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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.10.2003
Aktenzeichen: I B 8/03
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die katholische Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde mit geändertem Kirchensteuerbescheid vom 20. August 2001 für das Jahr 1999 (Streitjahr) zur Kirchensteuer veranlagt. Der Bescheid ergab eine Kirchensteuerschuld in Höhe von 121,30 DM.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren legte die Klägerin dagegen Klage vor dem Finanzgericht (FG) ein, mit der sie die Verletzung von Grundrechten durch das Bayerische Kirchensteuergesetz --KirchStG BY-- i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. November 1994 (Gesetz- und Verordnungsblatt --GVBl-- 1994, 1026) sowie die fehlende demokratische Legitimation der kirchlichen Organe zum Erlass der auf diesem Gesetz beruhenden Ordnung über die Erhebung von Kirchensteuern in den bayerischen (Erz)Diözesen (DKirchStO vom 22. März 1993 i.d.F. vom 21. September 1995) geltend machte. Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Es ließ die Revision gegen sein --in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 637 veröffentlichtes-- Urteil nicht zu.

Dagegen wehrt sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie die Zulassung der Revision gegen das Urteil der Vorinstanz beantragt.

Dem ist der Beklagte und Beschwerdegegner (Beklagter) entgegengetreten.

II. Die Beschwerde ist unbegründet und war daher zurückzuweisen.

Die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Sie sind nicht klärungsbedürftig, weil sich ihre Beantwortung aus dem Wortlaut und Zweck der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen sowie der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt. Die Rechtslage ist insoweit eindeutig.

1. Soweit die Klägerin geklärt wissen will, ob Art. 8 Abs. 1 Satz 2 KirchStGBY wegen Verstoßes gegen Art. 20 des Grundgesetzes (GG) verfassungswidrig sei, weil er zwar hinsichtlich der Höhe des Umlagesatzes eine Obergrenze von 10 v.H. der Einkommen- bzw. Lohnsteuer festlege, die exakte Bestimmung der Höhe aber den gemeinschaftlichen Steuerverbänden überlasse, die nicht hinreichend demokratisch legitimiert seien, ergibt sich die zutreffende rechtliche Beurteilung bereits aus den einschlägigen verfassungsrechtlichen Regelungen sowie den dazu ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG).

a) Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) enthalten die Regelung, dass die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, berechtigt sind, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben. Allgemein wird diese Vorgabe als Verpflichtung der Länder begriffen, die Voraussetzungen für die Steuererhebung durch den Erlass von Ländergesetzen zu schaffen (vgl. v.Campenhausen in v.Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, 4. Aufl., Art. 137 WRV Rz. 269 und 277, m.w.N.). Als vom Staat verliehenes Hoheitsrecht steht das Recht zur Steuererhebung im Gegensatz zur Beitragserhebung, die als innerkirchliche Angelegenheit anzusehen ist. Die Kirchensteuererhebung gehört zu den gemeinsamen Angelegenheiten von Staat und Kirche, indem der Staat den Religionsgesellschaften zur Beitreibung den Verwaltungszwang zur Verfügung stellt. Für die Kirchensteuer ist die staatliche Normierung konstitutiv. Deshalb unterliegt die Kirchensteuererhebung auch der Rechtskontrolle durch die staatlichen Gerichte (vgl. bereits BVerfG-Urteil vom 14. Dezember 1965 1 BvR 413/60, 416/60, BVerfGE 19, 206).

Dem Landesgesetzgeber steht es frei, ob er sich auf den Erlass von Rahmengesetzen beschränkt, das Besteuerungsrecht selbst in allen Einzelheiten regelt oder durch Abschluss staatskirchenrechtlicher Vereinbarungen den Rahmen schafft, den die Religionsgemeinschaften in Wahrnehmung des Rechts, ihre Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu verwalten, durch Erlass kirchlicher Steuergesetze ausfüllen können (vgl. BVerfG-Urteil vom 14. Dezember 1965 1 BvR 571/60, BVerfGE 19, 253).

b) Hat der Landesgesetzgeber sich --wie im Streitfall-- darauf beschränkt, die Kirchensteuerarten zu regeln und die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass kirchlicher Steuergesetze zu schaffen, und hat er die Ausfüllung dieses Rahmens den Religionsgemeinschaften überlassen, so obliegt es jenen in eigener Verantwortung, kirchliche Steuergesetze und Hebesatzbeschlüsse zu erlassen. Sie unterliegen dabei, weil das Besteuerungsrecht ein staatlich verliehenes Hoheitsrecht ist, der Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung, insbesondere an die Grundrechte (vgl. BVerfG-Beschluss vom 19. August 2002 2 BvR 443/01, Deutsches Verwaltungsblatt --DVBl-- 2002, 1624). Die kirchlichen Steuernormen müssen daher die Mindestanforderungen rechtsstaatlicher Steuererhebung erfüllen (vgl. BVerfG-Urteil vom 14. Dezember 1965 1 BvR 586/58, BVerfGE 19, 248). Allerdings ist der den Religionsgemeinschaften damit eröffnete Gestaltungsraum weit. Es steht ihnen frei, ein eigenes Besteuerungssystem zu entwickeln oder die Kirchensteuer als Zuschlagsteuer zu bestimmten staatlichen Maßstabsteuern, etwa als Zuschlag zur Einkommen- bzw. Lohnsteuer, auszugestalten (BVerfG-Beschluss in DVBl 2002, 1624).

c) Die Prüfung, ob die kirchlichen Steuernormen rechtsstaatlichen Mindestanforderungen genügen, obliegt danach den staatlichen Gerichten. Dabei entspricht es dem verfassungsrechtlichen Verständnis des Verhältnisses von Staat und Kirche, dass die Gerichte im Rahmen der von ihnen vorzunehmenden Prüfung auf einen verfassungsrechtlich tragfähigen Ausgleich des Spannungsverhältnisses zwischen kirchlicher Selbstbestimmung einerseits und den Anforderungen der rechtsstaatlichen Ordnung andererseits achten (vgl. BVerfG-Urteil vom 23. Oktober 1986 2 BvL 7/84, BVerfGE 73, 388). Dabei gehört die Festlegung der Höhe der Kirchensteuer zu den durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV geschützten eigenen Angelegenheiten der Kirche (BVerfG-Beschluss in DVBl 2002, 1624). Der diesbezüglich in Bezug genommene Wortlaut des durch Art. 140 GG inkorporierten Art. 137 Abs. 6 WRV, der den Religionsgesellschaften das Besteuerungsrecht "nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen" garantiert, weist den Ländern zwar die Gesetzgebungskompetenz für den Bereich des Kirchensteuerrechts zu und verpflichtet sie zum Erlass entsprechender Landesgesetze. Ein weiter gehender Regelungsgehalt ist ihm aber nicht zu entnehmen. Die Religionsgemeinschaften sind daher darin frei, im Rahmen ihres durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV geschützten Selbstbestimmungsrechts selbst zu bestimmen, welches kirchliche Organ in welcher Besetzung für die exakte Bestimmung der Höhe der entsprechenden Umlage zuständig sein soll, soweit im Hinblick auf die Bestimmbarkeit, Bemessungshöhe und Vorausberechenbarkeit der Kirchensteuer das rechtsstaatlich gebotene Mindestmaß eingehalten wird (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 19, 248; v.Campenhausen, a.a.O., Art. 137 WRV Rz. 278; Marré, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., Bd. 1 S. 1115 f.).

d) Letzteres ist bei dem hier streitgegenständlichen Art. 8 Abs. 1 Satz 2 KirchStG BY gewährleistet, weil danach nicht nur die maximal zulässige Umlagesatzhöhe feststeht, sondern nach Art. 26 Abs. 1 Nr. 5 KichStG BY i.V.m. § 9 Abs. 1 der Verordnung zur Ausführung des Kirchensteuergesetzes (AVKirchStG) vom 15. März 1967 (geändert durch Verordnung vom 18. Dezember 1995, GVBl 1995, 909, und vom 2. Januar 2002, GVBl 2002, 26) eine Änderung des Umlagesatzes zwei Monate vor Beginn des Kalenderjahres, von dem ab die Änderung wirksam werden soll, beschlossen und im Staatsanzeiger veröffentlicht werden soll. Die Klägerin hat daher auch weder behauptet noch dargelegt, dass die Höhe des Umlagesatzes für sie unvorhersehbar oder unbestimmbar gewesen sei.

2. Aus den vorgenannten Überlegungen ergibt sich auch, dass die DKirchStO als kirchliches Innenrecht, welches als solches die Vorgaben des KirchStG BY konkretisiert und erläutert, keinen rechtsstaatlichen Bedenken begegnet. Weder Art. 80 Abs. 1 GG noch der im Steuerrecht geltende Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung stehen dem entgegen: Die in Art. 80 Abs. 1 GG ausgeprägten, aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungssystem des GG folgenden Grundsätze sind zwar auch für die Landesgesetzgebung verbindlich (BVerfG-Urteil in BVerfGE 73, 388, m.w.N.); sie gelten jedoch nur für die Übertragung rechtsetzender Gewalt auf die Exekutive durch Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen und lassen sich auf die Religionsgesellschaften, denen gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV das Recht zusteht, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten, nicht anwenden (BVerfG-Urteil in BVerfGE 19, 253). Dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung, der als Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips fordert, dass steuerbegründende Tatbestände so bestimmt sein müssen, dass der Steuerpflichtige die auf ihn entfallende Steuerlast vorausberechnen kann (vgl. dazu bereits BVerfG-Urteil in BVerfGE 19, 253), wird durch entsprechend detaillierte kirchliche Regelungen Genüge getan (BVerfG-Urteil in BVerfGE 73, 388).

3. Die Verwendung der Kirchensteuer fällt vollständig in den Bereich der kirchlichen Selbstverwaltung, weil es sich insoweit um ein Verwalten eigener Angelegenheiten i.S. von Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV handelt (vgl. Korioth in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 140 GG/Art. 137 WRV Rz. 38; v.Campenhausen, a.a.O., Art. 137 WRV Rz. 111). Zwar müssen sich die Kirchen auch in diesem Bereich innerhalb der Schranken der allgemeinen Gesetze bewegen, es sind hier aber jedenfalls keine strengeren Maßstäbe anzulegen als im Bereich des Art. 137 Abs. 6 WRV.

4. Der Beschluss ergeht im Übrigen ohne weitere Begründung (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

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