Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 24.03.1999
Aktenzeichen: I B 14/98
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 74
FGO § 56
FGO § 47
FGO § 44
FGO § 45 Abs. 3
EStG § 51a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist in Sachen Kirchensteuer 1984 bis 1986 begründet und betreffend 1987 unbegründet.

1. Rechtsgrundlage für die Zulassung der Revision betreffend Kirchensteuer 1984 bis 1986 ist § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Dem Finanzgericht (FG) ist insoweit ein Verfahrensfehler unterlaufen, als es das Klageverfahren in Sachen Kirchensteuer 1984 bis 1986 nicht bis zum Abschluß des Verfahrens über die Einkommensteuer 1984 bis 1986 nach § 74 FGO ausgesetzt hat.

a) Gemäß § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist im Regelfall ein Klageverfahren über einen Folgebescheid auszusetzen, wenn ein Verfahren über den Grundlagenbescheid anhängig und eine zeitgleiche Entscheidung nicht möglich ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 29. Januar 1998 IX B 118/97, BFH/NV 1998, 869; vom 30. August 1995 I B 168/94, BFH/NV 1996, 222, m.w.N.; vom 7. November 1996 IV R 72/95, BFH/NV 1997, 574, m.w.N.; vom 20. Februar 1991 II B 160/89, BFHE 163, 309, BStBl II 1991, 368; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 74 Rdnr. 12, m.w.N.).

b) Kircheneinkommensteuerbescheid und Einkommensteuerbescheid stehen im Verhältnis Folge-/Grundlagenbescheid.

Gemäß Art. 1 Abs. 2 des Bayerischen Kirchensteuergesetzes (KiStGBay) wird die Kirchensteuer in Form von Kirchenumlagen nach dem Maßstab der Einkommensteuer (veranlagte Einkommensteuer und Lohnsteuer) als Kircheneinkommen- und Kirchenlohnsteuer erhoben. Die Einkommen- oder Lohnsteuer ist danach Maßstabsteuer für die Kirchensteuer (vgl. auch Art. 7 KiStGBay). Nach Art. 18 Abs. 4 KiStGBay können gegen die Kirchensteuerfestsetzung keine Einwendungen erhoben werden, die sich gegen die Festsetzung der Maßstabsteuer richten. Die Kircheneinkommensteuer ist danach Folgesteuer und die entsprechenden Einkommensteuerbescheide sind Grundlagenbescheide. Insoweit gilt im Ergebnis dasselbe, wie für die Zuschlagsteuern i.S. des § 51a des Einkommensteuergesetzes --EStG-- (vgl. zum Solidaritätszuschlag BFH-Urteil vom 17. April 1996 I R 123/95, BFHE 180, 563, BStBl II 1996, 619; zur Kirchensteuer FG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Januar 1992 9 V 2/90, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1992, 245; FG München, Urteil vom 25. Januar 1977 VII 108/73, EFG 1977, 284; Schlief in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 51a A 26; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 171 AO 1977 Tz. 91, m.w.N.).

c) Im Streitfall waren Verfahren in Sachen Einkommensteuer 1984 bis 1986 "anhängig" i.S. des § 74 FGO.

aa) Über die Frage, ob ein Verfahren i.S. des § 74 FGO anhängig ist oder ggf. anhängig zu machen ist (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 12. Januar 1994 IV B 3/93, BFH/NV 1994, 724, m.w.N.; BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 574) entscheidet jeweils das Gericht, das über die Aussetzung des Verfahrens zu entscheiden hat (z.B. BFH-Urteil vom 2. September 1987 I R 162/84, BFHE 151, 104, BStBl II 1988, 142). Dies gilt grundsätzlich auch für den Fall, daß streitig ist, ob ein anderweitiges Verfahren anhängig ist bzw. anhängig zu machen ist.

bb) In Sachen Einkommensteuer 1984 bis 1986 ist im Zeitpunkt des Ergehens des vorinstanzlichen Urteils ein Verfahren beim FG ... anhängig gewesen. Dies ergibt sich aus der Klageschrift vom 9. November 1995 Az. ... In diesem Schriftsatz hat sich der Klägervertreter zwar in erster Linie gegen die Bescheide über Hinterziehungszinsen in Sachen Einkommensteuer 1984 bis 1986 gewendet. Des weiteren hat er aber zugleich gegen die Bescheide über die Einkommensteuer 1984 bis 1986 angefochten. Dies läßt sich seinen Ausführungen auf S. 3 des Schriftsatzes vom 9. November 1995 (eingegangen beim FG am selben Tag) entnehmen. Dort hat er ausgeführt, daß auch "die Bescheide über Einkommensteuer 1984, Einkommensteuer 1985, Einkommensteuer 1986 vom 9. Oktober 1995 aufzuheben" seien. Dies kann nur als zeitgleiche Klage gegen die entsprechenden Einkommensteuerbescheide verstanden werden, zumal der Klägervertreter in diesem Zusammenhang Ausführungen zum tatsächlichen Ablauf der Festsetzungsverjährung in Sachen Einkommensteuer gemacht hat.

cc) Von der Aussetzung des Verfahrens konnte auch nicht ausnahmsweise abgesehen werden.

Ein Verfahren in Sachen Folgebescheid kann unterbleiben, wenn eine Entscheidung in einem Grundlagenverfahren nicht zu erwarten ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 9. November 1988 I R 191/84, BFHE 155, 454, BStBl II 1989, 343). Die Ablehnung einer Aussetzung des Verfahrens ist daher im Interesse eines zügigen Gerichtsverfahrens nicht ermessenswidrig, wenn die Grundlagenbescheide beispielsweise wegen verspäteter Klageerhebung bestandskräftig geworden sind. Das über die Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO befindende Gericht ist insoweit nicht im Rahmen einer Ermessensreduzierung auf Null verpflichtet, die Entscheidung des für das Grundlagenverfahren zuständigen Gerichts abzuwarten. Davon unberührt bleibt die Frage, ob das für das Folgeverfahren zuständige Gericht wegen unklarer Verfahrensfragen betreffend Grundlagenbescheid (z.B. bei Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO) sein Verfahren aussetzen kann.

Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte, daß die Klage in Sachen Einkommensteuer 1984 bis 1986 nach Ablauf der Klagefrist erhoben worden ist und damit diese Bescheide bestandskräftig geworden sein sollten. Die Einkommensteuerbescheide datieren vom 9. Oktober 1995 und nicht vom 9. August 1995, wovon das FG irrtümlicherweise ausgegangen ist. Der Klageschriftsatz ist beim FG am 9. November 1995 und damit fristgerecht eingegangen (§ 47 FGO). Es ist zwar nach Aktenlage anzunehmen, daß der Klage kein Vorverfahren i.S. des § 44 FGO vorangegangen ist. Das fehlende Vorverfahren führt aber noch nicht zur Bestandskraft der Einkommensteuerbescheide 1984 bis 1986. Nach § 45 FGO ist die Klage auch ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Behörde, die über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu entscheiden hat, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift dem FG gegenüber zustimmt. Stimmt die Behörde nicht zu, so ist die Klage als außergerichtlicher Rechtsbehelf zu behandeln (§ 45 Abs. 3 FGO). Damit bleibt ein Verfahren i.S. des § 74 FGO "anhängig".

2. In Sachen Kirchensteuer 1987 war eine Aussetzung des Verfahrens nicht geboten. Eine Pflicht zur Aussetzung des Verfahrens besteht nicht, weil der Grundlagenbescheid bereits bestandskräftig geworden ist.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 1987 war weder Einspruch eingelegt noch fristgerecht Klage erhoben worden. Aus den Akten ergibt sich, daß beim Finanzamt kein Einspruch eingelegt wurde. Dem Klageschriftsatz vom 18. September 1995 läßt sich eine Klage in Sachen Einkommensteuer 1987 nicht entnehmen. Der Klägervertreter hat sich vielmehr gegen die Einspruchsentscheidung über den Bescheid über Hinterziehungszinsen vom 8. März 1995 "in Gestalt des Bescheides über Einkommensteuer 1987" gewandt und beantragt, den Bescheid über Hinterziehungszinsen vom 8. März 1995 aufzuheben. Dem Schriftsatz kann daher nicht entnommen werden, daß sich die Klage gegen die Einkommensteuer 1987 richtet. Da die Klage von einem Angehörigen der beratenden Berufe formuliert worden ist, muß sich der Kläger an deren Wortlaut und den dort gestellten Antrag festhalten lassen. Der im Klageschriftsatz gewählten Formulierung "Einspruchsentscheidung über den Bescheid über Hinterziehungszinsen vom 8. März 1995 ... in Gestalt des Bescheides über Einkommensteuer 1987 vom 17. August 1995" läßt sich bei verständiger Würdigung nur entnehmen, daß der Klägervertreter offensichtlich von einer Änderung des Hinterziehungsbescheides durch den Einkommensteuerbescheid 1987 ausgegangen ist. Dafür sprechen seine Ausführungen im Schriftsatz vom 31. Oktober 1995, wonach seiner Meinung nach der Einkommensteuerbescheid 1987 eine Entscheidung über den Einspruch vom 7. April 1995 gegen den Bescheid über Hinterziehungszinsen vom 8. März 1995 darstelle.

Mit Schriftsatz vom 31. Oktober 1995 hat der Klägervertreter darüber hinaus zwar auch beantragt, die Festsetzung der Einkommensteuer 1987 aufzuheben. Eine zu diesem Zeitpunkt erhobene Klage wäre aber verspätet, da der Einkommensteuerbescheid 1987 vom 17. August 1995 als am 20. August 1995 bekannt gegeben gilt und somit die einmonatige Einspruchs- oder Klagefrist am 31. Oktober 1995 abgelaufen gewesen ist. Da das FG somit zu Recht davon ausgegangen ist, daß der Einkommensteuerbescheid 1987 bestandskräftig geworden ist, ist es ermessensgerecht gewesen, von einer Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO abzusehen.

Im übrigen ergeht diese Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.

Ende der Entscheidung

Zurück