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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.02.2001
Aktenzeichen: I B 163/00
Rechtsgebiete: BGB, FGO


Vorschriften:

BGB § 719 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob verspätet geleistete Mietzahlungen steuerlich als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zu qualifizieren sind.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH, an deren Stammkapital ihre Geschäftsführer R und S jeweils zur Hälfte beteiligt sind. Sie hatte in den Streitjahren (1991 und 1992) von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die aus R und S bestand (nachfolgend: GbR), Teile eines bebauten Grundstücks angemietet. Mietbeginn war der 1. Juni 1991; zum 1. Januar 1992 wurde der Mietvertrag sowohl hinsichtlich der überlassenen Grundstücksteile als auch hinsichtlich der Höhe des Mietzinses geändert. Nach beiden Fassungen des Vertrages war der Mietzins monatlich im Voraus, spätestens am dritten Werktag eines Monats, zu entrichten. Einen weiteren Teil des Grundstücks hatte die GbR an einen fremden Dritten (D) vermietet.

Am 22. Januar 1992 leistete die Klägerin eine erste Mietzahlung an die GbR, und zwar für Juni bis September 1991. In der Folgezeit wurde die Miete ebenfalls jeweils mit mehreren Monaten Verspätung gezahlt. Am 12. Januar 1993 leistete die Klägerin eine Nachzahlung für Mai bis Dezember 1992; anschließend beglich sie die jeweiligen Mietforderungen jeweils fristgerecht. D zahlte die von ihm geschuldeten Mieten für die Streitjahre ebenfalls verspätet, jedoch --zumindest überwiegend-- erheblich früher als die Klägerin.

In ihren Bilanzen für die Streitjahre wies die Klägerin die rückständigen Mieten jeweils als Verbindlichkeiten aus. Ihre betrieblichen Bankkonten wiesen zum Teil erhebliche Sollsalden, zum Teil aber auch Guthaben auf. In beiden Streitjahren hatte die Klägerin Einlage- und Darlehensforderungen gegenüber ihren Gesellschaftern.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ging im Anschluss an eine Außenprüfung davon aus, dass die Mietverträge zwischen der Klägerin und der GbR nicht vereinbarungsgemäß durchgeführt worden seien und dass die geleisteten Zahlungen deshalb vGA darstellten. Die auf dieser Basis ergangenen Steuerbescheide focht die Klägerin mit Einspruch und Klage an. Im Klageverfahren machte sie u.a. geltend, dass die Verspätung der Mietzahlungen mit ständigen Zahlungsschwierigkeiten zusammenhänge, die auch aus der Überziehung der Bankkonten ersichtlich seien. Sie --die Klägerin-- habe nicht nur gegenüber der GbR, sondern auch gegenüber Banken eingeräumte Kreditlinien unbefugt überschritten. Zudem habe sie Forderungen gegenüber R und S gehabt, die sie jederzeit mit den Mietrückständen hätte aufrechnen können. Schließlich habe die GbR auch im Verhältnis zu D verspätete Mietzahlungen geduldet. Vor diesem Hintergrund halte die Durchführung der Mietverträge einem Fremdvergleich stand.

Nachdem das Finanzgericht (FG) zur mündlichen Verhandlung geladen hatte, teilten die damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin dem FG mit, "auf die ... mündliche Verhandlung" werde "unsererseits verzichtet, soweit der Berichterstatter ... unsere Anwesenheit nicht für erforderlich oder nützlich hält". Hierauf antwortete das FG nicht.

Aufgrund der mündlichen Verhandlung, zu der für die Klägerin niemand erschienen war, wies das FG die Klage ab. Zur Begründung führte es u.a. aus, die Verspätung der Mietzahlungen führe zwar nicht zur Annahme einer vGA, wenn die Nichtdurchführbarkeit des Vertrages sich zwangsläufig aus der Situation der Gesellschaft ergebe. Die Klägerin habe jedoch nicht hinreichend dargetan, dass sie in dem fraglichen Zeitraum unter finanziellen Schwierigkeiten gelitten habe. Auch habe sie gemäß § 719 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nicht mit Forderungen gegen ihre Gesellschafter aufrechnen können. Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu.

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin Verfahrensmängel sowie eine Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.

II. Die Klägerin hat ihre Beschwerde auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F. gestützt. Sie wäre sowohl unter Zugrundelegung dieser Vorschrift, gleichermaßen ist sie nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) nicht begründet.

III.

Das FG hat der Klägerin nicht, wie diese meint, in rechtsfehlerhafter Weise das rechtliche Gehör versagt. Die weiteren Rügen der Klägerin, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt und sei von der Rechtsprechung des BFH abgewichen, sind nicht in statthafter Form erhoben worden.

1. In ihrem Recht auf Gehör sieht sich die Klägerin deshalb verletzt, weil das FG nicht rechtzeitig darauf hingewiesen habe, dass es die behaupteten Liquiditätsschwierigkeiten für nicht hinreichend dargelegt halte und dass hinsichtlich der geltend gemachten Aufrechnungssituation § 719 Abs. 2 BGB zu beachten sei. Diese Rüge geht fehl. Die Klägerin verkennt hierbei, dass es zur Gewährung des rechtlichen Gehörs ausreicht, wenn eine Streitsache mündlich verhandelt wird und der Beteiligte in diesem Rahmen seinen Standpunkt zur Geltung bringen kann. Etwas anderes gilt nur dann, wenn entweder ein Beteiligter zur mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß oder nicht rechtzeitig geladen wurde (BFH-Urteil vom 21. Januar 1981 II R 91/79, BFHE 132, 394, BStBl II 1981, 401) oder wenn das Gericht aufgrund einer Sachverhaltswürdigung oder einer rechtlichen Erwägung entscheidet, die im gesamten Verfahren nicht angesprochen worden war und mit der der unterliegende Beteiligte vernünftigerweise nicht rechnen musste (BFH-Urteil vom 23. September 1999 VI R 106/98, BFH/NV 2000, 448, m.w.N.). Um beide Gestaltungen geht es im Streitfall nicht.

Denn ein Mangel der Ladung liegt nicht vor und wird auch von der Klägerin nicht geltend gemacht. Und in der Sache hatte das FA sowohl in seiner Einspruchsentscheidung als auch in der Klageerwiderung ausgeführt, dass die von der Klägerin geltend gemachte Aufrechnungslage nicht bestanden habe und dass "Liquidationsengpässe" --gemeint ist ersichtlich: Liquiditätsengpässe-- für die fragliche Zeit nicht hätten festgestellt werden können. Damit war der Vortrag der Klägerin in beiden Punkten in Frage gestellt, und die Klägerin musste auch ohne besonderen Hinweis damit rechnen, dass das FG jeweils dem FA folgen könnte. Wenn dies in der Folge geschah, so liegt darin keine Überraschungsentscheidung (vgl. BFH-Urteil vom 11. Oktober 1989 II R 147/85, BFHE 158, 462, BStBl II 1990, 188).

Das FG war hiernach insbesondere nicht verpflichtet, schon im Vorfeld der mündlichen Verhandlung auf seine eigene Einschätzung und die sich hieraus ergebenden Konsequenzen hinzuweisen. Es durfte vielmehr davon ausgehen, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit haben würde, den Überlegungsstand des Gerichts zu erfahren und hierzu Stellung zu nehmen. Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Klägerin angekündigt hatte, zum Termin ggf. nicht zu erscheinen; das Gericht war nicht gehalten, der fachkundig vertretenen Klägerin in diesem Punkt Ratschläge zu erteilen. Denn das gebotene Gehör wird --eine ordnungsmäßige Ladung vorausgesetzt-- schon durch die Möglichkeit der Teilnahme gewährt (BFH-Beschlüsse vom 13. März 1997 III B 185/96, BFH/NV 1997, 773; vom 26. Oktober 1998 I B 29/98, BFH/NV 1999, 627, 628, m.w.N.). Wenn die Klägerin aus freien Stücken von einer Teilnahme an der mündlichen Verhandlung absah, handelte sie insoweit auf eigenes Risiko.

Schließlich kann die Klägerin eine Verletzung des Rechts auf Gehör nicht daraus ableiten, dass in dem Terminsprotokoll des FG dessen Bedenken hinsichtlich der Substantiierung einerseits und der Aufrechnungsmöglichkeit andererseits nicht erwähnt sind. Denn selbst wenn diese Gesichtspunkte in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich angesprochen worden sind, kann darin ein Verfahrensmangel schon deshalb nicht liegen, weil angesichts des voraufgegangenen Vortrags des FA das FG nicht zu entsprechenden Ausführungen verpflichtet war. Es reicht vielmehr aus, dass die Beteiligten Gelegenheit hatten, zur Sach- und Rechtslage Stellung zu nehmen. Das war ausweislich des Terminsprotokolls der Fall.

2. Die Sachaufklärungsrüge und die Divergenzrüge der Klägerin sind nicht in statthafter Form erhoben worden und können deshalb nicht auf ihre inhaltliche Berechtigung überprüft werden. Der Senat verweist hierzu auf die Ausführungen in der Beschwerdeerwiderung des FA und sieht von einer weiteren Begründung gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.



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