Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 26.06.2001
Aktenzeichen: 9 AZR 347/00
Rechtsgebiete: BUrlG, BBTV


Vorschriften:

BUrlG § 1
BUrlG § 7 Abs. 4
BUrlG § 13 Abs. 2
Tarifvertrag über die Berufsbildung im Baugewerbe (BBTV) vom 29. Januar 1987 idF vom 28. Februar 1997 § 14 Abs. 1
Tarifvertrag über die Berufsbildung im Baugewerbe (BBTV) vom 29. Januar 1987 idF der Änderungstarifverträge vom 13. November 1998 und vom 18. Dezember 1998 § 14 Abs. 2
Eine tarifvertragliche Regelung, nach der anstelle eines Anspruchs auf Urlaubsabgeltung der Anspruch auf Entschädigung durch eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien tritt, weicht nicht zu Ungunsten der Arbeitnehmer von der gesetzlichen Bestimmung des § 7 Abs. 4 BUrlG ab.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

9 AZR 347/00

Verkündet am 26. Juni 2001

In Sachen

hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Leinemann, den Richter am Bundesarbeitsgericht Düwell, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Reinecke, die ehrenamtlichen Richter Jungermann und Benrath für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 24. Februar 2000 - 5 Sa 164/99 - insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 2. Februar 1999 - 6 Ca 2606/98 - zurückgewiesen worden ist.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 2. Februar 1999 - 6 Ca 2606/98 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 2.640,00 DM (brutto) zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

In der Revision streiten die Parteien noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Urlaubsabgeltung zu zahlen.

Die Beklagte bildete den Kläger in dem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf Beton- und Stahlbetonbauer aus. Im Berufsausbildungsvertrag ist ua. vereinbart:

"Es besteht ein Urlaubsanspruch ... auf ... 30 Arbeitstage im Jahre 98 ...

Der Ausbildende zahlt dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung, sie beträgt z.Z. monatlich ... DM 1.938,30 brutto im dritten Ausbildungsjahr."

Das Berufsausbildungsverhältnis endete mit Ablegung der Prüfung am 8. Juli 1998. Am 27. August 1998 forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung der Urlaubsabgeltung für 30 Arbeitstage von 2.643,00 DM schriftlich auf. Mit der am 16. September 1998 beim Arbeitsgericht eingegangen und am 21. September 1998 der Beklagten zugestellten Klage hat der Kläger diese Forderung gerichtlich geltend gemacht. Bis zum Ende des ersten Halbjahres des Folgejahres hat er keine Tätigkeit im Baugewerbe aufgenommen.

Der Kläger hat unter Einbezug anderer Forderungen erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.750,30 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 9. September 1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich der geltend gemachten Urlaubsabgeltung abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Urlaubsabgeltung.

Entscheidungsgründe:

I. Die Revision des Klägers ist begründet. Der Kläger hat nach dem für allgemeinverbindlich erklärten § 14 Abs. 2 des Tarifvertrages über die Berufsbildung im Baugewerbe (BBTV) vom 29. Januar 1987 in der zuletzt durch den Tarifvertrag vom 18. Dezember 1998 geänderten Fassung Anspruch auf die der Höhe nach unstreitige Urlaubsabgeltung.

1. Die Rechtsnormen des BBTV sind mit Wirkung vom 1. Januar 1999 für allgemeinverbindlich erklärt worden (Bundesanzeiger Nr. 64 vom 7. April 1999). Nach § 5 Abs. 4 TVG gelten dessen Inhalts- und Beendigungsnormen unmittelbar und zwingend für die vom Geltungsbereich des Tarifvertrages erfaßten Baubetriebe und deren Auszubildende. Nach § 1 Abs. 3 BBTV werden Auszubildende erfaßt, die in einem staatlichen anerkannten Ausbildungsberuf ausgebildet werden und noch keine andere Berufsausbildung absolviert haben. So war es bei dem bei Beginn des Ausbildungsverhältnisses 16 Jahren alten Kläger. Somit fiel das Rechtsverhältnis der Parteien unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages.

2. Die Bindung an die Inhalts- und Beendigungsnormen des BBTV entfiel nicht mit der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses. Typischerweise erfassen Tarifverträge auch noch die Rechtsverhältnisse von Arbeitnehmern und Arbeitgebern nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, soweit Ansprüche während des Arbeitsverhältnisses begründet aber noch nicht vollständig erfüllt worden sind. So ist es hier. In § 14 Abs. 2 BBTV haben die Tarifvertragsparteien eine Regelung für den bereits während des Ausbildungsverhältnisses entstandenen Urlaubsanspruch getroffen. Nach der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses soll der Urlaubsanspruch nach Ablauf einer Wartezeit in einen Urlaubsabgeltungsanspruch umgewandelt werden. Dazu haben die Tarifvertragsparteien im einzelnen in § 14 Abs. 2 BBTV bestimmt:

"Wird bis zum 1. Juli des auf das Jahr der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses folgenden Kalenderjahres kein Arbeitsverhältnis zu einem Betrieb des Baugewerbes begründet, so besteht ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung durch den Arbeitgeber für den noch nicht gewährten Urlaub in Höhe des während des Ausbildungsverhältnisses entstanden Urlaubsentgelts und zusätzlichen Urlaubsgeldes."

3. Der Kläger erfüllt die im § 14 Abs. 2 BBTV von den Tarifvertragsparteien aufgestellten Voraussetzungen. Er hat das Ausbildungsverhältnis im Urlaubsjahr beendet und bis zum 1. Juli des folgenden Kalenderjahres kein Arbeitsverhältnis zu einem Betrieb des Baugewerbes begründet.

4. Das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch vereint, weil die Beklagte "rückwirkend" belastet worden sei und es an Anhaltspunkten für einen Rückwirkungswillen der Tarifvertragsparteien fehle.

Dem kann nicht zugestimmt werden.

a) Mit dem Landesarbeitsgericht ist davon auszugehen, daß durch die Änderungen des Tarifvertrages vom 13. November 1998 und vom 18. Dezember 1998 die Beklagte belastet worden ist. Die durch die Änderung abgelöste Fassung des Tarifvertrages vom 28. Februar 1997 war für die Beklagte günstiger. Sie hatte folgenden Wortlaut:

"§ 14

Urlaub bei Beendigung des Ausbildungsverhältnisses gewerblich Auszubildender (1) Kann der Urlaub eines Auszubildenden, der am 1. Januar des Urlaubsjahres bereits 18 Jahre alt war, wegen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so sind die im Urlaubsjahr entstandenen Urlaubsansprüche nicht abzugelten. Die Urlaubsansprüche richten sich nach § 8 Nr. 12 BRTV, wenn im Urlaubsjahr ein Arbeitsverhältnis zu einem Betrieb des Baugewerbes begründet worden ist. Ist dies nicht geschehen, so besteht innerhalb des auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres Anspruch auf Entschädigung durch die ULAK (§ 18) in Höhe des während des Ausbildungsverhältnisses im Urlaubsjahr entstandenen Urlaubsentgelts und zusätzlichen Urlaubsgeldes."

Nach dieser bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung war die Beklagte gegenüber dem Kläger, der am 1. Januar 1998 bereits 18 Jahre alt war, nicht zur Abgeltung des Urlaubs verpflichtet. Der Erlaß des Abgeltungsanspruchs verstieß nicht gegen höher rangiges Recht. Denn die Tarifvertragsparteien hatten von der Ermächtigung in § 13 Abs. 2 BUrlG Gebrauch gemacht, zur Sicherung eines zusammenhängenden Jahresurlaubs eine von § 7 Abs. 4 BUrlG abweichende Regelung zu treffen, indem sie ein durch alle Baubetriebe zu finanzierendes Urlaubskassenverfahren für Ausbildungsverhältnisse vereinbart hatten. Dazu war für den Fall, daß der Auszubildende innerhalb des Ausbildungsjahres ein Arbeitsverhältnis mit einem Baubetrieb begründet, nach § 14 Abs. 2 BBTV aF dem früheren Auszubildenden der Anspruch eingeräumt, von seinem neuen Bauarbeitgeber die Erfüllung des im Ausbildungsverhältnis begründeten Urlaubsanspruchs zu verlangen. Kam innerhalb der tarifvertraglich bestimmten Frist kein Arbeitsverhältnis zustande, war ebenfalls die in § 7 Abs. 4 BUrlG vorgesehene Abgeltung ausgeschlossen. An ihre Stelle trat mit Beginn des folgenden Kalenderjahres ein Anspruch auf Entschädigung gegen die von den Tarifvertragsparteien als gemeinsame Einrichtung errichtete Urlaubs- und Lohnausgleichskasse. Zwar mag die Ersetzung des Abgeltungsanspruchs durch den Entschädigungsanspruch nicht zur Sicherung des zusammenhängenden Urlaubs erforderlich gewesen sein (§ 13 Abs. 2 BUrlG). Aber die Regelung war dennoch zulässig. Denn auch in diesem Fall war das durch § 13 Abs. 1 BUrlG geschützte Interesse des Auszubildenden an der Abgeltung des Mindesturlaubs gewahrt. Denn an die Stelle des Abgeltungsanspruchs trat der Anspruch auf Entschädigung. Das war eine Regelung, die die Rechtsstellung des Auszubildenden nicht verschlechterte, sondern in mehrfacher Hinsicht verbesserte. Der tariflich geregelte Entschädigungsanspruch war höher als der gesetzliche Anspruch auf Abgeltung des Mindesturlaubs nach § 7 Abs. 4 BUrlG. Er umfaßte das volle tarifliche Urlaubsentgelt und ein zusätzliches tarifliches Urlaubsgeld. Zudem erhielt der Auszubildende mit der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse eine Schuldnerin, bei der ein Insolvenzrisiko ausgeschlossen werden konnte.

b) Mit der Einstellung des urlaubsrechtlichen Entschädigungsverfahrens im Jahre 1998 war die Rechtsgrundlage für den in § 14 Abs. 1 Satz 1 BBTV aF geregelten Ausschluß des Abgeltungsanspruchs entfallen. Die tarifvertragliche Gewährleistung eines urlaubskassenrechtlichen Entschädigungsanspruchs war Voraussetzung für die Zulässigkeit des Ausschlusses des Urlaubsabgeltungsanspruchs. Denn der Anspruch auf Abgeltung des Mindesturlaubs ist gesetzlich ebenso wie der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nach §§ 1, 3 BUrlG gegen abweichende Vereinbarungen zuungunsten des Arbeitnehmers geschützt (BAG 18. Juni 1980 - 6 AZR 328/78 - AP BUrlG § 13 Unabdingbarkeit Nr. 6 = EzA BUrlG § 13 Nr. 14; 5. April 1984 - 6 AZR 443/81 - BAGE 45, 314). Es war daher die von den Tarifvertragsparteien in § 14 Abs. 2 BBTV nF getroffene Regelung geboten. Mit der Aufhebung des urlaubskassenrechtlichen Entschädigungsverfahrens war die Wiederherstellung des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung zu verbinden. Denn dem Bauarbeitgeber konnte nicht zu Lasten seines Auszubildenden, der im Jahr 1998 das Ausbildungsverhältnis beendet hat, die Verpflichtung zur Gewährung der Abgeltung des Mindesturlaubs erlassen werden. Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt.

c) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist auch durch die Änderungen des BBTV durch die Änderungstarifverträge vom 13. November und 18. Dezember 1998 kein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten verletzt oder in deren wohlerworbene Rechte eingegriffen worden. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Änderungstarifverträge war die tarifvertraglich vorausgesetzte Wartezeit für den Entschädigungsanspruch noch nicht abgelaufen. Die Beklagte mußte damit rechnen, daß bei Einstellung des Urlaubskassenverfahrens sie ihre im Ausbildungsverhältnis bereits entstandenen urlaubsrechtlichen Verpflichtungen wieder selbst zu erfüllen hatte. Durch den BBTV aF war ihr die gesetzlich aufgegebene Verpflichtung zur Urlaubsabgeltung nicht endgültig erlassen worden. Der tarifvertragliche Ausschluß des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung stand stets unter dem Vorbehalt des unveränderten Weiterbestehens des im Rahmen des Urlaubskassenverfahrens von allen Bauarbeitgebern zu finanzierenden Entschädigungsanspruchs. Nach der Mainzer Erklärung zur Reform der Sozialkassen der Bauwirtschaft vom 5. Mai 1998 (Karthaus/Gastell Tarifsammlung für die Bauwirtschaft Stand: 20. Mai 1998 S 433, 434) und nach dem Rundschreiben der ULAK vom Dezember 1998 war allgemein bekannt, daß bestimmte Leistungen aus diesem beitragsfinanzierten Urlaubskassenverfahren herausgenommen würden. Deshalb mußte die Beklagte wie alle anderen Ausbildungsbetriebe damit rechnen, für die im Urlaubsjahr 1998 endenden Ausbildungsverhältnisse noch die Urlaubsabgeltung zahlen zu müssen.

5. Die weiteren vom Landesarbeitsgericht gegen die Klarheit der Regelung vorgebrachten Bedenken sind nicht gerechtfertigt. Der Wortlaut des § 14 Abs. 2 BBTV ist eindeutig. Es bedurfte auch keiner klarstellenden Übergangsvorschrift. Bis zum Ablauf der Geltungsdauer des § 14 Abs. 1 BBTV aF war der ersatzweise für die Urlaubsabgeltung vorgesehene Entschädigungsanspruch noch nicht entstanden. Dieser Entschädigungsanspruch wäre erst nach Ablauf des Urlaubsjahres 1998 mit dem 1. Januar 1999 entstanden. Am 1. Januar 1999 war jedoch der alte Tarifvertrag bereits durch die Neuregelung abgelöst worden.

II. Die Beklagte hat als Unterlegene nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Ende der Entscheidung

Zurück