rechtsbeschwerdebegründung vom 20. März 2006 genügt nicht den Anforderungen des § 94 Abs. 2 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Nr. 2a ZPO.

1. Die Rechtsbeschwerdebegründung muss nach § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG angeben, inwieweit die Abänderung des angefochtenen Beschlusses beantragt wird, welche Bestimmungen verletzt sein sollen und worin die Verletzung bestehen soll.

a) Eine Verfahrensrüge ist zulässig erhoben, wenn der Rechtsbeschwerdeführer die Tatsachen bezeichnet, die den Mangel ergeben, auf den sich die Rechtsbeschwerde stützen will (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2b ZPO). Dabei ist darzulegen, dass der im Beschwerdeverfahren ergangene Beschluss auf dem Verfahrensmangel beruht, also bei richtigem Verhalten das Landesarbeitsgericht zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre (BAG 9. März 1972 - 1 AZR 261/71 - AP ZPO § 561 Nr. 2, zu 4 d der Gründe). Bei der auf § 286 ZPO gestützten Rüge, das Landesarbeitsgericht habe einen bestimmten Sachvortrag übersehen, ist anzugeben, auf Grund welchen Vortrags das Landesarbeitsgericht zu welcher Tatsachenfeststellung hätte gelangen müssen (BAG 29. Januar 1992 - 7 ABR 27/91 - BAGE 69, 286 = AP BetrVG 1972 § 7 Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 7 Nr. 1, zu B II 2 a der Gründe).

b) Gem. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2a ZPO sind bei einer Sachrüge die Umstände zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergeben soll. Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) ist zwar die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm nicht mehr vorgeschrieben. Die Rechtsbeschwerdebegründung hat jedoch den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzuzeigen, dass Gegenstand und Richtung des rechtsbeschwerdlichen Angriffs erkennbar sind. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Der Rechtsbeschwerdeführer muss darlegen, warum er die Begründung des Beschwerdegerichts für unrichtig hält. Er darf sich nicht darauf beschränken, seine Rechtsausführungen aus den Vorinstanzen zu wiederholen (BAG 10. April 1984 - 1 ABR 62/82 - AP ArbGG 1979 § 94 Nr. 1 = EzA ArbGG 1979 § 94 Nr. 2; 27. Oktober 1987 - 1 ABR 9/86 - BAGE 56, 270 = AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 41 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 41). Darzulegen ist, weshalb der angefochtene Beschluss rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 624/96 - BAGE 87, 41 = AP ZPO § 554 Nr. 30 = EzA ZPO § 554 Nr. 7, zu 1 der Gründe). Es soll ua. sichergestellt werden, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Rechtsbeschwerdeführers den angefochtenen Beschluss im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage genau durchdenkt. Außerdem soll die Rechtsbeschwerdebegründung durch ihre Kritik der angefochtenen Entscheidung zur richtigen Rechtsfindung durch das Rechtsbeschwerdegericht beitragen (BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 -BAGE 109, 145 = AP ArbGG 1979 § 74 Nr. 11 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 1, zu II 2 a der Gründe).

Hat das Gericht die angefochtene Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige, selbständig tragende Erwägungen gestützt, muss die Rechtsmittelbegründung beide Erwägungen angreifen. Setzt sich die Begründung nur mit einer der beiden Erwägungen auseinander, ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig. Denn die Rechtsmittelbegründung muss - im Falle ihrer Berechtigung - geeignet sein, die gesamte Entscheidung in Frage zu stellen (vgl. zur Berufungsbegründung: BAG 11. März 1998 - 2 AZR 497/97 - BAGE 88, 171 = AP ZPO § 519 Nr. 49 = EzA ZPO § 519 Nr. 10, zu I der Gründe; BGH 25. Januar 1990 - IX ZB 89/89 - NJW 1990, 1184 mwN; 15. Juni 1993 - XI ZR 111/92 - NJW 1993, 3073, zu I 2 c der Gründe; 10. Januar 1996 - IV ZB 29/95 - NJW-RR 1996, 572).

2. Diesen Anforderungen genügt die Rechtsbeschwerdebegründung nicht. Die Arbeitgeberin hat weder eine zulässige Verfahrensrüge noch eine ordnungsgemäße Sachrüge erhoben.

a) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts wird von insgesamt drei voneinander unabhängigen Begründungen getragen. Zunächst hat das Landesarbeitsgericht der Arbeitgeberin den Tendenzschutz abgesprochen, weil das bei der Arbeitgeberin konzentrierte Anzeigengeschäft unmittelbar überwiegend wirtschaftlichen Zwecken diene. Daneben hat es ein Überwiegen der ideell-geistigen Zweckbestimmung der Arbeitgeberin verneint. Schließlich hat das Landesarbeitsgericht "im Übrigen" auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen und sich damit die vom erstinstanzlichen Gericht gegebene Begründung zu Eigen gemacht. Das Arbeitsgericht hat nach Anhörung des Betriebsratsmitglieds M im Anhörungstermin vom 4. Februar 2004, dem die Arbeitgeberin bewusst ferngeblieben ist, verfahrensfehlerfrei festgestellt, dass zwischen den Anzeigenkunden und der Arbeitgeberin keine vertraglichen Beziehungen bestehen, auf Grund derer die Arbeitgeberin eine Einwirkungsmöglichkeit auf den Inhalt der Anzeigen und auf deren Erscheinen hat. Es hat deshalb eine Einflussnahme der Arbeitgeberin auf das Anzeigengeschäft der konzernverbundenen Zeitungen verneint.

b) Die Rechtsbeschwerdebegründung setzt sich nur mit den beiden vom Landesarbeitsgericht ausdrücklich gegebenen Begründungen auseinander. Auf die Begründung des Arbeitsgerichts geht sie nicht ein. Gegenüber den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Arbeitgeberin keine Verfahrensrüge erhoben. Ihre rechtsbeschwerderechtlichen Ausführungen sind nicht geeignet, die auf die fehlende Einwirkungsmöglichkeit gestützte Begründung des Arbeitsgerichts in Frage zu stellen. Die Rechtsbeschwerdebegründung geht nicht darauf ein, in welcher Form die Arbeitgeberin gegenüber den Anzeigenkunden oder einer anderen Gesellschaft der Zeitungsgruppe Thüringen auf die Veröffentlichung der Anzeigen und die Gestaltung ihres Inhalts Einfluss nimmt. Sie verhält sich weder zu den zwischen den Anzeigenkunden und der Arbeitgeberin bestehenden Rechtsbeziehungen noch legt sie dar, wie sich die von ihr als tendenzbegründend angesehene Tätigkeit außerhalb von vertraglichen Beziehungen mit den Anzeigenkunden vollzieht. Schließlich genügt auch die Bezugnahme auf die Ausführungen in den Vorinstanzen als Rechtsbeschwerdebegründung nach ständiger Rechtsprechung zur Begründung eines Rechtsmittels nicht (BAG 11. Februar 2004 - 7 ABR 33/03 - AP ArbGG 1979 § 94 Nr. 3 = EzA ArbGG 1979 § 94 Nr. 4, zu II 2 der Gründe mwN).

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