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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 20.08.2007
Aktenzeichen: I B 98/07
Rechtsgebiete: EStG 1999, KStG 1999, FGO
Vorschriften:
EStG 1999 § 20 Abs. 1 Nr. 3 | |
EStG 1999 § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 | |
EStG 1999 § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 | |
EStG 1999 § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. b | |
KStG 1999 § 8 Abs. 1 | |
KStG 1999 § 44 | |
KStG 1999 § 44 Abs. 1 | |
KStG 1999 § 44 Abs. 2 | |
KStG 1999 § 44 Abs. 4 | |
KStG 1999 § 45 | |
KStG 1999 § 46 | |
FGO § 74 |
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten um die steuerliche Anerkennung eines sog. Rücklagenmanagements zur Realisierung von Körperschaftsteuerguthaben im Zusammenhang mit dem Systemwechsel vom körperschaftsteuerlichen Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren und hierbei zur Vermeidung der Vernichtung von Körperschaftsteuerguthaben. Streitjahr ist 2000. Im Einzelnen wird auf das Urteil des Senats vom 28. Juni 2006 I R 97/05 (BFHE 214, 276) über die Revision des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) gegen das Zwischenurteil des Finanzgerichts (FG) Münster vom 19. August 2005 9 K 5138/02 K,F (Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 205) Bezug genommen.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) begehrt nunmehr --nach Ergehen des vorbezeichneten Senatsurteils in BFHE 214, 276-- die erklärungsgemäße Veranlagung, insbesondere die Berücksichtigung der anzurechnenden Körperschaftsteuern gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1999) und § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1999), wie sie durch die Bescheinigungen der ausschüttenden Körperschaften gemäß § 44 Abs. 1 und 2 KStG 1999 bescheinigt worden sind. Das FA lehnt dies ab. Die Steuerbescheinigungen gemäß § 44 Abs. 1 und 2 KStG 1999 seien zwar ausgestellt und von der Klägerin auch vorgelegt worden. Zwischenzeitlich seien diese Bescheinigungen jedoch von den Beteiligungsgesellschaften gemäß § 44 Abs. 4 KStG 1999 gegenüber dem FA durch berichtigte Bescheinigungen ersetzt worden. Folglich sei die Klage abzuweisen.
Das FG hat das Klageverfahren durch Beschluss vom 2. Februar 2007 gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt und der Klägerin aufgegeben, innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft des Aussetzungsbeschlusses Nachweise darüber vorzulegen, dass sie die Erteilung von Steuerbescheinigungen i.S. von § 44 Abs. 1 KStG 1999 über die im Streitjahr von den im Rubrum des Aussetzungsbeschlusses vom 2. Februar 2007 näher bezeichneten Beteiligungsgesellschaften vereinnahmten Gewinnausschüttungen verlangt und --soweit die Erteilung von solchen Bescheinigungen von den Gesellschaften abgelehnt worden ist-- gerichtlich geltend gemacht hat.
Dagegen wehrt sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde, der das FG durch im Übrigen gleichlautenden Änderungsbeschluss vom 25. Mai 2007 nur bezogen auf die zwischenzeitlich nachgereichte Ausschüttungsbescheinigung einer der Beteiligungsgesellschaften, der X-GmbH, abgeholfen hat.
II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Aussetzungsbeschlüsse. Die vom FG angenommene Aussetzungssituation besteht nicht.
1. Gemäß § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen ist. Bei dem betreffenden Rechtstreit kann es sich nicht nur um einen bereits anhängigen Rechtsstreit handeln, sondern auch um einen solchen, der --ggf. nach Fristsetzung durch das FG-- von einem der Beteiligten erst noch anhängig zu machen ist (Bundesfinanzhof --BFH--, Urteil vom 31. Mai 2005 VII R 56/04, BFH/NV 2005, 1759).
2. Entgegen der Vorinstanz liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Klageverfahrens im Streitfall nicht vor. Der Ausgang des Rechtsstreits ist nicht von der (nochmaligen) Erteilung von Steuerbescheinigungen durch die Beteiligungsgesellschaften und ggf. von noch anhängig zu machenden Rechtsstreiten gegen jene Gesellschaften abhängig.
Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1999, soweit hier einschlägig, die nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG 1999 anzurechnende Körperschaftsteuer. Anzurechnen ist die Körperschaftsteuer danach zwar nur dann, wenn die in § 44, § 45 oder § 46 KStG 1999 bezeichnete Bescheinigung vorgelegt worden ist, andernfalls scheidet die Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. b EStG 1999 und damit auch die Erfassung der Körperschaftsteuer als Kapitaleinkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1999 (als ihrerseits wechselseitige Voraussetzung für die Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG 1999) aus. An der fehlenden Vorlage von Bescheinigungen gemäß § 44 KStG 1999 scheitert die Anrechnung im Streitfall jedoch nicht, denn die Klägerin hat dem FA entsprechende, ihr ausgehändigte Bescheinigungen über die in Rede stehenden Gewinnausschüttungen zum Verbleib vorgelegt. Diese Bescheinigungen mögen in der Folgezeit gegenüber dem FA --nicht zuletzt auch auf dessen Veranlassung hin-- von ihren jeweiligen Ausstellern widerrufen bzw. korrigiert worden sein. Gleichwohl standen jene ursprünglichen Bescheinigungen, wie von der Klägerin von Anfang an vertreten worden und wie nunmehr --nach Ergehen des Senatsurteils in BFHE 214, 276-- unter den Beteiligten auch einvernehmlich ist, mit der materiellen Rechtslage in Einklang. Folglich besteht für die Klägerin (und bestand zuvor aus ihrer durch das Urteil in BFHE 214, 276 als richtig bestätigten) Sicht auch kein Grund, die Bescheinigungen ihren Ausstellern zurückzugeben, bei denselben auf abermalige Erteilung entsprechender Bescheinigungen nachzusuchen und im Weigerungsfall gegen diese Zivilrechtsklagen anzustrengen.
Aus § 44 Abs. 4 KStG 1999 ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die darin angeordnete Pflicht des Ausstellers, eine fehlerhafte Bescheinigung zurückzufordern und durch eine berichtigte Bescheinigung zu ersetzen und bei nicht rechtzeitiger Rückgabe der fehlerhaften Bescheinigung das zuständige FA zu informieren, zielt darauf ab, die missbräuchliche Verwendung der ausgehändigten fehlerhaften Bescheinigung durch den Anteilseigner zu verhindern. Um eine solche Situation geht es im Streitfall jedoch nicht. Die ursprünglich ausgehändigten Bescheinigungen waren allenfalls scheinbar und aus Sicht des FA fehlerhaft. Um die Bestätigung ihrer entgegenstehenden Rechtsauffassung hat die Klägerin im Ergebnis erfolgreich gefochten. Die Anrechnungsvoraussetzungen liegen in diesem Punkt des --materiell-rechtlichen (z.B. BFH-Beschluss vom 26. September 1991 VIII B 41/91, BFHE 165, 287, BStBl II 1991, 924)-- Erfordernisses von Ausschüttungsbescheinigungen also uneingeschränkt vor; sie belegen die Ausschüttungen und die darauf angefallenen und deshalb im Rahmen von § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG 1999 anzurechnenden Körperschaftsteuern. Etwaige (fehlerhafte) Korrekturbescheinigungen, die dem FA vorliegen mögen, sind der Klägerin nicht entgegenzuhalten; solche sind ebenso wenig geeignet, die Anrechnung (vorübergehend oder endgültig) zunichte zu machen wie etwaige "tatsächliche Verständigungen" zwischen den jeweiligen Betriebs-Finanzämtern und einigen der Beteiligungsgesellschaften darüber, dass die Gewinnausschüttungen steuerrechtlich als Darlehen zu behandeln (und die einbehaltenen Kapitalertragsteuern diesen zu erstatten) seien. Die Nachweise über die Anrechnungsguthaben wurden erbracht. Sie liegen dem FA vor und können von ihm insoweit nicht in anderer Form infolge der mit den Beteiligungsgesellschaften getroffenen "tatsächlichen Verständigungen" widerlegt werden (vgl. abgrenzend auch BFH-Urteil vom 19. Juli 1994 VIII R 58/92, BFHE 176, 317, 324, BStBl II 1995, 362, 365). Sollte es infolge jener anderweitigen Behandlung des zur Entscheidung gestellten Sachverhalts durch das FA zu Doppelerstattungen kommen, so hätte angesichts des laufenden Klageverfahrens insoweit gegenüber den Gesellschaften durch entsprechende Vorbehaltsfestsetzungen oder Widerrufsvorbehalte verfahrensrechtliche Vorsorge getroffen werden müssen und wären etwaige Doppelerstattungen gegenüber diesen Gesellschaften rückgängig zu machen; sie lassen sich aber nicht zu Lasten der Klägerin vermeiden.
Der Rechtsstreit ist nach Aktenlage und vorbehaltlich der weiteren tatrichterlichen Überprüfung des zu beurteilenden Sachverhalts in jenem Punkt mithin spruchreif; ein Aussetzungsgrund durch ein anderweitiges vorgreifliches Rechtsverhältnis i.S. von § 74 FGO fehlt.
Ende der Entscheidung
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