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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 21.02.2006
Aktenzeichen: I B 32/05
Rechtsgebiete: AStG, FGO, AO 1977


Vorschriften:

AStG §§ 7 ff.
AStG § 18
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2
AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
AO 1977 § 180 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Einkommensteuerveranlagung über den Ansatz einer bei einer sog. Zwischengesellschaft angefallenen verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) und den Ansatz von Beteiligungseinkünften.

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) werden als Ehegatten zur Einkommensteuer des Streitjahres 1976 veranlagt. Der Kläger erzielte u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Beteiligung an der X-KG und der Y-KG). Der Kläger hielt in seinem Privatvermögensbereich auch eine Beteiligung an der in der Schweiz ansässigen A-S.A.; diese Firma --an der auch die weiteren Gesellschafter der Y-KG beteiligt waren-- war als Zwischengesellschaft i.S. der §§ 7 ff. des Außensteuergesetzes (AStG) anzusehen.

Die Veranlagung erfolgte zunächst entsprechend den Angaben der Steuererklärung. Durch einen Änderungsbescheid vom 8. August 1983 wurde die Einkommensteuer vom Beklagten und Beschwerdegegner (dem Finanzamt --FA--) u.a. unter Auswertung einer Mitteilung des feststellenden Finanzamts zur Beteiligung an der X-KG (Anteil an den laufenden Einkünften: 2 660 035 DM) und unter Ansatz einer vGA von 161 468 DM (aus der A) festgesetzt. Dem Ansatz der vGA lag der Verkauf einer Kapitalgesellschafts-Beteiligung durch die A an die Y-KG zugrunde. Unter Hinweis auf einen unter dem Verkehrswert liegenden Kaufpreis wurde eine vGA angenommen, die dem Kläger als Beteiligten der A entsprechend seinem Beteiligungsverhältnis zugerechnet wurde (der festgestellte Hinzurechnungsbetrag wurde später gemäß § 11 AStG a.F. entsprechend gekürzt).

Das Einspruchsverfahren, das sich gegen den Ansatz der vGA richtete, wurde antragsgemäß unter Hinweis auf das beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängige Verfahren gegen den Feststellungsbescheid gemäß § 18 AStG (betr. die A) "ruhend gestellt". In 1988 wiesen die Kläger darauf hin, dass eine geänderte Feststellung zu den Beteiligungseinkünften betr. X-KG bei der Festsetzung der Einkommensteuer zu berücksichtigen sei. Ende 1997 erging unter Berücksichtigung des Senatsurteils vom 2. Juli 1997 I R 32/95 (BFHE 183, 496, BStBl II 1998, 176) u.a. ein geänderter Bescheid gemäß § 18 AStG (betr. die A) für 1976. Das FA erließ einen teilabhelfenden Bescheid, indem es die Höhe des Ansatzes der mitunternehmerischen Beteiligungseinkünfte (X-KG) minderte. Die Kläger hielten ihren Einspruch aufrecht (betr. den Ansatz der vGA) und verwiesen auf eine Rechtswidrigkeit des Ansatzes der Beteiligungseinkünfte wegen Eintritts der Verjährung im Augenblick der Änderung des Bescheids.

Das Finanzgericht (FG) Münster hat die Klage gegen die unter dem 28. Juni 1999 ergangene Einspruchsentscheidung durch Urteil vom 15. Dezember 2004 2 K 4614/99 E (juris) abgewiesen.

Die Kläger beantragen die Zulassung der Revision. Sie rügen Verfahrensmängel und machen geltend, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sei die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die von den Klägern vorgetragenen Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor.

1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil zuzulassen, wenn das Urteil auf einem geltend gemachten und vorliegenden Verfahrensmangel beruhen kann. Die hierzu von den Klägern gerügten Fehler weist das Urteil indessen nicht auf.

Der geltend gemachte Verfahrensfehler einer Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 119 Nr. 3 FGO) liegt nicht vor. Der Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--; § 96 Abs. 2 FGO) als das Recht, sich zu den der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachen und zur Rechtslage zu äußern, umfasst zwar neben einem Äußerungsrecht für den Beteiligten --dessen tatsächliche Wahrnehmung im Streitfall unstreitig ist-- auch eine Beachtenspflicht für das Gericht. Dabei muss das Gericht den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung ziehen, wobei die Würdigung des Beteiligtenvortrags bei der Entscheidungsfindung sowohl eine Prüfung auf Erheblichkeit bzw. Richtigkeit des Vortrags als auch eine Verwertung der gewonnenen Erkenntnisse erfordert. Eine bestimmte richtereigene Ausübungsintensität der einzelnen Teilstücke des Prozesses der Entscheidungsfindung ist dem Gehörs-Grundrecht allerdings ebenso wenig zugewiesen wie ein Anspruch eines Beteiligten darauf, mit seiner Rechtsansicht durchzudringen. Die Frage der Verjährung nach Maßgabe der Vorschriften der Reichsabgabenordnung war in den Gründen der angefochtenen Entscheidung Gegenstand der richterlichen Erwägungen. Dass die schriftlichen Gründe in ihren Einzelheiten erst nach Beschlussfassung abgefasst worden sind, besagt nicht, dass die zugrunde liegenden Erwägungen in der dem Fall angemessenen Intensität nicht schon im Entscheidungszeitpunkt stattgefunden hätten. Mit Blick auf die Erörterung des "Verteidigungsmittels" der Verjährung in den Entscheidungsgründen liegt auch der geltend gemachte Verfahrensfehler, dass die angefochtene Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist (§ 119 Nr. 6 FGO), nicht vor.

2. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache "grundsätzliche Bedeutung" hat. Dazu müsste eine im Streitfall entscheidungserhebliche abstrakte Rechtsfrage im Interesse der Allgemeinheit klärungsbedürftig sein. Am Klärungsbedarf fehlt es allerdings, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den Bundesfinanzhof geboten erscheinen lassen (s. z.B. BFH-Beschluss vom 12. Mai 2005 V B 146/03, BFHE 209, 105, BStBl II 2005, 714). Dieser Klärungsbedarf fehlt.

Der Bundesfinanzhof hat die Rechtsfrage, ob eine überlange Dauer des Einspruchsverfahrens die Verwirkung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis nach sich zieht, wiederholt ablehnend beantwortet (s. z.B. Senatsbeschluss vom 1. Dezember 2004 I B 163/04, I S 11/04, BFH/NV 2005, 895). Eine Untätigkeit der Verwaltung --von der im Streitfall schon nicht gesprochen werden kann, soweit das Einspruchsverfahren einverständlich zum Ruhen gebracht wurde-- schafft keinen Vertrauenstatbestand dahin gehend, dass auf den materiellen Besteuerungsanspruch verzichtet wird. Ebenso führt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine überlange Verfahrensdauer des Rechtsschutzverfahrens grundsätzlich nicht zur Verfassungs- und Rechtswidrigkeit des angefochtenen Steuerbescheids und steht einer gerichtlichen Entscheidung nicht entgegen (z.B. BFH-Urteile vom 17. Dezember 1996 IX R 47/95, BFHE 182, 178, BStBl II 1997, 348; vom 23. Februar 1999 IX R 19/98, BFHE 188, 264, BStBl II 1999, 407).

Der Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) schafft keinen Klärungsbedarf, da diese Regelung im Steuerprozess keine Anwendung findet (z.B. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteile vom 12. Juli 2001 44759/98, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 3453, und vom 13. Januar 2005 62023/00, Europäische Grundrechte-Zeitschrift 2005, 234; s. auch BFH-Beschlüsse vom 31. Juli 2003 IX E 6/03, BFH/NV 2003, 1603, und vom 8. April 2004 VII B 282/03, juris). Nicht zuletzt kann auch der Hinweis der Kläger auf ein Gesetzgebungsvorhaben eines Untätigkeitsbeschwerdengesetzes (Gesetzentwurf der Bundesministerin der Justiz vom 26. August 2005, weitere Informationen abrufbar im Internet unter www.bmj.bund.de, dort unter Presse und Pressemitteilung 2005) insoweit nicht weiterhelfen. Denn auch ein vom Gesetzgeber erkanntes Bedürfnis von Prozessbeteiligten, eine Beschleunigung eines laufenden Gerichtsverfahrens durch Anrufung des Gerichts und Kontrolle durch das Obergericht herbeizuführen, berührt den dem Prozess zugrunde liegenden materiell-rechtlichen Anspruch nicht.

3. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung notwendig ist. Das ist der Fall, wenn das Urteil des FG von Entscheidungen anderer Gerichte abweicht oder als willkürlich und unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheint (s. z.B. BFH-Beschluss in BFHE 209, 105, BStBl II 2005, 714, m.w.N.).

Das FG hat eine Einbeziehung der vGA in die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte (gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung --AO 1977--) der Y-KG abgelehnt, da die Anteile an der A nicht zum Betriebsvermögen der Y-KG (bzw. zum Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter der Y-KG) rechneten. Es hat darüber hinaus eine gemeinschaftliche Einkünfteerzielung durch die Gesellschafter der A abgelehnt und --da im Streitfall eine quotale Zurechnung in Betracht kam-- die (damit nicht entscheidungserhebliche) Frage der Notwendigkeit einer gesonderten Feststellung bei disquotaler Zurechnung der zugewandten Vorteile offen gelassen und nur "unabhängig davon" auch noch auf § 180 Abs. 3 AO 1977 verwiesen. Da das FG letztlich auch eine Einbeziehung in die Feststellung gemäß § 18 AStG abgelehnt hat, da es nicht um Besteuerungsgrundlagen i.S. der §§ 7 ff. AStG gehe, hat es entgegen der Ansicht der Kläger einen Rechtssatz des Inhalts, dass eine gesonderte und einheitliche Feststellung nur in Betracht komme, wenn ein zugewandter Vorteil disquotal zuzurechnen sein könnte, nicht aufgestellt.

Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage, ob mittelbare vGA an mehrere Gesellschafter über eine Gesellschaft nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 gesondert und einheitlich festzustellen sind, ist im Streitfall nicht klärungsfähig. Denn das FG ist auf der Grundlage der den BFH bindenden Feststellung (§ 118 Abs. 2 FGO), dass sich die Beteiligung an der A im Privatvermögen des Klägers (und der anderen Beteiligten) befand, von einer unmittelbaren vGA an die Gesellschafter der A (durch Zuwendung eines Vorteils an die Y-KG) ausgegangen. Dann ist aber --wenn der Anwendungsbereich des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 nicht eröffnet ist-- die von den Klägern angeführte Rechtsfrage, ob ein Fall von geringer Bedeutung i.S. des § 180 Abs. 3 AO 1977 vorliegen kann, wenn zwischen den Beteiligten Streit über die rechtliche Vorgehensweise besteht, ebenfalls nicht klärungsfähig.

4. Da die von den Klägern gerügten Mängel nicht vorliegen, scheidet eine Revisionszulassung unter dem Gesichtspunkt einer willkürlichen bzw. unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbaren Entscheidung des FG aus.

Ende der Entscheidung

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