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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 26.06.2002
Aktenzeichen: 7 AZR 122/01
Rechtsgebiete: BeschFG 1996
Vorschriften:
BeschFG 1996 § 1 Abs. 5 Satz 1 |
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 26. Juni 2002
In Sachen
hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dörner, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Gräfl und den Richter am Bundesarbeitsgericht Linsenmaier sowie die ehrenamtlichen Richter Nottelmann und Hökenschnieder für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 26. September 2000 - 7 Sa 161/00 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund einer mit Vertrag vom 15. Mai 1998 vereinbarten Befristung am 31. Mai 2000 geendet hat.
Der Kläger war bei dem beklagten Freistaat vom 1. Juni 1995 bis 31. Mai 2000 als Angestellter beschäftigt. Nach dem zunächst maßgeblichen, am 27. Juni 1995 schriftlich geschlossenen Arbeitsvertrag wurde der Kläger bis längstens 31. Mai 1998 befristet eingestellt. Mit einer am 30. März 1998 zum Arbeitsgericht Erfurt erhobenen Klage machte der Kläger geltend, die zum 31. Mai 1998 vereinbarte Befristung sei mangels eines Sachgrunds unwirksam. Am 15. Mai 1998 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1. Juni 1998 bis 31. Mai 2000. Als Grund der Befristung wurde in dem Vertrag § 1 BeschFG in der Fassung vom 25. September 1996 genannt. Der Kläger führte den Rechtsstreit über die erste Befristung zunächst fort. Im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht Erfurt am 14. April 1999 nahm er die Klage zurück, nachdem der Kammervorsitzende darauf hingewiesen hatte, daß für die Überprüfung der ersten Befristung angesichts der vereinbarten zweiten Befristung das Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte.
Mit der vorliegenden, am 11. Juni 1999 erhobenen Klage hat der Kläger den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses über den 31. Mai 2000 hinaus geltend gemacht. Die letzte Befristung könne nicht auf das Beschäftigungsförderungsgesetz gestützt werden, da sie gegen das Anschlußverbot des § 1 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. BeschFG verstoßen habe. Die vorangegangene Befristung sei mangels eines Sachgrunds unwirksam gewesen. Auf die Fiktion des § 7 KSchG iVm. § 1 Abs. 5 Satz 2 BeschFG 1996 könne sich der Beklagte nicht berufen. Der Kläger habe den letzten Arbeitsvertrag nur unter Vorbehalt geschlossen.
Der Kläger hat - zuletzt - beantragt,
1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis auf Grund der in dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag vom Mai 1998 enthaltenen Befristung dieses Arbeitsvertrages für den Zeitraum vom 1. Juni 1998 bis 31. Mai 2000 nicht beendet ist,
2. den Beklagten im Falle einer Stattgabe des vorstehenden Antrags zu 1) zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Sachbearbeiter mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat auf Grund Befristung am 31. Mai 2000 geendet.
I. Die zulässige, vom Kläger rechtzeitig erhobene Entfristungsklage iSv. § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG (in der vom 1. Oktober 1996 bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung; seitdem § 17 Satz 1 TzBfG) ist unbegründet.
1. Die Befristung des zur gerichtlichen Überprüfung gestellten, am 15. Mai 1998 für die Zeit vom 1. Juni 1998 bis 31. Mai 2000 geschlossenen Arbeitsvertrags ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BeschFG 1996 gerechtfertigt. Die danach erforderlichen Voraussetzungen für eine sachgrundlose Befristung sind gegeben. Die zulässige Höchstdauer von zwei Jahren ist nicht überschritten. Der Vertrag vom 15. Mai 1998 war keine Verlängerung des vorangegangenen Vertrags iSv. § 1 Abs. 1 Satz 2 BeschFG 1996. Eine Verlängerung im Sinne dieser Vorschrift kommt nur in Betracht, wenn die vorherige Befristung eine Befristung nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz - in der jeweiligen Fassung - war (st. Senatsrechtsprechung, vgl. 28. Juni 2000 - 7 AZR 920/98 - BAGE 95, 186 = AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 2, zu B IV 2 a der Gründe mwN; 25. April 2001 - 7 AZR 376/00 - AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 10 = EzA BeschFG 1985 § 1 Nr. 25, zu II 2 a aa der Gründe). Ein vorheriger Vertrag ist dann nach § 1 Abs. 1 BeschFG befristet, wenn die Parteien die Befristung hierauf stützen wollten (vgl. etwa BAG 21. Februar 2001 - 7 AZR 98/00 - AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 9 = EzA BeschFG 1985 § 1 Nr. 24, zu II 2 b der Gründe mwN).
Hiernach war vorliegend die vorherige, mit Vertrag vom 27. Juni 1995 zum 31. Mai 1998 vereinbarte Befristung keine Befristung nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz in der damals geltenden Fassung. Die Parteien hatten vielmehr eine Sachgrundbefristung vereinbart. Eine Befristung nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz kam im übrigen damals offensichtlich schon deshalb nicht in Betracht, weil die nach § 1 Abs. 1 BeschFG 1985 geltende zeitliche Höchstgrenze von 18 Monaten überschritten wurde.
2. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, verstößt die im Vertrag vom 15. Mai 1998 vereinbarte Befristung nicht gegen die erste Alternative des Anschlußverbots des § 1 Abs. 3 Satz 1 BeschFG 1996. Danach ist die Befristung nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig, wenn zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
a) Allerdings hindert der Abschluß des (Folge-)Vertrags vom 15. Mai 1998 den Kläger nicht daran, sich im Rahmen von dessen Überprüfung darauf zu berufen, das Anschlußverbot des § 1 Abs. 3 Satz 1 BeschFG sei verletzt, weil bereits die vorangegangene Befristung unwirksam gewesen sei. In dem vorbehaltlosen Abschluß eines Folgevertrags liegt regelmäßig kein Verzicht, die Unwirksamkeit der Befristung des vorangegangenen Vertrags geltend zu machen (BAG 25. Oktober 2000 - 7 AZR 537/99 - BAGE 96, 155 = AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 7, zu B IV 1 a der Gründe; 26. Juli 2000 - 7 AZR 43/99 - AP BeschFG 1985 § 1 Nr. 26 = EzA BeschFG 1985 § 1 Nr. 18, zu B I 1 der Gründe). Daher kann vorliegend dahinstehen, ob die Parteien bei Abschluß des letzten Vertrags etwa auf Grund der zu diesem Zeitpunkt noch anhängigen Entfristungsklage gegen die vorangegangene Befristung einen konkludenten Vorbehalt vereinbart haben.
b) Gleichwohl beruft sich der Kläger erfolglos darauf, die vorangegangene Befristung sei mangels eines Sachgrunds unwirksam. Denn die zum 31. Mai 1998 vereinbarte Befristung des vorhergehenden Vertrags gilt, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nach § 1 Abs. 5 Satz 2 BeschFG 1996 iVm. § 7 KSchG als wirksam.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist bei der Prüfung der ersten Alternative des Anschlußverbots des § 1 Abs. 3 Satz 1 BeschFG 1996 die Fiktion des § 1 Abs. 5 Satz 2 BeschFG 1996 iVm. § 7 KSchG zu beachten. Danach kann der Arbeitnehmer, der es versäumt hat, die Unwirksamkeit der Befristung des vorhergehenden Vertrags innerhalb von drei Wochen gerichtlich geltend zu machen, bei der Überprüfung der nachfolgenden, auf § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 gestützten Befristung nicht einwenden, das Anschlußverbot des § 1 Abs. 3 BeschFG 1996 sei verletzt, weil der vorhergehende Vertrag unwirksam befristet gewesen sei. Vielmehr gilt der vorhergehende Vertrag als von Anfang an rechtswirksam befristet (vgl. etwa 22. März 2000 - 7 AZR 581/98 - BAGE 94, 118 = AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 1, zu B II 2 a der Gründe; 25. Oktober 2000 - 7 AZR 537/99 - BAGE 96, 155 = AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 7, zu B IV 1 b der Gründe mwN).
bb) Vorliegend hat der Kläger die vorangegangene Befristung am 30. März 1998 und damit rechtzeitig mit einer Entfristungsklage angegriffen und hierdurch zunächst den Eintritt der Fiktion des § 1 Abs. 5 Satz 2 BeschFG 1996 iVm. § 7 KSchG verhindert. Mit der Rücknahme dieser Klage am 14. April 1999 führte er aber die Fiktion der Wirksamkeit dieser Befristung herbei. Dem steht auch § 242 BGB nicht entgegen.
(1) Mit der Rücknahme einer Entfristungsklage nach § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG 1996 entfällt deren fristwahrende Wirkung und es tritt, sofern zu diesem Zeitpunkt die 3-Wochen-Frist des § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG 1996 abgelaufen ist, die Fiktion des § 7 KSchG iVm. § 1 Abs. 5 Satz 2 BeschFG 1996 ein. Nach § 269 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz ZPO ist im Falle einer Klagerücknahme der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen. Die Parteien werden so behandelt, als ob die Klage nicht erhoben worden wäre. Allerdings regelt § 269 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz ZPO unmittelbar nur die prozessualen Folgen der Klagerücknahme. Dagegen ist die mit der Versäumung der Klagefrist des § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG 1996 verbundene Fiktion der Wirksamkeit der Befristung dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. zur Fiktion des § 7 KSchG bei der Kündigungsschutzklage BAG 26. Juni 1986 - 2 AZR 358/85 - BAGE 52, 263 = AP KSchG 1969 § 4 Nr. 14, zu B II 3 b der Gründe). Dies bedeutet jedoch nicht, daß bei der Rücknahme einer Entfristungsklage deren materiellrechtliche Folgen erhalten blieben. Vielmehr entfallen, sofern das Gesetz die materiellrechtlichen Folgen einer Klagerücknahme nicht ausdrücklich besonders regelt (wie zB in § 212 Abs. 1 und 2 BGB in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung), mit der Klagerücknahme im Zweifel auch die durch die Rechtshängigkeit der Klage eingetretenen materiellrechtlichen Wirkungen (so auch BGH 14. Mai 1986 - IV b ZB 14/85 - NJW 1986, 2318, zu II 2 a der Gründe). Das Schweigen des Gesetzgebers über die materiellrechtlichen Folgen der Klagerücknahme führt also dazu, daß die Parteien auch materiellrechtlich so gestellt werden, als ob die Klage gar nicht erst erhoben worden wäre. Dies gilt auch für die mit einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG oder einer Entfristungsklage nach § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG 1996 verbundenen materiellrechtlichen Wirkungen. Mit deren Rücknahme entfällt ihre fristwahrende Wirkung und es tritt die Fiktion des § 7 KSchG ein, sofern zu diesem Zeitpunkt die 3-Wochen-Frist bereits abgelaufen ist (vgl. zur Kündigungsschutzklage APS/Ascheid § 4 KSchG Rn. 123; ErfK/Ascheid 2. Aufl. § 4 KSchG Rn. 71; KR-Friedrich 6. Aufl. § 4 KSchG Rn. 294; Hako-Gallner § 4 KSchG Rn. 88; Löwisch KSchG 8. Aufl. § 4 Rn. 79; Bader/Bram/Dörner/Wenzel-Wenzel Stand: Dezember 2001 § 7 KSchG Rn. 21; Kittner/Däubler/Zwanziger-Zwanziger KSchR 5. Aufl. § 4 KSchG Rn. 63; vgl. auch BAG 24. September 1987 - 2 AZR 4/87 - nv., zu II 1 der Gründe). Ein anderes Ergebnis widerspräche der mit der 3-Wochen-Frist des § 4 Satz1 KSchG und des § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG 1996 sowie der Fiktion des § 7 KSchG bezweckten Rechtssicherheit.
(2) Hiernach ist vorliegend mit der Rücknahme der gegen die erste Befristung gerichteten Entfristungsklage am 14. April 1999 die Fiktion des § 1 Abs. 5 Satz 2 BeschFG 1996 iVm. § 7 KSchG eingetreten. Die zum 31. Mai 1998 vereinbarte erste Befristung gilt somit als von Anfang an rechtswirksam.
(3) Entgegen der Auffassung des Klägers steht der Anwendung der Fiktion des § 7 KSchG iVm. § 1 Abs. 5 Satz 2 BeschFG 1996 vorliegend auch nicht etwa das Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegen. Dabei kann dahin stehen, ob - insbesondere angesichts der nach § 1 Abs. 5 Satz 2 BeschFG 1996 iVm. § 5 KSchG grundsätzlich bestehenden Möglichkeit der nachträglichen Klagezulassung - überhaupt Fallgestaltungen denkbar sind, in denen die aus der Versäumung der 3-Wochen-Frist folgende fingierte Wirksamkeit der Befristung an § 242 BGB scheitert. Denn jedenfalls wäre hierfür ein Verhalten des Arbeitgebers erforderlich, das die Anwendung der gesetzlichen Fiktion als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheinen läßt. Ein solches Verhalten des Beklagten hat vorliegend der Kläger nicht dargetan. Insbesondere ist nicht ersichtlich, daß der Beklagte beim Kläger in treuwidriger Weise ein berechtigtes Vertrauen darauf hervorgerufen hätte, er werde sich gegenüber dem Kläger auf die Wirksamkeit der Befristung des ersten Vertrags nicht mehr berufen.
3. Die im Vertrag vom 15. Mai 1998 vereinbarte Befristung verstößt nicht gegen die zweite Alternative des Anschlußverbots des § 1 Abs. 3 Satz 1 BeschFG 1996. Danach ist die Befristung nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig, wenn zu einem vorhergehenden befristeten Arbeitsvertrag nach Absatz 1 mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Dies ist nicht der Fall. Der dem letzten Vertrag vorangegangene Vertrag vom 27. Juni 1995 war kein nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz befristeter Vertrag. Vielmehr handelte es sich nach dem insoweit maßgeblichen Parteiwillen um eine Sachgrundbefristung.
II. Der lediglich für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag angekündigte Weiterbeschäftigungsantrag fiel dem Senat nicht zur Entscheidung an.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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