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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 12.12.2002
Aktenzeichen: 8 AZR 94/02
Rechtsgebiete: BGB, SGB VII
Vorschriften:
BGB § 823 Abs. 1 | |
BGB § 847 | |
SGB VII § 105 Abs. 1 Satz 1 | |
SGB VII § 105 Abs. 1 Satz 2 | |
SGB VII § 106 Abs. 3 |
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 12. Dezember 2002
In Sachen
hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Hauck, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Wittek, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Laux, die ehrenamtlichen Richter Hickler und Binder für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 14. Dezember 2001 - 9/2 Sa 1983/00 - insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 12. Oktober 2000 - 3 Ca 452/99 -, das den Antrag des Klägers, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 6.855,60 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Mai 1998 sowie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Mai 1998 zu zahlen, abgewiesen hat, zurückgewiesen worden ist.
Der Rechtsstreit wird insoweit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 14. Dezember 2001 - 9/2 Sa 1983/00 - zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche. Der Beklagte ist Arbeitnehmer der R M GmbH & Co. KG Spedition und Lagerung in G, Streithelferin auf Beklagtenseite. Der Kläger ist Arbeitnehmer der B Maschinen GmbH in B.
Die Arbeitgeber der Parteien stehen in Geschäftsbeziehungen zueinander. Am 20. Mai 1998 erwartete die Arbeitgeberin des Klägers einen Maschinentransport, der von der Streithelferin als Spediteurin durchgeführt wurde. Eine Druckmaschine sollte auf dem Betriebsgelände der Streithelferin ab- und umgeladen werden.
Der Kläger hatte von seiner Arbeitgeberin den Auftrag, den eintreffenden Maschinentransport und die Maschinenentladung auf dem Gelände der Streithelferin zu überwachen und für seine Arbeitgeberin zu koordinieren. Diese hat daran aus haftungs- und gewährleistungsrechtlichen Gründen ein erhebliches Interesse. Der Kläger, der seit vier Jahren bei seiner Arbeitgeberin beschäftigt ist, hat das Firmengelände der Streithelferin bis zu dem Unfall vier- bis fünf Mal im Monat für derartige Tätigkeiten aufgesucht. Er erschien auch am 20. Mai 1998 auf dem Betriebsgelände der Streithelferin.
Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte dabei, mit dem Gabelstapler Palettenkörbe mit leeren Gasflaschen auf dem Betriebsgelände der Streithelferin auf einen Lkw zu laden. Diese Tätigkeit stand in keinem Zusammenhang mit dem Transport der Druckmaschine.
Bevor es zu einer Überwachung des Maschinentransports und insbesondere der Maschinenentladung kam, erfaßte der Beklagte den Kläger beim Rückwärtsfahren mit dem Gabelstapler. Der Kläger wurde an beiden Beinen und Füßen erheblich verletzt. Die zuständige Berufsgenossenschaft der Arbeitgeberin des Klägers erkannte den Unfall als Arbeitsunfall an. Der Kläger erhielt Versicherungsleistungen.
Mit der Klage hat der Kläger gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche in Höhe von 9.071,70 DM geltend gemacht. Die Forderung setzt sich zusammen aus einem Betrag in Höhe von 60,00 DM für ein Attest, 890,20 DM für eine Brille samt Brillenetui, 798,00 DM für eine Uhr, 199,00 DM für eine Hose, 79,00 DM für ein Hemd, 249,90 DM für ein Paar Schuhe sowie 795,60 DM für Fahrtkosten der Ehefrau des Klägers für dessen Betreuung im Krankenhaus. Ferner hat der Kläger Ersatz von Kosten in Höhe von 6.000,00 DM für eine während der Betreuung des Klägers in der Boutique der Ehefrau eingesetzte Ersatzkraft verlangt.
Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe bei seiner Fahrt mit dem Gabelstapler die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet. Die geltend gemachten Sach- und Personenschäden seien durch den Unfall verursacht worden.
Er hat der Streithelferin mit Schriftsatz vom 3. August 1999 den Streit verkündet. Diese ist dem Beklagten beigetreten.
Der Kläger hat beantragt
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 9.071,70 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 20. Mai 1998 zu zahlen,
2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Mai 1998 zu zahlen,
3. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 20. Mai 1998 auf dem Betriebsgelände der Fa. R M GmbH & Co. KG Spedition und Lagerung, in G zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Der Beklagte und die Streithelferin haben Klageabweisung beantragt.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, im Streitfall komme die Haftungsbeschränkung des § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII zum Tragen. Bei dem Kläger und dem Beklagten handele es sich um Arbeitnehmer zweier Unternehmen, die vorübergehend eine betriebliche Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichtet hätten. Der Beklagte hat überdies behauptet, die vom Kläger genannten Gegenstände seien bei dem Unfall nicht zerstört worden.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers hat zum Teil Erfolg; im übrigen ist sie unzulässig.
I. Das Landesarbeitsgericht hat hinsichtlich des bezifferten Zahlungsantrags die Ansprüche für die Sachschäden an Brille samt Etui, Uhr, Hose, Hemd, Schuhe (2.215,20 DM) mangels Beweisfälligkeit des Klägers für unbegründet gehalten. Die Berufung gegen die Abweisung des Feststellungsantrags zu 3 hat es wegen mangelnder Darlegung des Rechtschutzinteresses im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat sämtliche Ansprüche hinsichtlich des Personenschadens wegen des Haftungsausschlusses nach den § 106 Abs. 3, § 105 Abs. 1 SGB VII verneint, weil der Beklagte den Unfall nicht vorsätzlich verursacht habe. Der Kläger sei zwar noch nicht für denselben Betrieb wie der Beklagte tätig und in jenen nicht eingegliedert gewesen, denn er habe seine beabsichtigte Tätigkeit im Rahmen des Abladevorgangs noch nicht aufgenommen gehabt. Der Haftungsausschluß des § 105 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB VII greife daher nicht ein. Beide Parteien seien jedoch in einer gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 SGB VII tätig gewesen. Die Vorschrift erfasse betriebliche Tätigkeiten von Angehörigen mehrerer Unternehmen, die bewußt und gewollt ineinander griffen, miteinander verknüpft seien, sich ergänzten oder stillschweigend durch bloßes Tun erfolgten. Dies sei im Streitfall zu bejahen, insbesondere liege nicht nur ein zufälliges Aufeinandertreffen vor. Es komme nicht darauf an, daß der Abladevorgang noch nicht begonnen habe, da der Haftungsausschluß nach § 106 Abs. 3 SGB VII keine gemeinsame Tätigkeit voraussetze. Diese sei nur für die Anwendbarkeit des § 105 SGB VII Voraussetzung.
II. Die Revision ist begründet, soweit sie nicht unzulässig ist. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz der Personenschäden sind nicht nach § 106 Abs. 3 SGB VII ausgeschlossen.
1. Die Revision ist, soweit das Landesarbeitsgericht den Zahlungsantrag für die Sachschäden in Höhe von 2.216,10 DM (bei der Angabe von 2.215,20 DM handelt es sich um einen Rechenfehler des Landesarbeitsgerichts) für Brille und Brillenetui (890,20 DM), Uhr (798,00 DM), Hose (199,00 DM), Hemd (79,00 DM), Schuhe (249,90 DM) wegen Beweisfälligkeit abgewiesen hat, gemäß § 554 Abs. 2 Nr. 3 ZPO aF unzulässig. Die Revisionsbegründung muß nach dieser Norm die Angabe der einzelnen Revisionsgründe enthalten. Die Rechtsfehler des Berufungsurteils sind im einzelnen aufzuzeigen. Eine solche Auseinandersetzung mit dem Berufungsurteil enthält die Revision hinsichtlich des oa. Streitgegenstandes nicht. Fehler der angefochtenen Entscheidung werden insoweit nicht gerügt. Die Revisionsbegründung beschränkt sich allein auf einen nach § 561 Abs. 1 ZPO aF unzulässigen Beweisantritt. Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist oder auf Grund eines ordnungsgemäß gerügten Verfahrensfehlers nicht berücksichtigt worden ist. Verfahrensfehler hat der Kläger nicht gerügt.
2. Die Revision ist aus den unter 1 angeführten Gründen ebenfalls unzulässig und demgemäß zurückzuweisen, soweit das Landesarbeitsgericht den Feststellungsantrag zu 3 als unzulässig abgewiesen hat. Nach § 256 Abs. 1 ZPO ist eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nur zulässig, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse hat, das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald feststellen zu lassen. Das besondere Feststellungsinteresse des § 256 Abs. 1 ZPO muß als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen. Dabei hat das Gericht den Sachverhalt nicht selbständig zu untersuchen, vielmehr hat der Kläger die erforderlichen Tatsachen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (BAG 21. Juni 2000 - 5 AZR 782/98 - BAGE 95, 141 = AP ZPO 1977 § 256 Nr. 60; 21. September 1993 - 9 AZR 580/90 - BAGE 74, 201, 203 = AP ZPO 1977 § 256 Nr. 22; 23. April 1997 - 5 AZR 727/95 - BAGE 85, 347 = AP ZPO 1977 § 256 Nr. 40; 24. September 1997 - 4 AZR 429/95 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Reichsbund Nr. 1 = EzA ZPO § 256 Nr. 48; 3. März 1999 - 5 AZR 275/98 - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 53 = EzA ZPO § 256 Nr. 50).
Zur Zulässigkeit des Feststellungsantrags hatte der Kläger ursprünglich lediglich in der Klageschrift vom 26. Mai 1999 ausgeführt, daß die weitere Entwicklung des Krankheitsverlaufs nicht absehbar sei und deswegen noch keine Leistungsklage erhoben werden könne. Das Landesarbeitsgericht hat dies zur Begründung des Feststellungsinteresses nicht für ausreichend gehalten, weil die Sachschäden dreieinhalb Jahre nach dem Unfall feststehen müßten und nicht ersichtlich sei, welche Personenschäden noch entstehen könnten. Mit dieser Begründung setzt sich der Kläger ebenfalls nicht auseinander, sondern trägt in der Revisionsbegründungsschrift nur - und wiederum als neue Tatsache - vor, daß er wegen des Unfalls Spezialschuhwerk benötige. Eine Verfahrensrüge erhebt er in diesem Zusammenhang nicht.
3. Die Revision ist dagegen begründet, soweit das Landesarbeitsgericht die Ansprüche des Klägers wegen des sozialrechtlichen Haftungsausschlusses verneint hat. Dies führt nach § 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO aF zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Der mögliche Haftungsausschluß nach den §§ 104 ff. SGB VII betrifft die Personenschäden (Attest 60,00 DM; Fahrtkosten Ehefrau 45 Tage x 34 km = 1530 km x 0,52 DM = 795,60 DM; Ersatzkraft in der Boutique während der Pflege im Krankenhaus 3.780,00 DM; Ersatzkraft in der Boutique nach dem Krankenhausaufenthalt 111 Tage x 20,00 DM = 2.220,00 DM sowie vom Kläger in der Klageschrift beantragt), zusammen 6.855,60 DM, sowie das Schmerzensgeld (vgl. zum Schmerzensgeld zuletzt BAG 14. Dezember 2000 - 8 AZR 92/00 - AP SGB VII § 105 Nr. 1 = EzA SGB VII § 105 Nr. 1). Eine Vermögensbeeinträchtigung stellt dann einen Personenschaden dar, wenn sie durch die Verletzung eines Menschen bedingt ist (BAG 24. Mai 1989 - 8 AZR 240/87 - AP RVO § 636 Nr. 16 = EzA RVO § 636 Nr. 10).
a) Der Anspruch des Klägers gegen den Beklagten ergibt sich aus den §§ 823, 847 Abs. 1 BGB. Danach ist zur Zahlung eines Schmerzensgeldes und zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wer vorsätzlich oder fahrlässig den Körper eines anderen widerrechtlich verletzt. Zwischen den Parteien steht außer Streit, daß der Beklagte den Kläger mit dem Gabelstapler widerrechtlich und fahrlässig verletzt hat. Da es um eine Haftung gegenüber Dritten geht, kommt es auf Haftungsmilderungsgrundsätze im Arbeitsverhältnis nicht an.
b) Die Verletzung des Klägers stellte, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, für diesen einen Arbeitsunfall dar. Das steht zwischen den Parteien ebenfalls außer Streit und bedarf keiner weiteren Begründung, nachdem die zuständige Berufsgenossenschaft eine entsprechende Entscheidung getroffen hat (vgl. § 108 SGB VII). Die Bindungswirkung erstreckt sich dabei auch auf die Frage, ob der Verletzte versichert ist, und darauf, in welchem Betrieb sich der Unfall ereignet hat. Die Zivilgerichte können nur noch eine Feststellung darüber treffen, daß der Unfall auch einem anderen Betrieb als Arbeitsunfall zuzurechnen ist und daß insoweit die Haftungsfreistellung gegeben ist; insoweit besteht keine Bindung (vgl. Kater/Leube Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII § 108 Rn. 4). Das Landesarbeitsgericht hat des weiteren eine vorsätzliche Verletzungshandlung des Beklagten zutreffend verneint.
c) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß vorliegend die Haftung des Beklagten nicht nach § 105 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VII ausgeschlossen ist.
Bei Arbeitsunfällen wird die Haftung des Schädigers durch die Regelungen der gesetzlichen Unfallversicherung eingeschränkt. Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, sind diesen sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Der Kläger war nicht in demselben Betrieb wie der Beklagte tätig. Außerdem sollte die Tätigkeit des Klägers im Interesse seines Arbeitgebers erfolgen, und er sollte auch bei dem eigentlichen Abladevorgang nicht dem Weisungsrecht der Streithelferin unterliegen.
d) Die Haftung des Beklagten war entgegen der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht nach § 106 Abs. 3 SGB VII ausgeschlossen.
Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß gemäß § 106 Abs. 3 SGB VII die §§ 104 und 105 für die Ersatzpflicht der für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander gelten, wenn Versicherte mehrerer Unternehmen zum Unfallzeitpunkt vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichten. Die gemeinsame Betriebsstätte kann dabei das Betriebsgelände eines der beteiligten Unternehmer sein.
Der Bundesgerichtshof hat in der Grundsatzentscheidung vom 17. Oktober 2000 (- VI ZR 67/00 - BGHZ 145, 331) den Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte iSv. § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII näher erläutert. Unter Darlegung der hierzu vertretenen Auffassungen (vgl. hierzu auch Imbusch VersR 2001, 547, 550) hat er eine zu enge Auslegung des neu geschaffenen § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII ausdrücklich abgelehnt. Dies liefe letztlich auf die frühere Rechtslage hinaus und bliebe deshalb in nicht hinnehmbarer Weise hinter den Intentionen des Gesetzgebers zurück. Dieser habe trotz der Unauffälligkeit der Norm im Gefüge der §§ 104 ff. SGB VII und trotz der Unergiebigkeit der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 13/2204 S 100) durch die Besonderheit des Norminhalts erkennbar die Haftungsfreistellung des Schädigers in Fällen der Beteiligung mehrerer Unternehmen im Vergleich zum bisherigen Recht deutlich erweitern wollen. Der gesetzgeberischen Zielsetzung trägt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine vermittelnde Auslegung des Begriffs der gemeinsamen Betriebsstätte Rechnung. § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII erfasse ein bewußtes Miteinander im Arbeitsablauf, das zwar nicht nach einer rechtlichen Verfestigung oder auch nur ausdrücklichen Vereinbarung verlange, sich aber zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken verschiedener Unternehmen darstelle. Die Haftungsfreistellung des § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII regele damit über die Fälle der Arbeitsgemeinschaft hinaus betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewußt und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen. Es reiche aus, daß die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolge. Im Grundsatzfall vom 17. Oktober 2000 hat der BGH allerdings keinen Haftungsausschluß nach § 106 Abs. 3 SGB VII zugunsten eines Lokführers der Deutschen Bahn AG angenommen. In diesem Fall wurde ein bei einer GmbH, die im Auftrag der Deutschen Bahn AG deren Reisezugwagen reinigte, beschäftigter Arbeitnehmer von einer rangierenden Lok erfaßt, während er auf dem Weg zu einer Müllsammelstelle einen zuvor an einem Gleis abgelegten Müllsack aufheben wollte.
In einer weiteren Entscheidung vom 23. Januar 2001 (- VI ZR 70/00 - AP SGB VII § 106 Nr. 2) hat der Bundesgerichtshof die Grundsatzentscheidung bestätigt und wiederum das Vorliegen einer gemeinsamen Betriebsstätte verneint. In jenem Fall begehrte ein Kläger Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten für immaterielle Schäden auf Grund eines von der zuständigen Berufsgenossenschaft anerkannten Arbeitsunfalls. Der Kläger hatte im Auftrag seines Arbeitgebers mit dessen LKW auf dem Betriebshof einer dritten Firma Gasflaschen angeliefert. Während der Kläger hinter dem LKW stand und diesen entlud, kam der Beklagte mit einem LKW seines Arbeitgebers ebenfalls auf das Firmengelände. Er wollte dort im Auftrag des Arbeitgebers Waren anliefern oder abholen. Der LKW fuhr auf das stehende Fahrzeug des Klägers auf. Der Kläger wurde zwischen beiden Fahrzeugen eingeklemmt und schwer verletzt. Auch hier führte der BGH aus, daß eine "gemeinsame Betriebsstätte" nicht ohne ein Zusammenwirken der Beteiligten vorliegen könne, weil eine derart weite Auslegung nicht vereinbar mit der Erkenntnis sei, daß die vom Gesetz geforderte "gemeinsame" Betriebsstätte mehr voraussetze als "dieselbe" Betriebsstätte. Der Gesetzgeber habe nämlich mit dem Postulat der gemeinsamen Betriebsstätte offensichtlich bezweckt, den Kreis der Schadensfälle nicht ausufern zu lassen, in denen eine Haftungsbefreiung einsetzen soll, wenn das Zusammentreffen der Risikosphären mehrerer Betriebe zum Schadensfall führt. Ein rein zufälliges Aufeinandertreffen genüge nicht, weil hier ein bewußtes und gewolltes Ineinandergreifen der Tätigkeiten der Beteiligten fehle. Allein der Umstand, daß die Tätigkeiten der Beteiligten der Abwicklung des geschäftlichen Warenaustausches der dritten Firma dienen sollten, sei nicht geeignet, die beiderseitigen Aktivitäten in der erforderlichen Weise miteinander zu verknüpfen.
Der Bundesgerichtshof hat in einer neueren Entscheidung zu § 106 Abs. 3 SGB VII vom 3. Juli 2001 (- VI ZR 284/00 - BGHZ 148, 214) die oa. Grundsätze weiter verdeutlicht. In diesem Fall wurde ein Zimmerer, der Arbeiten an einer Gebäudeverschalung zu erledigen hatte, verletzt, als er den vom Schädiger geführten Kran zum Materialtransport nutzen wollte. Die beteiligten Arbeitnehmer gehörten unterschiedlichen Unternehmen an, wobei das des Zimmerers auf Grund eines Nachunternehmervertrages mit dem mit dem Bau beauftragten Schädigerbetrieb tätig war. Das gemeinsame Endziel der Tätigkeit beider Unternehmen, nämlich die Ausführung des Bauvorhabens, begründet nach Auffassung des Bundesgerichtshofs noch keine gemeinsame Betriebsstätte. Auch reicht noch nicht einmal die abgestimmte Tätigkeit der Arbeitnehmer untereinander aus (vgl. zu diesen weiteren Einschränkungen Otto NZV 2002, 11). Das bewußte Miteinander muß bei dem konkreten Unfallvorgang bestehen.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat im Schrifttum überwiegend Zustimmung gefunden (Dahm SozVers 2001, 208 ff.; ders. r+s 2001, 397, 398; Rolfs DB 2001, 2294, 2296; Freyberger MDR 2001, 541, 542; Waltermann NJW 2002, 1225, 1229; im wesentlichen auch Imbusch VersR 2001, 547, 550; Höher VersR 2001, 372; kritisch hingegen Otto NZV 2002, 10 ff.). Die Instanzgerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit sind dem BGH ebenfalls gefolgt (OLG Hamm 7. Februar 2001 - 13 U 154/00 - VersR 2002, 1108; OLG Köln 5. Juni 2001 - 3 U 17/00 - r+s 2001, 328; OLG Hamm 27. November 2000 - 13 U 114/00 - HVBG-INFO 2001, 1261; KG Berlin 9. Juli 2001 - 12 U 1397/00 - VersR 2002, 573).
Der erkennende Senat schließt sich - wie die Vorinstanz - aus den vom Bundesgerichtshof dargelegten Gründen der vermittelnden Auffassung an. Damit kommt es im Streitfall darauf an, ob sich die Tätigkeiten der Parteien zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstellten, dh. ob betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewußt und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergriffen, miteinander verknüpft waren, sich ergänzten oder unterstützten, wobei es ausreicht, daß die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolge.
Der Subsumtion des Landesarbeitsgerichts vermag der Senat hingegen nicht zu folgen. Der Kläger und der Beklagte arbeiteten im Streitfall in keiner Weise zusammen, ihre Tätigkeiten ergänzten sich nicht noch unterstützten sie einander. Das "bewußte Miteinander" gab es nicht, schon gar nicht beim konkreten Unfallvorgang. Daß der Kläger die Tätigkeit der Streithelferin, also der Arbeitgeberin des Beklagten, später unterstützen sollte, reicht für die Annahme eines bewußten Miteinander der Beteiligten nicht aus. Ebensowenig reicht deren gleichzeitige Anwesenheit auf dem Betriebsgelände der Streithelferin. Die Fälle, in denen Beteiligte zwar im gleichen Betrieb arbeiten, sich dort aber nur zufällig, ohne eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit über den Weg laufen, scheiden als Haftungsprivilegierungsfälle aus (ebenso Freyberger MDR 2001, 541, 543). Gemeinsame Betriebsstätte ist gerade mehr als dieselbe Betriebsstätte, so daß das bloße Zusammentreffen von Riskosphären mehrerer Betriebe nicht ausreicht. Parallele Tätigkeiten reichen nicht, eine Arbeitsverknüpfung anstelle einer bloßen Arbeitsberührung ist erforderlich. Der Kläger weist deshalb zu Recht daraufhin, daß er sich im Verhältnis zum Beklagten nicht von einem normalen Passanten unterschieden habe, der den der Öffentlichkeit zugänglichen Betriebshof überquert habe.
Es kann dahinstehen, ob auch zeitlich aufeinander folgende Tätigkeiten den nötigen Zusammenhang, dh. das bewußte Miteinander, bilden können (vgl. hierzu BGH 3. Juli 2001 - VI ZR 284/00 - BGHZ 148, 214; Otto NZV 2002, 11; Imbusch VersR 2001, 547, 551; Bereiter-Hahn/Mehrtens Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII § 106 Rn. 8.3; OLG Hamm 27. November 2000 - 13 U 114/00 - HVBG-INFO 2001, 1261; Waltermann NJW 2002, 1225, 1229; Jahnke VersR 2000, 155, 157 und Stern-Krieger/Arnau VersR 1997, 408, 411). Auch wenn man dies nicht mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 3. Juli 2001 (- VI ZR 284/00 - aaO) in Zweifel ziehen sollte, so muß doch auch nach der großzügigeren Auffassung (Imbusch VersR 2001, 547, 551) ein bewußtes Miteinander vorliegen, was im Streitfall nach den obigen Ausführungen nicht gegeben ist.
Die Verneinung der Haftungsprivilegierung des Beklagten entspricht auch dem Sinn und Zweck der §§ 104 ff. SGB VII. Der Ausschluß der zivilrechtlichen Haftung für Personenschäden ist nur deshalb gerechtfertigt, weil dem Geschädigten mit der Versicherung ein potenter Anspruchsgegner zur Verfügung steht. Wegen der sich verändernden wirtschaftlichen Verhältnisse erledigen Unternehmen nicht mehr alles aus einer Hand, sondern verlagern Teilbereiche auf andere Wirtschaftseinheiten. Insoweit wird die betriebliche Gefahrengemeinschaft, die schon nach Auffassung des BVerfG (7. November 1972 - 1 BvL 4, 17/71 und 10/72; 1 BvR 355/71 - BVerfGE 34, 118) im Anwendungsbereich des § 637 RVO aF den Haftungsausschluß ermöglichte, nur auf die Gefahrengemeinschaft von miteinander verknüpften bzw. zusammenarbeitenden Unternehmen erweitert (vgl. hierzu auch BGH 3. Juli 2001 - VI ZR 284/00 - BGHZ 148, 214, zu II 2 a der Gründe). In derartigen Situationen kann typischerweise jeder zum Geschädigten und Schädiger werden. Berühren sich die Gefahrenquellen aber nur zufällig wie im Streitfall und fehlt es an einer Verknüpfung, so ist der Haftungsausschluss nicht zu rechtfertigen und es gelten die allgemeinen Vorschriften.
4. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Ziff. 1 ZPO aF).
a) Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen zur Angemessenheit des Schmerzensgeldes getroffen. Nach § 847 ZPO muß dieses der Billigkeit entsprechen. Welche Entschädigung als billig im Sinne von § 847 BGB zu bezeichnen ist, ist vom Gericht nach § 287 ZPO zu schätzen. Die Schätzung ist grundsätzlich Sache des Tatsachenrichters (BAG 26. Januar 1971 - 1 AZR 304/70 - AP BGB § 847 Nr. 10 = EzA BGB § 847 Nr. 1).
b) Das Landesarbeitsgericht wird des weiteren zu prüfen haben, welche Schäden durch die Verletzungshandlung des Beklagten entstanden sind.
aa) Soweit der Kläger Fahrtkosten der Ehefrau an 45 Tagen (jeweils 34 km) = 1530 km x 0,52 DM = 795,60 DM sowie Kosten für die Ersatzkraft in der Boutique für die Zeit der Besuche der Ehefrau während des stationären Aufenthaltes des Klägers in Höhe von 3.780,00 DM begehrt, wird die Erforderlichkeit dieser Besuche unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Krankenhausbesuchen naher Angehöriger zu prüfen sein (vgl. BGH 19. Februar 1991 - VI ZR 171/90 - NJW 1991, 2340). Diese hat das Landesarbeitsgericht nach seiner Rechtsauffassung konsequent bisher nicht beurteilt und insoweit auch keine Feststellungen getroffen.
bb) Soweit der Kläger Ansprüche für die Kosten der Ersatzkraft in der Boutique nach dem Krankenhausaufenthalt für 111 Tage x 20,00 DM = 2.220,00 DM begehrt, ist die Notwendigkeit der Pflege durch die Ehefrau und deren zeitlicher Umfang während der Öffnungszeiten der Boutique vom Landesarbeitsgericht bisher ebenfalls nicht festgestellt.
c) Das Landesarbeitsgericht wird letztlich noch zu prüfen haben, ob nicht noch eine Haftungsprivilegierung des Beklagten nach § 106 Abs. 4 SGB VII in Betracht kommt. Nach dieser Vorschrift gelten die §§ 104 und 105 ff. SGB VII auch für die Ersatzpflicht von Betriebsangehörigen gegenüber den nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII Versicherten. Hierbei handelt es sich um Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten und kraft der Satzung der Versicherung versichert sind. Die Betriebsangehörigen werden nach dieser Vorschrift deshalb begünstigt, weil sich die betriebsfremden Personen mit Erlaubnis des Unternehmers auf der Betriebsstätte aufhalten und mit den Betriebsangehörigen eine Gefahrengemeinschaft bilden (Kater/Leube Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII § 106 Rn. 21). Sieht also die Satzung der zuständigen Unfallversicherung der Streithelferin eine Unfallversicherung zugunsten von Besuchern in der Betriebsstätte vor, ist die Haftung des Beklagten ebenfalls ausgeschlossen.
III. Das Landesarbeitsgericht hat auch über die Kosten der Revision sowie über die Kosten der Streithelferin zu befinden.
Ende der Entscheidung
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