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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 02.01.2002
Aktenzeichen: I B 179/00
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 74
FGO § 68
FGO § 155
ZPO § 251 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob das Finanzgericht (FG) ein bei ihm anhängiges Verfahren zu Recht ausgesetzt hat.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurde vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) für das Streitjahr (1983) zur Einkommensteuer veranlagt. Der erstmalige Einkommensteuerbescheid erging im Jahr 1986; in den Jahren 1986, 1989, 1992, 1996 und 1997 erließ das FA verschiedene Änderungsbescheide, in denen es u.a. Bescheide über gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellungen auswertete. Sämtliche Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Gegen die in den Jahren 1996 und 1997 ergangenen Änderungsbescheide legte der Kläger jeweils Einspruch ein. Zur Begründung machte er geltend, dass die Bescheide wegen des Ablaufs von Festsetzungsfristen rechtswidrig seien. Nach Zurückweisung der Einsprüche focht er die betreffenden Bescheide mit der Klage an.

Im Verlauf des Klageverfahrens trug das FA vor, es finde zur Zeit eine Konzernprüfung bei Gesellschaften statt, an denen der Kläger beteiligt sei. Dabei seien u.a. Prüfungsfeststellungen zu der Frage zu treffen, welche Einkünfte des Klägers im Einkommensteuerbescheid 1983 anzusetzen seien. Eine Stellungnahme im Klageverfahren sei im Hinblick auf die laufende Betriebsprüfung zur Zeit nicht möglich.

Das FG erließ daraufhin einen Beschluss, nach dem das Klageverfahren in entsprechender Anwendung des § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt wurde. Die Aussetzung sollte nach dem Beschluss "bis zur Vorlage der Prüfungsfeststellungen (Prüfungsbericht)" andauern. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.

Der Kläger beantragt, den Beschluss des FG über die Aussetzung des Verfahrens aufzuheben.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist begründet. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Klageverfahrens liegen nicht vor.

1. Nach § 74 FGO kann ein finanzgerichtliches Verfahren ausgesetzt werden, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder teilweise von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Eine solche Situation ist im Streitfall nicht gegeben. Insbesondere ist die derzeit noch nicht abgeschlossene Konzernprüfung kein Verfahren, das gegenüber dem Klageverfahren wegen Einkommensteuer i.S. des § 74 FGO vorgreiflich ist.

In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob und ggf. unter welchen Umständen eine Betriebsprüfung überhaupt geeignet sein kann, im Verhältnis zum Steuerfestsetzungsverfahren die Rechtsfolge des § 74 FGO auszulösen. Jedenfalls fehlt es im Streitfall an der erforderlichen Vorgreiflichkeit schon deshalb, weil es im Klageverfahren weder um prüfungsbefangene Vorgänge noch um Bescheide geht, die aufgrund der Prüfung erlassen worden oder in die Prüfungsfeststellungen eingegangen sind. Durch die mit der Klage angefochtenen Bescheide sind vielmehr Grundlagenbescheide ausgewertet worden, die mit der jetzt noch andauernden Prüfung nicht in Verbindung stehen. Angesichts dessen vermag die Durchführung der Prüfung eine Aussetzung des Klageverfahrens nicht zu rechtfertigen.

2. Die vom FG und vom FA angeführten Zweckmäßigkeitserwägungen führen nicht zu einer abweichenden Beurteilung der Rechtslage.

a) Das gilt zunächst im Hinblick auf den Hinweis des FG, dass aufgrund der Konzernprüfung ggf. ein geänderter Einkommensteuerbescheid 1983 ergehen könne, der sodann gegenüber dem jetzt klagebefangenen Bescheid vorgreiflich sei. In diesem Zusammenhang muss nicht erörtert werden, ob im Anschluss an den Erlass eines solchen Änderungsbescheids nach heute geltendem Recht eine Aussetzung des Klageverfahrens in Betracht käme (vgl. hierzu § 68 FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567). Jedenfalls besteht nicht die Möglichkeit, eine solche Aussetzung bereits im Vorgriff auf etwa zu erlassende Änderungsbescheide zu verfügen.

b) Ebenso kann der angefochtene Beschluss nicht damit gerechtfertigt werden, dass die im Klageverfahren benötigten Akten auch für die laufende Betriebsprüfung von Bedeutung sind und dass sich hieraus im Verfahrensablauf praktische Schwierigkeiten ergeben. Diesem Gesichtspunkt könnte allenfalls durch eine Anordnung der Verfahrensruhe (§ 155 FGO i.V.m. § 251 Abs. 1 der Zivilprozessordnung) Rechnung getragen werden. Hierzu bedürfte es indessen des Einverständnisses beider Beteiligten, woran es im Streitfall fehlt.

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