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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 07.04.2004
Aktenzeichen: I B 111/03
Rechtsgebiete: FGO, ZPO
Vorschriften:
FGO § 62 Abs. 3 Satz 5 | |
FGO § 79b Abs. 1 | |
FGO § 79b Abs. 3 | |
FGO § 91 Abs. 1 | |
FGO § 115 Abs. 2 | |
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3 | |
FGO § 155 | |
ZPO § 227 Abs. 1 | |
ZPO § 227 Abs. 2 | |
ZPO § 227 Abs. 4 |
Gründe:
I. In der Sache streiten die Beteiligten um die Anerkennung von Teilwertabschreibungen auf eine Beteiligung der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) sowie auf ein ausgereichtes Darlehen, die bilanzielle Behandlung eines Schuldbeitritts sowie über die Bildung einer Rückstellung für Abrisskosten.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es entschied, obwohl in der mündlichen Verhandlung am 28. April 2003 für die Klägerin niemand erschienen war. Dies begründete das FG damit, dass die Terminsladung den damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 20. März 2003 ordnungsgemäß und fristgerecht zugestellt worden sei. Einer persönlichen Ladung der Klägerin habe es daneben nicht bedurft. Dies gelte auch, nachdem die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ihr Mandat niedergelegt hätten. Das Erlöschen einer Prozessvollmacht wirke erst mit Eingang der entsprechenden Mitteilung --vorliegend am 25. April 2003-- bei Gericht. Sie habe daher weder zur Folge, dass die früher erfolgte Terminsladung ihre Wirkung verliere, noch dass das Gericht den Termin aufzuheben oder zu vertagen habe.
Die Durchführung der mündlichen Verhandlung ohne Beteiligung der Klägerin und die anschließende Entscheidung verletzten nicht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör. Diesem Anspruch werde dadurch genügt, dass eine mündliche Verhandlung anberaumt worden sei, die Beteiligten ordnungsgemäß geladen worden seien und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde.
Nach Durchführung eines Erörterungstermins habe das Gericht mit Verfügung vom 13. März 2003 die Klägerin gemäß § 79b Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unter Fristsetzung bis 24. April 2003 zur Vorlage bestimmter Unterlagen und Erläuterung bestimmter Sachverhalte aufgefordert. Darauf habe die Klägerin nicht reagiert, ihre Prozessbevollmächtigten hätten lediglich einen Antrag auf Vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung wegen Erkrankung des sachbearbeitenden Mitglieds der Sozietät gestellt. Dies habe das Gericht abgelehnt, da kein ärztliches Attest vorgelegt worden sei. Darauf hätten die Prozessbevollmächtigten das Mandat niedergelegt, was die Klägerin dem Gericht am 25. April 2003 mitgeteilt habe, ohne einen Vertagungsantrag zu stellen. Daher sei zur Sache zu entscheiden gewesen.
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision. Sie rügt das Verfahren der Vorinstanz.
Das FG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 119 Nr. 3 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) verletzt.
Es habe die Vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung noch am Tage des Eingangs des dahin gehenden Antrags abgelehnt, ohne zuvor die Vorlage eines ärztlichen Attestes zu verlangen. Glaubhaftmachung durch den Antragsteller selbst sei aber nur geboten, wenn ein Verlegungsantrag so kurzfristig vor dem Termin gestellt werde, dass ein entsprechendes Verlangen des Gerichts nicht mehr möglich sei. Der Sachverhalt des Streitfalles und die zu entscheidenden Rechtsfragen seien zudem nicht so überschaubar gewesen, dass eine Vertretung der Klägerin durch einen anderen Berufsträger ohne weiteres möglich gewesen wäre.
Die Klägerin sei in der mündlichen Verhandlung auch nicht vertreten gewesen (§ 119 Nr. 4 FGO), da sie nicht ordnungsgemäß i.S. des § 53 Abs. 1, § 91 Abs. 1 FGO geladen worden sei. Die Ladung sei nur an eines der drei Mitglieder der zur Vertretung der Klägerin bevollmächtigten Sozietät gerichtet gewesen. Die anderen Mitglieder der Sozietät, damit auch der mit der Sachbearbeitung im Streitfall betraute Rechtsanwalt H, seien dagegen nicht geladen worden.
Das FG habe eine Rechtsfrage auf der Grundlage der "westdeutschen" Rechtslage beurteilt. Die abweichende frühere "ostdeutsche" Rechtslage sei hingegen nicht berücksichtigt worden, obwohl sich bei Zweifeln des Gerichts ein Auskunftsersuchen an zuständige Stellen hätte aufdrängen müssen. Dadurch habe das FG seine Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verletzt.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hält die Beschwerde für unzulässig.
II. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet und war daher zurückzuweisen.
Ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO ist nicht gegeben. Teilweise fehlt es bereits an einer Darlegung der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO entsprechend den gesetzlichen Erfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
1. Die Klägerin hat nicht i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt, dass sie im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. April 2003 nicht nach den Vorschriften des Gesetzes vertreten war (§ 119 Nr. 4 FGO). Zwar ist eine mangelnde Vertretung in diesem Sinne insbesondere dann gegeben, wenn ein Beteiligter oder sein Vertreter zur mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß geladen worden und deshalb nicht erschienen ist (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. Februar 2002 VIII R 2/01, BFH/NV 2002, 792; vom 4. September 2003 IV B 52/02, BFH/NV 2004, 205). Mit dem Vorbringen der Kläger, lediglich einer ihrer Prozessbevollmächtigten sei zum Termin geladen worden, ist ein derartiger Verfahrensverstoß indessen nicht schlüssig vorgetragen. Gemäß § 62 Abs. 3 Satz 5 FGO sind Zustellungen während des finanzgerichtlichen Verfahrens an den bestellten Bevollmächtigten zu richten. Sind wie im Streitfall mehrere Mitglieder einer Sozietät zum Prozessvertreter bestellt, hat jedoch jeder Bevollmächtigte Einzelvollmacht (§ 155 FGO i.V.m. § 84 Satz 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--), so ist die Zustellung an eines der Mitglieder der Sozietät ausreichend (BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1997 VIII B 27/97, BFH/NV 1998, 1218, m.w.N.).
Die ordnungsmäßige Zustellung der Ladung an einen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist vorliegend unstreitig. Die Wirkung dieser Ladung für und gegen die Klägerin geht nicht dadurch verloren, dass die Prozessbevollmächtigten nach Empfang der Ladung das Mandat niedergelegt haben (BFH-Beschlüsse vom 22. März 1994 X R 66/93, BFH/NV 1994, 499; vom 15. April 2003 X B 20/03, BFH/NV 2003, 1085, m.w.N.).
2. Das FG hat nicht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 119 Nr. 3 FGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
a) Zwar wird einem Verfahrensbeteiligten rechtliches Gehör versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und aufgrund der Verhandlung entscheidet, obwohl er einen Antrag auf Terminsverlegung gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend gemacht hat (§ 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO). Auch ist in der Erkrankung eines Prozessbevollmächtigten regelmäßig ein erheblicher Grund für eine Terminsänderung zu erblicken (vgl. BFH-Beschluss vom 7. Dezember 1990 III B 102/90, BFHE 163, 115, BStBl II 1991, 240, m.w.N.; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 91 Anm. 4). Dies gilt allerdings nicht, wenn die Prozessvollmacht einer Sozietät erteilt worden ist und der betreffende Termin durch ein anderes Mitglied der Sozietät sachgerecht wahrgenommen werden kann (BFH-Beschlüsse vom 22. Dezember 1997 X B 23/96, BFH/NV 1998, 726, 727; vom 26. Oktober 1998 I B 3/98, BFH/NV 1999, 626). Zwar kann ein Prozessbevollmächtigter dann nicht auf die Möglichkeit einer anderweitigen Terminsvertretung verwiesen werden, wenn die Wahrnehmung des Termins durch eine andere Person als den zuständigen Sachbearbeiter nicht zumutbar ist. Solche Besonderheiten müssen indessen, sofern sie nicht offenkundig sind, im Einzelnen vorgetragen werden (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1998, 726; in BFH/NV 1999, 626). Dazu ist nicht ausreichend, pauschal auf die "besondere Komplexität" oder "bestimmte Eigentümlichkeiten" des Verfahrens zu verweisen. Fehlt es an ausreichendem Vortrag, muss von dem Bestehen einer Vertretungsmöglichkeit ausgegangen und demgemäß das Vorliegen "erheblicher Gründe" für eine Terminsverlegung verneint werden.
b) Im Übrigen durfte das FG im Streitfall von einer Terminsänderung auch deshalb absehen, weil die Erkrankung des sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten nicht mangels Vorlage eines ärztlichen Attests hinreichend glaubhaft gemacht worden ist. Zwar sind erhebliche Gründe i.S. des § 227 Abs. 1 ZPO "auf Verlangen" des Vorsitzenden geltend zu machen (§ 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 2 ZPO). Daher kann eine Terminsverlegung nicht allein wegen Fehlens eines ärztlichen Attestes verweigert werden, wenn das Gericht einige Tage Zeit zur Prüfung eines dahin gehenden Antrags hat und seinerseits keine Glaubhaftmachung der Erkrankung verlangt (BFH-Beschluss vom 4. Mai 1994 XI R 104/92, BFH/NV 1995, 46); aufgrund des Schweigens des Gerichts dürfen die Beteiligten dann darauf vertrauen, dass ihre tatsächlichen Angaben nicht bezweifelt werden. Anders liegen die Verhältnisse indessen, wenn der Antrag auf Terminsverlegung "in letzter Minute" gestellt wird und dem Gericht keine Zeit für Maßnahmen gemäß § 227 Abs. 4 ZPO verbleibt. Dann müssen die Beteiligten mit einer Prüfung ihres Antrags unter jedem in Frage kommenden Gesichtspunkt rechnen und von sich aus alles unternehmen, damit ihrem Vortrag ggf. auch in tatsächlicher Hinsicht gefolgt werden kann. Notwendig ist in derartigen eiligen Fällen daher entweder die Vorlage eines ärztlichen Attestes, aus dem sich eindeutig die Verhandlungsunfähigkeit des Beteiligten ergibt, oder zumindest eine so genaue Schilderung der Erkrankung samt Glaubhaftmachung, dass das Gericht selbst beurteilen kann, ob die Erkrankung so schwer ist, dass ein Erscheinen zum Termin nicht erwartet werden kann (BFH-Beschlüsse vom 26. August 1999 X B 58/99, BFH/NV 2000, 441; vom 9. Dezember 1998 IV B 90/97, BFH/NV 1999, 799; vgl. auch Gräber/Koch, a.a.O., § 91 Anm. 3 a.E.). So aber liegen die Dinge im Streitfall, nachdem der Antrag der Klägerin auf Verlegung des auf Montag, 28. April 2003, anberaumten Termins am Donnerstag, dem 24. April 2003, beim FG eingegangen ist. Wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit (ein Arbeitstag) waren zwischenzeitliche "Verlangen" oder sonstige Maßnahmen des Gerichts gemäß § 227 Abs. 4 ZPO nicht zu erwarten. Daher wäre es Sache der Klägerin oder ihrer übrigen Prozessbevollmächtigten gewesen, die Erkrankung des sachbearbeitenden Bevollmächtigten H durch Vorlage eines ärztlichen Attests oder Schilderung der Erkrankung glaubhaft zu machen. Der bloße Hinweis darauf, dass H "seit mehr als einer Woche an einem grippalen Infekt arbeitsunfähig erkrankt und deshalb nach heutigem Kenntnisstand nicht in der Lage sein wird, die anberaumte Verhandlung wahrzunehmen", genügt diesen Anforderungen nicht.
c) Auch im Hinblick auf die kurzfristig vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung angezeigte Niederlegung des Mandats durch die Prozessbevollmächtigten der Klägerin war das FG nicht gehalten, den Termin zur mündlichen Verhandlung (von Amts wegen) aufzuheben, zu verlegen oder zu vertagen. Es durfte sich auf den vorangegangenen Erörterungstermin und die ergangene Aufklärungsverfügung gemäß § 79b Abs. 1 FGO unter Fristsetzung mit der Folge des § 79b Abs. 3 FGO berufen. Zur schlüssigen Darlegung eines Verfahrensmangels wäre daher seitens der Klägerin jedenfalls erforderlich gewesen, sich mit den vom FG angeführten Gründen auseinander zu setzen und in substantiierter Form Tatsachen vorzutragen, deren Vorliegen dennoch zur Bejahung sonstiger erheblicher Gründe i.S. von § 227 Abs. 1 ZPO hätten führen können.
3. Schließlich hat die Klägerin nicht i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO schlüssig gerügt, dass das FG seine Verpflichtung zur Ermittlung des Sachverhalts verletzt hat. Beanstandet ein Beschwerdeführer, das FG sei seiner Verpflichtung zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht hinreichend nachgekommen, ist dieser Verfahrensmangel dadurch darzulegen, dass u.a. substantiiert vorgetragen wird, aus welchen --genau zu bezeichnenden-- Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts oder einer Beweiserhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Anm. 70, m.w.N., § 116 Anm. 48). Daran fehlt es vorliegend, wenn die Klägerin lediglich geltend macht, dass sich "bei Zweifeln des Gerichts ein Auskunftsersuchen hätte aufdrängen müssen".
Ende der Entscheidung
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