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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 26.10.1998
Aktenzeichen: I B 29/98
Rechtsgebiete: KStG, FGO


Vorschriften:

KStG § 47 Abs. 1
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 96 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, wurde für das Streitjahr (1995) im Schätzungswege zur Körperschaftsteuer veranlagt. Außerdem erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) auf der Basis dieser Veranlagung einen Feststellungsbescheid gemäß § 47 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) auf den 31. Dezember 1995. Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage gegen die betreffenden Bescheide hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen.

Im Verlauf des Klageverfahrens hatte die durch ihren Prozeßbevollmächtigten vertretene Klägerin zum einen beantragt, u.a. einen Sachverständigen dazu zu hören, "daß die erklärte Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer-Festsetzung 0.-- DM" sei. Zum anderen hatte sie wiederholt Akteneinsicht begehrt bzw. die "Nichtzuziehung von Akten" gerügt. Zur Frage der Akteneinsicht hatte ihr der Senatsvorsitzende des FG zunächst mit Schreiben vom 16. Oktober 1997 mitgeteilt, daß das FA nur Vorgänge übersandt habe, die der Klägerin bereits vorlägen; deshalb dürfte sich seines Erachtens der Antrag erledigen. Mit Schreiben vom 28. November 1997 war dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin sodann eine Mitteilung des FA über die Übersendung von Akten an das FG zugeleitet und hierzu bemerkt worden, daß "Akteneinsicht nach Terminabsprache jederzeit möglich" sei. Schließlich fand am 5. Dezember 1997 die mündliche Verhandlung statt, in der die Vertreterin des FA erklärte, Steuererklärungen und ein Jahresabschluß der Klägerin seien nicht beim FA eingegangen. Für die Klägerin war zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen.

Das FG hat sein klageabweisendes Urteil hinsichtlich des angefochtenen Feststellungsbescheids (§ 47 Abs. 1 KStG) damit begründet, daß die Klägerin durch diesen Bescheid nicht beschwert und die Klage deshalb insoweit unzulässig sei. Den Körperschaftsteuerbescheid hat es als rechtmäßig beurteilt, da die vom FA vorgenommene Schätzung weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden sei. Dem von der Klägerin gestellten Beweisantrag könne nicht nachgekommen werden, da es an einem zu begutachtenden Jahresabschluß fehle. Der Einwand der Klägerin, ihr sei die Akteneinsicht verweigert worden, sei unbegründet; vielmehr habe die Klägerin von der ihr angebotenen Einsichtsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Das FG hat die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen.

Mit ihrer deswegen erhobenen Beschwerde rügt die Klägerin, daß das FG ihr das rechtliche Gehör verweigert und gegen seine Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts verstoßen habe. Es habe den Rechtsstreit entschieden, ohne daß überhaupt eine Klageerwiderung vorgelegen habe, mithin also erkennbar keinerlei Sachaufklärung betrieben. Auch sei es zu Unrecht den von ihr --der Klägerin-- gestellten Beweisanträgen nicht gefolgt. Zudem werde im Urteil aus den Steuerakten zitiert, ohne daß sie --die Klägerin-- zuvor Gelegenheit erhalten hätte, sich zu dem Akteninhalt zu äußern. Ferner werde ihr im Urteil vorgehalten, daß sie keinen Jahresabschluß und keine Steuererklärung vorgelegt habe; da sie zur Vorlage dieser Unterlagen zuvor nicht aufgefordert worden sei, liege hierin eine Überraschungsentscheidung. Im übrigen habe sie im Rahmen der Klagebegründung erklärt, daß im Streitjahr ein Gewinn nicht angefallen sei; hierin sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Steuererklärung zu sehen.

Schließlich habe das FG ihr die ausdrücklich beantragte Akteneinsicht verweigert. Hätte sie diese Möglichkeit erhalten, so "wäre festgestellt worden, daß die Angelegenheit hier unsachlich durch den Richter behandelt wird; zumindest wäre auch gegen diesen ein Ablehnungsgesuch gestellt worden und wäre sachlich weiter vorgetragen worden, mit dem Erfolg, daß der Klage stattgegeben worden wäre".

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision gegen das Urteil des FG zuzulassen.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde ist zum Teil unzulässig und im übrigen unbegründet.

1. Soweit das angefochtene Urteil den Feststellungsbescheid gemäß § 47 Abs. 1 KStG betrifft, ist die Beschwerde unzulässig. Denn in der Beschwerdeschrift werden keine Gesichtspunkte angeführt, die sich auf diesen Teil des Urteils beziehen. Die Abweisung der gegen den Feststellungsbescheid gerichteten Klage als unzulässig hängt insbesondere weder von der Frage ab, ob die Klägerin für das Streitjahr eine Steuererklärung abgegeben hat und ob diese ggf. Anlaß zu einer weiteren Beweiserhebung hätte geben können, noch können die Erwägungen der Klägerin zum rechtlichen Gehör in irgendeinen Zusammenhang mit diesem Teil des Urteils gebracht werden. Das FG hat vielmehr unabhängig von der materiellen Rechtslage eine Beschwer der Klägerin durch den angefochtenen Feststellungsbescheid verneint, und es ist weder von der Klägerin erläutert worden noch sonst erkennbar, daß diese Beurteilung mit dem von der Klägerin gerügten Verfahrensablauf zusammenhängen könnte. Insoweit fehlt es mithin an der "Bezeichnung" eines Verfahrensmangels i.S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), was hinsichtlich dieses Verfahrensteils zur Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde führt.

2. Hinsichtlich des Rechtsstreits wegen Körperschaftsteuer ist die Beschwerde unbegründet:

a) Die Rüge der Klägerin, daß das FG ihr die Einsicht in von ihm verwertete Akten verweigert habe, ist nicht ordnungsgemäß erhoben worden und kann deshalb bei der Entscheidung des Senats nicht berücksichtigt werden (vgl. Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 115 FGO Rz. 248; Offerhaus in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Anm. 119, m.w.N.). Der diesbezügliche Vortrag der Klägerin genügt nicht denjenigen Anforderungen, die nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde zu stellen sind:

Zwar begründet die fehlerhafte Versagung der Akteneinsicht grundsätzlich eine Verletzung des Rechts auf Gehör und damit einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (Stöcker in Beermann, a.a.O., § 78 FGO Rz. 71; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, § 78 Rz. 2, jeweils m.w.N.). Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann ein dahingehender Mangel jedoch nur dann erfolgreich gerügt werden, wenn im einzelnen dargelegt wird, was bei ordnungsgemäßer Gewährung des Gehörs vorgetragen worden wäre (BFH-Urteil vom 3. Februar 1982 VII R 101/79, BFHE 135, 167, BStBl II 1982, 355; BFH-Beschlüsse vom 19. Juli 1996 VIII B 37/95, BFH/NV 1997, 124; vom 30. August 1996 VIII B 15/95, BFH/NV 1997, 241). Das gilt auch dann, wenn als Verfahrensmangel die Versagung der Akteneinsicht gerügt wird; hier muß zumindest vorgetragen werden, welche Umstände sich aus den betreffenden Akten möglicherweise hätten ergeben können (BFH-Beschlüsse vom 14. Juni 1993 V B 118/92, BFH/NV 1994, 380; vom 13. November 1995 V B 91/95, BFH/NV 1996, 553, 554). Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Klägerin nicht gerecht:

Die Klägerin macht hierzu lediglich geltend, bei Einsicht in die Akten hätte sie feststellen können, daß die Angelegenheit vom Gericht "unsachlich behandelt" und ihr --der Klägerin-- "wesentlicher Vortrag des Beklagten vorenthalten" worden sei. Sie trägt jedoch nicht vor, worin die --wie auch immer zu verstehende-- "Unsachlichkeit" der Behandlung bestehen und inwieweit sich diese aus den Akten ergeben soll. Ebenso läßt ihre Darstellung nicht erkennen, welcher in den Akten niedergelegte Beklagtenvortrag ihr "vorenthalten" worden sein könnte und was sie bei rechtzeitiger Kenntnis dieses Vortrags hierauf entgegnet hätte. Im Kern erschöpft sich die Kritik der Klägerin darin, daß ihr die Akteneinsicht zu Unrecht verweigert worden sei; das reicht aber ohne einen weiteren Vortrag dazu, welche konkreten Nachteile der Klägerin durch das beanstandete Verfahren des FG entstanden sind, für eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge gerade nicht aus.

b) Soweit die Klägerin die Verletzung des Rechts auf Gehör unter dem Gesichtspunkt der "Überraschungsentscheidung" rügt, ist die Beschwerde unbegründet. Die Klägerin führt hierzu zwar aus, das FG habe erstmals im Urteil dargelegt, daß sie --die Klägerin-- für das Streitjahr weder eine Steuererklärung noch einen Jahresabschluß vorgelegt habe. Diese Rüge geht jedoch bereits deshalb fehl, weil ausweislich des in den FG-Akten befindlichen Terminsprotokolls das Fehlen der genannten Unterlagen in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erörtert worden ist. Der genannte Gesichtspunkt durfte daher in dem Urteil des FG verwertet werden (§ 96 Abs. 2 FGO), auch wenn die Klägerin --und ebenso ihr Prozeßvertreter-- an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat (vgl. Stöcker, a.a.O., § 90 FGO Rz. 5). Dem Recht der Klägerin auf Gehör wurde bereits durch die Möglichkeit der Teilnahme genügt.

c) Schließlich kann die Beschwerde auch insoweit keinen Erfolg haben, als die Klägerin rügt, daß das Gericht eine gebotene Sachaufklärung unterlassen habe und insbesondere ihren Beweisanträgen nicht nachgegangen sei. Denn eine solche Rüge wäre nur dann zulässig erhoben worden, wenn die Klägerin konkrete Umstände angegeben hätte, die das FG hätte aufklären müssen und aufzuklären unterlassen hat. Hieran fehlt es im Streitfall:

Die Klägerin macht mit ihrer Sachaufklärungsrüge zum einen geltend, daß das FG sogleich zur mündlichen Verhandlung geschritten sei, ohne diese zuvor im schriftlichen Verfahren vorbereitet zu haben. Sie trägt hierzu jedoch nicht vor, inwieweit es durch diese Vorgehensweise zu einer Verkürzung der Aufklärung entscheidungserheblicher Tatsachen gekommen ist. Inbesondere gibt sie nicht an, welche tatsächlichen Umstände zusätzlich zur Sprache gekommen wären, wenn das FG --wie die Klägerin es für geboten erachtet-- vor einer Terminierung des Rechtsstreits zunächst den Eingang einer schriftlichen Klageerwiderung abgewartet hätte. Daher hat sie auch insoweit einen Verfahrensmangel nicht in zulässiger Form gerügt, weshalb die Beschwerde insoweit unzulässig ist.

Im Ergebnis dasselbe gilt in bezug auf den Vortrag der Klägerin, das FG habe eine von ihr beantragte Beweiserhebung unterlassen. Denn der von der Klägerin gestellte Antrag, einen Sachverständigen zur Höhe der Steuerbemessungsgrundlage zu hören, war in dieser Form ohnehin unzulässig; die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Steuer ist nämlich unmittelbar Aufgabe des FG, das allenfalls zu hierfür vorgreiflichen Fragen Beweis erheben kann. Deshalb hätte im Streitfall ein Sachverständiger nur dann eingeschaltet werden können, wenn solche vorgreiflichen Fragen aufgetreten wären. Das aber war nach der ausdrücklich erklärten Einschätzung des FG schon deshalb nicht der Fall, weil es an einem Jahresabschluß fehlte, der ggf. von einem Sachverständigen hätte begutachtet werden können. Angesichts dessen hätte die Klägerin nunmehr (mindestens) darlegen müssen, daß entweder --entgegen der Feststellung des FG-- der Jahresabschluß sehr wohl vorlag oder welche andere Form der Beweiserhebung sich für das FG hätte aufdrängen müssen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 40, m.w.N.). Das ist nicht geschehen, weshalb in diesem Punkt die Voraussetzung einer zulässigen Verfahrensrüge ebenfalls nicht erfüllt ist.

Ende der Entscheidung

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