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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 26.06.2002
Aktenzeichen: I B 148/00
Rechtsgebiete: KStG


Vorschriften:

KStG § 5 Abs. 1 Nr. 5
KStG § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1
KStG § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist ein nicht rechtsfähiger Verein. Ihm kann jedes in der Bundesrepublik Deutschland tätiges Versicherungsunternehmen (VU) als Mitglied beitreten. Im Jahr 1992 (Streitjahr) waren ca. 200 VU Mitglieder der Klägerin. Ihr Anteil am deutschen Versicherungsmarkt betrug 1993 ca. 90 v.H. Der Zweck der Klägerin ergibt sich aus einem von den Verbänden der Versicherungswirtschaft mit den Verbänden der Versicherungskaufleute, der Geschäftsstellenleiter der Versicherungen und der Versicherungsvermittler und -makler geschlossenen Abkommen zur Durchführung von Provisionsregelungen. Aufgabe der Klägerin war es, etwaige Verstöße gegen das Abkommen zu untersuchen und zu ahnden.

Anlass für das Abkommen und die Gründung der Klägerin waren Erlasse und Verordnungen des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen (BAV), durch die es VU und Versicherungsvermittlern verboten worden war, den Versicherungsnehmern (VN) Sondervergünstigungen --insbesondere Provisionsabgaben-- zu gewähren. Durch die Verbote sollten die VN vor einer übermäßigen Belastung der VU mit Provisionskosten infolge Sondervergütungen an Einzelne geschützt und insoweit gleiche Wettbewerbsbedingungen unter den VU geschaffen werden. Ein weiterer und wesentlicher Anlass war, dass zunehmend Tochtergesellschaften gewerblicher VN als Versicherungsvermittler auftraten (sog. firmenverbundene Vermittler), um gegen Provision Versicherungsschutz für die mit ihnen verbundenen VN zu vermitteln. Die Versicherungswirtschaft sah es als eine berufsständige Aufgabe an, selbst auf der Grundlage der Erlasse und Verordnungen des BAV Missstände bei der Gewährung und Weitergabe von Provisionen zu verhindern und zu beenden.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) veranlagte die Klägerin für das Streitjahr zur Körperschaftsteuer. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, sie sei als Berufsverband gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) von der Körperschaftsteuer befreit, waren erfolglos. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die Steuerbefreiung stehe einem Berufsverband nicht zu, wenn er --wie die Klägerin-- nur in einem eng begrenzten Bereich die wirtschaftlichen Interessen eines Wirtschaftszweiges wahrnehme.

Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten und beantragt sinngemäß, die Beschwerde zu verwerfen.

II. Die Beschwerde ist begründet. Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 KStG sind u.a. Berufsverbände ohne öffentlich-rechtlichen Charakter von der Körperschaftsteuer befreit, wenn ihr Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 KStG gilt dies auch für Zusammenschlüsse von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die wie die Berufsverbände allgemeine ideelle und wirtschaftliche Interessen ihrer Mitglieder wahrnehmen.

Nach den Darlegungen der Klägerin (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) ist in dem von ihr angestrebten Revisionsverfahren die Rechtsfrage zu klären, ob eine Wahrnehmung "allgemeiner" wirtschaftlicher Interessen eines Berufsstandes oder Wirtschaftszweiges die Wahrnehmung aller oder einer Vielzahl wirtschaftlicher Interessen des Berufsstandes bzw. des Wirtschaftszweiges erfordert (so die Auffassung des FG), oder ob es ausreicht, wenn in einem bestimmten eng begrenzten Bereich die Interessen im Wesentlichen aller Angehörigen des Berufsstandes bzw. des Wirtschaftszweiges wahrgenommen werden (so die Auffassung des Klägers).

2. An der Klärung dieser Rechtsfrage durch den Bundesfinanzhof (BFH) besteht aus Gründen der Rechtseinheit und Rechtssicherheit ein allgemeines Interesse. Die Rechtsfrage ist für eine Vielzahl von Verbänden von Bedeutung und sie lässt sich weder aus dem Gesetz noch aufgrund der bisherigen BFH-Rechtsprechung eindeutig beantworten.

a) Der Begriff "Berufsverband" wird im KStG nicht definiert. § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 KStG lässt jedoch erkennen, dass ein Berufsverband "allgemeine" ideelle und wirtschaftliche Interessen eines Berufsstandes oder Wirtschaftszweiges wahrnehmen muss.

b) Nach der BFH-Rechtsprechung ist ein Berufsverband ein Zusammenschluss von natürlichen Personen oder Unternehmen, der allgemeine, aus der beruflichen oder unternehmerischen Tätigkeit erwachsende ideelle und wirtschaftliche Interessen eines Berufsstandes oder Wirtschaftszweiges wahrnimmt (vgl. BFH-Urteile vom 17. Mai 1966 III 190/64, BFHE 86, 324, BStBl III 1966, 525; vom 15. Juli 1966 III 179/64, BFHE 86, 656, BStBl III 1966, 638; vom 29. August 1973 I R 234/71, BFHE 110, 405, BStBl II 1974, 60; vom 28. Juni 1989 I R 86/85, BFHE 157, 416, BStBl II 1990, 550; s.a. Abschnitt 8 Abs. 1 Satz 1 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1995 --KStR 1995--). Es müssen wirtschaftliche Interessen aller Angehörigen des Berufsstandes oder Wirtschaftszweiges und nicht nur besondere wirtschaftliche Interessen einzelner Angehöriger des Berufsstandes oder Wirtschaftszweiges (Individualinteressen) wahrgenommen werden (BFH-Urteile vom 29. November 1967 I 67/65, BFHE 91, 45, BStBl II 1968, 236; vom 19. März 1975 I R 137/73, BFHE 116, 12, BStBl II 1975, 722; ebenso Abschnitt 8 Abs. 1 Satz 2 KStR 1995).

c) Demnach ist durch die BFH-Rechtsprechung zwar geklärt, dass die wahrzunehmenden "allgemeinen" Interessen gemeinsame Interessen des Berufsstandes oder Wirtschaftszweiges sein müssen und die Wahrnehmung von Individualinteressen einzelner Mitglieder des Verbandes nicht ausreichen (so z.B. auch Augsten in Lademann, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz, § 5 Anm. 61; Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, § 5 KStG Rz. 73a; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 5 KStG Anm. 128; von Twickel in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 5 KStG Rz. 68). Ungeklärt ist aber, ob auch die nur in einem einzigen eng begrenzten Bereich der beruflichen oder unternehmerischen Tätigkeit bestehenden gemeinsamen Interessen "allgemeine" Interessen sind. Die Finanzverwaltung und das Schrifttum gehen zwar offenkundig davon aus, dass ein Verband, der nur ein einziges gemeinsames wirtschaftliches Interesse eines Wirtschaftszweiges wahrnimmt, ein steuerbefreiter Berufsverband sein kann. Denn die Arbeitgeberverbände, die nur in einem --wenn auch sehr wichtigen-- Teilbereich die Interessen ihres Wirtschaftszweiges wahrnehmen, werden bisher als Berufsverbände i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG angesehen (s. Abschnitt 8 Abs. 2 KStR 1995; Augsten, a.a.O., § 5 Anm. 65; Frotscher, a.a.O., § 5 KStG Rz. 74; von Twickel, a.a.O., § 5 KStG Rz. 70). Die Formulierung in dem Urteil in BFHE 116, 12, BStBl II 1975, 722, ein Verband sei kein steuerbefreiter Berufsverband, weil er nicht "die" allgemeinen wirtschaftlichen Belange aller Angehörigen des Berufs wahrnehme, schließt aber auch die vom FG für zutreffend erachtete Auslegung nicht aus. Es besteht daher --wie das FG-Urteil zeigt-- Klärungsbedarf.

3. Die Rechtsfrage kann in dem angestrebten Revisionsverfahren auch geklärt werden. Sie ist entscheidungserheblich.

Das FG hat im angegriffenen Urteil zwar sinngemäß ausgeführt: Bei genauer Betrachtung diene die Tätigkeit der Klägerin nicht den Interessen der VU. Sie beschränke sich in erster Linie auf die Überwachung firmenverbundener Vermittler. Die Überwachung dieser Vermittler diene in erster Linie den firmenungebundenen Vermittlern. Die VU würden durch die Einschaltung firmenverbundener Vermittler nicht tangiert. Für sie sei es gleichgültig, ob sie an diese oder an ungebundene Vermittler die Provision zahlten. Die Wahrung der Interessen der Vermittler sei aber keine satzungsgemäße Aufgabe der Klägerin.

Diese wertenden Ausführungen widersprechen jedoch den unstreitigen tatsächlichen Feststellungen des FG, die Klägerin habe Verstöße gegen die Verbote des BAV der Behörde gemeldet, dadurch Interessen der VU gegenüber dem BAV wahrgenommen und diese Interessenwahrung in Einzelfällen komme indirekt den anderen VU und auch den Nichtmitgliedern des Klägers zugute, die sich an die Verbote des BAV hielten.

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