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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 25.01.2000
Aktenzeichen: 9 AZR 144/99
Rechtsgebiete: SGB I, AFG, BGB


Vorschriften:

SGB I § 32
AFG § 128 (SGB III § 147 a)
BGB § 305
Leitsätze:

Der Arbeitgeber kann mit einem Arbeitnehmer in einem Aufhebungsvertrag rechtswirksam vereinbaren, daß er gegen ihn einen Anspruch auf Rückforderung einer Überbrückungszahlung hat, soweit er Erstattungsleistungen nach § 128 AFG an das Arbeitsamt erbringt; eine solche Vereinbarung ist nicht nach § 32 SGB I nichtig (Fortführung und Abgrenzung zu BAG 22. Juni 1989 - 8 AZR 761/87 - EzA AFG § 128 Nr. 2).

Aktenzeichen: 9 AZR 144/99 Bundesarbeitsgericht 9. Senat Urteil vom 25. Januar 2000 - 9 AZR 144/99 -

I. Arbeitsgericht Hannover - 9 Ca 330/97 - Urteil vom 18. Februar 1998

II. Landesarbeitsgericht Niedersachsen - 16 Sa 1042/98 - Urteil vom 20. Januar 1999


9 AZR 144/99 16 Sa 1042/98

BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

Verkündet am 25. Januar 2000

Brüne, der Geschäftsstelle

In Sachen

Kläger, Berufungskläger und Revisionskläger,

pp.

Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte,

hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Leinemann, den Richter am Bundesarbeitsgericht Düwell und die Richterin am Bundesarbeitsgericht Reinecke sowie die ehrenamtlichen Richter Schodde und Hintloglou für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 20. Januar 1999 - 16 Sa 1042/98 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Überbrückungsgeld, hilfsweise auf Schadenersatz wegen der Verletzung von Mitteilungspflichten der Beklagten.

Der am 13. September 1936 geborene Kläger war mehr als 30 Jahre Arbeitnehmer der Beklagten. Sein Monatsgehalt betrug zuletzt 12.200,00 DM. Die Parteien beendeten das Arbeitsverhältnis aufgrund einer im Mai 1993 auf Veranlassung der Beklagten geschlossenen "Auflösungsvereinbarung" zum 31. Dezember 1993 bei Zahlung einer Abfindung von 114.830,00 DM. In Nr. 4 der Auflösungsvereinbarung heißt es:

Mit der Unterschrift auf dieser Auflösungsvereinbarung erklärt der Mitarbeiter sein Einverständnis zum "Gleitenden Ruhestand 1993" vom 01.04.1993 und zum "Angebot zur Abfindung des bestehenden Arbeitsverhältnisses" vom 15.04.1993. Zugleich akzeptiert er damit die Bedingungen des Merkblattes zum "Gleitenden Ruhestand 1993 Alter 55 bis 59" Ziffer A bis G.

Zu den unter C. des Merkblatts geregelten Leistungen der Beklagten gehören die Betriebsrente (Nr. 1), eine Überbrückungszahlung (Nr. 2), zahlbar frühestens ab dem 1. des Folgemonats nach Vollendung des 60. Lebensjahres, längstens bis zum Ende des Monats der Vollendung des 63. Lebensjahres. Deren Höhe beträgt einschließlich der Betriebsrente 64% der jeweiligen Bemessungsgrundlage. Die für den Kläger maßgebliche Bemessungsgrundlage beläuft sich auf 12.209,08 DM (64% = 7.814,00 DM). Außerdem ist ein Zuschuß zur Krankenversicherung vorgesehen (Nr. 3).

Unter "E. Bezug von Arbeitslosenleistungen" ist in Nr. 1 und Nr. 2 ua. bestimmt, daß der Bezug von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe mitzuteilen ist. In diesem Fall entfällt der freiwillige Krankenversicherungszuschuß. Ferner heißt es:

"3. Wird während der Laufzeit der Überbrückungszahlung Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bezogen, so kürzt die I die Überbrückungszahlung (ggf. auch rückwirkend) in entsprechender Höhe.

4. Ersatzansprüche des Arbeitsamtes an I

Sofern das Arbeitsamt von der I Ersatzansprüche entsprechend dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) für:

- Arbeitslosengeld,

- Arbeitslosenhilfe,

- Krankenversicherungsbeiträge,

- Rentenversicherungsbeiträge bzw. Beitragszuschuß zur befreienden Lebensversicherung

fordert, so muß die I die geforderten Ersatzansprüche an das Arbeitsamt erstatten. Die I wird dann diese Ersatzansprüche vom ehemaligen Mitarbeiter wie folgt zurückfordern:

4.1. Ermittlung der Rückforderung

Die Summe aller Ersatzansprüche wird durch die Anzahl Monate der Laufzeit der Überbrückungszahlung (maximal 36 Monate) geteilt. Wird während der Laufzeit der Überbrückungszahlung Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bezogen, so wird der Ersatzanspruch durch die Anzahl der Monate vom Ende der Arbeitslosenleistung bis zum Ende der Überbrückungszahlung geteilt. Der so ermittelte Betrag ist die monatliche Rückforderung (nachstehend Rückforderung genannt).

4.2. Kürzung der Überbrückungszahlung:

Die monatliche Überbrückungszahlung (nachstehend Überbrückungszahlung genannt) wird um die Rückforderung gekürzt.

Besteht ein Anspruch auf Rentenzahlung aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder der befreienden Lebensversicherung entsprechend Ziffer C. Punkt 2.5 und 2.6, so gilt folgende Regelung:

-Ist die monatliche Rentenzahlung höher als die Rückforderung, so wird die Überbrückungszahlung um den Betrag der monatlichen Rentenzahlung ggf. auch rückwirkend gekürzt.

-Ist die Rückforderung höher als die monatliche Rentenzahlung, so wird die Überbrückungszahlung ggf. auch rückwirkend um den Betrag der Rückforderung gekürzt.

4.3. Die erdiente Rente bleibt davon unberührt.

Einige unverbindliche Beispiele finden Sie unter Ziffer H. Punkt 2."

In H. Punkt 2 "Arbeitslosen-Meldung/-Geld" weist die Beklagte darauf hin, alle Fragen im Zusammenhang mit der Arbeitslosenmeldung seien Angelegenheit der Mitarbeiter und die nachfolgenden Informationen unverbindlich und ohne Rechtsanspruch in Übersichtsform zusammengestellt worden. Sie bitte, sich bei offenen Fragen an das zuständige Arbeitsamt zu wenden. Weiter heißt es dort:

"Zum 1.1.1993 trat eine Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in Kraft. Danach muß die I das Arbeitslosengeld, die Arbeitslosenhilfe, die Krankenversicherungsbeiträge und die Rentenversicherungsbeiträge bzw. den Beitragszuschuß zur befreienden Lebensversicherung dem Arbeitsamt für die Dauer von maximal 24 Monaten erstatten, wenn diese Leistungen nach Vollendung Ihres 58. Lebensjahres gezahlt werden. Die Erstattungspflicht der I an das Arbeitsamt entfällt dann, wenn Ihre Beschäftigung bei der I vor Vollendung des 56. Lebensjahres endet. Im Falle der Erstattungspflicht, kürzt die I entsprechend den Regelungen des Merkblattes Ziffer E. die Überbrückungszahlung (Alter 60 bis 63) um den Erstattungsbetrag, sofern Renten/Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. befreienden Lebensversicherung nicht angerechnet werden. ..."

Es folgen mehrere Beispiele ua. zur Berechnung für Mitarbeiter, die im Alter von 57 Jahren ausscheiden.

Der Kläger bezog vom 26. März 1994 bis 9. September 1996 Arbeitslosengeld. Im Juli 1994 hörte das Arbeitsamt die Beklagte zu einer Erstattung nach § 128 AFG an und stellte im August 1994 dem Grunde nach deren Erstattungspflicht fest. Den für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Klägers vom 13. September 1994 bis 9. September 1996 zu leistenden Erstattungsbetrag errechnete das Arbeitsamt nach seinen Bescheiden vom 19. Dezember 1996 mit 84.910,54 DM. Die Beklagte hat diese Summe an das Arbeitsamt entrichtet. Die Bescheide sind noch nicht bestandskräftig.

Zum Oktober 1996 nahm die Beklagte die Zahlung des Überbrückungsgeldes auf. Unter Berücksichtigung der Betriebsrente von 4.666,00 DM monatlich erhielt der Kläger 3.148,00 DM Überbrückungsgeld. Im Dezember 1996 informierte die Beklagte erstmals den Kläger fernmündlich von der Inanspruchnahme durch das Arbeitsamt. Eine von ihr im Januar 1997 angebotene Stundung der Rückforderungsbeträge bis zum Zeitpunkt der Auszahlung seiner befreienden Lebensversicherung bei einem Zinssatz von 6% nahm der Kläger nicht an. Mit Schreiben vom 7. April 1997 teilte die Beklagte ihm mit, sie werde nunmehr die Überbrückungszahlung entsprechend der Regelung in 4.1 des Merkblatts monatlich in Höhe von 2.927,95 DM mit dem Erstattungsbetrag verrechnen. Für die Monate Mai und Juni 1997 kürzte sie das Überbrückungsgeld auf 220,05 DM. Wegen einer Steigerung der Betriebsrente des Klägers auf monatlich 4.900,00 DM leistete sie seit Juli 1997 keine weiteren Überbrückungszahlungen mehr.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Regelung in E.4 des Merkblatts sei nach § 32 SGB I nichtig. Jedenfalls hätte die Beklagte ihn 1994 über ihre vom Arbeitsamt festgestellte Erstattungspflicht unterrichten müssen. Er hätte dann mit Wirkung zum 13. September 1994 auf den Bezug von Arbeitslosengeld verzichten können. Hierdurch sei ihm ein Schaden von 8.388,81 DM entstanden, weil im Erstattungsbetrag des Arbeitsamtes der Gesamtkrankenversicherungsbeitrag enthalten sei, während er ohne den Bezug von Arbeitslosengeld von der Beklagten einen Zuschuß zur freiwilligen Krankenversicherung erhalten hätte.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 43.737,90 DM nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.388,81 DM nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, den Kläger mit der Klage abzuweisen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision. Die Beklagte beantragt deren Zurückweisung.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, an den Kläger 43.737,90 DM oder 8.388,81 DM zu zahlen. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Überbrückungsgeld für die Monate Mai 1997 bis Juli 1998. Der Anspruch ist zwar nach C.2 des Merkblatts entstanden, dessen Bedingungen die Parteien zum Inhalt des Aufhebungsvertrags gemacht haben. Dieser Anspruch ist aber aufgrund der von der Beklagten erklärten Aufrechnung erloschen.

1. Das Landesarbeitsgericht hat die Regelung in E.4 des Merkblatts dahin ausgelegt, die Beklagte sei berechtigt, das Überbrückungsgeld um den Betrag zu kürzen, den sie an das Arbeitsamt nach § 128 AFG erstatte. Dieses Auslegungsergebnis entspricht dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang der Vertragsklausel. Anders als in E.2 des Merkblatts zum freiwilligen Krankenversicherungszuschuß, der bei einem Versicherungsschutz durch das Arbeitsamt "entfällt", sind für die Übergangszahlung in E.4 des Merkblatts deren "Kürzung" und eine "Rückforderung" der Beklagten bestimmt. Der Anspruch auf Übergangsgeld ist damit nicht durch einen Leistungsbezug des Klägers oder eine Erstattung der Beklagten an das Arbeitsamt auflösend bedingt (§ 158 Abs. 2 BGB). Für die Beklagte wird vertraglich ein Forderungsrecht gegen den Kläger begründet, mit dem sie nach Maßgabe von E.4.1 und E.4.2 des Merkblatts gegen seinen Anspruch auf Überbrückungszahlung aufrechnen kann.

2. Der Anspruch des Klägers ist aufgrund der von der Beklagten im April 1997 erklärten Aufrechnung erloschen (§§ 388, 389 BGB). Der Beklagten stand der zur Aufrechnung gestellte Rückforderungsanspruch zu. Ohne Bedeutung ist, daß die Leistungsbescheide des Arbeitsamtes noch nicht bestandskräftig sind. Nach dem Wortlaut in E.4 des Merkblatts entsteht der Rückgewähranspruch der Beklagten mit der Forderung des Arbeitsamtes und der Erstattung des verlangten Betrags. Wegen der Höhe der von der Beklagten an den Kläger gezahlten Betriebsrente stehen der Aufrechnung Pfändungsvorschriften (§ 394 BGB iVm. §§ 850 ff. ZPO) nicht entgegen. Insoweit erhebt der Kläger auch keine Bedenken. Ebensowenig beanstandet er die von der Beklagten nach Maßgabe von E. 4.1 und E. 4.2 des Merkblatts erfolgte Berechnung der Rückforderung.

3. Die Vereinbarung über die Rückforderung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen zwingende Vorschriften des Sozialrechts unwirksam.

a) Nach § 32 SGB I sind privatrechtliche Vereinbarungen nichtig, die "zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von den Vorschriften dieses Gesetzbuches" abweichen. In den Geltungsbereich der Norm fallen auch Verträge zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber über den sozialrechtlichen Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitslosengeld nach den Bestimmungen des AFG (vgl. BAG 22. Juni 1989 - 8 AZR 761/87 - EzA AFG § 128 Nr. 2). Das AFG galt nach Art. 2 II § 1 Nr. 3 SGB I bereits vor seiner Eingliederung in das SGB (1. Januar 1998 SGB III) als dessen besonderer Teil.

aa) Nach dem Wortlaut von § 32 SGB I ist die Rechtsfolge der Nichtigkeit nur für Regelungen bestimmt, mit denen unmittelbar in die aufgrund der Sozialgesetze begründete Rechtsposition des Arbeitnehmers eingegriffen wird. Vorausgesetzt ist damit, daß die Vereinbarung - ihre Rechtswirksamkeit unterstellt - bestehende oder künftige sozialrechtliche Rechtsansprüche des Arbeitnehmers zu seinen Lasten beeinflußt oder seine Pflichten, die er im Hinblick auf den Sozialanspruch zu erfüllen hat, nachteilig verändert. Hierzu ist die aufgrund des Sozialrechts bestehende Rechtsstellung des betroffenen Leistungsberechtigten mit seiner Rechtsstellung zu vergleichen, die sich unter Berücksichtigung der privatrechtlichen Vereinbarung ergibt (Hauck in Hauck SGB I Stand Juli 1999 K § 32 Rn. 5; SGB-SozVers-GesKomm/Bley Stand September 1999 I § 32 SGB Anm. 4; Gitter BochKomm SGB-AT § 32 Rn. 25 ff.).Nichtig ist deshalb die Klausel in einem Aufhebungsvertrag, in der sich der Arbeitnehmer verpflichtet, keinen Antrag auf Arbeitslosengeld zu stellen (BAG 22. Juni 1989 - 8 AZR 761/87 - aaO; BSG 24. März 1988 - 5/5 b RJ 84/86 - BB 1988, 1964 ).

Die sozialrechtlich begründete Rechtsstellung des Arbeitnehmers wird demgegenüber nicht beeinträchtigt, wenn ihm überlassen ist, Leistungen der Arbeitsverwaltung in Anspruch zu nehmen. Das gilt auch dann, wenn - wie hier - der Bezug von Arbeitslosengeld und die Inanspruchnahme des Arbeitgebers nach § 128 AFG zu einer Kürzung der dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber im Aufhebungsvertrag zugesagten Leistungen führt (vgl. ArbG Köln 21. Juni 1996 - 2 Ca 9187/95 - BB 1996, 1614; Bauer Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge 6. Aufl. Rn. 1093; Weber/Ehrich/Hoß Handbuch der arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträge 2. Aufl. Teil 4 Rn. 354; Buchner NZA 1993, 481; Kittner KSchR 4. Aufl. § 147 a SGB III Rn. 96; Gagel BB 1988, 1957).

bb) Die vom Kläger wegen der finanziellen Auswirkungen der Rückforderungsklausel erhobenen Bedenken greifen nicht durch. § 32 SGB I ist nicht deshalb anzuwenden, weil die sich aus dem Bezug von Arbeitslosengeld ergebenden rechtsgeschäftlichen Folgen "mittelbar Druck" auf den Arbeitnehmer ausüben können, vom Bezug von Arbeitslosengeld abzusehen. Der Wortlaut der Vorschrift trägt diese Auslegung nicht. Sie wird auch nicht von dem mit § 32 SGB I erkennbar verfolgten Zweck gedeckt. Mit der Norm soll sichergestellt werden, daß dem einzelnen die nach dem Sozialrecht zustehenden Leistungen auch tatsächlich zugute kommen. Im Interesse der Durchsetzung des öffentlichen Rechts sind insoweit der freien Vertragsgestaltung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber Grenzen gesetzt (vgl. Hauck aaO Rn. 1). Im übrigen bleibt ihre Vertragsfreiheit (§ 305 BGB) aber unberührt. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, war die Beklagte daher nicht gehindert, den Umfang ihres mit der Frühverrentung des Klägers verbundenen finanziellen Aufwandes mit Hilfe der Rückforderungsklausel abschließend festzulegen. Dem Kläger stand es frei, ihr Angebot auf Abschluß der Ausscheidensvereinbarung anzunehmen. Mit der Annahme des Angebots hat er auch die Rückforderung und damit den Umstand akzeptiert, daß diese wegen der in § 128 AFG vorgeschriebenen Erstattung der Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung höher ist als das ihm tatsächlich zugeflossene Arbeitslosengeld.

cc) Der mit der Erstattungspflicht in § 128 AFG verfolgte Zweck, die Kosten der Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer auch dem Arbeitgeber und nicht nur der Solidargemeinschaft aufzuerlegen, rechtfertigt entgegen der Auffassung des Klägers ebenfalls kein anderes Ergebnis. Die gesetzliche Erstattungspflicht bewirkt nur mittelbar einen Schutz der älteren Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber wegen dieser finanziellen Folgen von ihrer Entlassung oder einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses absieht. Nach § 128 AFG ist dem Arbeitgeber aber nicht untersagt, sich von älteren Arbeitnehmern zu trennen. Die Vorschrift steht auch nicht einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung entgegen, nach der die Kosten der Erstattung bei der Höhe der dem Arbeitnehmer zugesagten Überbrückungsleistung berücksichtigt werden (vgl. BAG 20. Juni 1990 - 1 AZR 263/88 - BAGE 65, 199 zum Sozialplanvolumen).

dd) Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Juni 1989 (- 8 AZR 761/87 - aaO) ist nichts anderes zu entnehmen. Das Bundesarbeitsgericht hat dort zur Auslegung von § 32 SGB I ausgeführt, unerheblich sei, ob die vertragliche Regelung im Einzelfall konkret benachteiligend wirke. Seine Darlegungen beziehen sich aber nicht, wie der Kläger meint, auf rechtsgeschäftliche Nachteile des Arbeitnehmers. Angesprochen sind vielmehr die sozialrechtlichen Folgen eines Verzichts auf den Bezug von Arbeitslosengeld, nämlich der damit verbundene Wegfall des sonst nach § 155 AFG gegebenen Schutzes in der gesetzlichen Krankenversicherung und die fehlende Berücksichtigung dieser Zeit der Arbeitslosigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 58 SGB VI.

b) Der Erstattungsregelung in dem Aufhebungsvertrag der Parteien stehen auch keine anderen zwingenden Vorschriften des SGB und des AFG entgegen. Zwar sind Beiträge zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung jeweils zur Hälfte von dem Arbeitnehmer und von dem Arbeitgeber zu tragen, § 249 SGB V, § 168 SGB VI, § 58 Abs. 1 SGB XI. Das betrifft aber nur die Beitragserhebung im bestehenden Arbeitsverhältnis.

II. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Schadenersatz im Zusammenhang mit den Kosten für die Krankenversicherung, wie er ihn hilfsweise verfolgt. Die Beklagte hat keine Mitteilungspflichten verletzt.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann im Einzelfall auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung die Rechtspflicht des Arbeitgebers bestehen, den Arbeitnehmer unaufgefordert über Tatsachen und rechtliche Zusammenhänge aufzuklären, die für seine Rechtsstellung von Bedeutung sind. Solche Aufklärungs- und Belehrungspflichten kommen insbesondere bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines vom Arbeitgeber veranlaßten Aufhebungsvertrags in Betracht (vgl. BAG 10. März 1988 - 8 AZR 420/85 - AP BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 99 = EzA BGB § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 6 mwN). Soweit Arbeitnehmer und Arbeitgeber - wie hier aufgrund eines gleitenden Übergangs des Arbeitnehmers in den Ruhestand - weiterhin vertraglich gebunden bleiben, ist auch diese Rechtsbeziehung geeignet, Mitteilungspflichten des Arbeitgebers zu begründen. Deren Bestehen und Umfang bestimmen sich nach den im konkreten Einzelfall bestehenden Informationsbedarf des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber schuldet unaufgefordert eine Mitteilung regelmäßig nur, wenn der Arbeitnehmer unverschuldet keine Kenntnis von den für seine Rechtsstellung erheblichen Tatsachen hat und er deshalb auf die Unterrichtung des Arbeitgebers angewiesen ist.

2. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Die Beklagte hat den Kläger bei Abschluß der Auflösungsvereinbarung auf die sozialrechtlichen Folgen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hingewiesen. Insoweit behauptet auch der Kläger nicht, die Beklagte habe mögliche Belehrungspflichten verletzt. Entgegen seiner Auffassung war die Beklagte aber auch nicht gehalten, ihn über die vom Arbeitsamt 1994 angekündigte und sodann festgestellte Inanspruchnahme nach § 128 AFG zu unterrichten. Auf diese Information war der Kläger aufgrund seiner Vorkenntnisse nicht angewiesen. Ihm war der vertragliche Zusammenhang zwischen einem Leistungsbezug vom 58. bis 60. Lebensjahr mit dem Erstattungsanspruch des Arbeitsamtes gegen die Beklagte nach § 128 AFG ebenso bekannt wie die sich daraus ergebende Kürzung des Übergangsgeldes. Mit der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs durch das Arbeitsamt gegenüber der Beklagten hat sich daher nicht ein ihrer "Sphäre" zuzuordnendes "Risiko" verwirklicht, wie der Kläger meint. Die Inanspruchnahme der Beklagten war Folge des von ihm veranlaßten Bezugs von Arbeitslosengeld.

III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Ende der Entscheidung

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