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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 09.06.1999
Aktenzeichen: 7 AZR 170/98
Rechtsgebiete: LPVG Brandenburg, BPersVG, GG, BGB


Vorschriften:

LPVG Brandenburg § 61 Abs. 1
LPVG Brandenburg § 61 Abs. 3
LPVG Brandenburg § 63 Abs. 1 Nr. 4
LPVG Brandenburg § 63 Abs. 2
LPVG Brandenburg § 74 Abs. 3 Satz 2
LPVG Brandenburg § 90 Abs. 6
BPersVG § 104 Satz 1
GG Art. 31
GG Art. 74 Nr. 12
GG Art. 75 Nr. 1
BGB § 620
Leitsätze:

1. Nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 LPVG Brandenburg steht dem Personalrat bei der Vereinbarung befristeter Arbeitsverhältnisse ein Mitbestimmungsrecht zu. Die Mißachtung des Mitbestimmungsrechts führt zur Unwirksamkeit der Befristung.

2. Die Beteiligung des Personalrats beim Abschluß von Zeitverträgen mit wissenschaftlichen Hilfskräften setzt keinen Antrag des Arbeitnehmers nach § 63 Abs. 2 LPVG Brandenburg voraus.

Aktenzeichen: 7 AZR 170/98 Bundesarbeitsgericht 7. Senat Urteil vom 09. Juni 1999 - 7 AZR 170/98 -

I. Arbeitsgericht Cottbus - 3 Ca 3108/96 - Urteil vom 06. Februar 1997

II. Landesarbeitsgericht Brandenburg - 1 Sa 401/97 - Urteil vom 05. Dezember 1997


---------------------------------------------------------------------- Für die Amtliche Sammlung: Ja Für die Fachpresse : Ja Für das Bundesarchiv : Ja ----------------------------------------------------------------------

Entscheidungsstichworte: Befristeter Arbeitsvertrag; Mitbestimmungsrecht des Personalrats

Gesetz: LPVG Brandenburg § 61 Abs. 1 und Abs. 3, § 63 Abs. 1 Nr. 4, § 63 Abs. 2, § 74 Abs. 3 Satz 2, § 90 Abs. 6; BPersVG § 104 Satz 1; GG Art. 31, 74 Nr. 12, 75 Nr. 1; BGB § 620

7 AZR 170/98 1 Sa 401/97 Brandenburg

Im Namen des Volkes! Urteil

Verkündet am 9. Juni 1999

Schiege, Justizsekretär z.A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In Sachen

pp.

hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dörner, die Richterinnen Schmidt und Gräfl sowie die ehrenamtliche Richterin Berger und den ehrenamtlichen Richter Dr. Gerschermann für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 5. Dezember 1997 - 1 Sa 401/97 - wird zurückgewiesen.

Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Die Klägerin war seit August 1994 bei der B aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge tätig. Nach dem Arbeitsvertrag vom 10. Juli 1996 sollte sie als wissenschaftliche Hilfskraft beim Lehrstuhl Ökosysteme und Umweltinformatik mit einer Arbeitszeit von 19 Stunden wöchentlich für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1996 beschäftigt werden. Dort sollte sie unter der fachlichen Anleitung des Lehrstuhlinhabers Dienstleistungen in Lehre und Forschung erbringen und den Lehrstuhlinhaber bei der Erfüllung dienstlicher Aufgaben unterstützen.

Mit Schreiben vom 10. Juli 1996 beantragte die Klägerin, den Personalrat in den sie betreffenden personellen Angelegenheiten zu beteiligen. Daraufhin kam es am 25. Juli 1996 im Rektorat zu einem Gespräch mit der Klägerin, an dem auch die Vorsitzende des besonderen, für das wissenschaftliche Personal gebildeten Personalrats teilnahm.

Im Anschluß daran vereinbarten die Parteien mit Arbeitsvertrag vom 29./30. Juli 1996 unter Beibehaltung der Befristungsdauer vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1996 und der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit von 19 Stunden, eine Beschäftigung der Klägerin als wissenschaftliche Hilfskraft beim Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs. Als Befristungsgrund war § 57 b Abs. 2 Nr. 1 HRG im Arbeitsvertrag angegeben.

Die Klägerin hat die Befristung des letzten Arbeitsvertrags für unwirksam gehalten. Bei Abschluß des Zeitvertrags sei der zuständige Personalrat nicht beteiligt worden.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31. Dezember 1996 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen unbefristet fortbesteht.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Es hat die Ansicht vertreten, bei dem Vertrag vom 29./30. Juli 1996 habe es sich um eine Vertragsänderung gehandelt. Daran sei der Personalrat nicht zu beteiligen gewesen. Für den Abschluß des maßgeblichen Zeitvertrags vom 10. Juli 1996 habe die Klägerin die Beteiligung des für sie zuständigen besonderen Personalrats nicht beantragt. Im übrigen verstoße die landesgesetzliche Mitbestimmungsregelung gegen Bundesrecht, weil sie über die Anforderungen des § 620 BGB hinaus die Wirksamkeit der Befristung von der Erfüllung weiterer Voraussetzungen abhängig mache.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit seiner Revision begehrt das beklagte Land die Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 31. Dezember 1996 infolge einer Befristung geendet hat. Die Befristungsvereinbarung der Parteien ist unwirksam. Sie ist unter Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Personalrats nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 LPVG Brandenburg zustande gekommen.

1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht den Arbeitsvertrag vom 29./30. Juli 1996 der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle unterzogen. Mit diesem Vertrag haben die Parteien das durch den Arbeitsvertrag vom 10. Juli 1996 begründete befristete Arbeitsverhältnis auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt.

2. Bei Abschluß des letzten Arbeitsvertrags der Parteien ist der zuständige Personalrat nicht beteiligt worden.

a) Nach § 63 Abs.1 Nr. 4 LPVG Brandenburg hat der Personalrat bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen mitzubestimmen. Damit hat der Landesgesetzgeber, wie der Gesetzgeber des Landes Nordrhein-Westfalen in der gleichlautenden Vorschrift des § 72 Abs. 1 Nr. 1 LPVG NW, das Mitbestimmungsrecht des Personalrats auch auf die inhaltliche Ausgestaltung von Arbeitsverhältnissen erstreckt und damit die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers beschränkt (vgl. BAG Urteile vom 13. April 1994 - 7 AZR 651/93 - BAGE 76, 234 = AP Nr. 9 zu § 72 LPVG NW m. Anm. Plander; vom 8. Juli 1998 - 7 AZR 308/97 - AP Nr. 18 zu § 72 LPVG NW).

b) Der Abschluß des Zeitvertrags vom 29./30. Juli 1996 war nach dieser Vorschrift mitbestimmungspflichtig.

Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß es sich bei diesem Vertrag nicht nur um eine inhaltliche Änderung eines bereits durch den Vertrag vom 10. Juli 1996 begründeten befristeten Arbeitsverhältnisses gehandelt hat. Vielmehr haben die Parteien mit dem Abschluß des letzten Zeitvertrags ihre Rechtsbeziehungen auf eine neue Grundlage gestellt. Für das Eingreifen des Mitbestimmungsrechts ist es unerheblich, daß die Laufzeit des letzten Vertrags mit derjenigen des vorangegangenen Zeitvertrags vom 10. Juli 1996 übereingestimmt hat. Das folgt aus dem Schutzzweck des Mitbestimmungsrechts. Danach soll der Personalrat prüfen, ob die beabsichtigte Befristung nach den Grundsätzen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle wirksam ist. Darüber hinaus soll er auch bei Vorliegen eines die Befristung rechtfertigenden Sachgrundes darauf Einfluß nehmen können, ob im Interesse des Arbeitnehmers von einer Befristung insgesamt abgesehen oder wegen der dem Arbeitnehmer zugewiesenen Arbeitsaufgaben oder des in Aussicht genommenen Befristungsgrunds eine längere Laufzeit vereinbart werden könnte (vgl. BAG Urteil vom 8. Juli 1998, aaO). Das gilt auch in den Fällen, in denen die Parteien zwar die Laufzeit eines zwischen ihnen bestehenden befristeten Arbeitsverhältnisses beibehalten, jedoch einen anderen Sachgrund und ein anderes Einsatzgebiet für den Arbeitnehmer vereinbaren. Auch dann will § 63 Abs. 1 Nr. 4 LPVG Brandenburg den Personalrat in die Lage versetzen, die Wirksamkeit der Befristung erneut zu prüfen und ggf. auf den Abschluß eines Dauerarbeitsvertrags oder einer längeren Vertragslaufzeit zu drängen.

c) Bei Abschluß des Zeitvertrags vom 29./30. Juli 1996 war der für die B gebildete Personalrat von Amts wegen zu beteiligen (§ 63 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 61 Abs. 3 Satz 1 LPVG Brandenburg). Diese Beteiligung ist unterblieben. Entgegen der Ansicht des beklagten Landes war der nur auf Antrag zu beteiligende besondere Personalrat für das Hochschulpersonal nicht zuständig, weil die Klägerin als wissenschaftliche Hilfskraft eingestellt und eingesetzt worden ist.

Nach § 63 Abs. 2 LPVG Brandenburg setzt die Beteiligung des Personalrats bei Angelegenheiten des Hochschulpersonals im Sinne des § 90 Abs. 6 LPVG Brandenburg einen darauf gerichteten Antrag des betroffenen Arbeitnehmers voraus. Dafür bestimmt § 90 Abs. 6 LPVG Brandenburg die Zuständigkeit eines besonderen Personalrats, der gesondert für das wissenschaftliche und künstlerische Personal einer Hochschule gewählt wird. Wissenschaftliche Hilfskräfte gehören nicht zum Personenkreis desjenigen Hochschulpersonals, der von einem besonderen Personalrat repräsentiert wird. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 90 Abs. 6 Satz 1 LPVG Brandenburg. Zwar verwendet das Gesetz im Eingangssatz des § 90 Abs. 6 LPVG Brandenburg den Oberbegriff des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals. Der sich daran unmittelbar anschließende Klammerzusatz enthält seinem Wortlaut nach jedoch eine abschließende Aufzählung dieses Personenkreises. Wissenschaftliche Hilfskräfte werden darin nicht erwähnt. Es ist deshalb unerheblich, ob die Klägerin eine Beteiligung des besonderen Personalrats vor Abschluß des letzten Zeitvertrags beantragt oder auf ihr Antragsrecht wirksam verzichtet hatte.

3. Die Mißachtung des Mitbestimmungsrechts des Personalrats führt zur Unwirksamkeit der Befristung.

Nach der ständigen Senatsrechtsprechung bezieht sich das personalvertretungsrechtliche Mitbestimmungsrecht bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen auf die inhaltliche Ausgestaltung des Arbeitsvertrags. Das Mitbestimmungsrecht hat zum Ziel, eine Befristung nur mit Zustimmung des Personalrats vereinbaren zu können. Ohne Zustimmung des Personalrats ist dem Arbeitgeber eine solche Vertragsgestaltung verwehrt. Diesem Schutzgedanken entspricht es, daß die Verletzung des Mitbestimmungsrechts zur Unwirksamkeit der Befristungsabrede führt und das Vertragsverhältnis der Parteien im übrigen nicht berührt (BAG Urteile vom 13. April 1994, aaO und vom 8. Juli 1998, aaO).

Diese Rechtsfolge wird durch § 74 Abs. 3 Satz 2 LPVG Brandenburg nicht in Frage gestellt. Nach dieser Vorschrift hat der Dienststellenleiter Maßnahmen, die unter Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Personalrats zustande gekommen sind, zurückzunehmen. Diese Vorschrift betrifft das Innenverhältnis zwischen Dienststellenleitung und Betriebsrat und begründet das Recht des Personalrats, vom Dienststellenleiter zu verlangen, eine mitbestimmungswidrige Maßnahme rückgängig zu machen. Die individualrechtlichen Folgen des mitbestimmungswidrigen Handelns des Arbeitgebers werden in dieser Vorschrift nicht geregelt.

4. Die Mitbestimmungsregelung des § 63 Abs. 1 Nr. 4 LPVG Brandenburg und die daran knüpfende Unwirksamkeitsfolge bei Mißachtung des Mitbestimmungsrechts verletzt nicht Bundesrecht.

Das auf der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 75 Nr. 1 GG beruhende BPersVG beläßt den Ländern einen weiten Spielraum zur Regelung der Beteiligungsrechte der Personalvertretung in personellen Angelegenheiten. Eine verbindliche Festlegung dieser Beteiligungsrechte nach Inhalt und Umfang sieht § 104 Satz 1 BPersVG nicht vor (BAG Urteil vom 13. April 1994, aaO, zu B II 2 der Gründe, m.w.N.).

Die vom Landesgesetzgeber gewollten Beschränkungen des öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers beim Abschluß vom Zeitverträgen verstoßen auch nicht gegen Art. 31 GG. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes enthält § 620 BGB keine abschließende Regelung zur Befristung von Arbeitsverhältnissen im Sinne des Art. 74 Nr. 12 GG, die einer personalvertretungsrechtlich ausgestalteten Befristungsbeschränkung entgegenstehen könnte. § 620 BGB setzt seinerseits die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge voraus, deren Wirksamkeit sich mangels gesetzlicher Regelungen nach Richterrecht bestimmt.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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