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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 11.05.2000
Aktenzeichen: I B 60/99
Rechtsgebiete: KStG, FGO, ZPO


Vorschriften:

KStG § 47 Abs. 2
KStG § 47 Abs. 1
FGO § 6
FGO § 51 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 42
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erhob durch ihren Prozessbevollmächtigten Klage wegen Körperschaftsteuer, Feststellungen gemäß § 47 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und Umsatzsteuer 1996 sowie Feststellungen gemäß § 47 Abs. 1 KStG zum 31. Dezember 1996. Nachdem ihr auf Anfrage der Name des zuständigen Berichterstatters (Richter am Finanzgericht X) mitgeteilt worden war, lehnte sie diesen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Außerdem erhob sie Einwendungen gegen eine Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter. Der zuständige Senat des Finanzgerichts (FG) gab dem Ablehnungsantrag statt. Nach einem erneuten Hinweis des nunmehr nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständigen Berichterstatters (Richter am Finanzgericht Y) auf § 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) übertrug der Senat des FG den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung. Der Beschluss wurde der Klägerin zugestellt.

In der von Y anberaumten mündlichen Verhandlung am 13. November 1998 stellte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Beweis- und Sachanträge. Y erließ daraufhin einen Beweisbeschluss und bestimmte als Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme den 11. Januar 1999, 14.15 Uhr.

Mit Schriftsatz vom 8. Januar 1999 lehnte die Klägerin Y wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Gleichzeitig beantragte sie, den Rechtsstreit auf den Senat zurückzuübertragen. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, die Klägerin müsse davon ausgehen, dass der Einzelrichter die Angelegenheit nicht objektiv und sachgerecht behandeln werde. Zwischen dem Prozessbevollmächtigten und dem Senatsvorsitzenden, dem Vorsitzenden Richter am Finanzgericht Z, sowie dem Senatsmitglied X bestehe ein angespanntes Verhältnis, das sich auf die Verfahrensführung gegenüber den jeweiligen Mandanten auswirke. Aus diesem Grunde habe auch das FG bzw. der Bundesfinanzhof (BFH) Ablehnungsgesuchen gegen diese beiden Senatsmitglieder in anderen Verfahren entsprochen. Aus Gründen prozessualer Taktik habe sich nun die "Technik" des Senats entwickelt, alle Verfahren auf den nicht betroffenen Y als Einzelrichter abzuwälzen, der diese zusätzlich zu seiner sonstigen Arbeit erledigen müsse. Dies führe dazu, dass die Verfahren "nebenher" behandelt würden, wie sich im Streitfall deutlich an der Terminierung als "Anhängsel" eines Verhandlungstages und dem 1/4-Stunden-Takt (13.45 Uhr, 14.00 Uhr und 14.15 Uhr) zeige. Allein vom Zeitablauf her gesehen könnten diese Verfahren wegen der anstehenden Zeugenvernehmung und dem Bedarf nach langwierigen Erörterungen nicht ordnungsgemäß abgewickelt werden. Außerdem werde der Klägerin auch eine ihr zustehende Senatsentscheidung verwehrt, weil unabhängig von den Voraussetzungen des § 6 FGO immer alles auf den Einzelrichter verlagert werde und dieser wegen der Voreingenommenheit der anderen Senatsmitglieder nicht die Möglichkeit habe, die Angelegenheit an den Senat zurückzuverweisen. Diese Handhabung werde durch den vorliegend abgelehnten Einzelrichter Y mitgetragen.

In seiner dienstlichen Äußerung wies Y darauf hin, dass es in den von der Klägerin zitierten anderen Verfahren nicht um seine Person gegangen sei. Nach Auffassung des Senats hätten die Voraussetzungen des § 6 FGO für eine Übertragung des vorliegenden Rechtsstreits (und weiterer Verfahren) auf den Berichterstatter als Einzelrichter vorgelegen. Diese Tatsache allein könne keine Befangenheit begründen. Im Übrigen behandele er den Fall der Klägerin mit derselben Sorgfalt wie alle anderen Fälle. Gegenteiliges lasse sich auch nicht den Terminierungen entnehmen. Die Fälle seien nach seiner Einschätzung zur gleichen Zeit entscheidungsreif gewesen und er habe sie zusammenhängend geladen, um den Beteiligten eine mehrfache Anfahrt zu ersparen. Die Termine hätten am Nachmittag stattfinden sollen, da ein geladener Zeuge vormittags verhindert gewesen sei. Der zeitliche Abstand der Termine habe sich aus seiner Einschätzung ergeben, dass die Erörterungen in den ersten beiden Sachen jeweils nicht mehr als eine Viertelstunde dauern würden. Für den vorliegenden Rechtsstreit mit der vorgesehenen Zeugenvernehmung habe als letzte geladene Sache unbegrenzt Zeit zur Verfügung gestanden.

Durch Beschluss vom 25. März 1999 lehnte das FG das Ablehnungsgesuch als unbegründet ab.

Mit ihrer Beschwerde macht die Klägerin geltend, es komme nicht darauf an, ob der Richter sich für befangen halte, sondern maßgeblich sei die Sicht der antragstellenden Partei. Im konkreten Fall habe die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten erfahren müssen, dass entgegen dessen Einschätzung die Angelegenheit als "einfache" Sache i.S. des § 6 FGO eingestuft worden sei und eine Rückübertragung auf den Senat nicht erfolgen könne, weil dann wieder Ablehnungsgesuche gegen andere Mitglieder des Senats greifen würden. Eine Angelegenheit werde aber unsachlich behandelt, wenn der gesetzlich vorgesehene Spruchkörper in gesetzeswidriger Weise praktisch reduziert werde. Verstärkt werde der Eindruck von Willkür im nachhinein dadurch, dass Y --zeitgleich mit der Zustellung des angefochtenen Beschlusses-- fünf komplexe Angelegenheiten auf den 23. April 1999 zwischen 10.40 Uhr und 11.10 Uhr geladen habe.

Die Klägerin beantragt, den Beschluss des FG vom 25. März 1999 aufzuheben und das Ablehnungsgesuch vom 8. Januar 1999 für begründet zu erklären.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nur abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Ein derartiger Grund ist gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus, jedoch nach Maßgabe einer vernünftigen objektiven Betrachtung davon ausgehen kann, der Richter werde nicht unvoreingenommen entscheiden. Unerheblich ist, ob ein solcher Grund wirklich vorliegt (BFH-Beschlüsse vom 24. März 1998 I B 112/97, BFH/NV 1998, 1360; vom 18. Dezember 1998 III S 7/98, BFH/NV 1999, 945). Ein Beteiligter kann einen Richter jedoch nicht mehr ablehnen, wenn er sich bei ihm, ohne den ihm bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat (§ 43 ZPO; vgl. auch BFH-Beschluss vom 12. August 1998 III B 23/98, BFH/NV 1999, 476). In der Beschwerdeentscheidung ist außerdem nur über die in den jeweiligen Ablehnungsanträgen enthaltenen Gründe zu entscheiden. Andere Befangenheitsgründe können mit der Beschwerde gegen den einen Antrag ablehnenden Beschluss des FG nicht zulässig geltend gemacht werden (BFH-Beschluss vom 29. April 1996 V B 121, 124/95, BFH/NV 1997, 33).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klägerin ein etwaiges Recht zur Richterablehnung bereits in der mündlichen Verhandlung vom 13. November 1998 verloren, soweit sie sich zur Begründung desselben auf die vorhergehende Mitwirkung des Y an der ihrer Ansicht nach rechtswidrigen Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter beruft. Denn sie hat in dieser Verhandlung vor dem Einzelrichter Beweis- und Sachanträge gestellt, ohne eine Befangenheit des Y zu rügen.

Der weitere Vortrag der Klägerin, Y habe bei der Ladung zur Beweisaufnahme und Verhandlung am 11. Januar 1999 für die einzelnen Sachen zu wenig Zeit vorgesehen, legt ebenfalls keine Umstände dar, die objektiv geeignet wären, auf eine unsachliche Einstellung des Y gegenüber der Klägerin zu schließen. Die Begründung des Y in seiner dienstlichen Äußerung für die gewählte Terminierung ist nicht zu beanstanden (vgl. auch BFH-Beschluss vom 21. Februar 1994 X B 219, 220/92, BFH/NV 1994, 729).

Soweit die Klägerin die geltend gemachte Voreingenommenheit des Y mit dessen Terminbestimmungen am 23. April 1999 begründet, handelt es sich um neues Vorbringen, das im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht geprüft werden kann.



Ende der Entscheidung

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