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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 19.08.1998
Aktenzeichen: I B 74/98
Rechtsgebiete: AO 1977, EStG, FGO, ZPO


Vorschriften:

AO 1977 § 42
EStG § 50c Abs. 8
FGO § 51 Abs. 1
ZPO § 42 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Das Finanzgericht (FG) hat über die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) gegen die Bescheide über Körperschaftsteuer 1989 bis 1991 des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) durch Urteil vom 2. Dezember 1996 4 K 3180/94 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 825) entschieden. Es geht hierbei in der Sache um Fragen des sog. Dividendenstrippings (Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums an Aktien, Gestaltungsmißbrauch i.S. von § 42 der Abgabenordnung --AO 1977--, Börsenklausel des § 50c Abs. 8 des Einkommensteuergesetzes a.F.).

Im Rahmen des anschließenden, gegen dieses Urteil gerichteten Revisionsverfahrens hat die Klägerin die Richter des erkennenden Senats des FG, Vorsitzender Richter am Finanzgericht A, Richter am Finanzgericht B und C sowie die ehrenamtlichen Richter D und E wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Diese Ablehnung könne erst nach Abschluß der mündlichen Verhandlung vor dem FG erfolgen, weil die Gründe, die den Vorwurf der Befangenheit rechtfertigten, erst durch die Urteilsgründe offenkundig geworden seien. Deshalb müsse auch der Senat in seiner Gesamtheit abgelehnt werden.

Die Besorgnis der Befangenheit ergebe sich daraus, daß sie, die Klägerin, erstmals in ihrem Schriftsatz vom 27. November 1996 bestritten habe, daß es sich um Geschäfte mit nichtanrechnungsberechtigten Anteilseignern gehandelt habe, und daß dieses Vorbringen erkennbar zu ihren Lasten gewertet worden sei. Damit schließe das FG sich der gegen sie geschürten Stimmung an. Diesbezüglich sei vorauszuschicken, daß die Finanzverwaltung seit 1992 --auch über Pressemedien-- versuche, die in Rede stehenden Dividendengeschäfte als mißbräuchlich zu qualifizieren. Diese Stimmungsmache komme nicht zuletzt darin zum Ausdruck, daß im Rahmen eines gegen einen Makler bei der Staatsanwaltschaft anhängigen Verfahrens sämtliche sie betreffenden Unterlagen für die Streitjahre beschlagnahmt worden seien. Obwohl dies bereits im November 1995 geschehen sei und sie mit diesem Makler nur geringe geschäftliche Kontakte gehabt habe, sei es nicht möglich gewesen, Akteneinsicht zu erlangen. Aufgrund der unkooperativen Haltung der Staatsanwaltschaft sei sie mit Richter am Finanzgericht C in Kontakt getreten, um die Übersendung an das FG zu erreichen. C habe wiederholt fernmündlich und schriftlich versucht, dem nachzukommen. Dies habe erst kurz vor der mündlichen Verhandlung und auch nur lückenhaft Erfolg gehabt. Überdies sei als Zeuge vor dem FG mit dem Zeugen Z eine Person geladen worden, die maßgeblich an den Ermittlungen gegen Makler und Kreditinstitute an der Börse beteiligt gewesen sei und die dafür gesorgt habe, sämtliche Geschäfte um den Dividendentermin als mißbräuchlich erscheinen zu lassen. In Anbetracht dieser Stimmungsmache führe das FG in seinem Urteil aus, es könne ihrem Beweisantrag hinsichtlich der Frage, daß es sich um nichtanrechnungsberechtigte Anteilsinhaber gehandelt habe, nicht entsprechen. Sie, die Klägerin, habe trotz gegenteiliger Bankauskünfte erstmals am 27. November 1996 dergleichen geltend gemacht.

Es bleibe einem Kläger unbenommen, wann er sein Prozeßvorbringen geltend mache. Daraus dürften keine Rückschlüsse zu seinen Lasten gezogen werden. Wie dem FG bekannt sein mußte, habe die Klägerin sich zuvor nicht substantiell dazu äußern können, ob Auftraggeber der beteiligten Banken anrechnungsberechtigte oder nichtanrechnungsberechtigte Anteilseigner gewesen seien. Die diesbezüglichen Akten hätten ihr nicht vorgelegen. Sie habe entsprechende Zweifel unmittelbar angemeldet, nachdem ihr diese gekommen seien. Eine frühere Akteneinsicht sei ihr aus den dargelegten Gründen nicht möglich gewesen.

Das FG hat das Ablehnungsgesuch als unzulässig abgelehnt. Nach Beendigung der Instanz fehle der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Das Ablehnungsgesuch der Klägerin ist, worauf die Vorinstanz zutreffend abstellt, unzulässig, nachdem die FG-Instanz beendet war. Die Richterablehnung kann grundsätzlich nur bis zum Schluß der Instanz geltend gemacht werden, und zwar unabhängig davon, ob die Ablehnungsgründe dem Beschwerdeführer von vornherein bekannt waren oder aber erst nach Instanzbeendigung bekannt geworden sind (Bundesfinanzhof --BFH--, Beschluß vom 11. August 1992 III B 101/92, BFH/NV 1993, 309; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 51 FGO Tz. 10, jeweils m.w.N.).

2. Abgesehen davon ist das Ablehnungsgesuch auch unbegründet.

a) Nach § 51 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Mißtrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, daß der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Unerheblich ist, ob ein solcher Grund wirklich vorliegt (BFH-Beschlüsse vom 21. September 1977 I B 32/77, BFHE 123, 305, BStBl II 1978, 12, und vom 30. August 1989 IX B 82/89, BFH/NV 1990, 317; vom 16. Dezember 1996 I B 100/94, BFH/NV 1997, 369). Durch das Institut der Richterablehnung sollen die Beteiligten vor Unsachlichkeit geschützt werden. Es ist kein geeignetes Mittel, sich gegen unrichtige bzw. für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren, gleichgültig, ob diese Ansichten formelles oder materielles Recht betreffen (BFH-Beschlüsse vom 17. Juli 1974 VIII B 29/74, BFHE 112, 457, BStBl II 1974, 638, und vom 16. Februar 1989 X B 99/88, BFH/NV 1989, 708). Es ist auch nicht Sinn dieses Instituts, den Beteiligten die Möglichkeit zu eröffnen, nach ihrem Belieben Einfluß auf die Besetzung der Richterbank zu nehmen (BFH-Beschlüsse vom 10. März 1972 VI B 141/70, BFHE 105, 316, BStBl II 1972, 570, und vom 7. April 1988 X B 4/88, BFH/NV 1989, 587). Aus der im Rahmen einer richterlichen Entscheidung vertretenen, für den Betroffenen ungünstigen Rechtsansicht allein kann selbst dann kein Ablehnungsgrund hergeleitet werden, wenn diese Auffassung falsch sein sollte (BFH-Beschlüsse vom 2. März 1978 IV R 120/76, BFHE 125, 12, BStBl II 1978, 404; vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555, und in BFH/NV 1989, 587, m.w.N.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn Gründe dargetan sind, die dafür sprechen, daß die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (BFH in BFHE 112, 457, BStBl II 1974, 638; in BFH/NV 1989, 708, und in BFH/NV 1997, 369).

b) Bei Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze rechtfertigen die von der Klägerin vorgetragenen Gründe nicht die Besorgnis der Befangenheit. Die Klägerin hat keine Umstände dargetan, die auf eine unsachliche oder willkürliche Einstellung der beteiligten Richter des FG deuten.

aa) Die Klägerin begründet ihr Befangenheitsgesuch letztlich damit, daß der von ihr --erstmals-- in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag, Beweis darüber zu erheben, daß an den in Rede stehenden Geschäften keine nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner beteiligt gewesen seien, vom FG in den Urteilsgründen aus Erwägungen abgelehnt worden sei, die Zweifel an der Unparteilichkeit der beteiligten Richter rechtfertigten. Es mag im Rahmen dieser Entscheidung dahinstehen, ob die vom FG in dessen Urteil angeführten Gründe für die Ablehnung des Beweisantrags tragfähig sind oder nicht. Soweit die Klägerin dagegen Rechts- und Verfahrenseinwände hat, sind sie auf die von ihr auch eingelegte Revision als das einschlägige Rechtsmittel gegen die Entscheidung des FG in der Sache zu verweisen. Die Sach- und Verfahrensbehandlung des Streitfalles gibt indes keine Veranlassung zur Besorgnis der Befangenheit der beteiligten Richter. Sie gäbe dies auch dann nicht, wenn die vorgenannte Ablehnung des Beweisantrags in der Sache falsch sein sollte. Die Klägerin hat nichts dafür dargetan, was dafür spräche, daß eine solche unterstellte Fehlerhaftigkeit auf Willkür oder einer unsachlichen Einstellung der Richter beruhen würde.

bb) Gleiches gilt im Ergebnis hinsichtlich der Einvernahme des als Zeuge geladenen Z und dessen Aussagewürdigung durch das FG als "Sachverständigenangaben". Auch wenn sich dieses Vorgehen im Rahmen der Revision als verfahrensfehlerhaft herausstellen sollte, so ergäbe sich daraus dennoch nicht die Besorgnis einer parteilichen Einstellung der beteiligten FG-Richter.

Ende der Entscheidung

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