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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 11.04.2000
Aktenzeichen: 9 AZR 131/99
Rechtsgebiete: BGB, HGB
Vorschriften:
BGB § 222 | |
BGB § 823 | |
BGB § 826 | |
BGB § 852 | |
HGB § 60 Abs. 1 | |
HGB § 61 Abs. 2 |
Die dreimonatige Verjährungsfrist nach § 61 Abs. 2 HGB gilt nicht nur für Schadenersatz- und Herausgabeansprüche nach § 61 Abs. 1 HGB, sondern für alle Ansprüche des Arbeitgebers, die dieser aus Wettbewerbsverstößen des Arbeitnehmers nach § 60 HGB herleitet. Sie ist daher auch dann anzuwenden, wenn konkurrierende Schadenersatzansprüche aus einer unerlaubter Handlung nach § 823 BGB oder wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung nach § 826 BGB geltend gemacht werden.
Aktenzeichen: 9 AZR 131/99 Bundesarbeitsgericht 9. Senat Urteil vom 11. April 2000 - 9 AZR 131/99 -
I. Arbeitsgericht Offenbach - 3 Ca 216/96 - Teilurteil vom 26. November 1997
II. Landesarbeitsgericht Hessisches - 10 Sa 6/98 - Urteil vom 26. Oktober 1998
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 11. April 2000
Brüne, der Geschäftsstelle
In Sachen
Klägerin, Berufungsbeklagte und Revisionsklägerin,
pp.
Beklagter, Berufungskläger und Revisionsbeklagter,
hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2000 durch den Richter am Bundesarbeitsgericht Düwell als Vorsitzenden, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Reinecke und den Richter am Bundesarbeitsgericht Bepler sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Weiss und Holze für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Oktober 1998 - 10 Sa 6/98 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte Schadenersatz für Wettbewerbsverstöße zu leisten hat.
Die Klägerin stellt Verpackungen her und vertreibt diese. Sie stellte den Beklagten 1978 als Reisenden ein. Seit Januar 1995 wurde er als Marketing- und Verkaufsleiter beschäftigt. Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis am 29. Mai 1995 fristlos mit der Begründung, der Beklagte habe sich an der im Wettbewerb stehenden V. GmbH beteiligt und unter falschem Namen für diese Gesellschaft Geschäfte abgeschlossen. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage des Beklagten ist vom Landesarbeitsgericht durch Urteil vom 19. November 1996 rechtskräftig abgewiesen worden.
Mit Schreiben vom 9. Februar 1996 forderte die Klägerin den Beklagten auf, Auskunft über die während des Arbeitsverhältnisses getätigten Geschäfte zu erteilen und Schadenersatz zu leisten. Das lehnte der Beklagte unter dem 12. Februar 1996 mit dem Hinweis ab, mögliche Ansprüche seien nach § 19 des arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Manteltarifvertrages Groß- und Außenhandel Hessen verfallen. Im übrigen sei auch die dreimonatige Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB abgelaufen.
Mit der am 21. Mai 1996 erhobenen Stufenklage hat die Klägerin beantragt,
1. ihr Auskunft darüber zu erteilen, für welche Konkurrenz-unternehmen unter welchem Namen der Beklagte während seiner Beschäftigungszeit bei der Klägerin (vom 1. Januar 1978 bis 29. Mai 1995) tätig geworden ist, sowie darüber Rechnung zu legen, in welcher Höhe er Umsätze für diese Konkurrenzunternehmen in dem genannten Zeitraum getätigt hat,
2. die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides Statt zu versichern,
3. an sie Schadenersatz in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat den Beklagten durch Teilurteil zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts abgeändert und die "Auskunftsklage" abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Teilurteils.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin die im Antrag zu 1) verlangten Auskünfte und Rechnungslegung zu erteilen.
1. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, nach § 61 Abs. 2 HGB verjährten Ansprüche auf Schadenersatz wegen Wettbewerbsverstößen in drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in welchem der Arbeitgeber Kenntnis von dem Abschluß der Geschäfte erlangt habe. Spätestens am 16. Mai 1995 habe die Klägerin positive Kenntnis davon gehabt, daß der Beklagte Geschäfte für das mit ihr in Wettbewerb stehende Verpackungsunternehmen V. tätigte. Die am 21. Mai 1996 erhobene Klage habe die Verjährung nicht mehr unterbrechen können.
2. Die Revision rügt ohne Erfolg eine Gesetzesverletzung.
a) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß der Beklagte nach § 222 Abs. 1 BGB berechtigt ist, die Erfüllung des vermeintlichen Anspruchs der Klägerin auf Ersatz der für das Konkurrenzunternehmen V. getätigten Umsätze zu verweigern. Soweit der Beklagte in der Zeit seines Arbeitsverhältnisses zur Klägerin Geschäfte für das Konkurrenzunternehmen V. gemacht hat, ist dies entgegen dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot des § 60 Abs. 1 HGB geschehen. Nach § 61 Abs. 1 HGB kann der Arbeitgeber für die Verletzung der dem Arbeitnehmer nach § 60 HGB obliegenden Verpflichtung Schadenersatz fordern. Dieser Schadenersatzanspruch verjährt in drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in welchem der Arbeitgeber Kenntnis von dem Abschluß des Geschäfts erlangt (§ 61 Abs. 2 HGB).
b) Entgegen der Ansicht der Revision wird die dreimonatige Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB nicht durch die für unerlaubte Handlungen nach § 852 BGB geltende dreijährige Verjährungsfrist verdrängt.
Mit der Bestimmung einer einheitlichen dreimonatigen Verjährung für alle Verletzungen eines gesetzlichen Wettbewerbsverbots wird der Zweck verfolgt, den Berechtigten zur raschen Entscheidung zu veranlassen, ob er Ansprüche aus der Vertragsverletzung geltend machen will (RG 6. April 1937 - II 257/36 - JW 1937, 2654). Diese Verjährungsvorschrift gilt deshalb unabhängig von der jeweiligen Anspruchsgrundlage für sämtliche Schadenersatz- und Herausgabeansprüche eines Dienstberechtigten, die er wegen Verletzungen des gesetzlichen Wettbewerbsverbots gegen seinen Arbeitnehmer geltend macht. Sie unterscheidet nicht zwischen fahrlässigen und vorsätzlichen Wettbewerbsverstößen. Sie ist auch dann anwendbar, wenn der Arbeitnehmer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise seinem Arbeitgeber in dessen Handelszweig Wettbewerb gemacht hat. Die Sittenwidrigkeit der vorsätzlichen Schadenszufügung ist bei Wettbewerbsverletzungen kein außergewöhnlicher Ausnahmefall. Ein vorsätzlicher Verstoß gegen § 60 HGB erfüllt in vielen Fällen zugleich den Tatbestand des § 826 BGB, weil das Geschäftemachen im Handelszweig des Arbeitgebers zumeist den Mißbrauch einer Vertrauensstellung voraussetzt. Auf diesen Umstand hat bereits das Reichsgericht hingewiesen (RG 6. April 1937 aaO). Es hat daraus gefolgert, der Gesetzgeber habe bei der Fassung des § 61 Abs. 2 HGB bewußt die Verjährungsfrist verkürzt, um eine rasche Klärung herbeizuführen. Das Schrifttum ist dem fast einhellig gefolgt (MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 61 HGB Rn. 28; ErfK-Schaub § 61 HGB Rn. 15; GK-HGB/Etzel 4. Aufl. § 61 HGB Rn. 16; Konzen/Weber in HGB-Großkommentar 4. Aufl. § 61 Rn. 20; aA Baumbach/Hopt HGB 30. Aufl. § 61 Rn. 4).
Das Bundesarbeitsgericht hat zwar diese Verjährungsfrist auch für Schadenersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen eines kaufmännischen Angestellten für anwendbar angesehen (BAG 12. Mai 1972 - 3 AZR 401/71 - AP HGB § 60 Nr. 6 = EzA HGB § 60 Nr. 6), aber es bisher offengelassen, ob dem auch dann gefolgt werden könne, wenn der Tatbestand des § 826 BGB erfüllt wäre (BAG 28. Januar 1986 - 3 AZR 449/84 - AP HGB § 61 Nr. 2 = EzA HGB § 61 Nr. 2).
Im Streitfall ist diese Rechtsfrage entscheidungserheblich. Das Landesarbeitsgericht hat nur deshalb von einer Beweiserhebung über die zwischen den Parteien streitigen Umstände der konkreten Wettbewerbsverletzung abgesehen, weil die kurze Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB auch dann eingreife, wenn zu Lasten des Arbeitnehmers unterstellt werde, daß er in einer Weise das Wettbewerbsverbot verletzt habe, die gegen die guten Sitten verstoße. Dem stimmt der Senat zu. Die kurze Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB gilt auch für Ansprüche des Arbeitgebers, die auf den Tatbestand einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung nach § 826 BGB gestützt werden. Soweit das Bundesarbeitsgericht den Gerechtigkeitsgehalt des § 61 Abs. 2 HGB als "nicht sonderlich eindrucksvoll" angesehen und deshalb dessen Anwendungsbereich eingeschränkt hat (BAG 16. Januar 1975 - 3 AZR 72/74 - AP HGB § 60 Nr. 8 mit ablehnender Anmerkung Beuthien/Janzen = EzA HGB § 60 Nr. 8), gibt der nunmehr für dieses Rechtsgebiet zuständige Fachsenat diese Ansicht auf. § 61 Abs. 2 HGB trifft keine verunglückte Einzelwertung. Auch gegenüber Gesellschaftern einer offenen Handelsgesellschaft (vgl. § 113 Abs. 3 HGB) und gegenüber Vorstandsmitgliedern von Aktiengesellschaften (vgl. § 88 Abs. 3 AktG) gilt diese kurze Verjährungsfrist. Sie soll die Beteiligten anhalten, das Bestehen von Schadenersatzansprüchen binnen drei Monaten nach Kenntnis vom Wettbewerbsverstoß zu klären. Diese nicht nur auf das Arbeitsrecht beschränkte gesetzliche Wertung haben die Gerichte zu achten. Billigkeitsgesichtspunkte können nicht ermächtigen, davon abzuweichen.
c) Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist bestimmt. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen hatte die Klägerin spätestens ab 16. Mai 1995 Kenntnis von dem "Geschäftemachen" des Beklagten für den Wettbewerber V. erlangt. Die Klägerin hat deshalb auch folgerichtig zur Vermeidung des Ablaufs der Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB innerhalb von zwei Wochen aus wichtigem Grund das Arbeitsverhältnis gekündigt. Die Klägerin hätte zur rechtzeitigen Unterbrechung der Verjährung innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis Klage erheben müssen. Die am 21. Mai 1996 erhobene Stufenklage konnte die Verjährung nicht mehr unterbrechen. Zu diesem Zeitpunkt war die Verjährung bereits vollendet.
d) Ist der Beklagte somit nach § 222 Abs. 1 BGB berechtigt, den Ersatz des von der Klägerin geltend gemachten Schaden aus Geschäften für den Wettbewerber V. zu verweigern, fehlt es an einer rechtlichen Grundlage für die von der Klägerin insoweit geltend gemachten Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche.
3. Soweit die Klägerin den Beklagten wegen einer konkurrierenden Tätigkeit für andere Wettbewerber in Anspruch nimmt, ist die Klage ebenfalls unbegründet. Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte neben seiner Tätigkeit für die V. auch noch für andere Wettbewerber tätig war, sind nicht festgestellt.
II. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.
Ende der Entscheidung
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