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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 12.01.2000
Aktenzeichen: 7 AZR 863/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag
Leitsätze:

Die Befristung der Aufenthaltserlaubnis des Arbeitnehmers kann einen sachlichen Grund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses allenfalls dann darstellen, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine hinreichend zuverlässige Prognose erstellt werden kann, eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis werde nicht erfolgen.

Aktenzeichen: 7 AZR 863/98 Bundesarbeitsgericht 7. Senat Urteil vom 12. Januar 2000 - 7 AZR 863/98 -

I. Arbeitsgericht München - 19 Ca 8451/97 - Urteil vom 13. Februar 1998

II. Landesarbeitsgericht München - 9 Sa 348/98 - Urteil vom 23. Oktober 1998


BUNDESARBEITSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES! URTEIL

7 AZR 863/98 9 Sa 348/98

Verkündet am 12. Januar 2000

Anderl, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In Sachen

Beklagter, Berufungskläger und Revisionskläger,

pp.

Kläger, Berufungsbeklagter und Revisionsbeklagter,

hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dörner, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Schmidt, den Richter am Bundesarbeitsgericht Linsenmaier, die ehrenamtliche Richterin Berger und den ehrenamtlichen Richter Dr. Zumpe für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 23. Oktober 1998 - 9 Sa 348/98 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger stammt aus der Republik Bosnien-Herzegowina. Sein Aufenthalt in Deutschland war zunächst durch mehrere Duldungsverfügungen gestattet. Im Oktober 1995 erhielt der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis für zwölf Monate. Diese wurde im Oktober 1996 bis zum 12. Mai 1997 verlängert.

Seit 1. Mai 1993 war der Kläger ununterbrochen aufgrund von insgesamt 15 befristeten Arbeitsverträgen im Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München als Pflegehelfer beschäftigt. Als Befristungsgrund war in den Verträgen überwiegend das Ende der Duldung, der Aufenthaltsbefugnis oder der Arbeitserlaubnis genannt. Der letzte, am 27. September 1996 geschlossene Arbeitsvertrag sah eine Befristung bis zum 12. Mai 1997 vor. Als Befristungsgrund war "Ende der Aufenthaltserlaubnis" angegeben. Obwohl die Aufenthaltserlaubnis des Klägers am 28. April 1997 bis zum 28. Oktober 1997 verlängert wurde, lehnte der Beklagte eine Beschäftigung über den 12. Mai 1997 hinaus ab.

Mit seiner am 30. Mai 1997 erhobenen Klage macht der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung des letzten Arbeitsvertrags geltend. Ein die Befristung rechtfertigender Sachgrund habe nicht vorgelegen.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis über den 12. Mai 1997 hinaus fortbesteht.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Befristung des letzten Arbeitsvertrags sei wegen der befristeten Aufenthaltserlaubnis gerechtfertigt gewesen. Bei Vertragsabschluß sei völlig offen gewesen, ob die Aufenthaltsgenehmigung verlängert werde.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage iSv. § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG zu Recht entsprochen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht aufgrund der vertraglichen Befristung zum 12. Mai 1997 beendet worden. Die Befristung war sachlich nicht gerechtfertigt.

1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht den letzten Vertrag der Befristungskontrolle unterworfen (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. etwa BAG 15. Februar 1995 - 7 AZR 680/94 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 166 mwN).

2. Die vereinbarte Befristung bedurfte, da dem Kläger der ihm andernfalls nach § 1 Abs. 1 KSchG zustehende Kündigungsschutz vorenthalten wurde, zu ihrer Wirksamkeit eines sie rechtfertigenden sachlichen Grundes (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit dem Beschluß des Großen Senats vom 12. Oktober 1960 - GS 1/59 - BAGE 10, 65).

3. Die Befristung der Aufenthaltserlaubnis und die Besorgnis, der Arbeitnehmer werde danach die arbeitsvertraglich geschuldeten Dienste nicht mehr erbringen können, kann einen sachlichen Grund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses allenfalls dann darstellen, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine hinreichend zuverlässige Prognose erstellt werden kann, eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis werde nicht erfolgen. Die Prognose muß auf konkreten Anhaltspunkten beruhen. Dabei kann von Bedeutung sein, ob sich Prognosen der vorliegenden Art in der Vergangenheit bereits wiederholt als unzutreffend erwiesen haben. Im Prozeß gilt wie bei anderen sog. Ungewißheitstatbeständen eine abgestufte Darlegungslast. Danach besteht dann, wenn die spätere Entwicklung die Prognose des Arbeitgebers bestätigt, eine ausreichende Vermutung dafür, daß sie hinreichend fundiert erstellt worden ist. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, Tatsachen vorzutragen, nach denen zumindest im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Prognose nicht gerechtfertigt war. Hat sich dagegen die Prognose nicht bestätigt, muß der Arbeitgeber die Tatsachen vortragen, die ihm jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses den hinreichend sicheren Schluß darauf erlaubten, daß nach Ablauf der Befristung die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers wegen Fehlens einer gültigen Aufenthaltserlaubnis nicht mehr möglich sein werde (BAG 12. September 1996 - 7 AZR 790/95 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 182 = EzA BGB § 620 Nr. 142 zu II 4 der Gründe).

4. Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Beklagten nicht. Der Beklagte hat selbst vorgetragen, zum Zeitpunkt des letzten, am 27. September 1996 abgeschlossenen Vertrags sei völlig offen gewesen, ob die Aufenthaltserlaubnis des Klägers verlängert werde. Bei den zahlreichen in der Vergangenheit auf das Ende der Duldung, bzw. der Aufenthaltserlaubnis gestützten Befristungen hatte sich die Prognose letztlich immer wieder als unzutreffend erwiesen. Auch bei der letzten Befristung wurde sie nicht bestätigt, sondern die Aufenthaltsgenehmigung des Klägers erneut verlängert. Es wäre daher Sache des Beklagten gewesen, Tatsachen vorzubringen, die ihm jedenfalls zum Zeitpunkt des letzten Vertragsabschlusses den hinreichend sicheren Schluß darauf erlaubten, diesmal werde die Aufenthaltserlaubnis des Klägers nicht verlängert werden. Dies hat der Beklagte nicht getan.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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