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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 02.12.1999
Aktenzeichen: 8 AZR 774/98
Rechtsgebiete: BGB, BurlG, Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereiniger-Handwerk vom 22. September 1995
Vorschriften:
BGB § 613 a | |
BUrlG § 7 Abs. 4 | |
Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereiniger-Handwerk vom 22. September 1995 § 14 |
Setzt der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis mit dem neuen Inhaber des Betriebs (§ 613 a BGB) fort, hat der bisherige Arbeitgeber den Urlaub des Arbeitnehmers auch dann nicht abzugelten, wenn er wirksam betriebsbedingt gekündigt hatte.
Aktenzeichen: 8 AZR 774/98 Bundesarbeitsgericht 8. Senat Urteil vom 2. Dezember 1999 - 8 AZR 774/98 -
I. Arbeitsgericht Köln - 14 Ca 10197/97 - Urteil vom 26. März 1998
II. Landesarbeitsgericht Köln - 12 Sa 536/98 - Urteil vom 21. August 1998
BUNDESARBEITSGERICHT
Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 2. Dezember 1999
Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In Sachen
gegen
hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 2. Dezember 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Professor Dr. Ascheid, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Wittek und Professor Dr. Mikosch sowie die ehrenamtlichen Richter Noack und Mache für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 21. August 1998 - 12 Sa 536/98 - aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 26. März 1998 - 14 Ca 10197/97 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Urlaubsabgeltung und Urlaubsgeld in unstreitiger Höhe.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit Juni 1994 als Reinigungskraft beschäftigt. Sie wurde ständig im Objekt Ford-Werke Köln eingesetzt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 8. August 1996 ordentlich zum 31. August 1996, da sie den Reinigungsauftrag zu diesem Termin verloren hatte. Ab dem 1. September 1996 werden die Reinigungsarbeiten bei Ford durch die Firma P erledigt. Diese beschäftigt die bisher für die Beklagte dort tätigen ca. 75 Arbeitnehmer einschließlich der Klägerin und einschließlich der Objektleiterin ohne Unterbrechung unverändert weiter.
Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr stehe die Abgeltung von 20 Tagen Urlaub des Jahres 1996 (2.168,40 DM) sowie ein Urlaubsgeld in Höhe von 600,00 DM für 1996 unabhängig von einem Betriebsübergang zu; denn das Arbeitsverhältnis sei mangels Anfechtung der Kündigung zum 31. August 1996 beendet worden, jedenfalls könne sich die Beklagte nicht auf eine Unwirksamkeit gem. § 613 a Abs. 4 BGB ihrer eigenen Kündigung berufen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 2.768,40 DM brutto zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Urlaubsanspruch der Klägerin sei wegen des Betriebsübergangs erhalten geblieben und richte sich nunmehr gegen die Firma P .
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klagabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der Klägerin stehen Ansprüche auf Urlaubsvergütung gegen die Beklagte nicht zu.
1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtete sich nach dem allgemeinverbindlichen Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereiniger-Handwerk vom 22. September 1995 zwischen dem Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks und dem Bundesvorstand der Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden, gültig ab 1. Oktober 1995 (im folgenden: RTV). Danach gelten für den Urlaub der Klägerin ua. folgende Bestimmungen:
"§ 14 Urlaub
1. Urlaubsanspruch
1.1 Der Jahresurlaub beträgt:
...
b)
für Beschäftigte nach vollendetem 18. Lebensjahr
30 Arbeitstage
...
1.6 Beginnt oder endet das Beschäftigungsverhältnis im Laufe des Urlaubsjahres, so beträgt der Urlaubsanspruch 1/12 für jeden vollen Kalendermonat, in dem das Beschäftigungsverhältnis während des betreffenden Urlaubsjahres bestand.
Der gesetzliche Mindesturlaub darf nicht unterschritten werden.
1.7 Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Für die Urlaubsdauer ist das Alter am 1. Januar des Urlaubsjahres maßgebend.
2. Urlaubsentgelt
2.1 Für die Berechnung des Urlaubsentgelts sind die entsprechenden Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes maßgebend.
2.2 Das Urlaubsentgelt kann nach der in Ziffer 1 errechneten Höhe nur dann gefordert und ausgezahlt werden, wenn
a) der/die Beschäftigte seinen/ihren Jahresurlaub tatsächlich antritt,
b) dem/der Beschäftigten wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaub ganz oder teilweise nicht mehr gewährt oder von ihm/ihr nicht genommen werden kann,
c) der/die Beschäftigte stirbt. In diesem Falle haben die Hinterbliebenen ihre Erbberechtigung nachzuweisen.
2.3 Der Arbeitgeber ist verpflichtet, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem/der Beschäftigten eine Bescheinigung über den im laufenden Kalenderjahr gewährten oder abgegoltenen Urlaub auszuhändigen.
...
4. Zusätzliches Urlaubsgeld
4.1 Der/die Beschäftigte hat gegen den Arbeitgeber nach 6monatiger Betriebszugehörigkeit einen Anspruch auf Zahlung von zusätzlichem Urlaubsgeld.
Es beträgt ab dem Urlaubsjahr 1996 30,00 DM je Ur-laubstag.
...
4.4 Das zusätzliche Urlaubsgeld kann nur zusammen mit dem Urlaubsentgelt gemäß Nr. 2 beansprucht und gewährt werden."
2. Das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch auf Urlaubsabgeltung aus § 7 Abs. 4 BUrlG statt aus § 14 Nr. 2.2 b RTV hergeleitet. Dies führt aber nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, da sachlich keine Unterschiede zwischen der Tarifnorm und der gesetzlichen Regelung bestehen.
3. Die Voraussetzungen des § 14 Nr. 2.2 b RTV für die Zahlung von Urlaubsentgelt in Form einer Abgeltung liegen nicht vor. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist nicht zum 31. August 1996 beendet worden, sondern mit der Firma P als neuer Inhaberin im Sinne von § 613 a BGB ab dem 1. September 1996 fortgesetzt worden.
a) Die wirtschaftliche Einheit "Reinigung im Objekt Ford-Werke Köln" ist von der Beklagten auf die Firma P übergegangen. Die Identität dieser Einheit blieb gewahrt, als die Firma P die Ausführung des Reinigungsauftrags übernahm und die Reinigungstätigkeit mit denselben Arbeitnehmern ohne Unterbrechung im wesentlichen unverändert fortführte. Damit sind die Voraussetzungen eines rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs oder Teilbetriebsübergangs gem. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt (vgl. nur Senatsurteil 11. Dezember 1997 - 8 AZR 729/96 - BAGE 87, 303, 305 ff.).
b) Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde demnach mit der Betriebserwerberin fortgesetzt. Es kommt nicht darauf an, ob die Kündigung vom 8. August 1996 wirksam war. Auch wenn der Betriebsübergang noch keine greifbaren Formen angenommen und die Beklagte aus dringenden betrieblichen Erfordernissen wirksam zum 31. August 1996 gekündigt hatte, führte die Einstellung der Klägerin bei der Firma P nicht zur Begründung eines neuen, sondern zur Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses mit unverändertem Inhalt (vgl. nur Senatsurteil 13. November 1997 - 8 AZR 295/95 - BAGE 87, 115, 119 f.).
c) Die Beendigung der Vertragsbeziehung zwischen den Parteien, sei es aufgrund einer wirksamen Kündigung, sei es aufgrund des Betriebsübergangs, stellt angesichts der gesetzlich vorgesehenen Fortsetzung desselben Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebserwerber keine "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" gem. § 14 Nr. 2.2 b RTV dar, die zur Unmöglichkeit der Urlaubsgewährung führt. Der Urlaub kann und muß vielmehr im fortgesetzten Arbeitsverhältnis gewährt und genommen werden; dies führt dann auch zur Fälligkeit des Anspruchs auf Urlaubsentgelt. Die Rechtslage entspricht der im Falle des Betriebsübergangs ohne Ausspruch einer Kündigung (vgl. hierzu nur Leinemann/Lipke DB 1988, 1217, 1218; Leinemann/Linck Urlaubsrecht § 1 BUrlG Rn. 150; Dersch/Neumann BurlG 8. Aufl. § 7 Rn. 101). Das - von der Person des Arbeitgebers abgesehen - identische Arbeitsverhältnis wird mit dem Erwerber des Betriebs fortgesetzt. In diesen Fällen gewährt der Tarifvertrag nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck keine Urlaubsabgeltung. Ob der bisherige Betriebsinhaber eine Kündigung ausgesprochen hat und die Weiterbeschäftigung auf einem "Fortsetzungsverlangen" oder einem "neuen Arbeitsvertrag" beruht, bleibt nach der Tarifnorm unerheblich.
d) Die Begründung des Landesarbeitsgerichts, der Arbeitnehmer könne eine unwirksame Kündigung wirksam werden lassen, hierzu habe sich die Klägerin entschieden, geht fehl; denn auf die Wirksamkeit der Kündigung kommt es, wie ausgeführt, nicht an. Entscheidend ist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der vorrangigen Möglichkeit des Arbeitnehmers, den Urlaub als Freistellung von der Arbeit zu verlangen. Deshalb trifft auch die weitere Begründung des Landesarbeitsgerichts nicht zu, die Beklagte könne sich auf den Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht berufen, § 613 a BGB diene dem Schutz des Arbeitnehmers und solle dem bisherigen Arbeitgeber keine Vorteile bringen. Demgegenüber wurde die Beklagte nicht etwa durch den Betriebsübergang aus der Haftung entlassen. Vielmehr ist ein Anspruch der Klägerin auf Urlaubsabgeltung überhaupt nicht entstanden, da ihr Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung fortgesetzt wurde. Derartige Vorteile des bisherigen Arbeitgebers liegen in der Natur des Betriebsübergangs und ergeben sich aus dessen Zweckbestimmung, dem Arbeitnehmer den bisherigen Urlaubsanspruch zu erhalten (zur Haftung des bisherigen Arbeitgebers und zum Ausgleichsanspruch des neuen Inhabers vgl. nur ErfK/Preis § 613 a BGB Rn. 89 f. sowie BGH 25. März 1999 - III ZR 27/98 - DB 1999, 1213).
4. Nach § 14 Nr. 4.4 RTV kann das zusätzliche Urlaubsgeld nur zusammen mit dem Urlaubsentgelt beansprucht und gewährt werden. Da die Klägerin ihren Urlaubsanspruch seit dem Betriebsübergang nur noch gegen ihren neuen Arbeitgeber geltend machen kann, richtet sich ein Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld allein gegen die Firma P . Eine Mithaftung der Beklagten gemäß § 613 a Abs. 2 BGB kommt auch hier erst mit Fälligkeit des Anspruchs gegenüber dem neuen Arbeitgeber in Betracht. Dafür hat die Klägerin nichts vorgetragen.
5. Die Klägerin hat gem. § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Ende der Entscheidung
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