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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 27.11.2003
Aktenzeichen: 8 AZB 52/03
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 62 Abs. 1
BRAGO § 61a Abs. 1 Nr. 2
BRAGO § 61 Abs. 1 Nr. 1
Auch nach Inkrafttreten des § 61a Abs. 1 Nr. 2 BRAGO mit dem Zivilprozeßreformgesetz bleibt es dabei, daß ein Rechtsanwalt im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nur eine 13/20-Gebühr gemäß den §§ 62, 61 Abs. 1 Nr. 1, § 31 Abs. 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO erhält und keine 13/10-Gebühr nach den §§ 62, 61a Abs. 1 Nr. 2 BRAGO.
BUNDESARBEITSGERICHT BESCHLUSS

8 AZB 52/03

In Sachen

hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts am 27. November 2003 beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 2. gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 19. August 2003 - 8 Ta 208/03 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Der Wert der Beschwerde wird auf 217,73 Euro festgesetzt.

Gründe:

I. Die Parteien haben darüber gestritten, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers durch ordentliche Kündigung des damaligen Beklagten zu 1. wegen Betriebsstillegung aufgelöst worden oder im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 2. übergegangen ist. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zurückgewiesen. Das Arbeitsgericht hat den Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten zu 2. durch Beschluß vom 12. Mai 2003 insoweit zurückgewiesen, als die Beklagte zu 2. die Festsetzung einer 13/10 und nicht lediglich einer 13/20-Gebühr für die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens beantragt hat. Die Beklagte zu 2. macht geltend, daß mit der seit dem 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Änderung des § 61a Abs. 1 Nr. 2 BRAGO für die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens vor dem Bundesarbeitsgericht eine volle Gebühr und nicht mehr wie bisher gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO eine halbe Gebühr anfalle. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2. durch Beschluß vom 19. August 2003, der der Beklagten zu 2. am 4. September 2003 zugestellt worden ist, zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 25. September 2003 beim Bundesarbeitsgericht eingegangene und vom Landesarbeitsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 2.

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Gem. § 574 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO nF ist gegen einen Beschluß des Beschwerdegerichts die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder das Beschwerdegericht sie in dem Beschluß zugelassen hat. Das Rechtsbeschwerdegericht ist gem. § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO nF an die Zulassung gebunden. Die §§ 574 ff. ZPO nF gelten jedenfalls für Beschwerden, die dem Recht der Zivilprozeßordnung unterliegen (BAG 16. Juli 2003 - 2 AZB 50/02 -; 20. August 2002 - 2 AZB 16/02 - AP KSchG 1969 § 5 Nr. 14 = EzA KSchG § 5 Nr. 34). Dazu gehört das Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO (GK-ArbGG/Wenzel Stand Oktober 2003 § 78 Rn. 120). Die Rechtsbeschwerde ist auch im übrigen zulässig, insbesondere ist die gem. § 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO nF einzuhaltende Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses gewahrt (§ 222 Abs. 1 und 2 ZPO iVm. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, § 193 BGB).

2. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht für die Inanspruchnahme des Prozeßbevollmächtigten durch die Beklagte zu 2. eine 13/20-Gebühr für die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens und nicht eine 13/10-Gebühr festgesetzt.

Im Verfahren über die Nichtzulassung der Revision hat der Rechtsanwalt Anspruch auf 13/20 einer Gebühr, wenn keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat (BAG 12. Januar 1996 - 9 AZN 1129/94 (A) - BAGE 82, 64 = AP BRAGO § 11 Nr. 1 = EzA BRAGO § 61 Nr. 1; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert BRAGO 15. Aufl. § 61 Rn. 6, § 62 Rn. 4a; GK-ArbGG/Ascheid Stand Oktober 2003 § 72a Rn. 88; Germel-mann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 4. Aufl. § 72a Rn. 46; Hartmann Kostengesetze 32. Aufl. § 61 BRAGO Rn. 3).

Grundsätzlich hat der Anwalt im Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht Anspruch auf eine volle, um 3/10 erhöhte Gebühr, wenn keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat (§ 31 Abs. 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO). Als Ausnahme hiervon erhält der Anwalt nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO im Beschwerdeverfahren, also auch im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde, 5/10 der in § 31 BRAGO genannten vollen Gebühr. Weil im Verfahren vor dem Rechtsmittelgericht und über die Zulassung des Rechtsmittels gemäß § 11 Abs. 1 Satz 6 BRAGO ua. Abs. 4 dieser Vorschrift entsprechend gilt, steht dem Anwalt jedoch auch im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde ein erhöhter Gebührensatz zu. Mit der durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 vom 24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1325, 1358) eingeführten Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 6 BRAGO wurde klargestellt, daß auch in Verfahren über die Zulassung eines Rechtsmittels die erhöhten Gebührensätze ebenso wie im Rechtsmittelverfahren anzusetzen sind (vgl. GK-ArbGG/Wenzel Stand Oktober 2003 § 12a Rn. 110). Auf dieser Grundlage ist der nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO maßgebliche Gebührensatz in Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht zu bestimmen. Die nach § 11 Abs. 1 und § 31 BRAGO entstehende 13/10-Gebühr ist somit nach § 61 Abs. 1 BRAGO zu halbieren. Der Anwalt hat daher statt der in § 61 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO genannten 5/10-Gebühr Anspruch auf 13/20 der Gebühr.

Nach § 61a BRAGO idF des Art. 36 Abs. 2 Nr. 13 Zivilprozeßreformgesetz, gültig ab 1. Januar 2002 (BGBl. I 2001 S. 1887 ff.) erhält der Rechtsanwalt im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nach § 544 ZPO nF, dh. vor dem Bundesgerichtshof, die in § 31 BRAGO bestimmten Gebühren, somit eine 13/10-Gebühr. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß diese Vorschrift auf die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht keine Anwendung findet. Der Gegenansicht (Hessisches LAG 25. Februar 2003 - 13 Ta 40/03 -; Wagner FA 2003, 300) ist nicht zu folgen.

Nach § 62 Abs. 1 BRAGO gelten die Vorschriften des dritten Abschnitts der BRAGO im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen "sinngemäß". Eine sinngemäße Geltung bedeutet eine nicht dem genauen Wortlaut nach, jedoch dem Sinn, dem Inhalt und dem Grundgedanken nach folgende Wiedergabe (Brockhaus/Wahrig Deutsches Wörterbuch 1983 Fünfter Band "sinngemäß"). Eine sinngemäße Anwendung der Vorschrift des § 61a Abs. 1 Nr. 2 BRAGO kommt auf das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht nicht in Betracht. Es bleibt vielmehr bei der Anwendung der Vorschrift des § 61 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO, somit bei der 13/20-Gebühr.

§ 61a Abs. 1 Nr. 2 BRAGO nimmt durch den Klammerzusatz allein auf die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO nF Bezug. Diese Norm gilt für die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht nicht, jene richtet sich vielmehr nach § 72a ArbGG. Hätte der Gesetzgeber eine generelle Anwendung der gebührenrechtlichen Vorschrift des § 61a Abs. 1 Nr. 2 BRAGO auch auf Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren anderer Verfahrensordnungen gewollt, wäre der Klammerzusatz "§ 544 der Zivilprozessordnung" unterblieben.

Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. § 61a Abs. 1 Nr. 2 BRAGO trat gleichzeitig mit der neu geschaffenen Vorschrift des § 544 ZPO nF für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren in der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Kraft. Nach § 61a Abs. 1 Nr. 2 BRAGO sollte der Rechtsanwalt für die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof eine volle 13/10-Gebühr erhalten, weil bereits in diesem Verfahren die Revision von dem Rechtsanwalt weitestgehend vorbereitet werden muß (BT-Drucks. 14/4722 S. 142; Hannich/Meyer-Seitz/Engers ZPO-Reform § 61a BRAGO S. 632, 633).

Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nach § 544 ZPO nF und § 72a ArbGG unterscheiden sich sowohl nach den Voraussetzungen als auch nach den Rechtsfolgen. Nach § 543 Abs. 2 ZPO nF ist eine Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Die Einhaltung dieser Vorschriften kann im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vollumfänglich überprüft werden. Nach § 72a Abs. 1 ArbGG kann in Arbeitsrechtsstreitigkeiten eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nur in tarifrechtlichen Rechtsstreitigkeiten und im übrigen wegen Divergenz eingelegt werden. Im übrigen mündet eine Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof bei Zulassung der Revision automatisch in eine Revision (§ 544 Abs. 6 ZPO nF), während die Revision nach den § 72 Abs. 1, § 72a Abs. 5 ArbGG am Bundesarbeitsgericht nach erfolgtem Zulassungsbeschluß eigens eingelegt werden muß. Wegen dieser Unterschiede wird nach § 61a Abs. 4 BRAGO die Prozeßgebühr im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren innerhalb der ordentlichen Zivilgerichtsbarkeit auch auf die Prozeßgebühr angerechnet, die der Rechtsanwalt in einem nachfolgenden Revisionsverfahren erhält. Somit fällt bei Zulassung der Revision insgesamt nur eine 13/10-Gebühr an, während das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren und das nachfolgende Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BRAGO verschiedene Rechtszüge darstellen, mit der Folge der Nichtanrechnung (vgl. Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert BRAGO 15. Aufl. § 61 Rn. 6). Der Rechtsanwalt erhält also hier die 13/20-Gebühr des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens zusätzlich.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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