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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 11.07.2007
Aktenzeichen: 7 AZR 360/06
Rechtsgebiete: GG, HRG


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
GG Art. 72 Abs. 2
GG Art. 74 Abs. 1 Nr. 12
HRG (in der ab 31. Dezember 2004 geltenden Fassung des HdaVÄndG) § 57a Abs. 1
HRG (in der ab 31. Dezember 2004 geltenden Fassung des HdaVÄndG) § 57b Abs. 1
HRG (in der ab 31. Dezember 2004 geltenden Fassung des HdaVÄndG) § 57f Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

7 AZR 360/06

Verkündet am 11. Juli 2007

In Sachen

hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2007 durch den Vizepräsidenten des Bundesarbeitsgerichts Dörner, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Gräfl, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Koch sowie die ehrenamtlichen Richter Bea und Willms für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 30. Januar 2006 - 3 Sa 644/05 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund Befristung am 28. Februar 2005 geendet hat.

Die Klägerin war seit dem 1. August 1997 auf Grund mehrerer befristeter Arbeitsverträge bei dem Beklagten als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für L der Universität Leipzig beschäftigt. Nach Abschluss ihrer Promotion wurde die Klägerin seit dem 1. August 2002 auf der Grundlage des § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG in der ab 23. Februar 2002 geltenden Fassung des 5. HRGÄndG beschäftigt. Nach § 1 des zuletzt vereinbarten Arbeitsvertrags vom 29. April/4. Mai 2004 erfolgte die befristete Einstellung der Klägerin für die Zeit vom 1. September 2004 bis zum 28. Februar 2005 als promovierte wissenschaftliche Mitarbeiterin gemäß § 57a Abs. 1 Satz 1 iVm. § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG.

Mit der am 16. November 2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund der Befristung zum 28. Februar 2005 gewandt und gemeint, die Befristung könne nicht auf die Bestimmungen des 5. HRGÄndG gestützt werden, da dieses Gesetz durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2004 (- 2 BvF 2/02 -BVerfGE 111, 226) für nichtig erklärt worden sei. § 57b Abs. 1 HRG in der Fassung des HdaVÄndG vom 27. Dezember 2004 sei auf das Arbeitsverhältnis nicht anwendbar, da die Vorschrift erst nach dem Abschluss des Arbeitsvertrags vom 29. April/4. Mai 2004 in Kraft getreten sei. § 57f HRG in der Fassung des HdaVÄndG sehe ein rückwirkendes Inkrafttreten der §§ 57a bis 57e HRG nicht vor. Im Übrigen bestünden Zweifel an der Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers. Die Voraussetzungen für eine Befristung nach §§ 57a ff. HRG in der vor dem 23. Februar 2002 geltenden Fassung des 4. HRGÄndG lägen nicht vor.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung des Arbeitsvertrags vom 29. April 2004 nicht endet,

2. den Beklagten für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1) zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Beschäftigungsbedingungen als wissenschaftliche Mitarbeiterin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu beschäftigen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin den Klageantrag zu 1) weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die rechtzeitig erhobene Befristungskontrollklage gegen die in dem letzten Arbeitsvertrag vom 29. April/4. Mai 2004 vereinbarte Befristung zum 28. Februar 2005 zu Recht abgewiesen. Die Befristung ist nach § 57a Abs. 1 Satz 1, § 57b Abs. 1, § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG idF des HdaVÄndG vom 27. Dezember 2004 gerechtfertigt. Zwar lagen die hochschulrahmenrechtlichen Voraussetzungen für eine sachgrundlose Befristung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 29. April/4. Mai 2004 nicht vor. Die §§ 57a ff. HRG idF des am 23. Februar 2002 in Kraft getretenen 5. HRGÄndG waren nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2004 nichtig (BVerfG 27. Juli 2004 - 2 BvF 2/02 - BVerfGE 111, 226, 246, 270, 273). Nach dem HdaVÄndG sind die zuvor in §§ 57a bis 57e HRG idF des 5. HRGÄndG enthaltenen Regelungen jedoch auf die vom 23. Februar 2002 bis zum 27. Juli 2004 abgeschlossenen Verträge anzuwenden. Hierdurch ist nachträglich die hochschulrahmenrechtliche Grundlage für die sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags der Parteien geschaffen worden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der die Befristung tragenden Normen bestehen nicht. Der Bund hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die Gesetzgebungskompetenz für das Zeitvertragsrecht des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Die zeitliche Rückerstreckung der §§ 57a bis 57e HRG auf die in der Zeit vom 23. Februar 2002 bis zum 27. Juli 2004 abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal an Hochschulen verstößt nicht gegen das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Gebot des Vertrauensschutzes. Das HdaVÄndG stellt lediglich die Rechtslage wieder her, von der beide Parteien bei Abschluss des Arbeitsvertrags am 29. April/4. Mai 2004 ausgehen mussten.

I. Die von den Parteien im Arbeitsvertrag vom 29. April/4. Mai 2004 vereinbarte Befristung zum 28. Februar 2005 bedurfte keines sachlichen Grundes. Sie ist nach § 57f Abs. 1 Satz 1 iVm. § 57a Abs. 1, § 57b Abs. 1 HRG idF des HdaVÄndG vom 27. Dezember 2004 (im Folgenden: HRG) gerechtfertigt.

1. Nach § 57b Abs. 1 Satz 1 HRG ist die Befristung von Arbeitsverträgen des in § 57a Abs. 1 Satz 1 HRG genannten Personals, das nicht promoviert ist, bis zur Dauer von sechs Jahren zulässig. Nach abgeschlossener Promotion ist gemäß § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG eine Befristung bis zur Dauer von sechs Jahren zulässig; die zulässige Befristungsdauer verlängert sich in dem Umfang, in dem Zeiten einer befristeten Beschäftigung nach Satz 1 weniger als sechs Jahre betragen haben.

Die Voraussetzungen des § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG sind im Streitfall erfüllt.

Nach § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG sind die §§ 57a bis 57e HRG auf den am 29. April/4. Mai 2004 abgeschlossenen Arbeitsvertrag der Parteien anwendbar. Die Klägerin war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wissenschaftliche Mitarbeiterin iSd. § 57a Abs. 1 Satz 1 HRG an einer Hochschule und wurde nach ihrer Promotion ab dem 1. August 2002 an der Universität Leipzig beschäftigt. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde die nach § 57b Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. HRG zulässige Befristungsdauer von sechs Jahren nach der Promotion durch den Arbeitsvertrag vom 29. April/4. Mai 2005 nicht überschritten.

2. Das Zitiergebot des § 57b Abs. 3 Satz 1 HRG ist eingehalten. Danach ist im Arbeitsvertrag anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften des HRG beruht.

Diese Voraussetzungen erfüllt § 1 des Arbeitsvertrags vom 29. April/4. Mai 2004, wonach die Klägerin ab 1. September 2004 bis zum 28. Februar 2005 "als promovierte wissenschaftliche Mitarbeiterin gemäß § 57a Abs. 1 Satz 1 iVm. § 57b Abs. 1 Satz 2 Hochschulrahmengesetz (HRG)" eingestellt wurde.

3. Entgegen der Auffassung der Klägerin wurde die Anwendung der Vorschriften der §§ 57a bis 57e HRG durch § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG auf Arbeitsverträge, die in der Zeit vom 23. Februar 2002 bis zum 27. Juli 2004 abgeschlossen wurden, erstreckt. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes. Danach sind die §§ 57a bis 57e HRG in der ab 31. Dezember 2004 geltenden Fassung auf Arbeitsverträge anzuwenden, die seit dem 23. Februar 2002 abgeschlossen wurden. Ausgenommen hiervon sind lediglich Arbeitsverträge, die zwischen dem 27. Juli 2004 und dem 31. Dezember 2004 vereinbart wurden (§ 57f Abs. 1 Satz 3 HRG). Für diese gelten die §§ 57a bis 57e HRG in der vor dem 23. Februar 2002 geltenden Fassung.

Ein anderes Verständnis von § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht deshalb geboten, weil das HdaVÄndG insgesamt nach dessen Art. 10 am Tag nach der Verkündung und damit am 31. Dezember 2004 in Kraft getreten ist. Die Klägerin verkennt, dass die Anwendung von Vorschriften für einen zurückliegenden Zeitraum nur für die §§ 57a bis 57e in § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG bestimmt wurde, nicht für die übrigen Vorschriften des HdaVÄndG. Durch die Anordnungen in § 57f Abs. 1 Satz 1 und 2 HRG wurde der Rechtszustand wieder hergestellt, der bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2004 zum 5. HRGÄndG gegolten hatte. Die §§ 57a bis 57e HRG idF des HdaVÄndG entsprechen wörtlich den §§ 57a bis 57e HRG idF des 5. HRGÄndG. Lediglich § 57f HRG idF des HdaVÄndG weicht von § 57f HRG idF des 5. HRGÄndG ab. § 57f Abs. 1 Satz 3 HRG idF des HdaVÄndG enthält die erforderliche Übergangsregelung für diejenigen befristeten Arbeitsverträge, die seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2004 auf der Grundlage des wieder aufgelebten Befristungsrechts nach dem 4. HRGÄndG abgeschlossen worden sind. Ohne die Regelung in § 57f Abs. 1 Satz 3 HRG idF des HdaVÄndG würde diesen Arbeitsverträgen durch das rückwirkende Inkraftsetzen des Befristungsrechts nach dem HdaVÄndG ihrerseits die Rechtsgrundlage entzogen (BT-Drucks. 15/4132 S. 23).

Die Anwendung der §§ 57a bis 57e HRG auf Verträge, die in der Zeit vom 23. Februar 2002 bis zum 27. Juli 2004 abgeschlossen wurden, entspricht entgegen der Auffassung der Klägerin dem erklärten Willen des Gesetzgebers und dem von ihm mit der Regelung in § 57f Abs. 1 HRG verfolgten Zweck. Der befristungsrechtliche Teil des HdaVÄndG ist entsprechend dem Vorschlag der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drucks. 15/4132) vom Bundestag unverändert beschlossen worden und in Kraft getreten. Dies entsprach der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung vom 1. Dezember 2004 (BT-Drucks. 15/4418 S. 5). Danach wurde dem Bundestag empfohlen, "den Gesetzentwurf - Drucks. 15/4132 - unverändert anzunehmen". In der Begründung hierzu heißt es, der durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts verursachte Wegfall der Rechtsgrundlage für die Zeitverträge werde durch rückwirkende Wiederinkraftsetzung des Befristungsrechts geheilt. Die am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten sind daher unzweifelhaft von einer im Ergebnis rückwirkenden Inkraftsetzung der §§ 57a bis 57e HRG ausgegangen und haben dies in § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG auch unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.

In Anbetracht des eindeutigen Gesetzeswortlauts, des mit § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG erkennbar verfolgten Zwecks, die durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entfallene Rechtsgrundlage für die in der Zeit vom 23. Februar 2002 bis zum 27. Juli 2004 abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen wiederherzustellen, und der Entstehungsgeschichte der Norm kann daher die von der Klägerin bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten offenbar vertretene Rechtsauffassung, die Vorschrift habe keinerlei Regelungsgehalt und sei inhaltslos, nicht nachvollzogen und nur als abwegig bezeichnet werden.

II. Gegen die Wirksamkeit der die Befristung des Arbeitsvertrags vom 29. April/4. Mai 2004 tragenden Vorschriften bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die §§ 57a bis 57f HRG sind nicht verfassungswidrig. Der Bundesgesetzgeber hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die Gesetzgebungskompetenz für die Regelung des Zeitvertragsrechts des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Hochschulen. Die sich aus Art. 72 Abs. 2 GG für die konkurrierende Gesetzgebung ergebenden Anforderungen an das Gesetzgebungsrecht des Bundes sind erfüllt. Die in § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG enthaltene Erstreckung der §§ 57a bis 57e HRG auf die in der Zeit vom 23. Februar 2002 bis zum 27. Juli 2004 abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge stellt keine mit Art. 12 Abs. 1 GG iVm. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) unvereinbare Rückwirkung dar. Dies hat der Senat bereits durch das den Parteien zur Kenntnis gebrachte Urteil vom 21. Juni 2006 (- 7 AZR 234/05 - AP HRG § 57a Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 620 Hochschulen Nr. 2, zu III der Gründe) entschieden, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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