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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 14.08.2002
Aktenzeichen: 7 AZR 225/98
(1)
Rechtsgebiete: HRG
Vorschriften:
HRG § 57 b Abs. 3 (i. d. bis 24. Aug. 1998 gelt. Fassung, aF); Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zw. den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits u. d. Republik Polen andererseits v. 16. Dezember 1991 Art. 37 Abs. 1 erster Gedankenstrich |
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 14. August 2002
In Sachen
hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 31. Juli 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dörner, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Gräfl und den Richter am Bundesarbeitsgericht Linsenmaier sowie die ehrenamtlichen Richter Metzinger und Wilke nach Lage der Akten für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 23. September 1997 - 5 Sa 2109/96 - wird zurückgewiesen.
Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.
Die Klägerin ist polnische Staatsangehörige. Im Jahr 1991 schloß sie ihr Germanistikstudium in Lodz mit der Magisterprüfung ab. Seit Mitte 1992 lebt sie in der Bundesrepublik. Mit Vertrag vom 5. Oktober 1992 wurde sie "für die Zeit vom 8.10.1992 bis 30.9.1996 als nicht vollbeschäftigte Angestellte mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit einer vollbeschäftigten Angestellten [Lehrkraft für besondere Aufgaben im Sinne von § 55 WissHG in der Stellung einer Lektorin] eingestellt". Nach § 2 des Dienstvertrags ist dieser "befristet, weil die Beschäftigung der Angestellten überwiegend für die Ausbildung in Fremdsprachen erfolgt (§ 57 b Abs. 3 HRG)".
Mit ihrer am 16. Januar 1996 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, § 57 b Abs. 3 HRG in der bis zum 24. August 1998 geltenden Fassung (HRG aF) rechtfertige die Befristung ihres Arbeitsvertrags nicht. Nachdem der Europäische Gerichtshof die Unanwendbarkeit der Bestimmung auf die Angehörigen der EU-Länder festgestellt habe, könne allein die Beschäftigung als Fremdsprachenlektor auch bei Angehörigen von Drittstaaten keinen Sachgrund für eine Befristung darstellen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch seine Befristung auf den 30. September 1996 nicht geendet hat,
2. das beklagte Land zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits als Lehrkraft für besondere Aufgaben (Lektorin) zu den sonst unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Es hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei nach § 57 b Abs. 3 HRG aF sachlich gerechtfertigt. Diese Bestimmung sei auf Arbeitsverträge mit Fremdsprachenlektoren aus Drittstaaten anwendbar geblieben. Außerdem habe die Befristung der allgemeinen Aus-, Fort- und Weiterbildung der Klägerin gedient.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr entsprochen. Mit der Revision erstrebt das beklagte Land die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht entsprochen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht auf Grund Befristung am 30. September 1996 geendet.
I. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das Landesarbeitsgericht hat die Auffassung vertreten, die Praxis des beklagten Landes, sich gegenüber den nicht durch Art. 48 Abs. 2 EG-Vertrag (jetzt: Art. 39 Abs. 2 EG) geschützten Lektoren weiterhin auf § 57 b Abs. 3 HRG aF zu berufen, verstoße gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Mit dieser Begründung kann der Klage nicht entsprochen werden. Wenn das beklagte Land die Rechtsprechung des EuGH (20. Oktober 1993 - Rs. C-272/92 - Spotti - AP EWG-Vertrag Art. 48 Nr. 17) und des Senats (zuletzt 25. Februar 1998 - 7 AZR 31/97 - BAGE 83, 144 = AP HRG § 57 b Nr. 15 mwN) respektiert und sich gegenüber EU-Angehörigen nicht mehr auf § 57 b Abs. 3 HRG aF beruft, so bedeutet dies nicht, daß es gegenüber der polnischen Klägerin aus Gründen der Gleichbehandlung eine wirksame Befristung nicht mehr geltend machen dürfte. Vielmehr rechtfertigen unterschiedliche Rechtspositionen eine unterschiedliche Behandlung (BAG 1. Dezember 1999 - 7 AZR 236/98 - AP HRG § 57 b Nr. 21 = EzA BGB § 620 Hochschulen Nr. 21, zu III 2 der Gründe; 22. März 2000 - 7 AZR 226/98 - BAGE 94, 111 ff. = AP HRG § 57 b Nr. 24, zu II 2 der Gründe).
II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich aus anderen Gründen als richtig dar. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes ist § 57 b Abs. 3 HRG aF nicht geeignet, die vorliegend vereinbarte Befristung zu rechtfertigen. Die Bestimmung sah vor, daß ein sachlicher Grund, der die Befristung eines Arbeitsverhältnisses mit einer fremdsprachlichen Lehrkraft für besondere Aufgaben rechtfertigt, auch vorliegt, wenn die Beschäftigung überwiegend für die Ausbildung in Fremdsprachen erfolgt (Lektor). Die Bestimmung kann aber vorliegend keine Anwendung finden.
1. Wie der EuGH auf Grund des Vorlagebeschlusses des Senats vom 22. März 2000 (- 7 AZR 225/98 (A) - BAGE 94, 102 ff. = AP HRG § 57 b Nr. 25) mit Urteil vom 29. Januar 2002 (- Rs. C-162/00 -) entschieden hat, steht Art. 37 Abs. 1 erster Gedankenstrich des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Polen andererseits vom 16. Dezember 1991 (Europa-Abkommen) der Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift auf polnische Staatsangehörige entgegen, nach der die Stellen von Fremdsprachenlektoren mittels befristeter Arbeitsverträge besetzt werden können, während der Abschluß derartiger Verträge mit sonstigen Lehrkräften für besondere Aufgaben im Einzelfall durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein muß (EuGH 29. Januar 2002 - Rs. C-162/00 - Tenor 1, Rn. 45). Das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot findet, ohne daß zusätzliche nationale Durchführungsbestimmungen erforderlich wären, unmittelbare Anwendung (EuGH 29. Januar 2002 - Rs. C-162/00 - Rn. 29). Auf diese unmittelbare Wirkung können sich polnische Staatsangehörige vor den Gerichten des Aufnahmemitgliedsstaats berufen (EuGH 29. Januar 2002 - Rs. C-162/00 - Rn. 30). Der in Art. 37 Abs. 1 des Europa-Abkommens enthaltene Passus, das Diskriminierungsverbot gelte "vorbehaltlich der in den einzelnen Mitgliedsstaaten geltenden Bedingungen und Modalitäten", hindert die unmittelbare Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbots nicht und führt nicht dazu, daß seine Anwendung in den Mitgliedsstaaten an weitere Voraussetzungen geknüpft oder nach freiem Ermessen eingeschränkt werden könnte (EuGH 29. Januar 2002 - Rs. C- 162/00 - Rn. 23, 24).
2. Das Diskriminierungsverbot des Art. 37 Abs. 1 erster Gedankenstrich des Europa-Abkommens ist anwendbar, obwohl vorliegend die Befristungsabrede vom 5. Oktober 1992 bereits vor dem Inkrafttreten des Europa-Abkommens am 1. Februar 1994 geschlossen wurde. Wie der EuGH auf die Anfrage des Senats entschieden hat, gilt Art. 37 Abs. 1 erster Gedankenstrich des Europa-Abkommens auch für befristete Arbeitsverträge, die vor dem Inkrafttreten des Europa-Abkommens geschlossen wurden, wenn das vereinbarte Fristende nach dem Inkrafttreten des Abkommens liegt (EuGH 29. Januar 2002 - Rs. C-162/00 - Tenor 2, Rn. 57). Dies ist vorliegend der Fall.
3. Das Diskriminierungsverbot in Art. 37 Abs. 1 erster Gedankenstrich des Europa-Abkommens entfaltet die gleiche Wirkung wie das in Art. 39 Abs. 2 EG (vor dem 1. Mai 1999: Art. 48 Abs. 2 EG-Vertrag) normierte Diskriminierungsverbot (EuGH 29. Januar 2002 - Rs. C-162/00 - Rn. 39 bis 44). Dieses Diskriminierungsverbot steht nach der Rechtsprechung des EuGH (20. Oktober 1993 - Rs. C-272/92 - Spotti) und der sich daran anschließenden ständigen Rechtsprechung des Senats (zuletzt 25. Februar 1998 - 7 AZR 31/97 - BAGE 88, 144 = AP HRG § 57 b Nr. 15 mwN) der Anwendung des § 57 b Abs. 3 HRG aF auf befristete Arbeitsverträge von Fremdsprachenlektoren aus den EG-Ländern entgegen. Die Beschäftigung als Fremdsprachenlektor stellt somit auch bei polnischen Staatsangehörigen allein keinen sachlichen Grund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses dar. Sie vermag daher auch vorliegend die Befristung nicht zu rechtfertigen.
III. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Befristung auch nicht aus einem anderen Sachgrund gerechtfertigt. Das beklagte Land kann sich insbesondere nicht auf den Sachgrund der allgemeinen Weiterqualifizierung (§ 57 b Abs. 2 Nr. 1 HRG in der bis 22. Februar 2002 geltenden Fassung) berufen. Auf die Ausführungen unter B II 5 des Senatsbeschlusses vom 22. März 2000 - 7 AZR 225/98 (A) - (aaO) wird verwiesen.
IV. Der Weiterbeschäftigungsantrag fiel dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist nur auf die Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits gerichtet.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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