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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 11.11.1998
Aktenzeichen: 7 AZR 328/97
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 620 |
1. Bei der nochmaligen befristeten Verlängerung des Arbeitsverhältnisses eines bereits langjährig befristet beschäftigten Arbeitnehmers zur Vertretung muß der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses konkrete Anhaltspunkte für die Prognose haben, der Beschäftigungsbedarf für den befristet tätigen Mitarbeiter werde entfallen.
2. Anzahl und Dauer der Befristungen können Indizien für das Fehlen des Sachgrundes der Vertretung sein.
Aktenzeichen: 7 AZR 328/97 Bundesarbeitsgericht 7. Senat Urteil vom 11. November 1998 - 7 AZR 328/97 -
I. Arbeitsgericht Karlsruhe - 4 Ca 429/95 - Urteil vom 12. März 1996
II. Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Mannheim) - 13 Sa 47/96 - Urteil vom 19. Dezember 1996
---------------------------------------------------------------------- Für die Amtliche Sammlung: Nein Für die Fachpresse : Ja Für das Bundesarchiv : Nein ----------------------------------------------------------------------
Entscheidungsstichworte: Mehrfach befristeter Arbeitsvertrag zur Vertretung
Gesetz: BGB § 620
7 AZR 328/97 ------------ 13 Sa 47/96 Baden-Württemberg
Im Namen des Volkes! Urteil
Verkündet am 11. November 1998
Susdorf, Reg.-Hauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In Sachen
pp.
hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. November 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dörner, den Richter Prof. Dr. Steckhan und die Richterin Schmidt sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Koch und Hökenschnieder für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 19. Dezember 1996 - 13 Sa 47/96 - aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 12. März 1996 - 4 Ca 429/95 - abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger ist Musiklehrer. Er war in der Zeit vom 12. November 1990 bis 30. September 1995 bei der Beklagten aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge tätig. Nach dem letzten Arbeitsvertrag vom 27. Juni 1995 wurde er für die Zeit vom 29. Juni 1995 bis 30. September 1995 als Lehrer für Klavier- und Kammermusik als Aushilfsangestellter zur Vertretung beschäftigt. Die Parteien haben die Geltung des BAT/VKA vereinbart.
Der Kläger hat seit Beginn seiner Tätigkeit für die Beklagte eine Angestellte vertreten, die wegen Mutterschutz, Erziehungsurlaub und einer Freistellung wegen Kinderbetreuung durchgehend beurlaubt war. Die Beurlaubung der Angestellten war zuletzt am 23. Februar 1995 antragsgemäß bis zum 28. Juni 1996 verlängert worden.
Der Kläger hat die Befristung des letzten Arbeitsvertrags für unwirksam gehalten. Der Vertretungsbedarf habe über die vereinbarte Laufzeit des Zeitvertrags fortbestanden. Die Befristung sei erfolgt, um einen ungewissen Arbeitskräftebedarf abzudecken.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 30. September 1995 hinaus fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund einer wirksamen Befristung mit Ablauf des 30. September 1995 geendet. Das Landesarbeitsgericht hat verkannt, daß die Befristung des letzten Arbeitsvertrags vom 27. Juni 1995, der für die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle maßgebend ist, aus Gründen der Vertretung sachlich gerechtfertigt ist. Auf den von der Revision geltend gemachten Sachgrund des § 21 Abs. 1 BErzGG kommt es demnach nicht an.
1. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist die Einstellung des Klägers zur Vertretung und damit als Aushilfsangestellter im Sinne der Nr. 1 c SR 2 y BAT erfolgt. Die Einstellung eines Arbeitnehmers zur Vertretung eines zeitweilig ausfallenden Mitarbeiters ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als Befristungsgrund anerkannt (BAG Urteil vom 24. September 1997 - 7 AZR 669/96 - AP Nr. 192 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 3 der Gründe, m.w.N.). Der sachliche Rechtfertigungsgrund einer solchen Befristungsabrede liegt darin, daß der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet. Damit besteht für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis. Ein solcher Vertretungsfall hat auch vorgelegen, nach dem der Sonderurlaub für eine angestellte Musiklehrerin der Beklagten vor Abschluß des Zeitvertrags mit dem Kläger bis zum 30. September 1996 verlängert worden war.
2. Der Sachgrund der Vertretung wird durch die vereinbarte Befristungsdauer nicht in Frage gestellt. Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt. Zwar war der Sonderurlaub für die zu vertretende Angestellte bis zum 28. Juni 1996 bewilligt worden, während das Arbeitsverhältnis der Parteien nur auf den 30. September 1995 befristet war. Nach der Senatsrechtsprechung (BAGE 59, 265, 272 = AP Nr. 124 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) bedarf die vertraglich vereinbarte Befristungsdauer keiner eigenen sachlichen Rechtfertigung. Ihr kommt nur Bedeutung bei der Prüfung des Sachgrunds zu, weil die vereinbarte Dauer der Befristung neben anderen Umständen darauf hinweisen kann, daß der Sachgrund für die Befristung vorgeschoben ist. Allerdings läßt allein die fehlende Kongruenz zwischen der Dauer des Vertretungsbedarfs und der Dauer der Befristung nicht den Schluß auf das Fehlen dieses Sachgrundes zu, wenn ein Mitarbeiter nur zeitweilig an einer Tätigkeit gehindert und mit seiner Rückkehr zu rechnen ist. Dem Arbeitgeber steht es frei, den Arbeitsausfall überhaupt zu überbrücken; demzufolge verbleibt ihm auch die Entscheidung, die Vertretung nur für eine kürzere Zeit zu regeln (BAG Urteil vom 6. Juni 1984 - 7 AZR 458/82 - AP Nr. 83 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu III 2 a der Gründe). Diese unternehmerische Entscheidung ist nur darauf zu prüfen, ob der Sachgrund im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorgeschoben ist. Dafür fehlt es vorliegend an Anhaltspunkten.
3. Der Sachgrund der Vertretung wird auch durch die dem letzten Arbeitsvertrag vorangegangenen Befristungen nicht in Frage gestellt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können die Häufigkeit und die bisherige Gesamtbefristungsdauer Indizien für das Fehlen des Sachgrundes sein (vgl. BAG Urteil vom 11. Dezember 1991 - 7 AZR 431/90 - AP Nr. 141 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Deshalb müssen bei der nochmaligen befristeten Verlängerung des Arbeitsverhältnisses eines bereits langjährig befristet beschäftigten Arbeitnehmers im Zeitpunkt des Abschlusses des letzten Zeitvertrages konkrete Anhaltspunkte für die Prognose zum künftigen Wegfall des Beschäftigungsbedarfs vorliegen. Im Fall der Vertretung hat sich diese Prognose des Arbeitgebers auf den Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die zu erwartende Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters zu beziehen, nicht aber auf den Zeitraum dieser Rückkehr (BAG Urteil vom 22. November 1995 - 7 AZR 252/95 - AP Nr. 178 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 2 der Gründe). Eine Befristung zur Vertretung kann allenfalls in den Fällen sachwidrig sein, in denen sich dem Arbeitgeber nach dem objektiven Geschehensablauf im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erhebliche Zweifel daran aufdrängen müssen, ob der zu vertretende Mitarbeiter seine Tätigkeit überhaupt oder in unverändertem Umfang wieder aufnehmen wird.
Konkrete Anhaltspunkte dafür liegen nicht vor und sind auch nicht vorgetragen. Die zu vertretende Musiklehrerin hatte im Anschluß an die Mutterschutzfrist und den Erziehungsurlaub jeweils bezogen auf ein Jahr Sonderurlaub wegen Kinderbetreuung verlangt. Auch der dem Abschluß des letzten Arbeitsvertrags vorangegangene Antrag beschränkte sich auf diesen Zeitpunkt. Mangels entgegenstehender Bekundungen dieser Mitarbeiterin mußte die beklagte Stadt mit deren Rückkehr nach Ablauf des bewilligten Sonderurlaubs rechnen. Für die Beklagte war nicht erkennbar, ob die Mitarbeiterin etwa wegen ihrer familiären Verpflichtungen auf Dauer an ihrer Rückkehr gehindert sein wird.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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