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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 01.08.2002
Aktenzeichen: I B 162/01
Rechtsgebiete: AO 1977, HGB, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 193 Abs. 1
HGB § 249 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 105 Abs. 2 Nr. 5
FGO § 116 Abs. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung.

Bei der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer GmbH, die in der Betriebsgrößenklasse "Kst-Betrieb" eingestuft war, fand im Januar 1998 eine Betriebsprüfung für die Jahre 1994 bis 1996 statt. Mit Bescheid vom 14. Dezember 2000 ordnete der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) eine weitere Betriebsprüfung für den Zeitraum 1997 bis 1999 an. Die Prüfungsanordnung wurde auf § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützt und nicht weiter begründet.

Der Einspruch der Klägerin gegen die Prüfungsanordnung hatte keinen Erfolg. In der Einspruchsentscheidung ist unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Wesentlichen ausgeführt, dass bei Steuerpflichtigen mit Einkünften aus Gewerbebetrieb eine Außenprüfung ohne weitere Voraussetzungen zulässig sei (§ 193 Abs. 1 AO 1977) und dass die Anordnung einer "Routineprüfung" durch den Hinweis auf diese gesetzliche Regelung ausreichend begründet werde. Das gelte auch im Streitfall, in dem ein besonderer Prüfungsanlass nicht erkennbar sei.

In dem daraufhin eingeleiteten Klageverfahren machte die Klägerin geltend, dass es im Streitfall nicht um eine Routineprüfung im Sinne der vom FA herangezogenen BFH-Rechtsprechung gehe. Vielmehr solle die Klägerin aus besonderem Grund einer Anschlussprüfung unterzogen werden. Das habe eine Einsichtnahme in die Betriebsprüfungsakte ergeben, die eine "Vormerkung für den Prüfungsgeschäftsplan" enthalte. Ausweislich dieser "Vormerkung" gebe es für die Prüfung vier Gründe, nämlich "Rückstellung nach § 249 Abs. 2 HGB", "Fremdleistungen", "Vermerk Umsatzsteuer-Sonderprüfung" und die Geschäftsbeziehung der Klägerin zum Einzelunternehmen ihres Gesellschafters. Außerdem werde in der "Vormerkung" auf eine Mitteilung eines anderen FA verwiesen. Hier liege der wahre Hintergrund für die erneute Anordnung einer Prüfung, der indessen vom FA nicht offen gelegt worden sei. Deshalb fehle es an der erforderlichen Begründung der Prüfungsanordnung.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung seines Urteils verwies es auf die Einspruchsentscheidung, die zutreffend sei. Die Klägerin habe nicht substantiiert dargelegt, dass das FA sein Auswahlermessen pflichtwidrig ausgeübt habe. Die in der Vormerkung für den Prüfungsgeschäftsplan enthaltenen Gründe hätten "nach Aktenlage bei der Anordnung der Betriebsprüfung keinen Niederschlag gefunden". Eine Auseinandersetzung mit den darauf gestützten Einwendungen der Klägerin erübrige sich damit.

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, dass die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen sei. Zudem liege ein Verfahrensmangel darin, dass das FG nicht nachvollziehbar begründet habe, weshalb die in der "Vormerkung" genannten Gründe bei der Anordnung der Prüfung keine Rolle gespielt hätten.

Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG. Dessen Urteil leidet an einem Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), da es nicht in ausreichender Weise mit Gründen versehen ist.

1. Nach § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO muss das Urteil eines FG u.a. Entscheidungsgründe enthalten. Fehlt es daran, so liegt ein Verfahrensmangel vor (von Groll in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 105 Rz. 26), der nach neuem Recht (FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze --2.FGOÄndG-- vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567) mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden kann (BFH-Beschlüsse vom 29. August 2001 X B 36/01, BFH/NV 2002, 348; vom 25. März 2002 VI B 98/01, BFH/NV 2002, 810, m.w.N.).

2. Die von § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO geforderte Begründung eines Urteils dient vor allem der Unterrichtung der Verfahrensbeteiligten darüber, auf welchen Feststellungen und Überlegungen die richterliche Entscheidung beruht (BFH-Beschluss vom 9. Februar 2000 VIII R 27/99, BFH/NV 2000, 968, 969; BFH-Urteil vom 20. Juni 2000 VIII R 47/99, BFH/NV 2001, 46). Dazu muss zwar das Gericht nicht auf jede Einzelheit des Sachverhalts und des Beteiligtenvortrags ausführlich eingehen. Zudem kann es auf Erwägungen in dem angefochtenen Verwaltungsakt oder in der angefochtenen Einspruchsentscheidung Bezug nehmen, wenn und soweit es diesen Erwägungen folgt (§ 105 Abs. 5 FGO). Ein Verstoß gegen das Begründungsgebot liegt jedoch u.a. dann vor, wenn das Gericht einen wesentlichen Streitpunkt entweder überhaupt nicht erörtert (BFH-Urteile vom 29. November 2000 I R 16/00, BFH/NV 2001, 626; vom 27. März 2001 I R 80/99, BFH/NV 2001, 1277; vom 31. Mai 2001 IV R 93/99, BFH/NV 2001, 1570) oder mit formelhaften und inhaltlich nicht nachvollziehbaren Wendungen abhandelt (BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 46). Bei einer Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung ist ein Begründungsmangel gegeben, wenn sich auch unter Berücksichtigung der Einspruchsentscheidung nicht erkennen lässt, aus welchen Überlegungen heraus das Gericht einen entscheidungserheblichen Punkt in einem bestimmten Sinne beurteilt hat.

3. Im Streitfall liegt eine solche Situation vor. Die Klägerin hatte ihre Klage u.a. darauf gestützt, dass die angefochtene Prüfungsanordnung nicht ausreichend begründet worden sei. Sie hatte ferner geltend gemacht, dass es im Streitfall nicht um eine Routineprüfung gehe, sondern dass das FA aus besonderen --von ihr aufgezeigten-- Gründen eine Anschlussprüfung angeordnet habe. Angesichts dessen musste sich das FG mit der Frage auseinander setzen, ob die letztgenannte Behauptung der Klägerin zutraf und --bejahendenfalls-- ob eine anlassbezogene Prüfungsanordnung auch in den Fällen des § 193 Abs. 1 AO 1977 näher begründet werden muss. Das ist nicht in nachvollziehbarer Weise geschehen.

Denn das FG hat sich zu der "Vormerkung" im Prüfungsgeschäftsplan nur dahin geäußert, dass diese "nach Aktenlage bei der Anordnung der Prüfung keinen erkennbaren Niederschlag gefunden" habe. Wie es zu dieser Würdigung gelangt ist, wird in dem angefochtenen Urteil nicht erläutert. Insbesondere ist nicht erkennbar, welchen Akteninhalt das FG seiner Beurteilung zu Grunde gelegt hat und welche Prüfungsveranlassung sich nach Einschätzung des FG aus diesem Akteninhalt ergibt. Damit ist weder für die Verfahrensbeteiligten ersichtlich noch in einem Rechtsmittelverfahren überprüfbar, ob die Würdigung des FG auf zumindest nachvollziehbaren Überlegungen beruht. Das aber ist Voraussetzung für das Vorliegen von "Entscheidungsgründen" i.S. des § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO.

4. Entgegen der Ansicht des FA scheitert die Nichtzulassungsbeschwerde nicht daran, dass die Beschwerdebegründung keine Ausführungen dazu enthält, inwieweit das angefochtene Urteil auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann. Denn wenn einem Urteil die erforderlichen Entscheidungsgründe fehlen, wird die Ursächlichkeit dieses Mangels für den Urteilsinhalt gesetzlich vermutet (§ 119 Nr. 6 FGO). Hierzu bedarf es deshalb keiner Darlegung seitens des beschwerdeführenden Verfahrensbeteiligten.

5. Nach § 116 Abs. 6 FGO kann, wenn mit der Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich ein Verfahrensmangel gerügt wird, der BFH das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit an das FG zurückverweisen. Der Senat hält es für sachgerecht, im Streitfall in dieser Weise zu verfahren. Denn für eine sachgerechte Würdigung des Vorbringens der Klägerin bedarf es weiterer Feststellungen zur Veranlassung der angefochtenen Prüfungsanordnung, die nur in der Tatsacheninstanz getroffen werden dürfen.

Ende der Entscheidung

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