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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 19.08.2004
Aktenzeichen: 8 ABR 52/03
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB, Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale (TV TM) vom 18. Mai 2001 und Entgelttarifvertrag (ETV) vom 18. Mai 2001
Vorschriften:
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10 | |
BetrVG § 99 | |
BGB § 611 | |
Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale (TV TM) vom 18. Mai 2001 und Entgelttarifvertrag (ETV) vom 18. Mai 2001 zwischen dem Internationalen Bund, Freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit e.V. und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr e.V. |
Entscheidung wurde am 19.11.2004 korrigiert: im Verfahrensgang muß es richtig LAG und nicht LSG heißen
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS
Verkündet am 19. August 2004
In dem Beschlussverfahren
hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der Anhörung vom 19. August 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Hauck, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Wittek und die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Laux sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Scholz und Hennecke beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 19. August 2003 - 9 TaBV 82/02 - aufgehoben. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 29. August 2002 - 4 BV 69/02 - wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Gründe:
A. Die Beteiligten streiten nur noch um die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin B in die VergGr. B 8, Entgeltgruppe 5, Entgeltstufe 1 des Tarifvertrags über die Tätigkeitsmerkmale vom 18. Mai 2001 (fortan: TV TM) in Verbindung mit dem Entgelttarifvertrag (fortan: ETV), abgeschlossen zwischen dem Arbeitgeber und der damaligen Gewerkschaft ÖTV.
Der in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins bundesweit in über 600 Einrichtungen mit etwa 8.000 Mitarbeitern als freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit tätige Arbeitgeber betreibt den Verbund Köln; der Beteiligte zu 2 ist der für diese Einrichtung zuständige Betriebsrat. Im September 1997 kündigte der Arbeitgeber zum 31. Dezember 1997 den Manteltarifvertrag Nr. 2 sowie den Tarifvertrag Nr. 3 über die Tätigkeitsmerkmale zum Manteltarifvertrag (TV TM alt), abgeschlossen mit der damaligen Gewerkschaft ÖTV. In der Folgezeit vergütete der Antragsteller alle neu eingestellten oder nach Ablauf einer Befristung unbefristet weiterbeschäftigten Arbeitnehmer unter Beibehaltung der bisherigen tariflichen Eingruppierung, aber ungeachtet des tatsächlichen Lebensalters nach der niedrigsten Lebensaltersstufe 21 bzw. mit einem kollektiv gleichen Abschlag von 15 %. Der Arbeitgeber legte bei neu eingestellten Arbeitnehmern jeweils die niedrigste Lebensaltersstufe zugrunde. Am 18. Mai 2001 schloss er mit der Gewerkschaft ÖTV einen neuen Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale (TV TM) und einen Entgelttarifvertrag (ETV) ab, der die tarifliche Vereinbarung vom 18. Juni 1991 ersetzt. Dieser Tarifvertrag trat nach § 3 am 1. Februar 2001 in Kraft. Gemäß § 2 TV TM richtet sich das für die Eingruppierung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen maßgebliche Tätigkeitsmerkmal nach der nicht nur vorübergehend überwiegend ausgeübten Tätigkeit und wird der als Anlage 1 des Tarifvertrags beigefügten Liste der Tätigkeitsmerkmale in Verbindung mit den zugehörigen Protokollnotizen entnommen. Das den Tätigkeitsmerkmalen des Tarifvertrags zugeordnete Entgelt ergibt sich gemäß ETV aus den als Anlage 1a und Anlage 1b beigefügten Entgelttabellen unter Berücksichtigung der dort aufgeführten Anrechnungsvorschriften für die Ermittlung der zutreffenden Entgeltstufe. § 5 ETV trifft schließlich Überleitungsregelungen zum so genannten Tabellenumstieg.
Im Verbund Köln ist seit 16. April 1999 Frau B als Werkerzieherin beschäftigt. Die Beteiligten haben unstreitig gestellt, dass der Arbeitgeber bei Frau B's Gehaltsfestsetzung die niedrigste tarifliche Lebensaltersstufe 21 zugrunde gelegt hat. Bei Anwendung des Tarifvertrags und des tatsächlichen Lebensalters hätte die Lebensaltersstufe 35 berücksichtigt werden müssen. Eine (zusätzliche) Gehaltsabsenkung von 15 % wurde unstreitig nicht vorgenommen. Mit Schreiben vom 30. August 2001 beteiligte der Arbeitgeber den bei ihm gebildeten Betriebsrat zur beabsichtigten Ein-/Umgruppierung der Arbeitnehmerin B als Werkerzieherin in VergGr. B 8, Entgeltgruppe 5, Entgeltstufe 1 des Entgelttarifvertrags. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung zur personellen Einzelmaßnahme.
Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, maßgebend für den Tabellenumstieg sei das im Januar 2001 tatsächlich gezahlte Entgelt. Der Wortlaut des Tarifvertrags lasse eine andere Auslegung nicht zu. Da die Tarifvertragsparteien nicht auf das zu zahlende oder dem Arbeitnehmer zustehende Entgelt im maßgeblichen Zeitraum abgestellt hätten, hätten sie den auf dem früheren tariflichen System basierenden und sich errechnenden Anspruch gerade nicht als Basis festgelegt. Den Tarifvertragsparteien sei der Streit zwischen dem Arbeitgeber und verschiedenen Betriebsräten bzw. einer Reihe von Arbeitnehmern bekannt gewesen, ebenso die Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichts im Hinblick auf die Zustimmungsersetzungsverfahren. Hätten die Tarifvertragsparteien wirklich regeln wollen, dass es auf den Anspruch, dh. auf das ankommen sollte, was zu zahlen gewesen wäre, so hätten sie es auch so formuliert. Die ÖTV habe mit der tariflichen Regelung, die auf die gezahlte Vergütung für Januar 2001 abstelle, jedenfalls für diejenigen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die bezogen auf den Januar 2001 nicht geklagt oder für diesen Monat keine höhere Vergütung als die erhaltene unter Wahrung der Ausschlussfrist geltend gemacht hätten, die Höhe der Vergütung und damit die Alteingruppierungsposition der Arbeitnehmer im Januar 2001 gebilligt.
Nach Erledigung des Verfahrens bezüglich der übrigen Arbeitnehmer hat der Antragsteller zweitinstanzlich beantragt, die Zustimmung des Beteiligten zu 2 zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin B als Werkerzieherin mit Tätigkeitsmerkmal B 8 in die Entgeltgruppe 5 und die Entgeltstufe 1 bezogen auf die Ersteingruppierung im Jahre 2001 zu ersetzen.
Der Betriebsrat hat Zurückweisung des Antrags beantragt. Er hat vorgetragen, maßgebend für den Tabellenumstieg sei das Gehalt, das dem jeweiligen Arbeitnehmer im Januar 2001 zugestanden habe. § 5 Abs. a) und Abs. b) des Entgelttarifvertrags seien so auszulegen, dass der jeweils betroffene Arbeitnehmer auf der Basis der Vergütung einzugruppieren sei, die er hätte erhalten müssen, wenn der Antragsteller unter Berücksichtigung des Mitbestimmungsrechts des Antragsgegners eine Vergütungsordnung wirksam aufgestellt hätte bzw. nach dem insoweit als betriebliche Regelung fortgeltenden Tarifvertrag. In dem tarifvertragsfreien Zeitraum habe der Antragsteller Gehaltsstrukturen willkürlich ohne Beteiligung des Betriebsrats festgelegt. Der Betriebsrat hat gemeint, die Tarifvertragsparteien hätten es hinsichtlich des Tabellenumstiegs eindeutig zum Ausdruck bringen müssen, wenn es auf die "gezahlte" Vergütung auch dann hätte ankommen sollen, wenn diese rechtswidrig bemessen gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben und die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin B als Werkerzieherin mit Tätigkeitsmerkmal B 8 in die Entgeltgruppe 5 und die Entgeltstufe 1 bezogen auf die Ersteingruppierung im Jahre 2001 ersetzt.
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet, denn das Landesarbeitsgericht hat dessen Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin B zu Unrecht ersetzt. Zur Ermittlung der korrekten Entgeltstufe kommt es auf das im Januar 2001 rechtmäßig zu zahlende Gehalt an. Dabei ist die tatsächlich erreichte Lebensaltersstufe zu berücksichtigen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat die Vorschrift zum Tabellenumstieg dahingehend ausgelegt, dass für die Ermittlung der Entgeltstufe auf das tatsächlich im Januar 2001 gezahlte Gehalt, nicht auf das rechtmäßig zu zahlende Gehalt abzustellen ist. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut, dem Sinn und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Damit sei die vom Arbeitgeber beantragte Eingruppierung korrekt.
II. Dem folgt der Senat nicht.
1. Bei der beabsichtigten Maßnahme handelt es sich um eine zustimmungsbedürftige Ein-/Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG. Gegenstand der Ein- oder Umgruppierung ist die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer in einer Vergütungsordnung festgelegten Lohn- oder Gehaltsgruppe, die meist durch bestimmte Tätigkeitsmerkmale sowie bisweilen auch durch Merkmale wie Lebensalter oder die Zeit der Berufstätigkeit beschrieben ist (BAG 23. September 2003 - 1 ABR 35/02 - AP BetrVG 1972 Eingruppierung Nr. 28 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Damit betrifft die Frage der richtigen Entgeltstufe nach In-Kraft-Treten des neuen Tarifvertrags eine Frage der korrekten Eingruppierung eines Arbeitnehmers.
2. Der Antrag des Arbeitgebers ist unbegründet. Die Eingruppierung in die Entgeltstufe 1 verstößt gegen den Tarifvertrag (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG).
a) Gemäß § 2 TV TM richtet sich das für die Eingruppierung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer maßgebliche Tätigkeitsmerkmal nach der nicht nur vorübergehend überwiegend ausgeübten Tätigkeit und wird der als Anlage 1 des Tarifvertrags beigefügten Liste der Tätigkeitsmerkmale in Verbindung mit den zugehörigen Protokollnotizen entnommen. Das den Tätigkeitsmerkmalen des Tarifvertrags zugeordnete Entgelt ergibt sich gemäß § 2 ETV aus den als Anlage 1a und Anlage 1b beigefügten Entgelttabellen.
§ 5 ETV trifft Regelungen zum Tabellenumstieg für schon vor In-Kraft-Treten des Tarifvertrags vom 18. Mai 2001 bei dem Arbeitgeber beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.
Er lautet:
"§ 5 Tabellenumstieg
a) (1) Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die vor dem 01.01.1998 unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages Nr. 2 gefallen sind und deren Arbeitsvertrag der Nachwirkung dieses gekündigten Tarifvertrages unterliegt, werden in die ihrem Tätigkeitsmerkmal entsprechende Entgeltgruppe eingruppiert und dort in die nächst niedrigere Entgeltstufe eingestuft, die ihrem im Monat vor dem Inkrafttreten dieses Tarifvertrages gezahlten Entgelt (dies umfaßt abschließend: Grundgehalt oder Lohn, Allgemeine Zulage, gewährte Bewährungsaufstiegszulage und Ortszuschlag ohne kinderbezogene Bestandteile) am nächsten liegt. (2) Für den Unterschied aus dem auf diese Weise ermittelten Entgelt und der bisherigen Vergütung erhalten die Mitarbeiter so lange eine persönliche Ausgleichszulage in Höhe der Differenz, welche an künftigen linearen Entgelterhöhungen teilnimmt, bis ihnen durch Wechsel der Entgeltstufe oder Wechsel der Entgeltgruppe ein höheres Entgelt zusteht. (3) Zukünftige lineare Entgelterhöhungen in den Tarifgebieten West und Ost werden zu einem Drittel auf die persönliche Ausgleichszulage angerechnet. Ein Berechnungsbeispiel ist als Anlage 2 beigefügt.
b) (1) Für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die nach dem 31.12.1997 mit »neuem Arbeitsvertrag« beim IB beschäftigt werden, gilt das im Abschnitt a) dargestellte Verfahren. (2) Abweichend davon umfaßt das zum Vergleich herangezogene im Monat vor dem Inkrafttreten dieses Tarifvertrages gezahlte Entgelt abschließend: Grundgehalt oder Lohn, Allgemeine Zulage, alle personengebundenen Ausgleichszulagen und den Ortszuschlag ohne kinderbezogene Bestandteile, die Mitarbeitern mit »neuem Arbeitsvertrag« seit 01.01.1998 gezahlt werden.
c) Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, denen im Monat vor Inkrafttreten dieses Tarifvertrages kinderbezogene Ortszuschlagsbestandteile gewährt wurden, erhalten für diese Kinder diese Ortszuschlagsbestandteile als besitzstandswahrende Zulage für die Dauer des tatsächlichen Bezuges von Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz. Diese kinderbezogenen Ortszuschlagsbestandteile nehmen an den linearen Entgelterhöhungen teil.
d) Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, deren derzeitiges Entgelt nach Absatz a) Satz 1 über dem der Endstufe liegt, erhalten die Differenz als persönliche Ausgleichszulage. Diese ist aufzehrbar analog der Regelung unter a) Satz 2 und 3.
e) Nach der Überleitung in das neue Entgeltsystem werden Zeiten der Berufserfahrung für den weiteren Aufstieg in die nächsten Entgeltstufen ab dem 01.02.2001 berücksichtigt.
f) Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die nach dem alten Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale als »Angestellte in der Tätigkeit eines ... « (A. i. d. T.) eingruppiert sind, werden beim Umstieg in die neue Vergütungsstruktur jeweils eine Entgeltgruppe unter der Stufe des jeweiligen Tätigkeitsmerkmals eingestuft."
b) Es besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit, dass Frau B gemäß § 5 Abs. b), a), f) ETV in Verbindung mit dem TV TM in der Tätigkeit einer Werkerzieherin in die VergGr. B 8, Entgeltgruppe 5 eingruppiert ist. Die Beteiligten streiten nur über die zutreffende Entgeltstufe.
Da Frau B nach dem 31. Dezember 1997 eingestellt worden ist, gilt zur Ermittlung der korrekten Entgeltstufe gemäß § 5 Abs. b) ETV insoweit das in § 5 Abs. a) ETV für die vorher beschäftigten Arbeitnehmer anwendbare Verfahren entsprechend. Danach werden Arbeitnehmer in die nächstniedrigere Entgeltstufe eingruppiert, die ihrem im Monat vor dem In-Kraft-Treten des ETV gezahlten Entgelt entspricht. Dabei besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit, dass es auf das Entgelt im Januar 2001 ankommt, weil der TV TM am 1. Februar 2001 in Kraft getreten ist. Insoweit ist nicht auf das tatsächlich gezahlte Gehalt des betreffenden Arbeitnehmers, sondern auf das rechtmäßig zu zahlende Entgelt abzustellen. Dies ergibt die Auslegung des Tarifvertrags.
aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Daher ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben (BAG 5. Februar 2004 - 8 AZR 600/02 - ZTR 2004, 311; 21. März 2001 - 10 AZR 41/00 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 75 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 43). Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden (BAG 21. März 2001 - 10 AZR 41/00 - aaO). Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG 16. Mai 1995 - 3 AZR 395/94 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Papierindustrie Nr. 10 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 29; 20. April 1994 - 10 AZR 276/93 - AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 11).
bb) Die Auslegung ergibt, dass vom rechtmäßigen Gehalt auszugehen ist.
Der Wortlaut ist entgegen der Auffassung des Arbeitgebers nicht eindeutig. Der Tarifvertrag geht vom "gezahlten Entgelt" aus. Dies könnte zwar auf ein tatsächlich gezahltes Entgelt hinweisen, unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit. Die Tarifvertragsparteien haben jedoch durch den Klammerzusatz: "dies umfaßt abschließend: Grundgehalt oder Lohn, Allgemeine Zulage, gewährte Bewährungsaufstiegszulage und Ortszuschlag ohne kinderbezogene Bestandteile" das gezahlte Entgelt näher definiert. Da sich diese Entgeltbestandteile für den entscheidenden Vormonat nicht immer aus dem Arbeitsvertrag der Arbeitnehmer entnehmen lassen und wechseln können, haben sie damit Bezug auf das tarifliche und betriebliche Entgeltgefüge genommen, das bei dem Arbeitgeber existiert.
Ein Verweis auf abstrakte Grundlagen folgt auch aus dem systematischen Zusammenhang. Denn § 5 Abs. f) ETV regelt eine Änderung des Entgelts der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die "nach dem alten Tarifvertrag" eingruppiert waren. Auch der Arbeitgeber geht im Streitfall von einer Anwendbarkeit des § 5 Abs. f) ETV aus, da er nach dieser Regelung eine Absenkung um eine Entgeltgruppe vorgenommen hat. Weiter nimmt die Regelung in § 5 Abs. d) ETV Bezug auf eine vorherige tarifliche Regelung, da hier eine Regelung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer getroffen wird, deren Entgelt über einer "Endstufe" liegt, die sich nur aus einem außerhalb des Arbeitsvertrags liegenden Vergütungssystem ergeben kann. Der systematische Gesamtzusammenhang knüpft damit an abstrakt generelle (tarifliche) Regelungen vor dem Stichtag an. Bereits dies weist darauf hin, dass die Tarifvertragsparteien nicht davon ausgingen, dass sich die neu festzusetzende Endstufe nach einem unter Umständen absolut zufällig zustande gekommenen tatsächlich gezahlten Gehalt richten sollte, sondern dass dieses nach den zuvor anwendbaren (tariflichen) Regelungen bemessen werden sollte.
Dieses Zwischenergebnis wird durch die Vorgeschichte des ETV und des TV TM bestätigt. Hierbei kann nämlich nicht unberücksichtigt bleiben, dass nach der Kündigung der früheren Entgelttarifverträge zwischen den Betriebsparteien im Vorfeld des Zustandekommens des neuen Tarifvertrags erheblicher Streit über das Entlohnungssystem bei dem Arbeitgeber bestand, der bis zu Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts führte. So hat das Bundesarbeitsgericht mit den Beschlüssen vom 27. Juni 2000 (- 1 ABR 29/99 - ZTR 2001, 188; - 1 ABR 35/99 -) das von dem Arbeitgeber gerade für die nach dem 1. Januar 1998 neu eingestellten Arbeitnehmer einseitig eingeführte Entlohnungssystem, nach dem er ua. stets die niedrigste Lebensaltersstufe (21 Jahre) zugrunde gelegt hat, für rechtswidrig erklärt. In der ebenfalls vor Abschluss des Entgelttarifvertrags verkündeten Entscheidung vom 13. März 2001 (- 1 ABR 7/00 - EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 72) hat das Bundesarbeitsgericht einen Anspruch des Betriebsrats bejaht, von dem Arbeitgeber die Unterlassung der Anwendung des betriebsverfassungswidrigen Vergütungssystems bezüglich der nach dem 1. Januar 1998 eingestellten Arbeitnehmer zu verlangen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Streit (und Erfolg) der Arbeitnehmerseite bei der Schaffung der Norm des Tabellenumstiegs keinerlei Berücksichtigung finden sollte, indem als Berechnungsgrundlage gerade auf das insoweit als rechtswidrig erkannte Entgelt abgestellt werden sollte. Das gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, dass nicht der Betriebsrat, sondern die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr tarifvertragsschließende Partei war. Der Arbeitgeber hat selbst eingeräumt, dass den Tarifvertragsparteien die zahlreichen Streitigkeiten bekannt waren. Nicht ergiebig für die Auslegung ist die Erklärung der ver.di vom 29. Juni 2001, wonach die neuen Tarifverträge keine Regelung für den Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis 31. Januar 2001 träfen und kollektiv- und individualrechtliche Auseinandersetzungen unberührt blieben. Diese Aussage ist gerade ergebnisoffen.
Schließlich gebietet Sinn und Zweck des § 5 Abs. a) ETV ein Abstellen auf das rechtmäßig zustehende und nicht auf das tatsächlich im Januar 2001 gezahlte Gehalt.
Zum einen sind Fallgestaltungen vorstellbar, in denen im Januar 2001 tatsächlich kein Gehalt gezahlt worden ist (zB wenn das Arbeitsverhältnis ruhte). Diese Möglichkeit mussten die Tarifvertragsparteien abstrakt regeln. Sie wird nach dem Tarifwortlaut nur erfasst, wenn man ein theoretisch zustehendes Gehalt zugrunde legt. Der Einwand des Arbeitgebers, dass man in einem solchen Fall zwanglos auf das letzte tatsächlich gezahlte Entgelt abstellen könnte, führt zu keiner anderen Beurteilung, da dies dem Tarifvertrag widersprechen würde, der ausdrücklich auf das im Monat vor dem In-Kraft-Treten des Tarifvertrags gezahlte Entgelt abstellt. Außerdem würde diese Regelung bei einem ggf. jahrelangen Ruhen des Arbeitsverhältnisses zu sachwidrigen Ergebnissen führen.
Zum anderen kann nicht davon ausgegangen werden, dass - aus den vom Arbeitgeber beanspruchten "Praktikabilitätsgründen" - für den Tabellenumstieg betriebsverfassungsrechtlich rechtswidrige Vergütungszahlungen im Januar 2001 zugrunde gelegt werden sollten. § 5 des Tarifvertrags ETV enthält eine Übergangsregelung. Derartige Regelungen werden üblicherweise von den Tarifvertragsparteien bei Tarifvertragsänderungen getroffen. Der Sinn und Zweck einer solchen Übergangsregelung besteht darin, dass der tarifliche Status eines Angestellten durch das In-Kraft-Treten tariflicher Bestimmungen, die der Tätigkeit eine andere Wertigkeit als bisher beimessen, nicht oder nur in einer bestimmten Weise beeinflusst werden soll. Die Tarifvertragsparteien knüpfen dabei regelmäßig nicht an die faktische Zahlung einer solchen Vergütung an, sondern daran, ob dem Angestellten ein Anspruch aus einer höheren Vergütungsgruppe zustand als sie nunmehr nach der neuen tariflichen Regelung vorgesehen ist. Dabei gehen die Tarifvertragsparteien mit der Bezugnahme auf gezahltes Entgelt vom Regelfall aus, nach dem Angestellte, die einen entsprechenden Vergütungsanspruch haben, auch die entsprechende Vergütung erhalten (vgl. BAG 20. September 1995 - 4 AZR 459/94 - ZTR 1996, 26). Würde man dies anders sehen, würden Arbeitnehmer, die nicht individualrechtlich ein korrektes Gehalt erstritten haben, schlechter behandelt als Arbeitnehmer, die einen Prozess geführt haben. Dass die Tarifvertragsparteien eine solche Benachteiligung der nicht klagenden Arbeitnehmer wollten, kann ohne nähere Anhaltspunkte nicht angenommen werden.
Schließlich kann der Arbeitgeber nicht mit Erfolg einwenden, dass die betreffenden Arbeitnehmer die Möglichkeit gehabt hätten, sich im Klagewege gegen die Nichtberücksichtigung der Lebensaltersstufen zu wenden. Denn dann wäre es auf einen zufälligen (und vom Arbeitgeber auch beeinflussbaren) Zeitpunkt der Rechtskraft eines Zahlungstitels angekommen, ob das vorenthaltene Gehalt iSd. § 5 Abs. a), b) ETV im Januar 2001 "gezahlt" und damit für den Tabellenumstieg maßgeblich gewesen wäre. Dies können die Tarifvertragsparteien vernünftigerweise nicht geregelt haben.
cc) Hiernach war Frau B auf der Basis des rechtmäßigen Gehalts für Januar 2001 nicht in die vom Arbeitgeber für maßgeblich gehaltene Entgeltstufe 1 eingestuft. Die Nichtberücksichtigung der korrekten Lebensaltersstufen für das Entgelt im Januar 2001 war betriebsverfassungswidrig und löste einen individualrechtlichen Anspruch nach § 611 BGB aus.
Hinsichtlich der Lebensaltersstufen hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteilen vom 11. Juni 2002 (- 1 AZR 390/01 - BAGE 101, 288 = AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 113 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 76) und 2. März 2004 (- 1 AZR 271/03 - DB 2004, 1669, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) erkannt, dass die Entscheidung des antragstellenden Arbeitgebers, nach der Kündigung des Mantel- und Entgelttarifvertrags, dh. ab 1. Januar 1998, entgegen der vorherigen betrieblichen Praxis keine Lebensaltersstufen mehr bei Neueingestellten anzuwenden, eine gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtige Einführung eines neuen Entlohnungssystems darstellt. Auch nach dem Wegfall der Tarifbindung des Arbeitgebers habe dieser die bisher im Betrieb geltende tarifliche Vergütungsordnung in ihrer Struktur weiter anzuwenden, solange der Betriebsrat einer Änderung nicht zugestimmt habe. Die Nichtanwendung dieser Strukturen sei auch gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern unwirksam, die damit bis zum In-Kraft-Treten des neuen ETV gemäß § 611 BGB Anspruch auf Vergütung nach der bisherigen betrieblichen Vergütungsordnung hatten. Die Lebensaltersstufen seien deshalb zu berücksichtigen.
Hieraus folgt, dass die vom Arbeitgeber beabsichtigte Eingruppierung nach dem neuen ETV rechtswidrig ist. Frau B hatte am 31. Dezember 2001 die Lebensaltersstufe 35 erreicht. Bei Zugrundelegung dieser früher geltenden Lebensaltersstufe hätte sie unstreitig ein höheres Gehalt erzielt und damit eine höhere Entgeltstufe als die Entgeltstufe 1 nach dem neuen ETV erreicht.
Ende der Entscheidung
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