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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 11.11.2008
Aktenzeichen: I B 80/08
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 6
FGO § 78 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichten bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung.

Gegen die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine 1999 errichtete GmbH, erging am 2. Mai 2005 eine Außenprüfungsanordnung für die Jahre 2000 bis 2002. Die Steuerfestsetzungen der Prüfungsjahre beruhen auf abgegebenen Steuererklärungen (2000) bzw. auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen (2001, 2002). Im Einspruchsverfahren wurde der zunächst auf den 23. Mai 2005 festgelegte Prüfungsbeginn auf einen mit der Klägerin noch abzustimmenden Termin verschoben. Später erfolgte --wie auch in der Einspruchsentscheidung-- der Hinweis des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--), dass es sich um eine Regelprüfung (§ 193 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO--) handele. Die Klage blieb erfolglos (Finanzgericht --FG-- Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. März 2008 5 K 2353/05).

Im gerichtlichen Verfahren war es zuvor zu einer Zurückweisung der früheren Prozessbevollmächtigten --einer in Großbritannien registrierten X Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft Ltd. mit einem "Büro" in E, deren Schriftsätze von Y unterzeichnet waren-- vorausgegangen. Eine Beschwerde gegen diese Zurückweisung blieb erfolglos (Senatsbeschluss vom 9. Juli 2007 I B 70/07, BFH/NV 2007, 2357; s. auch Senatsbeschluss vom 30. Januar 2008 I S 19/07, nicht veröffentlicht). Später traten für die Klägerin als Bevollmächtigte auf Y, Z und eine in Großbritannien registrierte (und in Deutschland nicht als Rechtsanwaltsgesellschaft anerkannte) "... Rechtsanwaltsgesellschaft Limited" (Ltd.) mit einem "Büro" in den Niederlanden und einer "Beratungsstelle" in Deutschland, deren Schriftsätze von Z unterzeichnet sind. Diese Bevollmächtigten wurden vom FG durch Beschlüsse in der mündlichen Verhandlung zurückgewiesen; dabei hat das FG zur Zurückweisung von Y und Z auf rechtskräftige Zurückweisungen in anderen beim FG anhängig gewesenen Verfahren verwiesen (zu Y: Urteil vom 13. November 2006 in der Sache 5 K 2269/06 mit Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. August 2007 IX B 247/06; zu Z: Urteil vom 8. Mai 2006 in der Sache 5 K 1831/05 mit BFH-Beschluss vom 8. März 2007 IX B 240/06, BFH/NV 2007, 1195). Das Beschwerdeverfahren gegen die Zurückweisungen blieb erfolglos (Senatsbeschluss vom 11. November 2008: I B 107/08). In der mündlichen Verhandlung war für die Klägerin trotz ordnungsgemäßer Ladung niemand erschienen; einem Antrag auf Terminsverlegung und auf Akteneinsicht hatte das FG nur insoweit entsprochen, als es Bl. 212 bis 222 einer Akte (als vom FA zur Verfügung gestelltes Aktenmaterial) übersandt hat. Die Ltd. hatte durch Schriftsatz vom 28. Februar 2008 erklärt, dass "die Klägerseite unter Protest am Termin, so er stattfindet, nicht teilnehmen wird, um dem garnicht erst den Anschein eines ordnungsgemäßen Verfahrens zu geben"; die Ladung der Bevollmächtigten Y und Z sei "offenkundig nicht (erfolgt), um mit ihnen zu verhandeln; es wird klägerseits unterstellt, dass die beiden im Termin zurückgewiesen und damit 'mundtot' gemacht werden sollen".

Die Klägerin macht Verfahrensfehler geltend und beantragt, die Revision gegen das angefochtene Urteil zuzulassen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist begründet; da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt sind, wird das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 116 Abs. 6 FGO).

Die Klägerin rügt mit ihrer Beschwerde zu Recht, dass ihr Recht auf Akteneinsicht (§ 78 Abs. 1 FGO) im finanzgerichtlichen Verfahren beeinträchtigt wurde. Auch wenn dieses Recht --wie das FG zutreffend hervorgehoben hat-- nicht zugleich einen Anspruch darauf begründet, dass sich das Gericht zum Zwecke der Gewährung von Akteneinsicht Akten vorlegen lässt, auf die es nach seiner Auffassung für die Entscheidungsfindung überhaupt nicht ankommt, muss dem Beteiligten die Möglichkeit eröffnet sein, die ihrem Inhalt nach entscheidungserheblichen (behördlichen) Akten einzusehen. Dies betrifft im Streitfall den Aktenteil, der sich auf den Erlass der Prüfungsanordnung bezieht. Da der Erlass der Prüfungsanordnung im Ermessen der Behörde steht und damit auch die Voraussetzungen bzw. Umstände des Ermessensgebrauchs --und nicht nur der Wortlaut der Prüfungsanordnung-- entscheidungserheblich sind, kommt es damit auf alle (aktenkundigen) Umstände an, die die Behörde dem Erlass der Prüfungsanordnung aktenmäßig zuordnet - damit auch auf den Aktenteil, der nach der behördlichen Paginierung Bl. 1 bis 211 entspricht. Die Klägerin hat insoweit zu Recht vorgetragen, dass dieser Aktenteil dazu geeignet sein könnte, ihren Vortrag, dass keine "Routineprüfung" vorliege, die Prüfung vielmehr nur als Vorwand dazu diene, eine berufliche Tätigkeit des Bevollmächtigten Z zu ermitteln, zu stützen, was für die Frage der Notwendigkeit einer Begründung der angefochtenen Prüfungsanordnung entscheidungserheblich ist. Diese Möglichkeit wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass das FA in der mündlichen Verhandlung des FG einen Hinweis der Veranlagungsstelle an die Betriebsprüfungsstelle präsentiert hat, der eventuell als Rechtfertigung für eine "Anlassprüfung" ausreichend sein könnte.

Dass die Klägerin ihr Recht auf Akteneinsicht missbräuchlich geltend gemacht hätte, ist nicht ersichtlich. Sie musste ihren Antrag nach der Übersendung des dem FG vorliegenden Aktenteils durch das FG --Bl. 212 bis 222 der Akte-- vor der mündlichen Verhandlung nicht nochmals wiederholen. Auch kann ihr nicht vorgehalten werden, dass sie bewusst an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat; dass zu diesem Termin die Möglichkeit zur Einsicht in das weitere Aktenmaterial möglich gewesen wäre, war nicht zu erwarten.



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