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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 08.08.2000
Aktenzeichen: 9 AZN 520/00
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 2
ArbGG § 72 a
Leitsätze:

Weicht das Landesarbeitsgericht von einem Rechtssatz ab, der zwar in einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aufgestellt aber von der jüngeren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wieder aufgegeben ist, so rechtfertigt das keine Zulassung der Revision.

Aktenzeichen: 9 AZN 520/00 Bundesarbeitsgericht 9. Senat Beschluß vom 8. August 2000 - 9 AZN 520/00 -

I. Arbeitsgericht Oldenburg - 4 Ca 147/99 - Urteil vom 31. August 1999

II. Landesarbeitsgericht Niedersachsen - 7 Sa 1818/99 - Urteil vom 18. April 2000


9 AZN 520/00 7 Sa 1818/99

BUNDESARBEITSGERICHT BESCHLUSS

In Sachen

Beklagter, Berufungskläger und Beschwerdeführer,

pp.

Klägerin, Berufungsbeklagte und Beschwerdegegnerin,

hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts am 8. August 2000 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. April 2000 - 7 Sa 1818/99 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 25.157,82 DM festgesetzt.

Gründe

I. Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte der Klägerin für August 1998 bis März 1999 Arbeitsentgelt zu zahlen hat.

Die Klägerin wurde seit Januar 1983 von der Stiftung S.-Kinderheim als Hauswirtschaftsleiterin beschäftigt. Vom Frühjahr 1991 bis zum 2. August 1998 befand sie sich durchgehend im Mutterschutz oder im Erziehungsurlaub. 1994 wurde die Großküche des Heimes geschlossen, in dem die Klägerin als Hauswirtschaftsleiterin eingesetzt war. Zum Januar 1997 übernahm der Beklagte den größten Teil des Personals der Stiftung S.-Kinderheim und löste die letzte verbliebene Jugendgruppe im Mai 1997 auf. Im April 1998 bot der Beklagte der Klägerin einen Einsatz in einer Wohngruppe mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden an. Das lehnte die Klägerin ab. Darauf holte der Beklagte die Zustimmung des Gewerbeaufsichtsamtes zur Kündigung ein. Er sprach am 29. Juli 1998 eine Änderungskündigung mit dem Angebot der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als Mitarbeiterin in der Hauswirtschaft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden aus. Die Klägerin nahm unter Vorbehalt an und erhob Änderungsschutzklage, die rechtskräftig abgewiesen worden ist. Die Klägerin trat auch nach Ablauf der Kündigungsfrist die neue Arbeitsstelle nicht an. Sie hat nach erfolgloser Mahnung die Zahlung des Arbeitsentgelts für August 1998 bis März 1999 gerichtlich geltend gemacht. Das Arbeitsgericht hat ihrer Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen worden, ohne die Revision zuzulassen.

II. Die Beschwerde des Beklagten ist unbegründet.

1. Eine Revision ist vom Bundesarbeitsgericht nur zuzulassen, wenn die anzufechtende Entscheidung von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder eines der anderen in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG aufgeführten Gerichte abweicht. Eine solche Divergenz liegt vor, wenn das Berufungsgericht zu einer bestimmten Rechtsfrage einen fallübergreifenden Rechtssatz aufgestellt hat, der einem Rechtssatz widerspricht, der zu der selben Rechtsfrage in einer der genannten divergenzfähigen Entscheidungen enthalten ist.

2. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

a) Der Beklagte entnimmt den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts, auf die das Landesarbeitsgericht verwiesen hat, den Rechtssatz, ein Arbeitgeber gerate auch dann in Annahmeverzug, wenn es ihm unmöglich sei, den geschuldeten Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin anzubieten. Dieser Rechtssatz weicht von dem Urteil des BAG vom 24. November 1960 (- 5 AZR 545/59 - BAGE 10, 202) ab. In dieser älteren Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht den Rechtssatz aufgestellt, unter Annahmeverzug sei nur ein Unterbleiben der Arbeitsleistung zu verstehen, das durch die Weigerung der Annahme der vom Arbeitnehmer angebotenen Arbeit durch den Arbeitgeber entstehe. Davon sei die Unmöglichkeit abzugrenzen. Die Abweichung von dieser älteren Rechtsprechung begründet keine Divergenz in Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG. Die jüngere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat an der früher vertretenen Auffassung nicht festgehalten. Sie hat die Voraussetzung des Annahmeverzuges modifiziert. Danach obliegt es dem Arbeitgeber nach § 296 BGB, seine kalendermäßig festgelegte Mitwirkungshandlung durch die Verfügungstellung eines vertragsgemäßen Arbeitsplatzes zu erfüllen (vgl. BAG 9. August 1984 - 2 AZR 374/83 - BAGE 46, 234; 24. November 1994 - 2 AZR 179/94 - BAGE 78, 333; 19. Januar 1999 - 9 AZR 679/97 - BAGE 90, 329). Die Abweichung von einer aufgegebenen Rechtsprechung rechtfertigt keine Zulassung der Revision. Denn das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren dient der Vereinheitlichung der Rechtsprechung durch das Bundesarbeitsgericht. Deshalb kann eine Beschwerde nur Erfolg haben, wenn die Rechtseinheit durch einen vom Berufungsgericht aufgestellten Rechtssatz bedroht wird. Das ist hier schon deshalb auszuschließen, weil das Landesarbeitsgericht keinen eigenständigen Rechtssatz aufgestellt hat, sondern nur die von der jüngeren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts definierten Voraussetzungen des Annahmeverzugs wiedergegeben hat.

b) Die Beschwerde rügt, das Landesarbeitsgericht habe es unterlassen, die mangelnde Leistungsbereitschaft der Klägerin festzustellen. Die Feststellung der Leistungsbereitschaft ist eine Tatfrage, deren Prüfung im Beschwerdeverfahren nach § 72 Abs. 2 ArbGG ausgeschlossen ist.

c) Die Beschwerde rügt, das Landesarbeitsgericht habe übersehen, daß nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12. November 1998 (- 8 AZR 265/97 - BAGE 90, 153) die Klägerin nach § 295 Satz 2 BGB gehalten gewesen wäre, den Beklagten als Betriebsübernehmer aufzufordern, ihr einen geeigneten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Damit rügt die Beklagte eine fehlerhafte Rechtsanwendung. Das Beschwerdegericht ist nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht berechtigt, Rechtsfehler eines Landesarbeitsgerichts zum Anlaß für die Zulassung der Revision zu nehmen.

d) Soweit die Beschwerde sich dagegen wendet, daß im Berufungsurteil die Besonderheiten eines Betriebsübergangs nicht gewürdigt worden seien, handelt es sich ebenfalls um das Geltendmachen von Rechtsfehlern, deren Berücksichtigung erst in einem statthaften Revisionsverfahren zulässig wäre.

e) Soweit die Beschwerde eine Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, betrifft das einen Verfahrensfehler. Die Berücksichtigung von Verfahrensfehlern ist nach § 72 Abs. 2 ArbGG ebenfalls unzulässig. In § 72 Abs. 2 ArbGG sind abschließend die Gründe aufgezählt, die eine Zulassung rechtfertigen können (vgl. BAG 4. Mai 1994 - 3 AZN 79/94 - AP ArbGG 1979 § 72 a Nr. 31 = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 65; 20. September 1993 - 9 AZN 400/93 - AP ArbGG 1979 § 72 a Nr. 28 = EzA ArbGG 1979 § 72 a Nr. 15).

III. Der Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Beschwerde zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 25 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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