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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 23.07.2008
Aktenzeichen: I B 28/07
(1)
Rechtsgebiete: FGO, GG, GewStG
Vorschriften:
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3 | |
FGO § 96 Abs. 2 | |
GG Art. 103 Abs. 1 | |
GewStG § 33 Abs. 2 |
Gründe:
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. a) Der von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) behauptete Verfahrensverstoß (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), das Finanzgericht (FG) habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) durch eine Überraschungsentscheidung verletzt, liegt nicht vor.
Ein solcher Verfahrensmangel kommt in Betracht, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte (z.B. Senatsbeschluss vom 13. Juni 2005 I B 8/05, BFH/NV 2005, 1840).
Zwar trifft zu, dass das FG im Gerichtsbescheid vom 7. September 2005 zunächst die Auffassung vertreten hatte, der Zerlegungsbescheid sei rechtswidrig, weil auch in der Gemeinde wohnhafte, jedoch in der Betriebsstätte im Gemeindegebiet nicht beschäftigte Arbeitnehmer berücksichtigt worden seien. Demgegenüber hat es im angefochtenen Urteil angenommen, der Zerlegungsmaßstab des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) führe zu keinen grob unbilligen Ergebnissen i.S. des § 33 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Das FG war aber nicht verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass es nunmehr der Auffassung des FA zu folgen und die Klage abzuweisen gedenke (a.A. in vergleichbaren Fällen wohl Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 90a FGO Rz 18).
Gegenstand des Rechtsstreites war die Frage, ob über den Zerlegungsmaßstab eine Vereinbarung zwischen dem FA einerseits und den am Verfahren der Zerlegung andererseits beteiligten Gemeinden gemäß § 33 Abs. 2 GewStG getroffen worden, und für den Fall, dass dies zu verneinen sei, ob der angewendete Zerlegungsmaßstab --wie von der Klägerin geltend gemacht-- grob unbillig i.S. des § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG sei. Das FA hatte während des gesamten Verfahrens beantragt, den angefochtenen Zerlegungsmaßstab beizubehalten, da, selbst wenn von keiner dementsprechenden Vereinbarung auszugehen sei, die Zerlegungskriterien im Einklang mit dem Senatsurteil vom 28. Oktober 1987 I R 275/83 (BFHE 152, 138, BStBl II 1988, 292) stünden. Die Klägerin durfte, nachdem der Gerichtsbescheid durch den Antrag auf mündliche Verhandlung gegenstandslos geworden war (§ 90a Abs. 3 Halbsatz 2 FGO), nicht darauf vertrauen, das FG werde seine Auffassung beibehalten, zumal die im Gerichtsbescheid vertretene Meinung des FG auf einer missverstandenen Interpretation des Senatsurteils in BFHE 152, 138, BStBl II 1988, 292 beruhte, nach der in der Gemeinde wohnhafte Arbeitnehmer dann nicht zu berücksichtigen seien, wenn sie außerhalb des Gemeindegebietes arbeiteten.
b) Es ist auch nicht anzunehmen, das FG habe den tatsächlich angewandten Zerlegungsmaßstab nicht zur Kenntnis genommen. Zwar führt es auf Seite 30 des Urteils aus, der Faktor Stromeinnahmen sei mit lediglich 20 % angesetzt worden. Hierbei handelt es sich jedoch offensichtlich um ein Versehen, denn im Tatbestand des Urteils wurde der Anteil der Stromeinnahmen am Zerlegungsmaßstab zutreffend mit 30 % ausgewiesen.
2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), da die von der Klägerin aufgeworfene Frage durch die Rechtsprechung geklärt ist.
a) Erstreckt sich eine Betriebsstätte auf mehrere Gemeinden, so ist der Steuermessbetrag auf die Gemeinden zu zerlegen, auf die sich die Betriebsstätte erstreckt, und zwar nach der Lage der örtlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der durch das Vorhandensein der Betriebsstätte erwachsenden Gemeindelasten (§ 30 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 2 GewStG).
Die Rechtsprechung des BFH hat als Zerlegungsmaßstab bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten stets die Berücksichtigung des Faktors Betriebsanlagen neben dem Faktor "wohnende Arbeitnehmer" gefordert. Daneben kann bei Elektrizitätsunternehmen auch noch die Stromabgabe in den einzelnen Gemeinden als zusätzlicher, jedoch nicht alleiniger Faktor berücksichtigt werden (Senatsurteil in BFHE 152, 138, BStBl II 1988, 292).
b) Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob die in der jeweiligen Gemeinde investierten Anlagewerte, die in der Gemeinde wohnhaften Arbeitnehmer sowie die Stromeinnahmen, die in der jeweiligen Gemeinde erzielt werden, als Zerlegungsfaktoren zu berücksichtigen seien, ist --jedenfalls noch für das Streitjahr 1992-- durch die Rechtsprechung geklärt. In welcher Höhe die einzelnen Kriterien zu gewichten sind, ist vor allem eine Frage des Einzelfalls und obliegt daher dem FG. Hinzu kommt, dass das FA seit 1999 einen anderen Zerlegungsmaßstab anwendet, der nach Auffassung der Klägerin das Sachanlagevermögen zutreffend mit 55 %, die Arbeitslöhne in Betriebsstättengemeinden mit 45 % gewichtet und die Stromeinnahmen außer Ansatz lässt.
Ende der Entscheidung
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