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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 25.10.2000
Aktenzeichen: 7 AZR 483/99
Rechtsgebiete: BeschFG


Vorschriften:

BeschFG § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2
BeschFG § 1 Abs. 3 Satz 1
Leitsätze:

1. Eine Verlängerung iSv. § 1 Abs. 1 Satz 2 BeschFG setzt voraus, daß der Verlängerungsvertrag vor Ablauf des zu verlängernden Vertrags geschlossen wird (Bestätigung von BAG 26. Juli 2000 - 7 AZR 51/99 - zVv.).

2. Ein Ausgangsvertrag, der wegen Verstoßes gegen das Anschlußverbot des § 1 Abs. 3 Satz 1 BeschF nicht auf § 1 Abs. 1 Satz 1 BeschFG gestützt werden durfte, kann auch nicht nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BeschFG wirksam verlängert werden (Bestätigung von BAG 26. Juli 2000 - 7 AZR 546/99 - zVv.).

Aktenzeichen: 7 AZR 483/99

Bundesarbeitsgericht 7. Senat Urteil vom 25. Oktober 2000 - 7 AZR 483/99 -

I. Arbeitsgericht Aachen Teilurteil vom 19. Mai 1998 - 1 Ca 367/98 -

II. Landesarbeitsgericht Köln Urteil vom 27. April 1999 - 13 Sa 897/98 -


BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

7 AZR 483/99 13 Sa 897/98

Verkündet am 25. Oktober 2000

Schiege, der Geschäftsstelle

In Sachen

Klägerin, Berufungsklägerin und Revisionsklägerin,

pp.

Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte,

hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dörner, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Schmidt und den Richter am Bundesarbeitsgericht Linsenmaier sowie die ehrenamtlichen Richter Niehues und Prof. Dr. Zachert für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 27. April 1999 - 13 Sa 897/98 - aufgehoben.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 19. Mai 1998 - 1 Ca 367/98 - abgeändert.

Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der am 27. Juni 1997 vereinbarten Befristung nicht zum 31. Januar 1998 beendet ist.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund Befristung zum 31. Januar 1998 beendet ist. Hilfsweise verfolgt die Klägerin einen Wiedereinstellungsanspruch.

Die Klägerin war bei der Beklagten zunächst vom 23. Oktober 1995 bis 10. August 1996 aufgrund von insgesamt fünf befristeten Arbeitsverträgen als Postzustellerin beschäftigt. In den Verträgen waren als Grund für die Befristung jeweils Vertretungsaufgaben genannt. Nach einer vom 11. August 1996 bis 24. November 1996 dauernden Unterbrechung war die Klägerin ab 25. November 1996 aufgrund weiterer vier befristeter Verträge bis zum 31. Januar 1998 bei der Beklagten tätig. Diese vier Verträge stellten sich folgendermaßen dar:

 Vertragsschlußvereinbartes EndeBezeichnung
26. November 199611. Januar 1997Arbeitsvertrag
15. Januar 199729. März 1997Vertrag zur Änderung des Arbeitsvertrags
27. März 199730. Juni 1997"""
27. Juni 199731. Januar 1998"""

In den Verträgen war als Befristungsgrund jeweils § 1 BeschFG genannt. Der Vertrag vom 15. Januar 1997 wurde geschlossen, nachdem die Klägerin am Montag, dem 13. Januar 1997 und am Dienstag, dem 14. Januar 1997 ihrer Tätigkeit nachgegangen war, ohne daß hierüber eine Vereinbarung vorlag. Bei Abschluß des Vertrags vom 27. Juni 1997 war die Klägerin schwanger.

Mit der am 28. Januar 1998 beim Arbeitsgericht eingegangen Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Hilfsweise verfolgt sie einen auf Abschluß eines Arbeitsvertrags gerichteten Schadensersatzanspruch. Ganz hilfsweise will sie eine Entschädigung.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum 31. Januar 1998 beendet ist;

2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, mit der Klägerin mit Wirkung vom 1. Februar 1998 einen unbefristeten Arbeitsvertrag abzuschließen, vollbeschäftigt mit der jeweils geltenden regelmäßigen Arbeitszeit, Lohngruppe 4 TVArb;

3. weiter hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 10.500,00 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

den Antrag zu 1) und den Hilfsantrag zu 2) abzuweisen.

Hinsichtlich des Hilfsantrags zu 3) hat sie keinen Antrag gestellt, weil die Einlassungsfrist nicht gewahrt war.

Sie hat die Auffassung vertreten, die im Vertrag vom 26. November 1996 und in den nachfolgenden Änderungsverträgen vereinbarten Befristungen seien nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz zulässig.

Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil den Hauptantrag und den ersten Hilfsantrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin den Hauptantrag und den ersten Hilfsantrag weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht auf Grund Befristung zum 31. Januar 1998 beendet.

A. Die mit dem Hauptantrag verfolgte Klage ist zulässig. Wie die gebotene Auslegung des Klageantrags ergibt, erstrebt die Klägerin die in § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG (in der Fassung des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996 BGBl. I S 1476) vorgesehene gerichtliche Feststellung, ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten sei auf Grund der im Vertrag vom 27. Juni 1997 vereinbarten Befristung nicht zum 31. Januar 1998 beendet worden.

B. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Klage begründet. Die im Vertrag vom 27. Juni 1997 vereinbarte Befristung zum 31. Januar 1998 ist unwirksam.

I. Die Befristungsabrede vom 27. Juni 1997 bedurfte einer Rechtfertigung. Sie war geeignet, den der Klägerin nach § 1 KSchG sowie nach § 9 Abs. 1 MuSchG zustehenden Kündigungsschutz objektiv zu umgehen.

II. Die Befristung kann entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht auf § 1 Abs. 1 Satz 2 BeschFG gestützt werden. Der Vertrag vom 27. Juni 1997 war keine zulässige dritte Verlängerung des am 26. November 1996 geschlossenen, erstmals auf das BeschFG gestützten und zum 11. Januar 1997 befristeten Vertrags, sondern eine unzulässige zweite Verlängerung des gegen das Anschlußverbot des § 1 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. BeschFG verstoßenden Vertrags vom 15. Januar 1997.

1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BeschFG ist bis zur Gesamtdauer von zwei Jahren die höchstens dreimalige Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags zulässig.

a) Eine Verlängerung iSd. § 1 Abs. 1 Satz 2 BeschFG setzt voraus, daß der Verlängerungsvertrag vor Ablauf des zu verlängernden Vertrags vereinbart wird und auch die bisherigen Vertragsbedingungen unverändert läßt (BAG 26. Juli 2000 - 7 AZR 51/99 - zur Veröffentlichung vorgesehen [zVv.], zu III 1 und 2 der Gründe). Darüber hinaus kommt eine Verlängerung iSv. § 1 Abs. 1 Satz 2 BeschFG nur in Betracht, wenn der vorherige Vertrag nach dem BeschFG - in der jeweiligen Fassung - befristet war (BAG 22. März 2000 - 7 AZR 581/98 - AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 1 = EzA BeschFG § 1 Klagefrist 4, zu B II 1 a der Gründe; BAG 28. Juni 2000 - 7 AZR 920/98 - DB 2000, 2168, zu B IV 2 a der Gründe).

b) Die Zulässigkeit eines Verlängerungsvertrags iSv. § 1 Abs. 1 Satz 2 BeschFG setzt außerdem voraus, daß der Ausgangsvertrag, um dessen erste oder wiederholte Verlängerung es geht, nicht gegen das Anschlußverbot des § 1 Abs. 3 Satz 1 BeschFG verstieß. Ein Ausgangsvertrag, der nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BeschFG nicht auf § 1 Abs. 1 Satz 1 BeschFG gestützt werden kann, kann auch nicht nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BeschFG verlängert werden. Handelt es sich bei dem der Befristungskontrolle unterliegenden Zeitvertrag um einen Verlängerungsvertrag, so ist daher zu prüfen, ob der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BeschFG geschlossene Ausgangsvertrag gegen das Anschlußverbot des § 1 Abs. 3 Satz 1 BeschFG verstieß. Ist dies der Fall, kann auch die in dem Verlängerungsvertrag vereinbarte Befristung nicht auf § 1 Abs. 1 Satz 2 BeschFG gestützt werden (BAG 26. Juli 2000 - 7 AZR 546/99 - zVv., zu B II 1 der Gründe).

2. Hiernach war der letzte, der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle unterfallende Vertrag vom 27. Juni 1997 keine zulässige dritte Verlängerung iSv. § 1 Abs. 1 Satz 2 BeschFG.

a) Nach der ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien war der erste von ihnen nach § 1 Abs. 1 BeschFG geschlossene Arbeitsvertrag der Vertrag vom 26. November 1996. Da nach der ständigen Senatsrechtsprechung für die Frage, ob ein Vertrag nach dem BeschFG befristet ist, der Wille der Arbeitsvertragsparteien maßgeblich ist (BAG 28. Juni 2000 - 7 AZR 920/98 - DB 2000, 2168, zu B IV 2 b der Gründe; BAG 26. Juli 2000 - 7 AZR 256/99 - zVv., zu B II 2 b der Gründe; BAG 26. Juli 2000 - 7 AZR 546/99- zVv., zu B I 2 a der Gründe ), kommt es vorliegend nicht darauf an, ob die in dem Vertrag vom 26. November 1996 vereinbarte Befristung von lediglich gut 1 1/2 Monaten objektiv überhaupt einer Rechtfertigung bedurfte.

b) Der am 15. Januar 1997 abgeschlossene, bis zum 29. März 1997 befristete Vertrag war entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts keine Verlängerung iSv. § 1 Abs. 1 Satz 2 BeschFG. Zwar war die vorherige Befristung eine Befristung nach dem BeschFG. Auch blieben die bisherigen Vertragsbedingungen unverändert. Der Verlängerungsvertrag vom 15. Januar 1997 wurde aber nicht vor Ablauf des zu verlängernden Vertrags geschlossen. Dieser war vielmehr bereits am 11. Januar 1997 abgelaufen. Den einmal abgelaufenen Vertrag konnten die Parteien nicht mehr iSd. § 1 Abs. 1 Satz 2 BeschFG verlängern (BAG 26. Juli 2000 - 7 AZR 51/99 - zVv., zu III 1 der Gründe). Der am 15. Januar 1997 geschlossene Zeitvertrag war somit ein neuer nach dem BeschFG geschlossener Vertrag.

c) Die in diesem neuen Vertrag vereinbarte Befristung verletzte das Anschlußverbot des § 1 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. BeschFG. Denn der vorhergehende Vertrag war nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BeschFG befristet. Der Anwendung des Anschlußverbots steht nicht entgegen, daß der vorhergehende Vertrag keine sechs Monate dauerte. Das Anschlußverbot des § 1 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. BeschFG setzt weder nach seinem Wortlaut und der Gesetzessystematik noch nach seinem Sinn und Zweck eine bestimmte Mindestdauer des vorhergehenden nach dem BeschFG befristeten Vertrags voraus.

d) Der neue (Ausgangs-) Vertrag vom 15. Januar 1997 wurde zunächst durch die Vereinbarung vom 27. März 1997 und danach durch den Vertrag vom 27. Juni 1997 verlängert. Nachdem der Ausgangsvertrag vom 15. Januar 1997 gegen das Anschlußverbot des § 1 Abs. 3 Satz 1 BeschFG verstieß, kann auch die im Verlängerungsvertrag vom 27. Juni 1997 vereinbarte Befristung nicht auf § 1 Abs. 1 Satz 2 BeschFG gestützt werden.

C. Da dem Hauptantrag entsprochen wurde, fiel der erste Hilfsantrag dem Senat nicht zu Entscheidung an. Zugleich entfiel die Rechtshängigkeit des soweit ersichtlich noch in erster Instanz anhängigen zweiten Hilfsantrags.

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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