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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 18.03.2002
Aktenzeichen: I B 156/01
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 3
FGO § 69 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist eine durch notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag vom 28. April 1999 gegründete GmbH. Gründungsgesellschafter waren FB, AH und TB. Diese hatten sich bereits mit Wirkung ab 1. Januar 1999 zu einer Vorgründungsgesellschaft (zur Terminologie s. Senatsurteil vom 8. November 1989 I R 174/86, BFHE 158, 540, BStBl II 1990, 91) zusammengeschlossen. Geschäftsführer waren im Jahr 1999 (Streitjahr) und auch in den Folgejahren FB und AH. Beide waren je zu 40 v.H. am Stammkapital der Antragstellerin beteiligt.

Nach den im Streitjahr geltenden Geschäftsführer-Anstellungsverträgen, die das Datum des 30. Dezember 1998 tragen, erhält jeder der Geschäftsführer als Vergütung für seine Tätigkeit eine Gewinntantieme von 24 v.H. des Jahresüberschusses der Gesellschaft vor Abzug der Steuern vom Einkommen und Ertrag sowie der Tantieme. Ab dem 1. Juli 2001 sollten die Geschäftsführer zusätzlich ein monatliches Grundgehalt von 2 500 DM erhalten. Die Tantiemeansprüche für das Streitjahr betrugen nach den Berechnungen der Antragstellerin insgesamt 57 954 DM. Sie wurden in der Bilanz zum 31. Dezember 1999 als Rückstellung ausgewiesen.

Bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer und des Gewerbesteuermessbetrages für das Streitjahr vertrat der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, die Vermögensminderung aufgrund der Tantiemerückstellung sei eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Das FA erließ am 4. Juli 2001 Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide, denen diese Rechtsauffassung zugrunde liegt.

Die Antragstellerin legte form- und fristgerecht Einsprüche ein und beantragte, die Vollziehung der beiden Bescheide in Höhe des streitigen Steuer- bzw. Steuermessbetrages auszusetzen. Über die Einsprüche wurde bisher noch nicht entschieden. Die beantragte Aussetzung der Vollziehung lehnte das FA ab.

Die Antragstellerin wiederholte daraufhin beim Finanzgericht (FG) den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, dem das FG durch Beschluss vom 9. November 2001 stattgab.

Mit der Beschwerde beantragt das FA, den FG-Beschluss aufzuheben und die Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde war als unbegründet zurückzuweisen.

1. Der beschließende Senat legt den Tenor des FG-Beschlusses dahingehend aus, dass die Vollziehung der Bescheide vom 4. Juli 2001 nicht in vollem Umfang, sondern nur insoweit ausgesetzt worden ist, als die festgesetzte Steuer bzw. der festgesetzte Steuermessbetrag auf der streitigen vGA beruht. Eine weiter gehende Aussetzung der Vollziehung wurde auch im finanzgerichtlichen Verfahren nicht beantragt (s. Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 15. Oktober 2001 an das FG in Verbindung mit den ihm beigefügten Kopien der Schreiben an das FA vom 9. und 14. August 2001). Die sich ohne Ansatz einer vGA ergebenden Steuer- bzw. Steuermessbeträge sind unstreitig. Insoweit ist auch das FG von der Rechtmäßigkeit der Bescheide offenkundig ausgegangen.

2. Die Vollziehung der angefochtenen Bescheide wurde vom FG zu Recht gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) antragsgemäß ausgesetzt. An der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestehen ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO. Das FA beurteilte die Tantiemerückstellung möglicherweise zu Unrecht als vGA.

a) Zutreffend gehen die Verfahrensbeteiligten davon aus, dass die Rückstellung alle Voraussetzungen einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) erfüllt, falls die Tantiemevereinbarungen nicht ausschließlich durch das zwischen der Antragstellerin und FB bzw. AH bestehende Dienstverhältnis, sondern auch durch das zwischen ihnen bestehende Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind.

b) Nach ständiger Rechtsprechung des beschließenden Senats ist von einer (Mit)Veranlassung einer Tantiemevereinbarung durch das Gesellschaftsverhältnis auszugehen, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einem Geschäftführer, der kein Gesellschafter ist und auch keinem Gesellschafter nahe steht (sog. Fremdgeschäftsführer), keine entsprechende Tantiemezusage erteilt hätte (s. Senatsurteil vom 15. März 2000 I R 74/99, BFHE 192, 267, BStBl II 2000, 547, m.w.N.). Dies gilt auch für Tantiemevereinbarungen, die im Zusammenhang mit der Gründung der Gesellschaft abgeschlossen werden (Senatsurteil vom 28. Juni 1989 I R 89/85, BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854).

Besteht die Vergütung des Gesellschafter-Geschäftsführers ausschließlich in einer Gewinntantieme (sog. Nur-Gewinntantieme), ist dies ein Indiz für die Mitveranlassung der Tantiemevereinbarung durch das Gesellschaftsverhältnis. Solche Vereinbarungen werden mit Fremdgeschäftsführern in der Regel nicht abgeschlossen. Ein Fremdgeschäftsführer wird --anders als ein Gesellschafter-- grundsätzlich nicht bewusst das Risiko eingehen, für seine Arbeitsleistung im Ergebnis keine Vergütung zu erhalten. Dieses Risiko ist bei einer Nur-Gewinntantieme gerade in der Anlaufphase eines Betriebs erheblich, da in dieser Zeit sehr oft Anlaufverluste entstehen. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter wird dies bei der Ausgestaltung der Tantiemevereinbarung berücksichtigen. Er wird sich nicht ausschließlich von dem Interesse der Gesellschaft an einer Minderung der Fixkosten leiten lassen, sondern auch auf das berechtigte Interesse des Geschäftsführers Rücksicht nehmen, für seine Dienste in Verlustjahren eine Mindestvergütung zu erhalten (vgl. Senatsurteil vom 17. Mai 1995 I R 147/93, BFHE 178, 203, BStBl II 1996, 204, zur "Nur-Pensionszusage").

Die Indizwirkung des Fremdvergleichs (s. Senatsurteil vom 19. März 1997 I R 75/96, BFHE 183, 94, BStBl II 1997, 577) kann allerdings entkräftet werden. Dazu muss nachprüfbar dargelegt werden, dass die zu beurteilende Vereinbarung für die Gesellschaft wirtschaftlich sachgerecht ist und sich auch ein Fremdgeschäftsführer auf sie eingelassen hätte. Ist dies aufgrund einer wertenden Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes zu bejahen, scheidet eine Mitveranlassung der Vereinbarung durch das Gesellschaftsverhältnis grundsätzlich aus.

c) Für den Streitfall ist eine Mitveranlassung der Tantiemevereinbarungen durch das Gesellschaftsverhältnis möglicherweise aus folgenden Gründen zu verneinen:

Wirtschaftlich waren die Tantiemevereinbarungen nach dem bisher bekannten Sachverhalt aus der Sicht der Antragstellerin sachgerecht. Sie minderten die Fixkostenbelastung der Antragstellerin, was insbesondere in der Anlaufphase des Betriebs für die Antragstellerin von Vorteil sein konnte. Außerdem boten sie den Geschäftsführern einen auch für die Antragstellerin vorteilhaften Anreiz, möglichst schon in der Aufbauphase Gewinne zu erzielen. Soweit bisher erkennbar, war der Tantiemesatz auch nicht überhöht.

Dass die Vereinbarungen keine betragsmäßige obere Begrenzung der Tantiemen enthalten, war wirtschaftlich nicht notwendig nachteilig. Zwar hat der beschließende Senat im Urteil vom 27. März 2001 I R 27/99 (BFHE 195, 228, BStBl II 2002, 111) die Vereinbarung einer Nur-Gewinntantieme als durch das Gesellschaftsverhältnis mitveranlasst beurteilt, weil sie weder zeitlich noch betragsmäßig begrenzt war. Der seinerzeitige Streitfall wies aber die Besonderheiten auf, dass die Gesellschaft in einer Branche tätig war, in der starke Ergebnisschwankungen nicht ungewöhnlich waren, und dass die Nur-Gewinntantieme zu einer Gewinnabsaugung durch den Alleingesellschafter führte. Im Streitfall ist die Zahlung der Gewinntantiemen in Form von Nur-Gewinntantiemen zeitlich auf die Aufbauphase begrenzt. Eine betragsmäßige Begrenzung nach oben war möglicherweise deshalb wirtschaftlich nicht geboten, weil in der Aufbauphase noch nicht mit hohen Erträgen zu rechnen war. Zu einer Gewinnabsaugung führten die Tantiemenvereinbarungen offensichtlich nicht. Entgegen der Auffassung des FA ist der Streitfall auch nicht mit dem Sachverhalt vergleichbar, der dem Senatsurteil vom 2. Dezember 1992 I R 54/91 (BFHE 170, 119, BStBl II 1993, 311) zugrunde liegt. Die Ansprüche der Gesellschafter-Geschäftsführer auf die Nur-Gewinntantieme sind im Streitfall bereits deshalb wirtschaftlich nicht mit Ansprüchen auf Gewinnausschüttungen identisch, weil FB und AH nur zu je 40 v.H. am Stammkapital der Antragstellerin beteiligt waren.

Auch ein Fremdgeschäftsführer hätte möglicherweise eine entsprechende Tantiemevereinbarung abgeschlossen, da das mit der Nur-Gewinntantieme verbundene Risiko für die Geschäftsführer gering war. Nach den Anstellungsverträgen mussten die Geschäftsführer nur zehn Stunden pro Woche und Person der Antragstellerin zur Verfügung stehen. Daher konnten sie ihre Arbeitskraft weit überwiegend auch anderweitig zur Erzielung von Einkünften einsetzen. Sie waren somit für die Deckung ihrer Lebensführungskosten nicht auf gesicherte und regelmäßige Geschäftsführervergütungen der Antragstellerin angewiesen. Dem Risiko, ohne Vergütung ca. zweieinhalb Jahre lang zehn Stunden pro Woche zu arbeiten, stand die möglicherweise von vornherein höher einzuschätzende Chance gegenüber, bereits in der Aufbauphase des Betriebs eine angemessene gewinnabhängige Vergütung zu erhalten und nach zweieinhalb Jahren zusätzlich ein Festgehalt.

Da in Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung die Sach- und Rechtslage nur summarisch zu prüfen ist, reichen diese Tatsachen und Überlegungen für ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide aus. Die endgültige und vertiefte wertende Beurteilung der Tantiemevereinbarungen muss dem Einspruchsverfahren und einem sich etwa anschließenden gerichtlichen Verfahren vorbehalten bleiben.

3. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide können auch deshalb bestehen, weil die Antragstellerin bei der Ermittlung des Gewinns offenkundig Geschäftsvorfälle der Vorgründungsgesellschaft berücksichtigte und das FA dem bei der Veranlagung gefolgt ist (s. Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 1999 und Schlussbilanz zum 31. Dezember 1999). Ob und inwieweit sich dies zum Nachteil der Antragstellerin auswirkte, kann der beschließende Senat jedoch --da in diesem Verfahren nicht entscheidungserheblich-- offen lassen.

Ende der Entscheidung

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