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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 16.05.2001
Aktenzeichen: I B 84/00
Rechtsgebiete: KStG, FGO


Vorschriften:

KStG § 47 Abs. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 96 Abs. 2
FGO § 119 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Berechtigung einer Rückstellung sowie darüber, ob eine Zahlung an eine Schwestergesellschaft der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) anzusehen ist.

Die Klägerin ist eine GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer R ist. R ist zugleich Alleingesellschafter und Geschäftsführer der R-GmbH.

Mit Wirkung zum 1. September 1986 pachtete die Klägerin von einem fremden Dritten (D-GmbH) den Betrieb eines Kur- und Thermalschwimmbades an. Die D-GmbH hatte ihrerseits den genannten Betrieb von der V-GmbH angepachtet und es dabei übernommen, die Verpflichtungen aus den am 1. September 1986 noch in Umlauf befindlichen Eintrittskarten zu erfüllen. Diese Verpflichtung, deren Wert im Pachtvertrag auf 60 000 DM geschätzt worden war, übernahm die Klägerin in dem Pachtvertrag mit der D-GmbH. Durch Vertrag vom 19. Dezember 1988 verpachtete die Klägerin den Schwimmbadbetrieb an die R-GmbH weiter, wobei die R-GmbH die Verpflichtung zur Einlösung der Eintrittskarten übernahm.

Nach der Übernahme des Schwimmbadbetriebs stellte die Klägerin fest, dass der Wert der tatsächlich noch im Umlauf befindlichen Eintrittskarten sich auf mehr als 1,2 Mio. DM belief. Sie bildete deshalb in ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1986 eine Rückstellung in Höhe des betreffenden Betrags, die sie im ersten Streitjahr (1987) unverändert fortführte und in der Bilanz auf den 31. Dezember 1988 (zweites Streitjahr) erfolgswirksam auflöste. Im Anschluss an die Weiterverpachtung an die R-GmbH stellte diese der Klägerin für die Übernahme der Verpflichtungen aus im Umlauf befindlichen Eintrittskarten 1 740 000 DM in Rechnung. Hiervon hatte sie bereits zuvor Teilbeträge in Höhe von 855 000 DM (am 30. Dezember 1988) und 285 000 DM (am 2. Januar 1989) berechnet.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 1986 bis 1988 vertrat der Prüfer die Ansicht, dass die Bildung der Rückstellung nicht zulässig gewesen sei und dass die Zahlungen an die R-GmbH vGA darstellten. Er löste deshalb die Rückstellung zum 31. Dezember 1987 erfolgswirksam auf. Außerdem erhöhte er den Gewinn des Jahres 1988 um den Betrag von 1 740 000 DM und stellte insoweit die Ausschüttungsbelastung her. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) schloss sich dem an und erließ entsprechende Körperschaftsteuerbescheide sowie Feststellungsbescheide gemäß § 47 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG).

Die gegen diese Bescheide gerichtete Klage hatte nur zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, dass die Klägerin in ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1987 zwar eine Rückstellung für die Einlösungsverpflichtung habe bilden dürfen. Dem sei jedoch ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten gegenüber zu stellen, da die Übernahme der Einlösungsverpflichtung wirtschaftlich ein zusätzliches Pachtentgelt darstelle. Aus der anteiligen Auflösung des Rechnungsabgrenzungspostens einerseits und der Rückstellung andererseits ergebe sich für 1987 im Ergebnis keine Gewinnminderung. Die Entgeltszahlung an die R-GmbH sei als vGA anzusehen. Allerdings sei von dem versprochenen Entgelt allenfalls ein Betrag von 855 000 DM noch im Jahr 1988 abgeflossen, so dass nur insoweit die Ausschüttungsbelastung hergestellt werden könne. Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu.

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin, dass das FG von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen sei und dass das angefochtene Urteil auf Verfahrensmängeln beruhe.

Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist hinsichtlich des Streitjahrs 1987 begründet, in Bezug auf das Streitjahr 1988 hingegen unbegründet.

1. Soweit es um das Streitjahr 1987 geht, beanstandet die Klägerin zu Recht, dass ihr nicht in ausreichender Form rechtliches Gehör gewährt worden sei. Hierin liegt ein Verfahrensmangel, der gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Zulassung der Revision führt:

a) Nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) hat vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. Hieraus folgt für das finanzgerichtliche Verfahren zum einen, dass das FG sein Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützen darf, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten (§ 96 Abs. 2 FGO). Darüber hinaus haben die Verfahrensbeteiligten Anspruch darauf, dass das Gericht sie auch in rechtlicher Hinsicht auf entscheidungserhebliche Erwägungen und Gesichtspunkte hinweist, mit denen sie erkennbar nicht gerechnet haben und auch nicht rechnen mussten. Das FG verstößt deshalb gegen das Recht eines Beteiligten auf Gehör, wenn es sein Urteil auf einen rechtlichen Gesichtspunkt stützt, der weder im Besteuerungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren zur Sprache gekommen war und dessen Heranziehung auch nicht aus sonstigen Gründen nahe lag (BFH-Urteile vom 17. Juni 1998 II R 29/97, BFH/NV 1999, 185; vom 23. September 1999 VI R 106/98, BFH/NV 2000, 448; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 119 Rz. 10a, jeweils m.w.N.). Eine solche Gestaltung liegt im Streitfall insoweit vor, als das FG darauf abgestellt hat, dass die Klägerin in ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1986 einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten habe bilden müssen und dass die vom FA vorgenommene Gewinnerhöhung für 1987 aus diesem Grund berechtigt sei.

Die Möglichkeit einer aktiven Rechnungsabgrenzung ist nach Aktenlage weder im Verwaltungsverfahren noch im Verlauf des Klageverfahrens angesprochen worden. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin hat das FG auch in der mündlichen Verhandlung nicht auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen. Es handelte sich auch nicht etwa um eine so nahe liegende Erwägung, dass die Klägerin ohne weitere Anhaltspunkte mit einer hierauf gestützten Entscheidung rechnen musste. Das gilt umso mehr, als die Klägerin im Klageverfahren vorgetragen hatte, dass sie sich auf die unzutreffenden Angaben der D-GmbH verlassen habe und dass eine Schadensersatzklage gegen die D-GmbH "wirtschaftlich nicht durchführbar" gewesen sei. Auch ein sachkundiger und gewissenhafter Berater der Klägerin konnte und musste vor diesem Hintergrund nicht davon ausgehen, dass das FG ohne vorherigen Hinweis die Übernahme der Verbindlichkeit gegenüber den Kunden als "zusätzliches Pachtentgelt" zugunsten der D-GmbH behandeln könnte. Die hierauf gestützte Entscheidung des FG verletzt mithin das Recht der Klägerin auf Gehör.

b) Das angefochtene Urteil beruht, soweit es das Streitjahr 1987 betrifft, auf dieser Rechtsverletzung. Dies folgt aus § 119 Nr. 3 FGO. Die dort verankerte Vermutung, dass eine Versagung des rechtlichen Gehörs für das später ergangene Urteil ursächlich ist, gilt zwar nicht ausnahmslos. Sie muss jedoch nur dann weichen, wenn das Gehör nur hinsichtlich einzelner Feststellungen verletzt worden ist, auf die es unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ankommt (Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz. 11, m.w.N.). Um eine solche Gestaltung handelt es sich im Streitfall schon deshalb nicht, weil der Ansatz eines Passivpostens für die Einlösungsverpflichtung --auch nach Auffassung des FG-- ernsthaft im Raum steht und ohne die vom FG befürwortete aktive Rechnungsabgrenzung der Klage hinsichtlich des Streitjahrs 1987 möglicherweise hätte stattgegeben werden müssen. Schließlich hatte die Klägerin keine Gelegenheit, die erst im Urteil zu Tage getretene Gehörsverletzung schon in der ersten Instanz zu rügen, so dass sie ihr Recht auf Beanstandung des Verfahrensmangels nicht durch rügelose Verhandlung verloren hat.

2. Hinsichtlich des Streitjahrs 1988 liegt eine Verletzung des Rechts auf Gehör hingegen nicht vor. Das FG hat die für dieses Streitjahr zu beurteilende Zahlung der Klägerin an die R-GmbH deshalb als vGA angesehen, weil es an einer im Vorhinein getroffenen eindeutigen Vereinbarung über die Zahlungspflicht fehle. Eine solche Vereinbarung hat es für erforderlich erachtet, weil R sowohl die Klägerin als auch die R-GmbH beherrscht habe. Nach Ansicht der Klägerin hat das FG damit den Vortrag in der Klageschrift übergangen, dass sie --die Klägerin-- und die R-GmbH die zu zahlenden Entgelte nach Fremdpreisen bemessen hätten und dass die vertraglich vereinbarten Verrechnungen ordnungsgemäß in der Buchführung erfasst worden seien. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen:

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind Zahlungen einer Kapitalgesellschaft an ihren beherrschenden Gesellschafter regelmäßig vGA, wenn sie nicht auf einer vorab getroffenen klaren und eindeutigen Vereinbarung beruhen (Senatsurteil vom 15. Oktober 1997 I R 19/97, BFH/NV 1998, 746; Senatsbeschluss vom 9. April 1997 I R 52/96, BFH/NV 1997, 808, 809; Blümich/Rengers, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 8 KStG Rz. 295 ff., m.w.N.). Dasselbe gilt für Leistungen an eine andere Gesellschaft, die ebenfalls von dem beherrschenden Gesellschafter der leistenden Gesellschaft beherrscht wird (Senatsurteil vom 7. November 1990 I R 35/89, BFH/NV 1991, 839, 840). Eine solche Beherrschungssituation lag im Streitfall vor. Die fachkundig beratene Klägerin musste deshalb damit rechnen, dass das FG bei seiner Entscheidung die genannten Grundsätze anwenden würde.

Der in der Klageschrift enthaltene Vortrag der Klägerin war nicht geeignet, eine Vereinbarung zwischen der Klägerin und der R-GmbH darzutun, die den bei Beherrschungsverhältnissen zu stellenden Anforderungen standhält. Es war dort weder von einer zahlenmäßig bestimmten oder eindeutig bestimmbaren Zahlungspflicht noch davon die Rede, wann eine dahin gehende Vereinbarung getroffen worden sein soll. Das FG hat den genannten Vortrag deshalb ersichtlich und in vertretbarer Weise dahin gewürdigt, dass konkrete Absprachen über von der Klägerin zu leistende Zahlungen nicht schon vor oder bei Abschluss des Pachtvertrags, sondern erst später getroffen worden sind. Angesichts dessen hat es angenommen, dass das bei Beherrschungsverhältnissen geltende Klarheitsgebot im Streitfall nicht erfüllt sei. Anhaltspunkte dafür, dass es die in der Klageschrift enthaltenen Ausführungen zur Entgeltsvereinbarung unberücksichtigt gelassen hätte, sind vor diesem Hintergrund nicht gegeben. Damit scheidet eine Verletzung des Rechts auf Gehör auch unter diesem Gesichtspunkt aus.



Ende der Entscheidung

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