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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 27.06.2001
Aktenzeichen: 7 AZR 662/99
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Wiedereinstellung
Ein wegen Krankheit wirksam gekündigter Arbeitnehmer kann eine Wiedereinstellung jedenfalls dann nicht verlangen, wenn die nachträgliche überraschende grundlegende Besserung seines Gesundheitszustands erst nach Ablauf der Kündigungsfrist eingetreten ist.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

7 AZR 662/99

Verkündet am 27. Juni 2001

In Sachen

hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der Beratung vom 27. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dörner, die Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Steckhan und Linsenmaier sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Koch und Hökenschnieder für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 28. Juli 1999 - 18 Sa 2523/97 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren nur noch über einen Wiedereinstellungsanspruch des Klägers.

Der Kläger war bei der Beklagten seit Januar 1981 als Produktionshelfer tätig. Ab November 1995 erkrankte er langfristig wegen eines Bandscheibenvorfalls. Er litt an anhaltenden Rückenbeschwerden im Lendenwirbelsäulenbereich. Mit Schreiben vom 21. Januar 1997 teilte die Beklagten dem Betriebsrat mit, sie beabsichtige die ordentliche Kündigung des Klägers, da sie davon ausgehen müsse, daß der Kläger seine Arbeitsfähigkeit nicht mehr wiedererlangen werde und ihm die Erbringung seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung auf Dauer unmöglich sei. Nachdem der Betriebsrat mitgeteilt hatte, er habe gegen die Kündigung keine Bedenken, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristgerecht zum 31. Juli 1997. Zum Zeitpunkt der Übergabe des Kündigungsschreibens am 23. Januar 1997 war völlig ungewiß, ob der Kläger zur Aufnahme seiner Tätigkeit jemals wieder in der Lage sein würde. Während des vom Kläger angestrengten Kündigungsschutzverfahrens trat im Frühjahr 1998 auf Grund einer Resorption des ausgetretenen Bandscheibenmaterials eine grundlegende Besserung des Gesundheitszustands des Klägers ein. Am 3. Juni 1998 teilte der Kläger der Beklagten mit, er sei wieder arbeitsfähig. Die Parteien einigten sich daraufhin für die Dauer des Rechtsstreits auf die Weiterbeschäftigung des Klägers. Dementsprechend arbeitete der Kläger zunächst wieder bei der Beklagten. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten im Revisionsverfahren ist der Kläger seit dem 14. Januar 2000 erneut langfristig erkrankt.

Mit der am 5. Februar 1997 erhobenen Kündigungsschutzklage hat der Kläger zunächst die Kündigung angegriffen. Im Berufungsverfahren hat er außerdem hilfsweise geltend gemacht, im Falle der Wirksamkeit der Kündigung sei die Beklagte auf Grund ihrer nachwirkenden Fürsorgepflicht zu seiner Wiedereinstellung verpflichtet. Bei einer krankheitsbedingten Kündigung bestehe ein Wiedereinstellungsanspruch, wenn sich die negative gesundheitliche Zukunftsprognose nachträglich als falsch erweise. Nicht erforderlich sei, daß dies noch innerhalb der Kündigungsfrist geschehe. Ausreichend sei, daß der Arbeitgeber noch keine Dispositionen im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Kündigung getroffen habe. Vorliegend habe die Beklagte dies nicht getan und dementsprechend den Kläger ab 3. Juni 1998 im Rahmen eines Prozeßrechtsarbeitsverhältnisses weiterbeschäftigt.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt,

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch Kündigung vom 21. Januar 1997 nicht beendet wird,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen als Arbeiter weiterzubeschäftigen.

Im zweiten Rechtszug hat er außerdem hilfsweise beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Angebot auf Abschluß eines Arbeitsvertrags auf Fortsetzung des bis zum 31. Juli 1997 bestandenen Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Arbeitsbedingungen und unter Wahrung des Besitzstandes zu unterbreiten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Kündigung sei wirksam. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Wiedereinstellung.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger nur noch den Wiedereinstellungsanspruch. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den auf Wiedereinstellung gerichteten Klageantrag zu Recht abgewiesen.

A. Der Antrag ist zulässig. Die Beklagte soll zur Abgabe einer auf Abschluß eines Arbeitsvertrags gerichteten Willenserklärung (§ 894 Abs. 1 Satz 1 ZPO) verurteilt werden. Der Arbeitsvertrag soll erkennbar nicht etwa bereits für die Vergangenheit geschlossen werden. Dies wäre auch nicht möglich (vgl. zuletzt BAG 28. Juni 2000 - 7 AZR 904/98 - AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 6 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 5, zu I B der Gründe mwN). Vielmehr soll er mit der vom Kläger noch abzugebenden Annahmeerklärung für die Zukunft zustande kommen. Die Arbeitsbedingungen sollen dieselben sein wie in dem bis zum 31. Juli 1997 bestehenden Arbeitsverhältnis.

B. Der Antrag ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat einen Wiedereinstellungsanspruch des Klägers zu Recht verneint.

I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, auch bei einer krankheitsbedingten Kündigung komme - wie bei der betriebsbedingten Kündigung - ein Wiedereinstellungsanspruch in Betracht, wenn sich die gesundheitliche Situation des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist ändere und eine positive Gesundheitsprognose rechtfertige. Vorliegend sei zwar eine Änderung der gesundheitlichen Prognose gegeben, denn der Kläger sei nach den Feststellungen des Gutachters am 24. August 1998 vollständig beschwerdefrei und in der Lage gewesen, die vertraglich geschuldete Tätigkeit als Montagehelfer fortzusetzen. Diese Änderung sei aber auch nach den Angaben des Klägers erst im Frühjahr 1998 und damit nach Ablauf der Kündigungsfrist eingetreten. Einen besonderen Vertrauenstatbestand, der gleichwohl ausnahmsweise einen Wiedereinstellungsanspruch rechtfertigen könnte, habe die Beklagte nicht geschaffen. Aus der Vereinbarung vom 3. Juni 1998 über seine Weiterbeschäftigung bis zum Abschluß des Rechtsstreits habe der Kläger nicht den Schluß ziehen können, die Beklagte sei gewillt, ihn unabhängig vom Ausgang des Prozesses weiterzubeschäftigen, bzw. wiedereinzustellen.

II. Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dabei kann der Senat letztlich dahin stehen lassen, ob bei einer krankheitsbedingten Kündigung überhaupt ein Wiedereinstellungsanspruch in Betracht kommt. Denn ein derartiger Anspruch kann allenfalls dann bestehen, wenn sich noch vor Ablauf der Kündigungsfrist herausstellt, daß die gesundheitliche Zukunftsprognose entgegen der ursprünglichen Annahme positiv ist. Dies war vorliegend nicht der Fall.

1. Die Frage, ob bei einer krankheitsbedingten Kündigung überhaupt ein Wiedereinstellungsanspruch gegeben sein kann, ist vom Bundesarbeitsgericht noch nicht abschließend entschieden. Der Zweite Senat hat sie im Urteil vom 17. Juni 1999 (- 2 AZR 639/98 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 37 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 4, zu II 3 der Gründe) ausdrücklich offen gelassen. Sie bedarf auch vorliegend keiner abschließenden Klärung.

Der erkennende Senat hat für den Fall der betriebsbedingten Kündigung einen Wiedereinstellungsanspruch grundsätzlich anerkannt, wenn sich zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ergibt und der Wiedereinstellung keine berechtigten Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Er hat diesen Anspruch hergeleitet aus einer vertraglichen, den Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes und der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG Rechnung tragenden Nebenpflicht des Arbeitgebers (BAG 28. Juni 2000 - 7 AZR 904/98 - AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 6 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 5, zu II B 2 der Gründe).

Dieser methodische Ausgangspunkt differenziert zunächst nicht danach, ob der Kündigungsgrund in der Sphäre des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers liegt. Dies spricht dafür, einen Wiedereinstellungsanspruch grundsätzlich auch bei der krankheitsbedingten Kündigung in Betracht zu ziehen, wenn sich nachträglich herausstellt, daß die bei Ausspruch der Kündigung begründete Besorgnis langanhaltender oder dauerhafter Arbeitsunfähigkeit nicht mehr gerechtfertigt ist und der Wiedereinstellung berechtigte Interessen des Arbeitgebers insbesondere wegen zwischenzeitlicher anderweiter Dispositionen nicht entgegenstehen. Nicht ausreichend kann dabei allerdings sein, wenn die Prognose lediglich zweifelhaft wird; vielmehr ist erforderlich, daß die Besorgnis der wiederholten Erkrankung ausgeräumt ist. Dafür trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast (so auch BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 37 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 4, zu II 3 der Gründe).

Die methodische Begründung des Wiedereinstellungsanspruchs als einer vertraglichen Nebenpflicht bedeutet außerdem, daß der Arbeitnehmer eine Wiedereinstellung grundsätzlich nicht verlangen kann, wenn die Änderung der maßgeblichen Umstände erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintritt. Für den Fall der betriebsbedingten Kündigung hat dies der Senat ausdrücklich entschieden (BAG 28. Juni 2000 - 7 AZR 904/98 - AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 6 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 5, zu II B 3 b der Gründe mit zahl. Nachw.). Bei einer krankheitsbedingten Kündigung kann insoweit nichts anderes gelten. Auch hier enden mit dem Arbeitsverhältnis die entsprechenden Pflichten zur Wahrung der wechselseitigen Interessen. Danach bestehen nur noch nachvertragliche Pflichten, die regelmäßig schwächer und nur in besonderen Ausnahmefällen geeignet sind, einen Wiedereinstellungsanspruch zu rechtfertigen.

2. Hiernach kann vorliegend dahin stehen, ob ein Wiedereinstellungsanspruch in Fällen krankheitsbedingter Kündigung generell überhaupt in Betracht kommt. Denn ein Anspruch des Klägers auf Wiedereinstellung scheitert bereits daran, daß die Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers erst lange nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintrat. Ursächlich für die Beseitigung der Beschwerden des Klägers im Frühjahr 1998 war nach den Ausführungen des Sachverständigen eine Resorption des ausgetretenen Bandscheibenmaterials. Der Kläger hat nicht behauptet, daß diese Resorption bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist vorhersehbar oder gar eingetreten gewesen sei. Auch teilte er der Beklagten die Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit erst am 3. Juni 1998 mit. Sonstige besondere Umstände, die ausnahmsweise einen Wiedereinstellungsanspruch des Klägers begründen könnten, liegen nicht vor. Das Vorbringen des Klägers, die Beklagte habe noch keine Dispositionen im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Kündigung getroffen, genügt hierfür nicht. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, wurde auch durch die Bereitschaft der Beklagten, den Kläger vom 3. Juni 1998 an für die Dauer des Rechtsstreits vorläufig weiterzubeschäftigen, kein besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen, der den Wiedereinstellungsanspruch rechtfertigen würde. Daher kann auch dahin stehen, wie sich auf einen etwa entstandenen Wiedereinstellungsanspruch der unwidersprochene Tatsachenvortrag der Beklagten im Revisionsverfahren auswirken würde, der Kläger sei seit 14. Januar 2000 erneut und damit bereits schon wieder über ein Jahr arbeitsunfähig krank.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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