Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 17.11.1998
Aktenzeichen: 9 AZR 431/97
Rechtsgebiete: BUrlG, Manteltarifvertrag Gas- u. Wasserinstallateurhandw.


Vorschriften:

BUrlG § 11
Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des Gas- und Wasserinstallateur- und Klempner-Handwerks im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg in der Fassung vom 12. April 1995 (MTV) § 13 Ziff. 1, Ziff. 3
Leitsatz:

Bei der Ermittlung des Urlaubsentgelts ist im Geltungsbereich des MTV für die Arbeitnehmer des Gas- und Wasserinstallateur- und Klempner-Handwerks im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg im Fall einer tariflichen Lohnerhöhung der nach § 13 Ziff. 1 Satz 2 auf der Grundlage des Vorjahres ermittelte effektive Stundenverdienst entsprechend der prozentualen Lohnsteigerung zu erhöhen. Sofern der Arbeitgeber die Lohnerhöhung teilweise oder vollständig auf bisher gewährte übertarifliche Vergütungen wirksam anrechnet, wird nur die verbleibende tatsächliche Erhöhung hinzugerechnet.

Aktenzeichen: 9 AZR 431/97 Bundesarbeitsgericht 9. Senat Urteil vom 17. November 1998 - 9 AZR 431/97 -

I. Arbeitsgericht Hamburg - 3 Ca 473/95 - Urteil vom 31. Mai 1996

II. Landesarbeitsgericht Hamburg - 7 Sa 58/96 - Urteil vom 09. Januar 1997


---------------------------------------------------------------------- Für die Amtliche Sammlung: Ja Für die Fachpresse : Ja Für das Bundesarchiv : Ja ----------------------------------------------------------------------

Entscheidungsstichworte: Urlaubsentgelt bei Tariflohnerhöhung

Gesetz: BUrlG § 11; Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des Gas- und Wasserinstallateur- und Klempner-Handwerks im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg in der Fassung vom 12. April 1995 (MTV) § 13 Ziff. 1, Ziff. 3

9 AZR 431/97 7 Sa 58/96 Hamburg

Im Namen des Volkes! Urteil

Verkündet am 17. November 1998

Brüne, als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In Sachen

pp.

hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. November 1998 durch den Richter Düwell als Vorsitzenden, die Richterin Reinecke und den Richter Dr. Friedrich sowie die ehrenamtlichen Richter Jungermann und Dr. Klosterkemper für Recht erkannt:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 9. Januar 1997 - 7 Sa 58/96 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Tarifvertragsparteien streiten über die Auslegung der von ihnen für die Berechnung der Höhe des Urlaubsentgelts in § 13 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des Gas- und Wasserinstallateur- und Klempner-Handwerks im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg (Sanitär MTV) zuletzt am 12. April 1995 vereinbarten Bestimmung.

Der Kläger ist ein 1986 gegründeter Fachverband, der "zugleich für die Innung für Sanitärtechnik handelnd" auf Arbeitgeberseite mit der auf der Arbeitnehmerseite handelnden Beklagten erstmalig in der vom 1. Januar 1987 an geltenden Fassung des Sanitär MTV vereinbart hat:

"1. Hat das Arbeitsverhältnis während des ganzen vergangenen Kalenderjahres bestanden, so richtet sich die Höhe des Urlaubsentgelts nach dem Jahresverdienst, ausgewiesen durch die Lohnsteuerkarte. Dieser Betrag wird zur Ermittlung des Stundenverdienstes durch die mit 52 multiplizierte tarifvertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit geteilt.

2. ...

3. Sollte sich im Urlaubsjahr eine Lohnerhöhung ergeben, so erfolgt ein entsprechender Zuschlag vom Tage der Lohnerhöhung ab.

4. ...

5. ... Jedem Arbeitnehmer ist eine Kopie des für ihn maßgeblichen ausgefüllten Berechnungsbogens auszuhändigen."

Gleichlautende Berechnungsvorschriften waren bereits in den früheren Tarifverträgen enthalten, die vor Gründung des Klägers zwischen der Beklagten und der Innung für Sanitärtechnik abgeschlossen worden waren. In den von der Innung und später von dem Kläger zur Ermittlung des Urlaubsentgelts nach § 13 Ziff. 5 MTV erstellten Musterberechnungsbogen ist die Berücksichtigung von Lohnerhöhungen wie folgt erläutert:

"a) Wird die prozentuale Erhöhung des Tariflohnes dem bisher gezahlten Lohn hinzugerechnet, so ist der in I. 3. errechnete Durchschnittsstundenverdienst ebenfalls um die jeweilige Prozentzahl zu erhöhen.

b) Sofern bei der Lohnerhöhung eine teilweise Anrechnung auf bisher gewährte übertarifliche Vergütungen erfolgte, wird nur die tatsächliche Erhöhung dem Durchschnittsstundenverdienst prozentual hinzugerechnet."

Die Durchschnittslohnberechnung nach § 13 Ziff. 3 MTV wird in den Mitgliedsbetrieben des Klägers unterschiedlich gehandhabt. Der Kläger ist der Ansicht, daß jedenfalls seit dem 1. April 1995 der "entsprechende Zuschlag" nicht prozentual, sondern aus dem in DM bemessenen Unterschiedsbetrag zwischen dem alten und dem neuen tariflichen Ecklohn zu ermitteln sei.

Nachdem die vom Kläger angerufene tarifliche Schiedsstelle infolge Stimmengleichheit zu keiner Entscheidung gekommen war, hat der Kläger mit der am 4. Januar 1996 erhobenen Klage beantragt

festzustellen, daß § 13 Ziff. 3 des Manteltarifvertrages des Gas- und Wasserinstallateur- und Klempnerhandwerks im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg in der Fassung vom 12. April 1995 dahingehend auszulegen ist, daß sich bei der Durchschnittslohnberechnung nach § 13 des Manteltarifvertrages der entsprechende Zuschlag vom Tage der Lohnerhöhung an i.S.d. § 13 Ziff. 3 Manteltarifvertrag nach dem Wert bemißt, der sich jeweils aus dem DM-Differenzbetrag zwischen dem alten Tariflohn und dem neu verhandelten Tariflohn ergibt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger weiterhin sein erstinstanzliches Prozeßziel.

Entscheidungsgründe:

I. Die Revision des Klägers ist unbegründet.

1. Die Feststellungsklage ist nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.

Sie ist auf Feststellung des Inhalts des tariflichen Rechtsbegriffs "entsprechender Zuschlag" in § 13 Ziff. 3 MTV gerichtet. Damit ist nicht die Entscheidung über eine abstrakte Rechtsfrage verbunden. Festgestellt werden soll, welche konkrete Regelung die Parteien zur Berechnung des Urlaubsentgelts bei Lohnerhöhungen getroffen haben. Ziel dieser Feststellung ist damit ein Rechtsverhältnis i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. BAG Urteile vom 28. September 1977 - 4 AZR 446/76 - BAGE 29, 321 = AP Nr. 1 zu § 9 TVG 1969; vom 15. November 1957 - 1 AZR 610/56 - BAGE 5, 107, 110 = AP Nr. 1 zu § 8 TVG).

Auch das in der Revisionsinstanz noch von Amts wegen zu prüfende Rechtsschutzinteresse ist gegeben. Der klagende Verband hat zumindest während der Laufdauer des am 12. April 1995 abgeschlossenen MTV ein rechtlich geschütztes Interesse daran, daß der Inhalt des auslegungsbedürftigen tariflichen Rechtsbegriffs festgestellt wird. Das folgt schon daraus, daß sich der Umfang seiner Durchführungspflicht danach richtet (vgl. BAG Urteile vom 28. September 1977 - 4 AZR 446/76 - BAGE 29, 321 = AP Nr. 1 zu § 9 TVG 1969; vom 15. November 1957 - 1 AZR 610/56 - BAGE 5, 107, 109 = AP Nr. 1 zu § 8 TVG). Im übrigen wird durch die gesetzliche Regelung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG und § 9 TVG die Zulässigkeit einer auf die Auslegung von Tarifnormen gerichteten Verbandsklage gesetzlich vorausgesetzt. Mit § 9 TVG ist ein besonders prozeßwirtschaftliches, viele Einzelrechtsstreitigkeiten überflüssig machendes Verfahren geschaffen worden. Durch die Zulassung der Verbandsklage der Tarifvertragsparteien werden zahlreiche Einzelklagen der Mitglieder der Tarifvertragsparteien vermieden (vgl. zur Vorgängervorschrift des § 8 TVG: BAG Urteile vom 15. November 1957 - 1 AZR 610/56 - BAGE 5, 107, 111 = AP Nr. 1 zu § 8 TVG; vom 19. Februar 1965 - 1 AZR 237/64 - AP Nr. 4 zu § 8 TVG sowie zum geltenden § 9 TVG BAG Urteil vom 28. September 1977 - 4 AZR 446/76 - BAGE 29, 321 = AP Nr. 1 zu § 9 TVG 1969).

2. Die Klage ist unbegründet. Der "entsprechende Zuschlag" in § 13 Ziff. 3 MTV ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht nach dem DM-Betrag zwischen altem und neuem Tarifecklohn zu bemessen.

a) Beide Vorinstanzen haben zutreffend die Grundsätze der Gesetzesauslegung auf den normativen Bereich des MTV angewandt (vgl. BAG Urteile vom 28. Januar 1998 - 4 AZR 426/96 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen; vom 21. August 1997 - 5 AZR 517/96 - NZA 1998, 211, mit weiteren Nachweisen). Sie haben zur Ermittlung des Inhalts des tariflichen Begriffs "entsprechender Zuschlag" in § 13 Ziff. 3 MTV darauf abgestellt, daß nach § 13 Ziff. 1 Satz 1 MTV abweichend von § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG das Urlaubsentgelt nicht nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst der letzten 13 Wochen, sondern nach dem gesamten Jahresverdienst zu berechnen ist. Wegen dieser auf den effektiven Jahresverdienst abstellenden Bemessungsgrundlage könne § 13 Ziff. 2 MTV nur so ausgelegt werden, daß im Falle einer Lohnerhöhung ein entsprechender prozentualer Zuschlag vom Tage der Lohnerhöhung ab erfolgen müsse. Dieses Auslegungsergebnis werde auch durch die praktische Handhabung des Tarifvertrages gestützt. Seit 30 Jahren versehe der Kläger den Vordruck des nach § 13 Ziff. 5 MTV an den Arbeitnehmer auszuhändigenden Berechnungsbogens mit der Erläuterung, daß im Falle einer Lohnerhöhung der nach § 13 Ziff. 1 Satz 2 aus dem effektiven Jahresverdienst zu ermittelnde Stundenverdienst entsprechend der prozentualen Tariflohnsteigerung zu erhöhen sei.

b) Diese Auslegung ist nicht zu beanstanden.

c) Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht sei bei der Auslegung von falschen Tatsachen ausgegangen, greift nicht durch, § 565 a ZPO. Zwar ist das Landesarbeitsgericht irrtümlich davon ausgegangen, der Kläger habe seit mehr als 30 Jahren Tarifverträge mit der Beklagten abgeschlossen, während der Kläger als Fachverband erst 1986 gegründet worden und erstmals 1987 als Tarifvertragspartei aufgetreten ist. Ob das Verhalten der früher tarifzuständigen Innung ähnlich einem Rechtsnachfolger rechtlich zugeordnet werden kann, ist unerheblich. Der Kläger hat 1987 die frühere tarifliche Regelung zur Berechnung der Urlaubsvergütung unverändert übernommen und auch den Vordruck zur Berechnung des Urlaubsentgelts für seine Mitglieder im wesentlichen unverändert gelassen. Diese Umstände reichen aus, um auf eine bestimmte einheitliche tarifliche Übung schließen zu lassen.

d) Die Revision verkennt den Begriff des "entsprechenden Zuschlags" in § 13 Ziff. 3 MTV. Der dort geregelte Zuschlag soll sicherstellen, daß Lohnerhöhungen im Urlaubsjahr eine entsprechende Erhöhung des Urlaubsentgelts bewirken. Entsprechend bedeutet dabei, daß der nach Maßgabe von § 13 Ziff. 1 ermittelte effektive Stundenverdienst in dem Verhältnis prozentual erhöht wird, wie der neue Tarifecklohn gegenüber dem alten Tarifecklohn gestiegen ist. Davon sind auch der Kläger beim Druck der Musterberechnungsbögen seit 1987 und vorher die Innung als allein zuständige Tarifvertragspartei auf Arbeitgeberseite ausgegangen. Das zeigt, wie von den Tarifvertragsparteien der Wortlaut der tariflichen Regelung aufgefaßt worden ist. Die von dem Kläger nunmehr geltend gemachte Auslegung bedeutet eine plötzliche Abkehr von dieser übereinstimmenden Anschauung, ohne daß im Wortlaut der tariflichen Regelung eine Änderung vorgenommen worden ist.

Im übrigen übersieht die Revision, daß bei einer Erhöhung des nach § 13 Ziff. 1 Satz 2 MTV ermittelten Stundenverdienstes um den in DM und Pfennig berechneten Unterschiedsbetrag zwischen dem alten und dem gestiegenen neuen Tarifstundenlohn ein Zuschlag gewährt würde, der nicht dem von den Tarifvertragsparteien gewählten Berechnungsverfahren entspräche. In § 13 Ziff. 1 Satz 1 MTV haben die Tarifvertragsparteien zur Berechnung der Urlaubsvergütung nicht auf den tariflichen Stundenlohn, sondern den tatsächlich erreichten Jahresverdienst des ganzen vergangenen Kalenderjahres abgestellt, aus dem unter Zugrundelegung der tarifvertraglich vereinbarten Jahresarbeitszeit ein "effektiver" Stundenverdienst ermittelt wird. Damit ist zum Ausdruck gebracht, daß die Urlaubsvergütung nicht nach dem tariflichen Stundenverdienst bemessen werden soll. Ein Lohnerhöhungszuschlag, der den absoluten Unterschiedsbetrag zwischen altem und neuem Tarifstundenlohn zuschlägt, ist mit der Berechnungsvorschrift in § 13 Ziff. 1 MTV nicht vereinbar.

e) Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung hat entgegen der Revision auch nicht die Wirkung einer unzulässigen Effektivklausel. Wie die von dem Kläger gedruckten Erläuterungen für die Ausfüllung des tariflichen Berechnungsbogens in den Jahren 1989, 1990 und 1995 zeigen, ist unter "entsprechender Zuschlag" keine unzulässige Bindung der verbandsangehörigen Arbeitgeber verstanden worden. Ein Arbeitgeber sollte nur dann zur vollständigen Weitergabe der Tariflohnerhöhung auf den nach § 13 Ziff. 1 MTV ermittelten Stundenverdienst verpflichtet sein, soweit er bisher gewährte übertarifliche Vergütungen nicht auf die tarifliche Lohnerhöhung anrechnen wollte. In die Anrechnungsfreiheit greift der MTV nicht ein. Soweit es einzelvertraglich und betriebsverfassungsrechtlich zulässig ist, kann daher der entsprechende Zuschlag bei den verschiedenen Mitgliedern des Klägers je nach Anrechnungspraxis unterschiedlich ausfallen.

II. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Ende der Entscheidung

Zurück