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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 23.01.2008
Aktenzeichen: I B 149/07
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 109 Abs. 1
FGO § 143 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. In einem Verfahren auf Abänderung eines Beschlusses zur Aussetzung der Vollziehung kam es im Zuge einer tatsächlichen Verständigung in einem mehrere Verfahren betreffenden Gesamtkomplex zu einer Erledigung der Hauptsache (Finanzgericht --FG-- des Saarlandes 1 V 13/05). Das Vorbringen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) gegenüber dem FG, dass der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die tatsächliche Verständigung nicht umgesetzt habe, wertete das FG als Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens 1 V 13/05. Dieser Antrag wurde durch den Beschluss des FG vom 24. Januar 2007 1 V 1233/05 als unbegründet zurückgewiesen. Die gegen diesen Beschluss erhobene Anhörungsrüge wurde vom FG als unbegründet zurückgewiesen (Beschluss vom 26. Februar 2007 1 V 1068/07). Die Klägerin erhob daraufhin "Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss - AZ 1 V 1068/07". Sie beantragte, die Nichtigkeit des Beschlusses 1 V 1068/07 festzustellen und den Beschluss aufzuheben. Ein Antrag auf Fortführung des Verfahrens sei von ihr nicht gestellt worden; es sei auch überhaupt kein Verfahren mehr anhängig gewesen, das habe fortgesetzt werden können. Diesen Sachumstand habe das Gericht auch durch einfache Anfrage bei ihr klären können.

Das FG hat die "Klage wegen Nichtigkeit des Beschlusses vom 26. Februar 2007, 1 V 1068/07" durch Urteil vom 30. Mai 2007 1 K 1198/07 --zugestellt am 26. Juni 2007-- als unzulässig abgewiesen. Dagegen wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (Az. I B 111/07).

Die Klägerin hat beim FG am 9. Juli 2007 einen "Antrag auf Tatbestandsberichtigung", auf "Ergänzung des Tatbestandes" und auf "Urteilsergänzung" gestellt und beantragt, den Tatbestand des Urteils vom 30. Mai 2007 im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu berichtigen und zu ergänzen sowie das Urteil durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen.

Das FG hat die Anträge durch Beschluss vom 12. Juli 2007 (1 K 1198/07) zurückgewiesen. In seiner Rechtsmittelbelehrung hat das FG auf die Möglichkeit einer Beschwerde hingewiesen, soweit der Antrag auf Urteilsergänzung zurückgewiesen wurde. Der von der Klägerin erhobenen Beschwerde wurde vom FG nicht abgeholfen (Beschluss vom 1. August 2007).

Mit der Beschwerde macht die Klägerin geltend, dass das FA die Zentralzuständigkeit eines anderen Finanzamts anerkannt habe. Es sei "der Beteiligtenwechsel durchzuführen, die Revision zuzulassen und in der Revision die Entscheidung aufzuheben und zur erneuten Verhandlung mit dem gesetzlich Beteiligten an das Finanzgericht Freiburg zurückzuverweisen". Damit beantragt sie jedenfalls sinngemäß, den angefochtenen Beschluss, soweit er nicht unanfechtbar ist (§ 108 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), aufzuheben.

II. Die Beschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluss ist rechtswidrig und aufzuheben, soweit darin der Antrag auf Urteilsergänzung beschieden wurde. Das FG hätte über diesen Antrag durch Urteil entscheiden müssen.

1. Über einen Antrag auf Urteilsergänzung (§ 109 Abs. 1 FGO) ist unabhängig davon, ob dem Antrag stattgegeben oder ob er abgelehnt wird, durch Urteil zu entscheiden (Rückschluss aus § 109 Abs. 2 Satz 2 FGO; ständige Rechtsprechung, z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. September 1991 VI B 60/91, BFH/NV 1992, 186; vom 27. November 2002 X B 108/02, BFH/NV 2003, 340; siehe auch z.B. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 109 FGO Rz 32; Stapperfend in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 109 Rz 1; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 109 FGO Rz 5; Brandt in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 109 FGO Rz 66, 68). Soweit sich das FG für berechtigt gehalten hat, abweichend davon durch Beschluss zu entscheiden, weil der Antrag der Klägerin unzulässig (rechtsmissbräuchlich) sei, kann dem nicht beigepflichtet werden.

a) Das FG hat zur Begründung darauf verwiesen, dass es darum gehe, eine von der Klägerin augenscheinlich beabsichtigte Verfahrensverschleppung zu verhindern. Hier bestehe eine Parallele zur Entscheidung über rechtsmissbräuchlich gestellte Ablehnungsanträge. Die Verfahrensverschleppungsabsicht der Klägerin sei schon im gerichtlichen Verfahren, das zum Urteil geführt habe, ersichtlich gewesen und zeige sich auch an dem Inhalt der Begründung des Urteilsergänzungsantrags, der sich nicht am Tatbestand des § 109 Abs. 1 FGO orientiere. Würde im Urteilswege entschieden, drohe eine weitere Verzögerung mit Blick auf die Aktenübersendung an den BFH im Verfahren I B 111/07 und durch zu erwartende Fristverlängerungs-, Terminverlegungs- oder Ablehnungsanträge bzw. Verfahrensrügen der Klägerin. Nicht zuletzt könne die Klägerin nach einem für sie nachteilig entschiedenen (Ergänzungs-)Urteil durch einen weiteren Ergänzungsantrag nochmals das Verfahren (des § 109 FGO) in Gang setzen und damit eine abschließende Entscheidung unmöglich machen.

b) Dass ein ausdrücklich als Urteilsergänzungsantrag gestellter Antrag tatsächlich auf etwas anderes als eine Urteilsergänzung i.S. des § 109 Abs. 1 FGO gerichtet ist, macht diesen Antrag unbegründet, aber nicht unzulässig (s. z.B. den Gegenstand des BFH-Beschlusses in BFH/NV 2003, 340). Auch kann die Befürchtung, ein Beteiligter werde sich in einer verfahrensverzögernden Weise verhalten, den gesetzlich vorgegebenen Verfahrensablauf nicht bestimmen. Aus der vom FG in Bezug genommenen Rechtsprechung zur Entscheidungsbefugnis bei rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsanträgen (vgl. Nachweise bei Koch in Gräber, a.a.O., § 51 Rz 71) lässt sich kein allgemeiner Rechtsgrundsatz ableiten, der besagt, dass bei als rechtsmissbräuchlich gewerteten Verfahrensanträgen nach dem Ermessen des Gerichts vom gesetzlichen Verfahrensablauf abgewichen werden kann.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 FGO in entsprechender Anwendung (zur Anwendung in einem Beschlussverfahren s. z.B. BFH-Beschluss vom 20. Februar 1997 X B 232/96, BFH/NV 1997, 606). Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erheben (§ 21 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes).

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