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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.05.2003
Aktenzeichen: I B 211/02
Rechtsgebiete: UmwStG, EStG, AO 1977, FGO


Vorschriften:

UmwStG § 21
EStG § 16
EStG § 34
AO 1977 § 173
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Brüder AB und CB --Großonkel und Großvater des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger)-- waren die alleinigen Gesellschafter der B-KG. Durch Vertrag vom 28. März 1935 gründeten sie zur Fortführung dieser Gesellschaft eine GmbH mit einem Stammkapital von 200 000 RM. Das bisherige Handelsgeschäft wurde in Anrechnung auf dieses Stammkapital mit Aktiven und Passiven in die GmbH eingebracht, und zwar --so der Gesellschaftsvertrag-- zum Bilanzwert vom 31. Dezember 1934 mit 388 299,68 RM. Am 22. Juni 1942 wurde das Stammkapital auf 1,2 Mio. RM erhöht. Zum 21. Juni 1948 erstellte die GmbH eine DM-Eröffnungsbilanz. Ausweislich des Berichts der Geschäftsführung ergab die Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva ein Vermögen von 3 505 063,02 DM gegenüber einem Vermögen laut RM-Schlussbilanz von 2 973 494,07 RM, so dass sich das Reinvermögen um 531 5658,95 M erhöht hatte.

In der Folgezeit fanden verschiedene erb- und eherechtliche Auseinandersetzungen, familiäre Schenkungen und entgeltliche Übertragungen statt. Außerdem wurde im Jahr 1974 das Kapital aus Gesellschaftsmitteln auf 30 Mio. DM und im Jahr 1990 auf 50 Mio. DM erhöht. Der Kläger war seit dem 11. Dezember 1995 zu einem nominellen Anteil von 3 Mio. DM (6 v.H.) an der GmbH beteiligt.

Am 31. Oktober 1996 wurden sämtliche GmbH-Anteile im Nennbetrag von 50 Mio. DM zum Preis von 100 Mio. DM veräußert. Auf den Kläger entfiel ein Veräußerungserlös von 6 Mio. DM.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1996 erwähnte er den Anteilsverkauf nicht. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer dementsprechend zunächst ohne Ansatz eines Veräußerungsgewinns fest. Er erließ dann aber nach Durchführung einer Konzern-Betriebsprüfung einen auf § 173 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Änderungsbescheid, in welchem er einen Gewinn aus der Veräußerung der GmbH-Anteile von 2 719 220 DM als Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfasste. Es handele sich um die Veräußerung sog. einbringungsgeborener Anteile gemäß § 21 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) 1995 i.V.m. §§ 16 und 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Veräußerungsgewinn wurde --unter Berücksichtigung der Werte nach Maßgabe des Gesetzes über die Eröffnungsbilanz in Deutscher Mark und die Kapitalneufestsetzung (DMBilG) vom 21. August 1949 (WiGBl 1949, 279) und des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des D-Markbilanzgesetzes (DMBilErgG) vom 28. Dezember 1950 (BGBl 1950, 811, BStBl I 1951, 32)-- wie folgt berechnet:

Veräußerungserlös /6 000 000 DM/ davon entfallen auf einbringungsgeborene Anteile (unstreitig) 46,67 v.H.// 2 800 200 DM abzüglich// Anschaffungskosten: Kapital lt. DM-Eröffnungsbilanz/ 3 305 063 DM/ davon 70 v.H. gemäß § 3 Abs. 1 DMBilErgG/ 2 313 544 DM/ zuzüglich// 25 v.H. gemäß § 4 Abs. 2 DMBilErgG/ 2 891 930 DM/ Anteil Kläger 6 v.H./ 173 515 DM/ davon einbringungsgeboren 46,67 v.H./ / 80 980 DM abzüglich// nachträgliche Anschaffungs- kosten// 37 819 DM Veräußerungsgewinn// 2 681 401 DM

Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) stützte sein Urteil im Wesentlichen auf folgende Erwägungen:

Der ursprüngliche Bescheid habe nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geändert werden können. Der Veranlagungssachbearbeiter habe erst nach Erlass des Erstbescheides von dem Veräußerungsvorgang Kenntnis erlangt. Auf eine etwaige Kenntnis des Betriebsprüfers oder des Sachbearbeiters der Körperschaftsteuerstelle im FA komme es nicht an. Gleichermaßen sei unbeachtlich, ob sich der Verkauf entsprechenden Verlautbarungen der lokalen Presse habe entnehmen lassen.

Zwar könne die Steuerpflicht des Vorganges weder auf die unmittelbare oder die analoge Anwendung des § 21 UmwStG gestützt werden. Diese Vorschrift sei --in Gestalt des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei Änderung der Unternehmensform (UmwStG 1969) vom 14. August 1969 (BGBl I 1969, 1163, BStBl 1969, 498), dort § 18-- erst 1969 in Kraft getreten und beziehe sich nur auf Einbringungen, die nach dem 19. August 1969 erfolgt seien. Rechtsgrundlage für die Einordnung des Gewinns als Einkünfte aus Gewerbetrieb i.S. des § 16 EStG sei jedoch die bereits 1935 --im Zeitpunkt der Einbringung-- bestehende Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs --RFH-- (Urteile vom 9. Mai 1935 VI A 434/30, RFHE 33, 276; vom 12. April 1934 VI A 1559/32, RStBl 1934, 838). Im Einzelnen verweist das FG dazu auf die Folgerechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteile vom 28. Juli 1960 IV 27/59 U, BFHE 71, 411, BStBl III 1960, 403; vom 29. März 1972 I R 43/69, BFHE 105, 271, BStBl II 1972, 537). Sowohl der RFH als auch der BFH seien danach von einer steuerlichen Doppelverstrickung der in dem eingebrachten Betriebsvermögen ruhenden stillen Reserven ausgegangen. Eine rückwirkende Anwendung einer geänderten BFH-Rechtsprechung liege nicht vor. Im Übrigen seien die Beteiligten seinerzeit --im Jahre 1934-- nach den von der RFH-Rechtsprechung eingeräumten Möglichkeiten der Buchwertfortführung verfahren; es handele sich vorliegend um einbringungsgeborene Anteile.

An der Steuerverhaftung der stillen Reserven ändere das Aufstellen der DM-Eröffnungsbilanz der GmbH auf den 21. Juni 1948 nichts. Dadurch sei insbesondere keine neue, steuerlich unverhaftete Gesellschaft entstanden. Im Übrigen hätte aber auch eine etwaige Steuerenthaftung bei der GmbH auf die fortbestehende Steuerverhaftung der einbringungsgeborenen Anteile keine Auswirkung gehabt. Diese Steuerverhaftung habe bis zu deren Veräußerung unabhängig von den Kapitalerhöhungen in den Jahren 1974 und 1990 fortbestanden.

Die Revision sei nicht zuzulassen. Es liege kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor, zumal es sich um aufgelaufenes Recht und zudem um eine seltene Rechtsfrage handele.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision.

Das FA ist dem entgegengetreten.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Soweit der Kläger in der Sache letztlich sein bisheriges Klagevorbringen wiederholt, liegt ein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO schon deshalb nicht vor, weil es sich insoweit um seit langem ausgelaufenes Recht handelt. Insofern genügt es, auf das angefochtene FG-Urteil sowie auf das Senatsurteil in BFHE 105, 271, BStBl II 1972, 537 zu verweisen.

In Letzterem wird an die frühere RFH-Rechtsprechung angeknüpft und diese fortgeführt. Diese Rechtsprechung, die die Rechtslage vor Schaffung des UmwStG 1969 (und dessen § 18, nunmehr § 21 UmwStG 1995) wiedergibt, führt dazu, dass unabhängig von der Beteiligungsquote des Einbringenden und der Zugehörigkeit der Anteile zum Privatvermögen die in den Anteilen ruhenden stillen Reserven bei Veräußerung der Anteile aufzudecken sind. Zwar ist dem Kläger darin beizupflichten, dass der RFH und ursprünglich auch der BFH insoweit lediglich von der Realisierung der stillen Reserven ausgegangen sind, welche im Zeitpunkt der Einbringung bereits vorhanden waren. Im Urteil in BFHE 105, 271, BStBl II 1972, 537 hat der Senat demgegenüber auch jene stille Reserven in die Besteuerung einbezogen, die angewachsen sind, nachdem die Anteile durch eine zum Buchwert oder mit einem Zwischenwert angesetzte Sacheinlage erworben wurden (vgl. ebenso BFH-Urteil vom 26. Januar 1977 VIII R 109/75, BFHE 121, 63, BStBl II 1977, 283; zur Rechtsentwicklung s. Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Vor 8. Teil UmwStG Rz. 2 und § 21 UmwStG Rz. 544, jeweils m.w.N.). An der Entscheidung im Streitfall ändert dies jedoch nichts, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes. Ein --so aber der Kläger-- generelles Verbot der rückwirkenden Anwendung einer geänderten Rechtsprechung gibt es nicht (vgl. auch § 176 Abs. 1 AO 1977). Insbesondere bestand bei Einbringung der Kommanditanteile kein Anspruch darauf, im späteren Veräußerungszeitpunkt nach jenen Maßstäben versteuert zu werden, die im Einbringungszeitpunkt galten. Auf die frühere RFH-Rechtsprechung kommt es deshalb in diesem Punkt nicht (mehr) an.

2. Soweit der Kläger mangelnde Aufklärung des Sachverhalts rügt, bemängelt er im Grunde nicht die Sachaufklärung des FG, sondern die von diesem angewandeten Beweislastregeln, die allerdings dem materiellen und nicht dem formellen Recht angehören (vgl. auch Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 81 ff., m.w.N.). Sollte das FG gegen diese Regeln verstoßen habe, könnte dieser Fehler nur im Rahmen eines nachfolgenden Revisionsverfahrens verfolgt werden; ein Zulassungsgrund liegt darin jedoch nicht.

3. Im Übrigen ergeht dieser Beschluss gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Begründung.

Ende der Entscheidung

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