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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 01.10.2002
Aktenzeichen: 9 AZR 215/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, MTV


Vorschriften:

ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 812 Abs. 1
Manteltarifvertrag für Angestellte der Druckindustrie in Hamburg und Schleswig-Holstein vom 13. Mai 1997 (MTV) § 19
1. Ein Klageantrag, mit dem Zinsen in Höhe bestimmter "Prozentpunkte über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank" gefordert werden, ist - auch für die Vergangenheit - bestimmt genug.

2. Hat der Arbeitgeber einen tarifvertraglich vorgesehenen Vorschuß auf das Urlaubsgeld gezahlt, entsteht jedenfalls nach dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung ein Rückzahlungsanspruch, wenn die Entstehung des Urlaubsgeldanspruchs von der Urlaubsgewährung abhängig ist und der Urlaubsanspruch wegen einer ununterbrochenen Erkrankung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf des Übertragungszeitraums untergeht.

3. Dieser Anspruch unterliegt einer tariflichen Ausschlußfrist, innerhalb der "tarifliche Ansprüche" geltend zu machen sind.


BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

9 AZR 215/01

Verkündet am 1. Oktober 2002

In Sachen

hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 1. Oktober 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Düwell, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Zwanziger und Krasshöfer, die ehrenamtlichen Richter Schwarz und Hintloglou für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 20. März 2001 - 3 Sa 5/01 - aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 15. November 2000 - 4 Ca 2341/00 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.674,48 Euro brutto nebst 4 % Zinsen auf 511,29 Euro seit dem 22. August 2000 und Zinsen auf 1.163,19 Euro in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 7. November 2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob infolge einer Aufrechnungserklärung der Beklagten der Arbeitsentgeltanspruch des Kläger erloschen ist. Die Beklagte stützt ihre Aufrechnung auf einen Rückforderungsanspruch, den sie aus der Überzahlung von Urlaubsgeld im Jahre 1999 herleiten will.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1969 als Angestellter tätig. Beide Parteien sind tarifgebunden. Das Arbeitsverhältnis unterfällt dem Manteltarifvertrag für Angestellte der Druckindustrie in Hamburg und Schleswig-Holstein vom 13. Mai 1997 (künftig: MTV). Dieser Tarifvertrag lautet auszugsweise:

"(...)

§ 12 Urlaub

(...)

5. Urlaub oder Urlaubsteile, die nicht bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres geltend gemacht wurden, werden nicht gewährt.

6. Wird der Angestellte während des Urlaubs durch Krankheit oder Unfall arbeitsunfähig, so werden die durch ärztliche Bescheinigung nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Urlaub nicht angerechnet. Mit Eintritt dieser Arbeitsunfähigkeit ist der Urlaub unterbrochen. Der Zeitpunkt für die Inanspruchnahme des durch die Unterbrechung entstandenen Resturlaubs bedarf einer neuen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber

(...)

§ 13 Urlaubsbezahlung

1. Die Urlaubsbezahlung setzt sich zusammen aus dem Durchschnittsgehalt und dem zusätzlichen Urlaubsgeld.

a) (...)

b) Jedem Angestellten wird ein zusätzliches Urlaubsgeld für jeden tariflichen und gesetzlichen Urlaubstag bezahlt.

Das gesetzliche Urlaubsgeld beträgt pro Urlaubstag 50 % des vereinbarten Monatsgehalts (...) geteilt durch 22.

2. Durchschnittsgehalt und zusätzliches Urlaubsgeld sollen in ungefährer Höhe des Nettobetrages als Abschlag gezahlt werden. Die endgültige Abrechnung der Urlaubsbezahlung erfolgt zum Zeitpunkt der nächsten Gehaltsabrechnung.

Der Zeitpunkt der Auszahlung des zusätzlichen Urlaubsgeldes kann hiervon abweichend durch Betriebsvereinbarung festgelegt werden, z.B. einmal im Jahr vor Antritt des längeren Urlaubsabschnittes oder an einem bestimmten Tag einmal im Jahr für alle Arbeitnehmer.

3. Im Fall des Ausscheidens eines Angestellten während des Urlaubsjahrs kann die vorschußweise zuviel geleistete Urlaubsbezahlung (Urlaubsentgelt und zusätzliches Urlaubsgeld) bei der Endabrechnung einbehalten oder zurückgefordert werden, wenn das Ausscheiden aufgrund eigener Kündigung des Angestellten oder aufgrund einer berechtigten fristlosen Entlassung durch den Arbeitgeber erfolgt.

Die Rückzahlung erfolgt, wenn das Ausscheiden aufgrund einer fristgemäßen Kündigung seitens des Arbeitgebers oder aufgrund einer berechtigten fristlosen Kündigung seitens des Arbeitnehmers erfolgt.

(...)

§ 19 Geltendmachung tariflicher Rechte

1. Tarifliche Ansprüche sind wie folgt geltend zu machen:

a) (...)

b) Sonstige tarifliche Geldansprüche innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit.

2. Eine Geltendmachung nach Ablauf der unter 1. festgesetzten Fristen ist ausgeschlossen:

(...)"

Im Juni 1999 beantragte der Kläger für die Zeit vom 20. Juli bis 10. August 1999 Urlaub. Die Beklagte erteilte den Urlaub und zahlte dem Kläger für diesen Urlaub ein tarifliches Urlaubsgeld in Höhe von 3.275,00 DM. Der Kläger trat den Urlaub nicht an. Er war vom 5. Juli 1999 bis zum 30. April 2000 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt.

Erstmals mit Schreiben vom 25. Juli 2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß das Urlaubsgeld infolge seiner Erkrankung über den 31. März 2000 hinaus zurückgezahlt werden müsse. Zum Ausgleich der Forderung behielt die Beklagte den streitigen Betrag in Teilbeträgen vom Vergütungsanspruch des Klägers für August, September und Oktober 2000 ein.

Mit der am 21. August 2000 erhobenen Klage hat der Kläger das von der Beklagten für August 2000 einbehaltene Arbeitsentgelt in Höhe von 1.000,00 DM brutto nebst Zinsen geltend gemacht. Mit Klageerweiterung vom 2. November 2000, zugestellt am 6. November 2000, hat der Kläger im September und Oktober weiter einbehaltenes Arbeitsentgelt in Höhe von 2.275,00 DM brutto nebst Zinsen gerichtlich geltend gemacht. Er meint, sein Urlaubsgeldanspruch habe unabhängig von dem Urlaubsanspruch bestanden. Überzahltes Urlaubsgeld könne nur nach Maßgabe des § 13 Ziff. 3 MTV zurückgefordert werden. Jedenfalls sei der Anspruch der Beklagten verfallen.

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.000,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 2.275,00 DM brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über den Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Zustellung des Schriftsatzes vom 2. November 2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Urlaubsgeldanspruch stehe in Abhängigkeit zum Urlaubsanspruch und könne deshalb hier auf Grund des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung zurückverlangt werden. Er sei kein tariflicher Geldanspruch und unterfalle deshalb nicht der tariflichen Ausschlußfrist.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine ursprünglichen Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Die Revision ist begründet. Die Klage ist zulässig und begründet.

1. Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Das gilt auch für den mit dem Antrag zu 2. gestellten Zinsantrag. Dieser Antrag ist bestimmt genug (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Zwar ist in ihm kein konkreter Zinssatz angegeben. Durch den Bezug auf den Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ist es jedoch möglich, ihn in ausreichender Weise zu bestimmen. Dieser Satz wird von der Deutschen Bundesbank regelmäßig im Bundesanzeiger bekannt gegeben (nunmehr § 247 Abs. 2 BGB). Auch für Zeiträume in der Vergangenheit ist es nicht notwendig, einen konkreten Prozentsatz Zinsen in den Klageantrag aufzunehmen. Der Antrag muß nicht möglichst bestimmt, sondern hinreichend bestimmt sein. Daß der Schuldner, der die Verzugszinsen durch mangelnde Zahlung veranlaßt hat, dadurch mehr belastet wird als durch eine Angabe in Prozentpunkten, ist unerheblich (Reichenbach MDR 2001, 13 f.; aA MünchKomm ZPO/Lüke 2. Aufl. § 253 Rn. 131).

2. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat nach § 611 Abs. 1 BGB Anspruch auf die einbehaltene Vergütung. Die Aufrechnung der Beklagten hat nicht nach § 389 BGB das Erlöschen der Entgeltansprüche des Klägers bewirkt. Der Beklagten stand keine zur Aufrechnung geeignete Forderung zu. Zwar lag hinsichtlich des Urlaubsgeldes eine Überzahlung vor, die die Beklagte zurückverlangen konnte. Dieser Anspruch war jedoch auf Grund der tariflichen Ausschlußfristen verfallen, bevor die Beklagte die Aufrechnung erklärt hat. Demgegenüber hat der Kläger für das einbehaltene Arbeitsentgelt die tariflichen Ausschlußfristen eingehalten.

a) Der Kläger hat einen rechnerisch unstreitigen Vergütungsanspruch nach § 611 BGB für die Monate August bis September 2000 in Höhe der ihm nicht ausgezahlten 3.275,00 DM brutto. Das entspricht nunmehr 1.674,48 Euro brutto.

b) Dieser Anspruch ist nicht durch Aufrechnung nach § 389 BGB erloschen. Der Beklagten stand zum Zeitpunkt ihrer durch Lohnabzug konkludent erklärten Aufrechnung die geltend gemachte Gegenforderung auf Rückzahlung des Urlaubsentgelts nicht mehr zu. Zwar hatte sie ursprünglich einen derartigen Rückzahlungsanspruch. Dieser ist jedoch verfallen.

aa) Die Beklagte konnte ursprünglich vom Kläger die Rückzahlung des von ihr gezahlten Urlaubsgeldes verlangen. Der Kläger hatte zunächst einen Anspruch auf die Vorauszahlung dieses Urlaubsgeldes als Vorschuß nach § 13 Ziff. 2 MTV. Der endgültige Anspruch auf das Urlaubsgeld war jedoch nach den tarifvertraglichen Regelungen vom Urlaubsanspruch abhängig. Dieser Anspruch ist wegen der andauernden Erkrankung des Klägers ersatzlos untergegangen, damit entfiel auch der vom Urlaubsanspruch abhängige Urlaubsgeldanspruch. Damit stand der Beklagten ein Rückforderungsanspruch zu.

(1) Der Urlaubsgeldanspruch ist nach § 13 Ziff. 1 Buchst. b MTV davon abhängig, daß Urlaub gewährt wird und ein Anspruch auf Urlaubsvergütung besteht.

Ob ein tarifvertragliches Urlaubsgeld als urlaubsunabhängige Sonderzahlung ausgestaltet ist oder ob es von der Urlaubsgewährung und dem Urlaubsgeldanspruch abhängt, richtet sich allein nach den tariflichen Leistungsvoraussetzungen. Stellen diese allein auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses ab und gewähren einen Festbetrag zB nach Alter und Umfang der jeweiligen Arbeitszeit, kann von einer urlaubsunabhängigen Sonderzahlung ausgegangen werden (vgl. Senat 19. Januar 1999 - 9 AZR 204/98 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 68 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 39; vgl. auch Senat 19. Januar 1999 - 9 AZR 158/98 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 67 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 38). Ist das Urlaubsgeld dagegen mit der Urlaubsvergütung verknüpft, wird es nur geschuldet, sofern Urlaub gewährt wird und ein Anspruch auf Urlaubsvergütung besteht (vgl. Senat 21. Oktober 1997 - 9 AZR 255/96 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Schuhindustrie Nr. 5 = EzA TVG § 4 Schuhindustrie Nr. 2; 28. Juli 1992 - 9 AZR 340/91 - BAGE 71, 50, 55).

Der MTV stellt eine Verknüpfung des Urlaubsentgelts mit der Urlaubsvergütung her. Das folgt schon daraus, daß es in § 13 geregelt ist, der die Überschrift "Urlaubsbezahlung" trägt. Es wird bestätigt dadurch, daß nach § 13 Ziff. 1 b MTV das Urlaubsgeld "für jeden tariflichen und gesetzlichen Urlaubstag" gezahlt wird. Zwar sieht § 13 Ziff. 2 Unterabs. 2 MTV vor, daß das Urlaubsgeld zusammenhängend einmal im Jahr ausgezahlt werden kann. Diese Bestimmung regelt aber lediglich den "Zeitpunkt der Auszahlung" und damit die Fälligkeit. Sie ändert nichts an den Voraussetzungen für ein Entstehen des Anspruchs.

(2) Durch die Arbeitsunfähigkeit des Klägers ging dessen Urlaubsanspruch ersatzlos unter. Damit entfiel auch der Urlaubsgeldanspruch (vgl. dazu Senat 3. April 2001 - 9 AZR 166/00 - AP BUrlG § 11 Urlaubsgeld Nr. 19 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 45).

Sowohl nach der gesetzlichen (§ 9 BUrlG) als auch nach der tariflichen (§ 12 Ziff. 6 MTV) Systematik schließt die Arbeitsunfähigkeit die Erfüllung des Urlaubsanspruchs aus. Der Urlaubsanspruch geht folglich ersatzlos unter, sofern die Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des im Einzelfall maßgebenden gesetzlichen (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG) oder tarifvertraglichen Übertragungszeitraums (hier: § 12 Ziff. 5 MTV) andauert (ständige Rechtsprechung vgl. Senat 27. Februar 2002 - 9 AZR 545/00 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 180, mwN). Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers dauerte bis zum Ende des Übertragungszeitraums am 31. März 2000 an.

(3) Damit stand der Beklagten ein Rückforderungsanspruch für den geleisteten Vorschuß zu.

Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Rückforderungsanspruch bereits aus der Abrechnungsregelung in § 13 Ziff. 2 Unterabs. 1 Satz 2 MTV folgt. Jedenfalls hatte die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung nach § 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alternative BGB, weil mit dem Wegfall des Urlaubsanspruchs auch der rechtliche Grund für die Zahlung von Urlaubsgeld entfällt. Dieser bürgerlich-rechtliche Bereicherungsanspruch wird nicht durch die tarifliche Sonderregelung in § 13 Ziff. 3 MTV verdrängt. Diese tarifliche Rechtsnorm regelt nur den Sonderfall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ihr ist keine Regelung für Rückzahlungsansprüche während des laufenden Arbeitsverhältnisses zu entnehmen.

bb) Der Rückzahlungsanspruch der Beklagten ist ein "tariflicher Anspruch" iSd. Ausschlußfrist des § 19 MTV. Die Beklagte hat diese Ausschlußfrist nicht gewahrt. Zur Zeit der Aufrechnungserklärung bestand damit keine Forderung der Beklagten, mit der sie hätte aufrechnen können.

(1) Nach § 19 Abs. 1 MTV sind "tarifliche Ansprüche" innerhalb der dort bestimmten Ausschlußfrist geltend zu machen. Nach der Rechtsprechung des Senats (19. Januar 1999 - 9 AZR 637/97 - BAGE 90, 311) werden davon auch gesetzliche oder vertragliche Ansprüche erfaßt, deren Bestand von einem tariflich ausgestalteten Anspruch abhängig ist (vgl. Senat 23. Februar 1999 - 9 AZR 737/97 - AP BGB § 611 Arbeitnehmerdarlehen Nr. 4 = EzA BGB § 611 Inhaltskontrolle Nr. 7) oder in einem rechtlichen Zusammenhang mit einem tariflichen Anspruch steht (vgl. Senat 17. Juni 1997 - 9 AZR 801/95 - AP HGB § 47 b Nr. 2 = EzA HGB § 74 Nr. 60). Die Tarifvertragsparteien wollen mit einer derartigen Klausel typischerweise langwierige Streitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen von tariflichen Ansprüchen vermeiden. Dabei besteht kein Unterschied, ob der Streit deshalb entbrennt, weil vermeintlich zuviel oder zuwenig gezahlt worden ist (Senat 19. Januar 1999 - 9 AZR 637/97 - aaO).

An dieser Rechtsprechung ist entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts festzuhalten. Mit ihrer tariflichen Regelung haben die Tarifvertragsparteien bestimmt, daß aus Gründen der Rechtssicherheit eine schnelle Klärung erfolgen soll. Dieser Zweck tariflicher Ausschlußfristen ist allgemein anerkannt (BAG 7. Februar 1995 - 3 AZR 483/94 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 54 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 112; 8. August 1979 - 5 AZR 660/77 - AP TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 67 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 40; 29. Mai 1985 - 7 AZR 124/83 - AP TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 92 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 66; 21. April 1993 - 5 AZR 399/92 - BAGE 73, 54; aA Höhgräfer Anmerkung zu BAG 19. Januar 1999 - 9 AZR 637/97 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Druckindustrie Nr. 34). Das mit diesem Zweck verfolgte Ziel, das Bestehen oder Nichtbestehen tariflicher Ansprüche innerhalb der vereinbarten Frist zu klären, wird nur dann erreicht, wenn alle Ansprüche, die rechtlich von tarifvertraglichen Ansprüchen abhängen, in gleicher Weise unmittelbar wie tarifvertraglich ausgestaltete Ansprüche der tariflichen Ausschlußfrist unterworfen werden.

Ob die Forderung, mit der die Beklagte aufgerechnet hat, als tariflicher Anspruch im engeren Sinne einzustufen ist, kann offen bleiben. So kann möglicherweise § 13 Ziff. 2 Unterabs. 1 Satz 2 MTV dahin ausgelegt werden, daß im Folgemonat der erhaltene Abschlag abgerechnet und Zuvielzahlungen zurückgezahlt werden müssen. Ein derartig unmittelbar tarifvertraglich geregelter Rückzahlungsanspruch würde auch nach Ansicht der Beklagten von der Ausschlußfrist erfaßt. Ob diese Auslegung zutrifft, ist nicht entscheidungserheblich; denn auch der von der Beklagten geltend gemachte bürgerlich-rechtliche Anspruch auf Rückgewähr war innerhalb der tariflichen Ausschlußfrist geltend zu machen. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung können nämlich nur bestehen, wenn geklärt ist, ob ein tariflicher Rechtsgrund für die Leistung nicht bestand oder später weggefallen ist (§ 812 Abs. 1 BGB).

Damit setzt sich der Senat - entgegen der Revisionserwiderung - nicht in Widerspruch zur Entscheidung des Fünften Senats vom 16. Oktober 1985 (- 5 AZR 187/84 - nv.). Darin hat der Fünfte Senat einen Rückforderungsanspruch aus einer vertraglichen Vorschußvereinbarung bei einer ähnlichen formulierten tarifvertraglichen Ausschlußfrist nicht als tariflichen Anspruch gewertet. Er hat dabei darauf abgestellt, daß der einschlägige Tarifvertrag keinen tariflichen Anspruch auf Entgeltvorschuß vorsah. Damit unterscheiden sich beide Fallkonstellationen in einem wesentlichen Punkt: § 13 Ziff. 2 MTV sieht hinsichtlich des Urlaubsgeldes einen Vorschußanspruch vor.

Für die in der Revisionserwiderung weiter vertretene Ansicht, die tarifliche Ausschlußfrist erfasse lediglich Ansprüche der Arbeitnehmer, gibt der MTV keinen Anhaltspunkt.

(2) Selbst wenn mit einem Teil des Schrifttums davon ausgegangen wird, tariffeste gesetzliche Ansprüche könnten durch tarifliche Ausschlußfristen nicht erfaßt werden (Kempen/Zachert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 267; Däubler Tarifvertragsrecht 3. Aufl. Rn. 1337; Kasseler Handbuch/Dörner 2. Aufl. Band 2 8.1 Rn. 253; aA zB Senat 22. Januar 2002 - 9 AZR 601/00 - NZA 2002, 1041 und BAG 30. März 1962 - 2 AZR 101/61 - BAGE 13, 57; vermittelnd Löwisch/Rieble TVG § 1 Rn. 465 ff. und Wiedemann TVG 6. Aufl. § 4 Rn. 758) steht das hier der Anwendung der tariflichen Ausschlußfrist nicht entgegen. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung sind nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen vertraglich und damit auch tarifvertraglich abdingbar.

(3) Die Beklagte hat die tarifliche Ausschlußfrist nicht eingehalten.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Rückforderungsanspruch bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem feststand, daß der Kläger seinen beantragten Urlaub nicht würde nehmen können, fällig wurde. Er war spätestens mit Ablauf des Übertragungszeitraums im Jahre 2000 fällig, als der Urlaubsanspruch und damit auch der Urlaubsgeldanspruch endgültig untergegangen war. Damit begann der Lauf der Ausschlußfrist spätestens am 1. April 2000 und endete spätestens mit Ablauf des Juni 2000. Die Beklagte hat erst danach erstmalig mit ihrem Schreiben vom 25. Juli 2000 den Rückzahlungsanspruch geltend gemacht.

cc) War somit der Anspruch der Beklagten mit Ablauf des Juni 2000 verfallen, so war für die von ihr erklärte Aufrechnung keine rechtliche Grundlage vorhanden. § 390 Satz 2 BGB aF, der unter bestimmten Umständen eine Aufrechnungsmöglichkeit mit verjährten Forderungen vorsah, galt nicht für verfallene Forderungen (BAG 30. März 1973 - 4 AZR 259/72 - BAGE 25, 169).

c) Der Kläger hat seine Vergütungsansprüche innerhalb der Frist des § 19 MTV geltend gemacht. Legt man entsprechend dem gesetzlichen Regelfall (§ 614 BGB) eine Fälligkeit des Entgelts mit Monatsende zugrunde, wäre das Augustentgelt mit Ende November, das Septemberentgelt mit Ende Dezember 1999 und das Oktoberentgelt mit Ende Januar 2000 fällig gewesen. Klage und Klageerweiterung wurden damit so rechtzeitig zugestellt, daß die Ausschlußfrist gewahrt ist. Darüber haben die Parteien keine unterschiedlichen Ansichten.

d) Die Beklagte hat auf die Geldschuld ab dem auf die Zustellung der Klage bzw. Klageerweiterung folgenden Tag (BAG 30. Oktober 2001 - 1 AZR 67/01 - nv.) Prozeßzinsen nach § 291 BGB zu zahlen. Die Höhe des Zinssatzes richtet sich nach § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB aF, soweit der Kläger mehr als 4 % Zinsen verlangt hat, ab Beginn des Jahres 2002 iVm. § 247 BGB nF (Art. 229 § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB). Die Zinsen sind auf den Bruttobetrag zu zahlen (BAG Großer Senat 7. März 2001 - GS 1/00 - BAGE 97, 150).

II. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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