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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 20.04.2009
Aktenzeichen: I B 67/08
Rechtsgebiete: AO, DBA-Spanien, FGO, GewStG, GG, ZPO
Vorschriften:
AO § 90 Abs. 2 | |
DBA-Spanien Art. 5 Abs. 1 | |
DBA-Spanien Art. 5 Abs. 4 | |
DBA-Spanien Art. 23 Abs. 1 Buchst. b | |
FGO § 96 Abs. 2 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3 | |
FGO § 116 Abs. 6 | |
FGO § 155 | |
GewStG a.F. § 9 Nr. 1 | |
GewStG a.F. § 9 Nr. 3 | |
GewStG a.F. § 12 Abs. 4 | |
GG Art. 103 Abs. 1 | |
ZPO § 139 Abs. 2 |
Gründe:
I.
Streitig ist, ob Einkünfte aus der Vermietung von Appartements und eines Hotels auf ... (Spanien) aufgrund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 5. Dezember 1966 (BGBl. II 1968, 10, BStBl I 1968, 297) --DBA-Spanien-- wegen Bestehens einer ausländischen Betriebsstätte im Streitjahr 1995 von der Bemessungsgrundlage einer deutschen Steuer auszunehmen und ob bei der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags gegebenenfalls Kürzungen nach § 9 Nr. 1 oder Nr. 3 oder nach § 12 Abs. 4 des Gewerbesteuergesetzes 1991 (GewStG 1991) in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung vorzunehmen sind.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine KG, betreibt u.a. die Planung und Erstellung von Wohn- und Gewerbebauten. Einzige persönlich haftende Gesellschafterin ist die Firma X, einziger Kommanditist Y. In den Jahren 1974/1975 errichtete die damalige Einzelfirma X auf ... (Spanien) eine Hotelanlage (350 Appartements mit Hotelverwaltung). Zur Errichtung der Appartements hatte sich eine aus 236 Personen bestehende Bauherrengemeinschaft gebildet, deren Mitglieder jeweils Einzeleigentum erwarben; unverkaufte Appartements verblieben im Betriebsvermögen des Einzelunternehmens. Später brachte X sein Einzelunternehmen in das Gesellschaftsvermögen der Klägerin ein. Durch Vertrag vom 10. Dezember 1986 wurden die Appartements (im Streitjahr: 65) für die Zeit bis 31. Dezember 2003 an die Firma Z mit Sitz auf ..., eine Tochtergesellschaft der Klägerin (Anteilsbesitz: 100%), vermietet. Z hatte während der Mietzeit sämtliche Objektkosten (einschließlich Renovierung, Instandhaltung und Ersatzbeschaffung) zu tragen.
Die Errichtung des Hotelteils erfolgte für eine aus 162 Miteigentümern bestehende Bruchteilsgemeinschaft. Später wurden die Anteile an der Bruchteilsgemeinschaft zu über 95% von der Klägerin übernommen. Durch Vertrag vom 15. Juni 1987 vermietete die Bruchteilsgemeinschaft den Hotelkomplex für die Zeit bis zum 31. Dezember 1999 an Z; jene hatte sämtliche Nebenkosten (einschließlich Renovierung und Ersatzbeschaffung) zu tragen.
Die im Rahmen der Bruchteilsgemeinschaft (Hotelanlage) erzielten Einkünfte stellte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) gesondert und einheitlich als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung fest. Auf die Klägerin entfielen (nach einer Umqualifizierung der Einkunftsart) Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 965 425 DM und für Zwecke des § 34c des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausländische Steuern in Höhe von 318 983 DM; ausländische Einkünfte, die nach einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) steuerfrei sind, stellte das FA nicht fest. Der Bescheid wurde am 11. Juni 2001 bestandskräftig. Einen Antrag (vom 9. Juni 2006), durch Erteilung eines Ergänzungsbescheids nach § 179 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) bzw. durch Änderung des Feststellungsbescheids nach § 174 Abs. 3 AO die Steuerfreiheit der Einkünfte aufgrund des DBA-Spanien festzustellen, lehnte das FA ab (Bescheid vom 20. Juni 2006); das Einspruchsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Mit ihrer Feststellungserklärung deklarierte die Klägerin für den Kommanditisten Y Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 1 073 708 DM (Jahresüberschuss --ohne Appartementvermietung--, der im Wesentlichen die Erträge aus der Beteiligung an der Bruchteilsgemeinschaft in der erklärten Höhe von 965 425 DM beinhaltet) sowie nach § 34c Abs. 2 EStG abziehbare ausländische Steuer in Höhe von 318 983 DM. Außerdem erklärte sie nach DBA steuerfreie Einkünfte in Höhe von 508 299 DM (Jahresüberschuss aus der Appartementvermietung, den die Klägerin in einem gesonderten Jahresabschluss "Betriebsstätte Spanien" ermittelt hat). Die Feststellung erfolgte erklärungsgemäß (Bescheid vom 9. Dezember 1996).
Im Zuge einer Außenprüfung bei der Klägerin gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass es sich bei den Einkünften aus der Appartementvermietung um inländische Einkünfte handle (Ermittlung unter Abzug ausländischer Steuer auf 369 416 DM). Unter Berücksichtigung der Einkünfte aus der Bruchteilsgemeinschaft seien Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 900 226 DM festzustellen. Kürzungen nach § 9 Nr. 1 oder Nr. 3 GewStG 1991 bzw. nach § 12 Abs. 4 GewStG 1991 seien bei der Ermittlung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrages nicht vorzunehmen.
Am 17. Juni 2002 erließ das FA entsprechend geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte und den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag. Die Klage blieb erfolglos (Niedersächsisches Finanzgericht --FG--, Urteil vom 27. Februar 2008 4 K 10163/03).
Die Klägerin macht geltend, dass die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.
Das FA beantragt,
die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Sie führt gemäß § 116 Abs. 6 FGO zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung. Der von der Klägerin schlüssig geltend gemachte Verfahrensmangel der Verletzung rechtlichen Gehörs liegt vor, und das Urteil des FG kann auf diesem Verfahrensmangel beruhen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
1.
Die Klägerin hat diesen Verfahrensmangel ausreichend bezeichnet (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Sie hat auch dargelegt, dass die Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann, da eine Sachverhaltsaufklärung zu dem Ergebnis kommen könnte, dass in Spanien eine Betriebsstätte unterhalten wurde und dieser Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen tatsächlich zuzuweisen waren.
2.
Die von der Beschwerde gerügte Verletzung des Rechts auf Gehör liegt vor.
a)
Rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) wird den Beteiligten dadurch gewährt, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem Sachverhalt zu äußern, der einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden soll. Das rechtliche Gehör bezieht sich vor allem auf Tatsachen und Beweisergebnisse; darüber hinaus darf das FG seine Entscheidung auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt nur stützen, wenn die Beteiligten zuvor Gelegenheit hatten, dazu Stellung zu nehmen (§ 155 FGO i.V.m. § 139 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Deshalb kann eine Verletzung des Rechts auf Gehör vorliegen, wenn das Gericht die Beteiligten nicht auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt hinweist, den es seiner Entscheidung zugrunde legen will und der dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit dem auch ein kundiger Beteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht hat rechnen müssen (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Juni 2001 VII B 45/01, BFH/NV 2001, 1580; vom 14. November 2002 XI B 69/02, BFH/NV 2003, 293; vom 1. Juli 2003 III B 94/02, BFH/NV 2003, 1591).
b)
Eine solche sog. Überraschungsentscheidung stellt das angefochtene Urteil dar. Das FG hat sein Urteil auf die Erwägung gestützt, es sei nicht ausreichend dargelegt worden, dass Y für die Klägerin in Spanien unternehmerisch tätig geworden sei, und hat dies daraus geschlossen, dass sich die Tätigkeit hinsichtlich der Hoteleinrichtungen in deren Überlassung an die Z erschöpfe.
aa)
Die Klägerin hatte dazu im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragen, ihr hätten Räumlichkeiten eines Tochterunternehmens und das Sekretariat in der Hotelanlage als feste Geschäftseinrichtung zur Verfügung gestanden. Y sei dort für ihre Rechnung tätig gewesen, indem er unternehmerische Entscheidungen bezüglich der Leitung des Unternehmens vorbereitet bzw. getroffen und deren Durchführung überwacht habe (Tätigkeit entsprechend einer Kontroll- und Koordinierungsstelle). Das FG hat die Mietverträge in seine Feststellungen aufgenommen, aus denen sich auf einen Abschlussort in Spanien schließen lässt. Gegenstand der mündlichen Verhandlung beim FG soll nach der Darstellung der Beteiligten auch die Frage gewesen sein, in welchem Umfang Einkünfte einer Betriebsstätte zuzuweisen sein könnten.
bb)
Auf dieser Grundlage hätte es nahegelegen, dass das FG zur Frage der Existenz einer Betriebsstätte i.S. des Art. 5 Abs. 1 DBA-Spanien allenfalls von einer --ein Aufklärungsbedürfnis auslösenden-- "Unklarheit" des Sachverhalts ausgehen würde. Die Annahme eines klägerischen Darlegungsdefizits und ein Rückschluss aus den mietvertraglichen Vereinbarungen ohne vorherigen Hinweis an die Klägerin muss hingegen auch für einen rechtskundig vertretenen Beteiligten als überraschend erscheinen. Damit ist der Klägerin die Möglichkeit abgeschnitten worden, durch Beweisangebote zur weiteren (im Wesentlichen ihr obliegenden, s. § 90 Abs. 2 AO) Sachverhaltsaufklärung beizutragen. Auch wenn es sich bei der Unternehmensgruppe, der die Klägerin angehört, um eine "inhabergeführte Gesellschaftsgruppe handelt, die faktisch ... von Y als Inhaber wie ein Einzelunternehmen geführt wurde", berührt dies die Möglichkeit einer konkreten Darlegung des Orts unternehmerischer Entscheidungen nicht.
3.
Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vor, kann der BFH durch Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO). Auf die Frage, ob die Klägerin weitere Zulassungsgründe dargelegt hat, kommt es nicht an.
4.
Zur Förderung des weiteren Verfahrens wird auf Folgendes hingewiesen:
a)
Die Klägerin hat mit Blick auf Art. 5 Abs. 4 DBA-Spanien eine Abweichung der Entscheidung des FG von der Rechtsprechung des BFH (Senatsurteil vom 12. April 1978 I R 136/77, BFHE 125, 157, BStBl II 1978, 494) oder des FG Baden-Württemberg (Urteil vom 21. April 2004 12 K 252/00, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2004, 1384) zu Unrecht gerügt.
Im Senatsurteil in BFHE 125, 157, BStBl II 1978, 494 ist zu der streitigen Rechtsfrage ausgeführt, dass der Pächter nicht schon dann zum ständigen Vertreter eines Verpächters wird, "wenn er lediglich die ihn treffenden gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten eines Pächters erfüllt, z.B. seinen Anzeigepflichten gegenüber dem Verpächter nachkommt oder die auf ihn abgewälzten Schönheitsreparaturen oder kleineren Reparaturen ausführt. Eine ständige Vertretung des Verpächters durch den Pächter kann demnach nur in Betracht kommen, wenn der Pächter über seine Pächterpflichten hinaus die wirtschaftlichen Interessen des Verpächters hinsichtlich der Erhaltung, Erneuerung oder Erweiterung der Betriebseinrichtungen wahrzunehmen übernommen hat, also Handlungen vornimmt, die in den betrieblichen Bereich des Verpächters fallen. ... Die Weisungsgebundenheit ist ein weiteres Merkmal, das hinzukommen muß, um die mit der Interessenwahrnehmung beauftragte Person als ständigen Vertreter ansehen zu können. Dadurch wird das Handeln des Vertreters zum Nutzen eines anderen hervorgehoben und weiterhin sichergestellt, daß als ständiger Vertreter nur eine solche Person in Betracht kommt, deren Handeln durch den Willen des hinter ihr stehenden Unternehmers entscheidend bestimmt wird." (Im dortigen Streitfall ging es um einen Pächter, der von der Verpächterin im Rahmen von ihr zu leistender Reparaturarbeiten in die Abwicklung dieser Aufträge eingeschaltet worden war). Das FG Baden-Württemberg (in EFG 2004, 1384) hat unter Hinweis auf das Senatsurteil in BFHE 125, 157, BStBl II 1978, 494 ausgeführt, dass eine GmbH als abhängiger Vertreter im Rahmen einer Betriebsaufspaltung anzusehen ist, wenn eine GmbH als "Pächter über ... (ihre) Pächterpflichten hinaus die wirtschaftlichen Interessen des Verpächters hinsichtlich der Erhaltung, Erneuerung oder Erweiterung der Betriebseinrichtungen wahrzunehmen übernommen hat, also Handlungen vornimmt, die in den betrieblichen Bereich des Verpächters fallen". (Im dortigen Streitfall ging es um werterhöhende Investitionen, die dem Verpächter oblagen, aber durch die Pächterin im Namen und für Rechnung des Verpächters durchgeführt wurden).
Wenn die Vorinstanz darauf verweist, dass Z beim Abschluss von Rechtsgeschäften im Zusammenhang mit dem Betrieb, der Bewirtschaftung und der Unterhaltung der Hoteleinrichtungen nicht als (abhängiger) Vertreter der Klägerin, sondern nur im eigenen Namen und auf eigene Rechnung habe handeln können, weil es sich dabei um Angelegenheiten gehandelt habe, die nach dem Inhalt der mit der Klägerin bzw. der Bruchteilsgemeinschaft abgeschlossenen Mietverträge in ihren eigenen Pflichtenkreis fielen, wird damit von dem Senatsurteil in BFHE 125, 157, BStBl II 1978, 494 nicht abgewichen. Es ist in diesem Urteil ausreichend deutlich gemacht worden, dass der Pflichtenkreis des Verpächters durch die im konkreten Fall maßgebenden vertraglichen Vereinbarungen geprägt und das gesetzliche Regelstatut nur heranzuziehen ist, wenn es an einer vertraglichen Regelung fehlt. Diese Deutung liegt auch dem Urteil des FG Baden-Württemberg in EFG 2004, 1384 zugrunde, wenn es darauf abstellt, dass die Pächterin in einem Bereich tätig geworden sei, der nach den konkreten Mietvereinbarungen dem Verpächter oblag.
b)
Ebenso wird darauf hingewiesen, dass das FG eine Steuerfreistellung von Einkünften zutreffend davon abhängig gemacht hat, dass das unbewegliche Vermögen, aus dessen Nutzung die Einkünfte stammen, als tatsächlich zu einer in Spanien gelegenen Betriebsstätte zugehörend (Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ee DBA-Spanien) anzusehen ist. Eine solche Zuordnung setzt weitere Darlegungen der Klägerin und daran anknüpfende Feststellungen des FG voraus.
5.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens trifft das FG im Rahmen seiner instanzbeendenden Entscheidung (§ 143 Abs. 2 FGO).
Ende der Entscheidung
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