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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 20.08.2007
Aktenzeichen: I B 75/07
Rechtsgebiete: FGO, AO


Vorschriften:

FGO § 76
FGO § 96
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
AO § 122
AO § 173
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Schätzungsbescheiden.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, war ihren Mitwirkungspflichten in den Vorjahren des Streitjahres 2002 nicht nachgekommen. Auch für das Streitjahr kündigte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen an. Unter dem 15. April 2004 ergingen entsprechende Schätzungsbescheide zur Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer 2002, wobei das FA einen Umsatz in Höhe von 100 000 € und einen Gewinn von 53 667 € zu Grunde legte. Das FA war dabei auf der Grundlage einer Kontrollmitteilung (über von der Klägerin bezogene Eingangsleistungen von ca. 63 000 €) davon ausgegangen, dass die Klägerin im Streitjahr im Rahmen ihres Geschäftszwecks tätig geworden war. Am 12. Juli 2004 ging beim FA ein Schreiben ein, mit dem eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und ein Billigkeitserlass, hilfsweise eine Korrektur der Schätzungsbescheide beantragt wurde. Das FA lehnte diese Anträge ab.

Das Finanzgericht (FG) Hamburg hat die dagegen gerichtete Klage durch Urteil vom 9. März 2007 6 K 327/04 abgewiesen.

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, dass das angefochtene Urteil auf einem Verfahrensmangel beruht.

Die Klägerin beantragt, die Revision gegen das Urteil des FG Hamburg vom 9. März 2007 zuzulassen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind nicht erfüllt.

1. Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind Verstöße gegen das Gerichtsverfahrensrecht, die das FG bei der Handhabung seines Verfahrens begeht und die zur Folge haben, dass eine ordnungsgemäße Grundlage für die Entscheidung im Urteil fehlt, z.B. ein Verstoß gegen § 76 FGO (Verletzung der Sachaufklärungspflicht) oder gegen § 96 FGO (Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten; Verletzung des rechtlichen Gehörs, die Vorwegnahme der Beweiswürdigung oder die vermeintliche Bindung an nicht bestehende Beweisregeln). Die Bezeichnung eines Verfahrensmangels verlangt eine genaue Angabe der Tatsachen, die den gerügten Mangel ergeben, unter gleichzeitigem schlüssigen Vortrag, inwiefern das angegriffene Urteil ohne diesen Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 9. Januar 2006 XI B 25/05, BFH/NV 2006, 1106).

2. Soweit die Klägerin rügt, die Schlussfolgerung des FG, dass infolge eines widersprüchlichen Sachvortrages die Zugangsfiktion des § 122 der Abgabenordnung (AO) nicht widerlegt worden sei, beruhe auf willkürlicher, grob fehlerhafter Auslegung des Prozessvortrages der Klägerin und sei daher nicht bindend, ist damit jedenfalls nicht aufgezeigt, dass die Klägerin den Zugang der Steuerbescheide im gesamten Verfahrensablauf bestritten hat. Das FG hat vielmehr in dem angefochtenen Urteil hervorgehoben, dass im außergerichtlichen Verfahren zunächst nur die Höhe der Steuerschätzungen beanstandet wurde, ohne den Zugang der Schätzungsbescheide zu bestreiten. Dieses "ursprüngliche Verhalten der Klägerin bzw. ihres Bevollmächtigten" wird auch an den zunächst eingeleiteten Verfahrenshandlungen deutlich. So wurde von dem Bevollmächtigten ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und ein Erlassantrag gestellt, hilfsweise auch ein Änderungsantrag gemäß § 173 AO. Diese Verfahrenshandlungen, die letztlich eine wirksame Bekanntgabe der Steuerfestsetzungen voraussetzen, waren dann auch die Grundlage für das FG, das Bestreiten des Zugangs der Bescheide im gerichtlichen Verfahren durch die Klägerin als gegenüber dem früheren Verhalten "widersprüchlich" zu bewerten. Auch wenn das FG daher davon ausgegangen wäre, dass die Klägerin den Zugang der Bescheide im Klageverfahren durchgängig bestritten und nicht nur den Zeitpunkt des Zugangs angegriffen hat, würde dies den für die Frage einer Widerlegung der Zugangsfiktion rechtserheblichen Vergleich mit dem Verhalten im Vorverfahren nicht hindern. Insoweit war das FG auch nicht gehalten, dem Beweisantrag der Klägerin nachzugehen. Die "tatsächliche Grundlage" der Annahme eines Bevollmächtigten, dass ein Zugang erfolgt sei, ist für die Widerlegung der Zugangsfiktion nicht erheblich. Im Übrigen war auch eine Beweiserhebung durch das FG zur Frage des Fristenlaufs zum Wiedereinsetzungsantrag entbehrlich, da das FG eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter dem Gesichtspunkt einer verschuldeten Fristversäumung abgelehnt hat.

3. Das FG hat auch das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt. Die Kontrollmitteilung, die das FA als Anhaltspunkt für ein wirtschaftliches Tätigsein der Klägerin im Streitjahr gewertet hat, wurde bereits im Gerichtsbescheid erwähnt. Insoweit bestand für die Klägerin ohne weiteres die Möglichkeit, sich vor der mündlichen Verhandlung über den genauen Gegenstand der Kontrollmitteilung im Wege der Akteneinsicht Gewissheit zu verschaffen. Im Übrigen bestand auch in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit, zum Gegenstand der Kontrollmitteilung Stellung zu nehmen.

Ende der Entscheidung

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