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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 15.06.2004
Aktenzeichen: 9 AZR 439/03
Rechtsgebiete: Einigungsvertrag, Gesetz über die Inkraftsetzung von Rechtsvorschriften, DDR Haushaltsgesetz 1990, TV über den Schutz der Mitarbeiter des Gesundheitswesens Wismut


Vorschriften:

Einigungsvertrag Anlage I Kap. VIII Sachgeb. A Abschn. III Maßgabe 14
DDR-AGB § 14 Abs. 2
Gesetz über die Inkraftsetzung von Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland in der Deutschen Demokratischen Republik § 31 Nr. 3 Satz 1
DDR Haushaltsgesetz 1990 § 13 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 7
TV über den Schutz der Mitarbeiter des Gesundheitswesens Wismut bei Rationalisierungsmaßnahmen und Strukturveränderungen vom 23. Juni 1990 (RSTV)
Der RSTV begründet weder als Tarifvertrag noch als Gesamtzusage Abfindungsansprüche für Arbeitnehmer des ehemaligen Gesundheitswesens Wismut, die auf Grund von Rationalisierungsmaßnahmen ausgeschieden sind.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

9 AZR 439/03

Verkündet am 15. Juni 2004

In Sachen

pp.

hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. Juni 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Düwell, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Reinecke, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Zwanziger sowie die ehrenamtlichen Richter Merkle und Bruse für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 25. April 2003 - 3 Sa 468/02 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Der Kläger war früher für das "Gesundheitswesen Wismut" tätig und schied dort auf Grund betriebsbedingter Kündigung aus. Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte Freistaat ihm wegen seines Ausscheidens eine Abfindung schuldet.

Für das "Gesundheitswesen Wismut" galt das Statut vom 1. Januar 1962 in der Fassung vom 16. August 1985. Es lautete auszugsweise wie folgt:

"§ 1

Rechtliche Stellung und Sitz

1. Das Gesundheitswesen Wismut ist eine überbezirkliche, zentral gelenkte Organisation des Gesundheitswesens im Bereich des Industriezweiges Wismut und untersteht dem Zentralvorstand der Industriegewerkschaft Wismut.

2. Die fachlich-medizinische Anleitung erfolgt durch den Minister für Gesundheitswesen, soweit sie für das Aufgabenbereich des Gesundheitswesens zutrifft.

3. Die Direktion des Gesundheitswesens Wismut ist juristische Person. Ihr Sitz ist Karl-Marx-Stadt.

...

§ 2

Aufgaben

Dem Gesundheitswesen Wismut obliegen folgende Aufgaben:

a) Medizinische Betreuung der beim Zentralvorstand der Industriegewerkschaft Wismut, Abteilung Sozialversicherung, Versicherten und deren Familienangehörigen auf der Grundlage von gesundheitsfördernden, vorbeugenden, behandelnden und nachsorgenden Maßnahmen.

b) ...

c) Wahrnehmung der Interessen des staatlichen Gesundheitswesens auf dem Gebiet der Hygiene im Bereich Wismut.

§ 10

Vertretung im Rechtsverkehr

1. Das Gesundheitswesen Wismut Direktion wird im Rechtsverkehr durch den Gebietsarzt vertreten.

..."

Dieses Statut wurde vom Zentralvorstand der Industriegewerkschaft Wismut (IG Wismut) und dem ärztlichen Direktor - so die damalige Bezeichnung des Gebietsarztes -, erlassen. Ihm stimmte das Ministerium für Gesundheitswesen zu. Am 14. Dezember 1989 fasste der Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik einen Beschluss zur "Entwicklung der SDAG Wismut", der hinsichtlich des Gesundheitswesens Wismut folgende Regelung enthielt:

"...

4. Das Gesundheitswesen der SDAG Wismut wird weiterhin durch das Ministerium für Gesundheits- und Sozialwesen geleitet und ist entsprechend der Notwendigkeit auch für die medizinische Betreuung der ausgeschiedenen Bergleute verantwortlich.

..."

Am 23. Juni 1990 schlossen der Gebietsarzt des Gesundheitswesens Wismut, der Direktor der Verwaltung der Sozialversicherung Wismut und der Vorstand der Industriegewerkschaft Wismut den "Tarifvertrag über den Schutz der Mitarbeiter des Gesundheitswesens Wismut bei Rationalisierungsmaßnahmen und Strukturveränderungen" (RSTV). Darin heißt es auszugsweise:

"...

§ 7

Abfindung

(1) Der Mitarbeiter, der auf Veranlassung des Leiters der Einrichtung aufgrund einer Kündigung durch ihn ausscheidet, erhält eine einmalige Abfindung in Höhe seines monatlichen Nettoeinkommens zuzüglich des monatlichen Anteils des Betrages der zusätzlichen Belohnung (Treueprämie) entsprechend nachfolgender Tabelle:

..."

Der RSTV wurde nicht registriert.

Nach einer Besprechung vom 13. September 1990 mit dem damaligen Minister für Gesundheitswesen der Deutschen Demokratischen Republik, Kleditzsch, wurde folgendes "Festlegungsprotokoll" erstellt:

"Teilnehmer:

Gesundheitswesen Wismut: 14 gewählte Vertreter,

Herr J (Gebietsarzt)

MfG : Minister Kleditzsch, ..., Abteilungsleiter H und G, ...

BMAS: Ministerialdirigent Ju

...

Minister Kleditzsch ermöglichte um 19.00 Uhr diese außerplanmäßige Beratung, um eine vormittags mit Dr. G in Chemnitz durchgeführte Beratung zu dringlich anstehenden Problemen bei Androhung von Kampfmaßnahmen fortzusetzen und zu Ende zu führen.

Das Gespräch verlief in sachlich konstruktiver und konsequent zielstrebiger Atmosphäre. Es war durch das gemeinsame Streben nach einer einvernehmlichen Lösung gekennzeichnet.

Ausgangspunkt und Beratungsgegenstand waren Forderungen der IG Wismut an den Gesundheitsminister vom 6. und 10.09.1990 sowie die Gültigkeit des Tarifvertrages zwischen der IG Wismut, dem Gesundheitswesen Wismut und der Sozialversicherung Wismut.

Das Ergebnis des Gespräches wurde von der Verhandlungskommission mit folgenden Festlegungen akzeptiert:

...

2. Der Tarifvertrag vom 23.06.1990 gilt einschließlich seiner Bestimmungen zum Rationalisierungsschutz bis 31.12.1990. Es besteht Einigkeit darüber, daß es sich nicht um ein Abfindungsabkommen handelt und Entschädigungszahlungen als Folge von Kündigungen die Ausnahme bleiben sollen.

...

5. Minister Kleditzsch erklärt seine Bereitschaft, sich ungeachtet fehlender tarifpartnerschaftlicher Verantwortung für die Belange des Gesundheitswesens Wismut einzusetzen.

...

9. Nach Beratung erklärte sich die Verhandlungskommission mit den Ergebnissen einverstanden und zog die Androhung zurück.

Minister Kleditzsch lehnte entschieden jede Art von Drohungen und streikähnlichen Maßnahmen ab. Alle anderen Formen von Protesten seien dagegen verständlich, zu akzeptieren und vielfach auch für seine Bestrebungen unterstützend und hilfreich.

..."

Das Protokoll war "FdR" vom Abteilungsleiter Dr. G unterzeichnet sowie ohne weitere Zusätze vom Minister, dem Vorsitzenden der IG Wismut und dem Gebietsarzt.

Unter dem 10. Dezember 1990 schrieb der Leiter der Außenstelle Berlin des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung an die Direktion des Gesundheitswesens Wismut ua. folgendes:

"...

Zu Ihrem Schreiben vom 12. November 1990 an den Bundesarbeitsminister Dr. Blüm nehme ich - nach Erörterung der Probleme des Gesundheitswesens Wismut mit der Sozialversicherung und den beiden Ministern für Gesundheit und Soziales der Länder Thüringen und Sachsen - aus der Sicht des Bundesarbeitsministeriums wie folgt Stellung:

...

9. Zur Frage der Bereitstellung von Finanzmitteln für die Übernahme von Leistungen aus dem Tarifvertrag vom 23.6.1990 (insbesondere Abfindungen) wird auf die diesbezügliche Äußerung der Sozialversicherung verwiesen; auch nach meiner Information ist der zitierte Tarifvertrag seinerzeit nicht registriert worden, so daß damit ein zwingendes Wirksamkeitserfordernis fehlt.

..."

Am 28. Dezember 1990 unterzeichneten der Vorsitzende des Personalrats und der ökonomische Direktor des "Gesundheitswesens Wismut Direktion" folgende Vereinbarung:

"Betriebsvereinbarung

Zwischen dem Personalrat der Direktion des Gesundheitswesens Wismut und der Direktion des Gesundheitswesens Wismut wird folgender Sozialplan vertraglich vereinbart:

Der Tarifvertrag für den Schutz der Mitarbeiter des Gesundheitswesens Wismut bei Rationalisierungsmaßnahmen und Strukturänderungen, vom 23.6.1990, wird im beiderseitigen Einverständnis als Sozialplan entsprechend den §§ 77 und 112 des Betriebsverfassungsgesetzes bestätigt.

Als Sozialplan erhält der § 7 Abs. (1) des Tarifvertrages folgende Fassung:

Der Mitarbeiter, der auf Veranlassung des Leiters der Einrichtung auf Grund einer Kündigung durch ihn ausscheidet, erhält eine einmalige Abfindung in Hööhe der Differenz zwischen Ar beitslosengeld und seinem monatlichen Nettoeinkommen zuzüglich des monatlichen Anteils des Betrages der zusätzlichen Belohnung (Treueprämie) entsprechend nachfolgender Tabelle.

Durch diesen Sozialplan wird der Fortbestand der in andere Trägerschaften übergehenden Einrichtungen des Gesundheitswesens Wismut nicht gefährdet."

Der Kläger ist am 3. September 1934 geboren. Er war im Gesundheitswesen Wismut zuletzt im "Medizinischen Versorgungsbereich S" in der Einrichtung "Bergarbeiterpoliklinik Sch", das im Gebiet des beklagten Freistaats liegt, beschäftigt. Er wurde unter dem 26. November 1990 betriebsbedingt mit folgendem Schreiben gekündigt:

"Ich sehe mich leider veranlaßt, das mit Ihnen und dem Med. Versorgungsbereich S bestehende Arbeitsverhältnis mit dem 31.12.1990 aufzulösen.

Grund: Rationalisierungsmaßnahmen.

Entsprechend § 7 (1) des Tarifvertrages für den Schutz der Mitarbeiter des GWW bei Rationalisierungsmaßnahmen und Strukturveränderungen vom 23.06.1990 erhalten Sie eine Abfindung gem. der Dauer Ihrer Beschäftigungszeit und Ihres Alters. Ich möchte darauf verweisen, daß bei einer Weiterbeschäftigung im Arbeitsverhältnis oder in einem zumutbaren anderen Arbeitsverhältnis bei Ablehnung durch den Arbeitnehmer das Rationalisierungsschutzabkommen seine Gültigkeit verliert.

..."

Dieses Schreiben war vom Verwaltungsdirektor B des Gesundheitswesens Wismut unterzeichnet.

Am 12. Dezember 1990 erstellten ein Mitarbeiter der Personalabteilung und der Lohnbuchhaltung folgende Bescheinigung:

"Entsprechend § 7 (1) des Tarifvertrages über den Schutz für Mitarbeiter des GWW bei Rationalisierungsmaßnahmen und Strukturveränderungen vom 23.06.1990 erhält Herr R eine Abfindung in Höhe von 21.643,00 DM gemäß der Dauer seiner Beschäftigung und seines Alters."

Einen entsprechenden Anspruch trug die Personalabteilung auch in die beim Arbeitsamt vorzulegende Bescheinigung ein.

Zwischen den Parteien ist streitig geblieben, ob der Verwaltungsleiter und die Mitarbeiter der Personalabteilung hinsichtlich der Zusage von Abfindungen vertretungsberechtigt waren.

Der Kläger hat sich darauf berufen, der Betrag von 21.643,00 DM sei auf der Basis des Tarifvertrages und seiner persönlichen Beschäftigungsdauer richtig errechnet. Er vertritt die Ansicht, der Tarifvertrag sei wirksam zustande gekommen, jedenfalls später durch das Festlegungsprotokoll rechtswirksam bestätigt worden. Der Beklagte sei verpflichtet, ihm die darin vorgesehenen Leistungen zu erbringen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 11.065,89 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 30. Juli 1999 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hält sich nicht für verpflichtet, Leistungen nach dem RSTV zu erbringen. Im Übrigen beruft er sich auf Verwirkung und macht hilfsweise die Einrede der Verjährung geltend.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und das Landesarbeitsgericht die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger den Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet. Dem Kläger stehen keine Ansprüche auf Abfindung zu.

I. Dem Kläger stehen keine Ansprüche auf Grund des RSTV zu.

1. In seiner ursprünglichen Fassung vom 23. Juni 1990 war der Tarifvertrag unwirksam.

Nach § 14 Abs. 2 AGB-DDR (GBl. DDR I 1977 S. 185) wurden Rahmenkollektivverträge, zu denen auch Tarifverträge gehören, mit der Bestätigung und Registrierung durch das zuständige zentrale Organ rechtswirksam. Diese Bestimmung wurde erst mit Wirkung vom 1. Juli 1990 aufgehoben (Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Arbeitsgesetzbuches der DDR vom 22. Juni 1990 - GBl. DDR I S. 371). Von diesem Tag an wurde auch das Tarifvertragsgesetz als Gesetz der DDR in Kraft gesetzt (§§ 31, 34 des Gesetzes über die Inkraftsetzung von Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland in der Deutschen Demokratischen Republik vom 21. Juni 1990 - GBl. DDR I S. 357). Tarifverträge, die bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen und nicht registriert wurden, waren deshalb unwirksam (grundlegend BAG 13. Februar 1992 - 8 AZR 269/91 - BAGE 69, 360 und 21. Mai 1992 - 8 AZR 436/91 - BAGE 70, 231; ebenso 20. April 1994 - 4 AZR 354/93 - BAGE 76, 276 und 13. Dezember 1994 - 3 AZR 357/94 - AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 6).

Daran ist entgegen der Ansicht der Revision und von Teilen der Literatur (vgl. zB Zachert Anm. zu BAG 20. April 1994 - 4 AZR 354/93 - AP TVG § 1 Tarifverträge: DDR Nr. 9 mwN) festzuhalten. Entscheidend ist hierfür, dass sowohl § 31 Nr. 3 Satz 1 des Gesetzes über die Inkraftsetzung von Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland in der Deutschen Demokratischen Republik als auch Anlage I Kap. VIII Sachgeb. A Abschn. III Maßgabe 14 des Einigungsvertrages die Weitergeltung von Rahmenkollektivverträgen oder Tarifverträgen nur vorsahen, soweit eine Registrierung "entsprechend dem Arbeitsgesetzbuch" erfolgt war.

Diese gesetzlichen Regelungen verstießen weder gegen den in Art. 9 Abs. 3 GG noch gegen den in Art. 4 Abs. 1 des Verfassungsgrundsätzegesetzes der Deutschen Demokratischen Republik vom 17. Juni 1990 (GBl. DDR I S. 299) enthaltenen Grundsatz der Koalitionsfreiheit. Der Gesetzgeber ist zur Ausgestaltung der Tarifautonomie berechtigt (BVerfG 1. März 1979 - 1 BvR 532/77 - BVerfGE 50, 290 - Mitbestimmungsurteil). Er durfte deshalb die Folgen einer historisch einmaligen Situation hinsichtlich der Gültigkeit von Tarifverträgen regeln.

Da Tarifverträge nach § 14 Abs. 2 AGB-DDR mit der Registrierung erst "rechtswirksam" werden, vorher also keine Rechtswirkungen entfalten sollten, scheidet auch eine Umdeutung des RSTV in eine individualrechtliche Regelung aus.

2. Auch aus der Besprechung beim Gesundheitsminister der damaligen DDR am 13. September 1990 und der Niederlegung ihres Ergebnisses im "Festlegungsprotokoll" vom gleichen Tage, kann der Kläger nichts herleiten. Dem steht das Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplanes der Deutschen Demokratischen Republik für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember des Haushaltsjahres 1990 ("Haushaltsgesetz 1990") entgegen.

a) § 13 Abs. 3 dieses Gesetzes lautete:

"(3) Neue Mitarbeiter dürfen nicht eingestellt werden. Ausscheidende Mitarbeiter der Ministerien und zentralen Staatsorgane sowie deren nachgeordneten Stellen und die ausgeschiedenen Dienstverpflichteten dürfen nicht ersetzt werden. Ausnahmen bedürfen der Einwilligung des Ministers der Finanzen, die nur ausnahmsweise und nur im Falle eines unabweisbaren, auf andere Weise nicht zu befriedigenden Bedürfnisses erteilt werden darf. Zuweisungen von Mitarbeitern zu höheren Gehaltsgruppen dürfen nicht vorgenommen werden. Soweit in Ausnahmefällen die Zustimmung des Ministers der Finanzen nicht vorliegt, sind sie unwirksam. Dadurch bedingte Mehrausgaben sind durch Einsparungen bei den Personalausgaben auszugleichen. Ebenso sind sonstige Veränderungen der bestehenden Arbeits- und Angestelltenverträge der Bediensteten durch Vertrag oder Gesetze unwirksam, soweit sie zur Erhöhung oder Gewährung von Gehältern und Löhnen, Versorgungsleistungen oder zu sonstigen Leistungen einschließlich der Unterhaltssicherungsleistungen, Umschulungsmaßnahmen mit Gehaltsfortzahlung oder Vergünstigungen führen. Ebenso sind Vereinbarungen über die Verlängerung von Kündigungsfristen oder über sonstige Einschränkungen der Kündigungsmöglichkeiten unwirksam.

Die vorstehenden Regelungen über die Bewirtschaftung der Ausgaben gelten auch für Ämter und Einrichtungen, die der Staatsverwaltung nachgeordnet sind und ganz oder überwiegend aus dem Staatshaushalt finanziert werden."

Nach § 15 Abs. 1 trat das Haushaltsgesetz 1990 am 22. Juli 1990 in Kraft. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift traten ua. Vorschriften "anderer Gesetze", die mit ihm nicht vereinbar waren, außer Kraft. Das Gesetz ist am 3. August 1990 veröffentlicht worden (GBl. DDR I S. 787).

b) § 13 Abs. 3 des Haushaltsgesetzes 1990 stand der Wirksamkeit von Vereinbarungen am 13. September 1990, mit denen die Regeln des RSTV bestätigt wurden, entgegen. Die vom Landesarbeitsgericht erörterte Frage, ob an diesem Tag der RSTV tatsächlich bestätigt wurde, kann ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, ob sonst eine Zusage gemacht wurde.

aa) Nach dem unmissverständlichen Wortlaut des Gesetzes - "sind unwirksam" - ist Rechtsfolge eines Verstoßes die Unwirksamkeit entgegenstehender Regelungen. Anders als der Haushaltsplan selber (§ 3 Abs. 2 des Gesetzes über die Haushaltsordnung der Republik vom 15. Juni 1990 - GBl. DDR I S. 313) wurden darum durch das "Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplanes" Ansprüche aufgehoben (offengelassen bei BAG 30. Juli 1992 - 8 AZR 555/91 -).

bb) Die Regelung galt "auch für Ämter und Einrichtungen, die der Staatsverwaltung nachgeordnet" waren "und ganz oder überwiegend aus dem Staatshaushalt finanziert" wurden. Dazu gehörte das "Gesundheitswesen Wismut".

(1) Das "Gesundheitswesen Wismut" war der Staatsverwaltung nachgeordnet. Es hatte zwar auf Grund seines Statuts eine eigene Rechtspersönlichkeit, war aber Träger öffentlicher Verwaltung, da es zumindest auch Aufgaben der ambulanten medizinischen Betreuung der Bevölkerung im Territorium wahrzunehmen hatte (Verordnung über das Betriebsgesundheitswesen und die Arbeitshygieneinspektion vom 11. Januar 1978 § 2 Abs. 4, § 9 Abs. 2; GBl. DDR I S. 61; BAG 18. Januar 1996 - 8 AZR 897/94 - BAGE 82, 66). Der Minister für Gesundheitswesen war nach § 1 Nr. 2 des Statuts für die fachlich medizinische Anleitung zuständig. Nach § 2 der Verordnung vom 11. Januar 1978 hatte der Gesundheitsminister das Recht zur fachlichen Anleitung (Abs. 1). Nach dem Wortlaut des Beschlusses des Ministerrats vom 14. Dezember 1989 sollte das "Gesundheitswesen Wismut" "weiterhin", also ohne inhaltliche Änderung, durch das Ministerium für Gesundheitswesen und Sozialwesen geleitet werden.

Das entspricht auch dem Verfassungsgrundsätzegesetz vom 17. Juni 1990. Nach dessen Art. 1 Abs. 1 war die DDR ein demokratischer Staat. Damit war es nicht vereinbar, dass es keinen demokratisch legitimierten Verantwortlichen für das öffentliche Aufgaben verrichtende "Gesundheitswesen Wismut" gab. Dementsprechend hatte der Ministerrat der DDR bereits mit seinem Beschluss deutlich gemacht, dass die Verantwortung für die Organisation des Gesundheitswesens letztlich bei der Regierung der DDR lag.

(2) Das "Gesundheitswesen Wismut" wurde auch ganz oder überwiegend aus dem Staatshaushalt iSv. § 13 Abs. 3 Unterabs. 2 des Haushaltsgesetzes 1990 finanziert. Es war auf öffentliche Mittel angewiesen, um die grundlegenden Strukturen aufrechtzuerhalten und umzugestalten. Anders ist die Besprechung beim ehemaligen Gesundheitsminister der DDR im September 1990 nicht zu erklären. Zur Sicherung der Arbeitsbedingungen beim "Gesundheitswesen Wismut" waren deshalb öffentliche Mittel unverzichtbar. Die finanzielle Letztverantwortung für das "Gesundheitswesen Wismut" lag nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch beim Staatshaushalt. Nach dem Zweck des Haushaltsgesetzes 1990, das den Staatshaushalt schonen sollte, war das "Gesundheitswesen Wismut" deshalb als überwiegend öffentlich finanziert zu behandeln.

cc) § 13 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 7 des Haushaltsgesetzes 1990 verbot umfassend Veränderungen bestehender Arbeitsverträge in jeder Hinsicht, soweit sie zur Erhöhung von Leistungen oder zu Vergünstigungen führten. Das betraf Verbesserungen nach dem In-Kraft-Treten des Gesetzes, also spätestens ab dem 3. August 1990, dem Datum der Veröffentlichung. Davon waren auch Abfindungen erfasst.

Das Veränderungsverbot betraf alle Regelungen durch "Vertrag oder Gesetz". Da das Haushaltsgesetz 1990 keinen Verfassungsrang hatte und das Außer-Kraft- Treten entgegenstehender Gesetze bereits in § 15 Abs. 2 des Gesetzes geregelt war, kann die Veränderung durch "Gesetz" lediglich Gesetze im materiellen Sinne unterhalb des Ranges eines formellen Gesetzes betreffen. Dazu gehörten nach dem damals als Gesetz der DDR schon geltenden TVG auch die Rechtsnormen (§ 1 Abs. 1 TVG) eines Tarifvertrages. Auch wenn das "Festlegungsprotokoll" eine rechtswirksame Bestätigung im Sinne eines Neuabschlusses des RSTV wäre, was rechtlich grundsätzlich möglich ist (BAG 20. April 1994 - 4 AZR 354/93 - BAGE 76, 276), würden die dadurch gegenüber dem vorhergehenden Rechtszustand bewirkten Verbesserungen gegen das Veränderungsverbot verstoßen. Wenn man annähme, es wäre zu diesem Zeitpunkt eine Gesamtzusage erteilt worden, läge darin eine vertragliche Vereinbarung (vgl. BAG - Großer Senat - 16. September 1986 - GS 1/82 - BAGE 53, 42). Das entspricht auch der Rechtslage in der damaligen DDR, da der Inhalt des Arbeitsverhältnisses, soweit keine staatlichen oder kollektivrechtlichen Regelungen vorlagen, durch Arbeitsvertrag gestaltet wurde (AGB-DDR §§ 40 ff.). Auch eine derartige vertragliche Regelung widerspräche dem Verbot.

Allerdings verwies diese Vorschrift durch das Wort "ebenso" auf die voranstehenden Regelungen. Diese ließen Ausnahmen mit Zustimmung des Finanzministers zu. Dadurch wurde, soweit es um Tarifverträge ging, zugleich die damals bereits durch Art. 4 Abs. 1 des Verfassungsgrundsätzegesetzes vom 17. Juni 1990 verfassungsrechtlich garantierte Tarifautonomie für den öffentlichen Dienst gesichert. Dass der Finanzminister den Festlegungen in der Besprechung vom 13. September 1990, die im "Festlegungsprotokoll" niedergelegt wurden, zugestimmt hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

II. Dem Kläger stehen auch keine Ansprüche auf Grund der "Betriebsvereinbarung" vom 28. Dezember 1990 zu.

1. Das "Gesundheitswesen Wismut" nahm Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr. Nach der Präambel zum Gesetz über die sinngemäße Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes - Personalvertretungsgesetz - vom 22. Juli 1990 (GBl. DDR I S. 1014) galt dieses Gesetz deshalb auch für diese Einrichtung. Daran änderte sich bis zum Erlass entsprechender landesrechtlicher Vorschriften auch später nichts, wie sich aus dem Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Maßgabe 15 Buchst. a ergibt. Solche Vorschriften waren im Jahre 1990 im Freistaat Sachsen noch nicht ergangen.

2. Nach dem Personalvertretungsgesetz der DDR konnte eine Dienstvereinbarung über die Aufstellung von Sozialplänen zum Ausgleich oder zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen, die den Beschäftigten infolge von Rationalisierungsmaßnahmen entstehen, abgeschlossen werden (§ 75 Abs. 3 Nr. 13 Personalvertretungsgesetz). Eine solche lag hier vor. Unerheblich ist, dass in der "Betriebsvereinbarung" die entsprechenden Vorschriften des BetrVG zitiert wurden.

Der Gültigkeit dieses Sozialplanes stand jedoch Buchst. b der genannten Maßgabe des Einigungsvertrages entgegen. Diese Bestimmung schuf für eine Übergangszeit von zwei Jahren nach dem Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 eine Sonderregelung. Danach gingen die im Kap. V des Vertrages über die Wirtschafts- und Währungsunion festgelegten Vorgaben den konkreten Bestimmungen des Personalvertretungsgesetzes vor. Dazu gehörte auch die Bestimmung des Art. 29 Satz 1 dieses Vertrages. Nach dieser Vorschrift gewährleistete die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, dass in Tarifverträgen oder sonstigen Regelungen im Bereich der öffentlichen Verwaltung unter Beschränkung neuer dienstrechtlicher Vorschriften auf Übergangsregelungen die allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse der Deutschen Demokratischen Republik und die Erfordernisse der Konsolidierung des Haushaltes beachtet werden. Mit dieser Vorgabe war es nicht vereinbar, im Bereich des "Gesundheitswesens Wismut" eine Dienstvereinbarung über die Geltung des RSTV abzuschließen, nachdem spätestens seit dem Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 10. Dezember 1990 bekannt war, dass Haushaltsmittel für die Umsetzung dieses Tarifvertrages zumindest vorläufig nicht zur Verfügung standen.

III. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, weder dem Kündigungsschreiben noch der "Bescheinigung" vom 12. Dezember 1990 sei ein rechtsgeschäftlicher Erklärungswille zu entnehmen. Das ist im Hinblick darauf, dass in beiden Schreiben ausdrücklich auf den Tarifvertrag Bezug genommen wurde, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Formular für das Arbeitsamt diente der Information dieser Behörde zur Klärung sozialrechtlicher Ansprüche, nicht aber der erstmaligen Begründung von Forderungen eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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