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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 20.11.2007
Aktenzeichen: I B 132/07
Rechtsgebiete: FGO, AO
Vorschriften:
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3 | |
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3 | |
AO § 174 | |
AO § 174 Abs. 4 | |
AO § 174 Abs. 4 Satz 1 | |
AO § 174 Abs. 5 |
Gründe:
I. Streitig ist, ob ein Steuerbescheid und ein Feststellungsbescheid zu ändern sind.
Bei der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer GmbH, kam es zum Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) wegen der fehlenden Verzinsung für ein Darlehen an die alleinige Gesellschafterin der Klägerin, der X-GmbH. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erhöhte das Einkommen der Klägerin um 2 993 DM zzgl. 419 DM Umsatzsteuer. Die Klage blieb erfolglos (Finanzgericht --FG-- Nürnberg, Urteil vom 22. Januar 2002 I 159/1999), ebenfalls eine Nichtzulassungsbeschwerde (Senatsbeschluss vom 3. Februar 2003 I B 43/02). Im finanzgerichtlichen Verfahren der X-GmbH --zu dem die Klägerin beigeladen war-- berücksichtigte das FA aufgrund der zwischenzeitlich vorgetragenen umsatzsteuerlichen Organschaft zwischen der X-GmbH und der Klägerin die vGA als Einnahme bei der X-GmbH nur mit dem Nettobetrag von 2 993 DM und änderte während des Klageverfahrens den Körperschaftsteuerbescheid 1992. Es minderte das zu versteuernde Einkommen um 419 DM und die als Einnahme zu erfassende anrechenbare Körperschaftsteuer um 236 DM (von 1 920 DM auf 1 684 DM), insgesamt also um 655 DM hinsichtlich dieser Streitfrage. Gleichzeitig kürzte es die anrechenbare Körperschaftsteuer um 236 DM. Da das Einkommen vor und nach dieser Änderung negativ war, führte dies zu einer Körperschaftsteuernachzahlung von 120,67 € (236 DM). Klage (FG Nürnberg, Urteil vom 15. Juni 2004 I 170/2003) und Nichtzulassungsbeschwerde (Senatsbeschluss vom 13. Juni 2005 I B 138/04) blieben ohne Erfolg.
Die Klägerin beantragte beim FA in 2004, "den offenbar falschen Ansatz" der vGA im Urteil des FG (I 159/99 vom 22. Januar 2002) durch eine Änderung der Veranlagung für 1992 zu ihren Gunsten um 419 DM zu korrigieren. Die Klage gegen die ablehnende Entscheidung des FA blieb erfolglos (FG Nürnberg, Urteil vom 24. April 2007 I 382/2005).
Die Klägerin macht geltend, dass Revisionsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorlägen. Sie beantragt, die Revision gegen das Urteil des FG Nürnberg vom 24. April 2007 I 382/2005 zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde ist unzulässig, da ihre Begründung --die sich auch nur auf die Entscheidung der Vorinstanz zur Körperschaftsteuerfestsetzung bezieht-- nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht.
1. Die Klägerin hat vorgetragen, es liege die im Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. März 2004 V R 23/02 (BFHE 205, 402, BStBl II 2004, 763) angesprochene Situation zweier einander widersprechender Gerichtsentscheidungen vor, wobei allerdings sowohl die Verwaltung als auch das FG diese Entscheidung nicht anerkennen wollten und somit auch andere Steuerpflichtige von dieser Ablehnung negativ betroffen sein könnten. Damit hat die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung einer (abstrakten) Rechtsfrage i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht dargelegt.
a) Die Frage, ob die Bindungswirkung eines rechtskräftigen Urteils durchbrochen werden kann, wenn die Voraussetzungen des § 174 der Abgabenordnung (AO) erfüllt sind, hat der BFH in seinem Urteil in BFHE 205, 402, BStBl II 2004, 763 beantwortet. Er hat dazu entschieden, dass in dem Fall, dass sich zwei Urteile in unvereinbarer Weise gegenüber stünden, die Wirkung der Rechtskraft, in Bezug auf einen bestimmten, unveränderten Sachverhalt Rechtsfrieden zu schaffen, aufgehoben sei; daher sei § 174 AO anwendbar. Insoweit wurde zu § 174 AO ausgeführt, dass das Tatbestandsmerkmal der irrigen Beurteilung i.S. des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO eines Sachverhalts bedeute, dass sich die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts nachträglich als unrichtig erweise; Sachverhalt i.S. des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO sei der einzelne Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpfe. Der Begriff des bestimmten Sachverhalts sei dabei nicht auf eine einzelne steuererhebliche Tatsache oder ein einzelnes Merkmal beschränkt, sondern erfasse den einheitlichen, für diese Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex. Unerheblich sei, ob der für die rechtsirrige Beurteilung ursächliche Fehler im Tatsächlichen oder im Rechtlichen gelegen habe. Insoweit wurde dann in diesem Fall eine Änderung zu Lasten des Steuerpflichtigen zugelassen, der zuvor erfolgreich gegen die Erfassung des Sachverhalts in einem späteren Veranlagungszeitraum gestritten hatte.
b) Dass die Vorinstanz eine Änderung gemäß § 174 AO im Streitfall abgelehnt hat, lässt einen Schluss darauf, dass das FG die BFH-Entscheidung nicht anerkenne, nicht zu. Vielmehr hat das FG zu 2.a der Gründe seines Urteils das zitierte BFH-Urteil angeführt und auf dieser Grundlage die Tatbestandsvoraussetzungen des § 174 AO geprüft und im Streitfall abgelehnt. Ob das FG im Einzelfall die Maßgaben einer BFH-Entscheidung zutreffend umgesetzt hat, kann nicht Gegenstand einer Grundsatzrevision sein.
2. Die Klägerin hat weiterhin vorgetragen, dass das FG das BFH-Urteil in BFHE 205, 402, BStBl II 2004, 763 nur auf § 174 Abs. 4, 5 AO anwenden wolle; daher sei die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung durch eine Entscheidung des BFH erforderlich. Die Klägerin hat damit die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht dargelegt. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass das FG durchaus die Anwendung anderer in der AO geregelten Änderungsmöglichkeiten in Betracht gezogen (zu 2.c der Urteilsgründe), sie aber im konkreten Fall abgelehnt hat.
3. Schließlich hat die Klägerin durch ihren Vortrag, durch Anwendung "sachverhaltsfremder Urteile" begehe das FG einen Verfahrensfehler, auf dem sein Urteil beruhe, einen Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht dargelegt. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO bezieht sich auf Fehler bei der Anwendung des Gerichtsverfahrensrechts, nicht auf (vermeintliche) Fehler bei der Anwendung des materiellen Rechts. Im Übrigen ist durch den Verweis auf den BFH-Beschluss vom 21. März 2007 V B 35/07 (BFH/NV 2007, 1332) von der Klägerin ein Verfahrensfehler des angefochtenen Urteils (I 382/2005) ebenfalls nicht dargelegt worden. Ob dem ursprünglichen Urteil des FG Nürnberg I 159/1999 wegen des (vermeintlichen) Unterlassens einer umsatzsteuerrechtlichen Prüfung Entscheidungsgründe fehlen sollten, ist hier nicht erheblich.
Ende der Entscheidung
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