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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 09.06.1999
Aktenzeichen: I R 100/97
Rechtsgebiete: EStG 1990, OWiG a.F., GWB a.F.
Vorschriften:
EStG 1990 i.d.F. des StÄndG 1992 § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Sätze 1 | |
EStG 1990 i.d.F. des StÄndG 1992 § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Sätze 4 | |
EStG 1990 i.d.F. des StÄndG 1992 § 52 Abs. 5 a | |
OWiG a.F. § 13 Abs. 1 | |
OWiG a.F. § 13 Abs. 4 (= OWiG § 17 Abs. 1 und 4) | |
GWB a.F. § 38 Abs. 4 (= GWB § 81 Abs. 2) |
Bemißt sich die wegen eines Wettbewerbsverstoßes festgesetzte Geldbuße --über den regulären gesetzlichen Höchstbetrag hinaus-- unter Einbeziehung des durch die Zuwiderhandlung erlangten Mehrerlöses (§ 38 Abs. 4 Satz 1 GWB a.F., § 81 Abs. 2 Satz 1 GWB), wird zugleich der erlangte wirtschaftliche Vorteil abgeschöpft (§ 13 Abs. 4 Satz 1 OWiG a.F., § 17 Abs. 4 Satz 1 OWiG). Hat die Bußgeldbehörde die Ertragsteuern, die auf diesen Vorteil entfallen, bei der Festsetzung nicht berücksichtigt, mindert die Geldbuße deshalb bis zu den gesetzlichen zulässigen Höchstbeträgen den Gewinn (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG). Darauf, daß sich der abschöpfende Teil der einheitlichen Geldbuße eindeutig abgrenzen läßt, kommt es nicht an.
EStG 1990 i.d.F. des StÄndG 1992 § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Sätze 1 und 4, § 52 Abs. 5 a OWiG a.F. § 13 Abs. 1 und Abs. 4 (= OWiG § 17 Abs. 1 und 4) GWB a.F. § 38 Abs. 4 (= GWB § 81 Abs. 2)
Urteil vom 9. Juni 1999 - I R 100/97 -
Vorinstanz: FG Münster (EFG 1997, 1422)
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine AG. Durch Bußgeldbescheid vom 5. April 1974 setzte das Bundeskartellamt wegen der Teilnahme an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen nach § 26 des Ordnungswidrigkeitengesetzes --OWiG-- a.F. (s. BGBl I 1968, 481) i.V.m. § 38 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), jeweils in den seinerzeit geltenden Fassungen (nunmehr § 30 OWiG; § 81 Abs. 2 GWB), gegen diese eine Geldbuße in Höhe von 275 000 DM fest. Bei der Bemessung der Geldbuße wurde insbesondere die große wirtschaftliche Bedeutung der Absprachen für den Biermarkt und die Verbraucher sowie die Tatsache berücksichtigt, daß durch die Absprachen beträchtliche Mehrerlöse erzielt wurden. Errechnet wurde die Geldbuße aus der Differenz zwischen Nettopreis der Vertragsware vor und nach den Kartellabsprachen. Ausgegangen wurde von den geschätzten Nettoerlösen auf der Basis der Preiserhöhungen für den Großhandel, gekürzt um Rabatte, Skonti, Rückvergütungen etc. Die auf die Mehrerlöse zu entrichtende Körperschaftsteuer wurde bei der Bemessung der Geldbuße nicht berücksichtigt. Als Mehrerlös wurden die Mehreinnahmen ohne Abzug der daraus folgenden Mehrausgaben angesehen.
Die Klägerin zog das Bußgeld im Streitjahr 1974 unter Hinweis auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1990) i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1992 (StÄndG 1992) --EStG 1990-StÄndG 1992-- i.V.m. § 52 Abs. 5a EStG 1990-StÄndG 1992 in vollem Umfang als Betriebsausgabe ab. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht und setzte die Körperschaftsteuer sowie den einheitlichen Gewerbesteuer-Meßbetrag dementsprechend fest.
Die dagegen gerichtete Klage hatte teilweise Erfolg; das Finanzgericht (FG) gab ihr insofern statt, als es annahm, in der festgesetzten Geldbuße sei ein abgeschöpfter wirtschaftlicher Vorteil von 154 000 DM enthalten, der gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG 1990-StÄndG 1992 als Betriebsausgabe abzugsfähig sei und nicht dem Abzugsverbot unterliege, da die Steuern vom Einkommen und Ertrag, die auf den wirtschaftlichen Vorteil entfielen, nicht abgezogen worden seien. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1422 wiedergegeben.
Seine Revision stützt das FA auf Verletzung von § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG 1990-StÄndG 1992.
Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das dem Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat sich dem FA in der Sache angeschlossen, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.
II.
Die Revision ist unbegründet.
1. a) Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG i.d.F. des Gesetzes vom 25. Juli 1984 (EStG 1983), der für die Körperschaftsteuer gemäß § 6 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1968 (§ 8 Abs. 1 KStG 1977) und für die Gewerbesteuer gemäß § 7 des Gewerbesteuergesetzes auf die Klägerin anzuwenden war, durften Geldbußen, Ordnungsgelder und Verwarnungsgelder, die von deutschen Behörden oder Gerichten oder von Organen Europäischer Gemeinschaften festgesetzt worden sind, nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Der Gesetzgeber wollte mit diesem Abzugsverbot den Rechtszustand wiederherstellen, wie er nach der ursprünglichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vor deren Änderung durch den Beschluß des Großen Senats des BFH vom 21. November 1983 GrS 2/82 (BFHE 140, 50, BStBl II 1984, 160) bestand, der den Abzug der Geldbußen als Betriebsausgaben zugelassen hatte. Das gesetzliche Abzugsverbot galt rückwirkend auch für Veranlagungszeiträume vor 1983, sofern die Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig waren (§ 52 Abs. 3 a EStG 1983 i.d.F. des Gesetzes vom 25. Juli 1984). Diese Rückwirkung wie im Grundsatz auch das Abzugsverbot als solches waren verfassungsmäßig (Bundesverfassungsgericht --BVerfG--, Beschluß vom 23. Januar 1990 1 BvL 4, 5, 6, 7/87, BVerfGE 81, 228, BStBl II 1990, 483; BFH-Urteil vom 24. Juli 1990 VIII R 194/84, BFHE 161, 509, BStBl II 1992, 508).
Allerdings hat das BVerfG (ebd.) ausdrücklich festgestellt, daß dies nur dann gelte, wenn die zuständigen Behörden oder Gerichte bei der Verhängung der Geldbuße die auf dem gesetzeswidrig erlangten wirtschaftlichen Vorteil beruhende ertragsteuerliche Belastung berücksichtigen und nur den um diesen Wert geminderten wirtschaftlichen Vorteil abschöpfen. Ansonsten müsse von Gesetzes wegen sichergestellt werden, daß keine Doppelbelastung durch das Bußgeld einerseits und die Besteuerung andererseits eintrete. Nach diesen Maßgaben hat der Gesetzgeber durch das StÄndG 1992 in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG 1990 einen neuen Satz 4 eingefügt, wonach das Abzugsverbot für Geldbußen nicht gilt, soweit der wirtschaftliche Vorteil, der durch den Gesetzesverstoß erlangt wurde, abgeschöpft worden ist, wenn die Steuern vom Einkommen und Ertrag, die auf den wirtschaftlichen Vorteil entfallen, nicht abgezogen worden sind. Auch dieser Gesetzesergänzung kommt Rückwirkung für Veranlagungszeiträume vor 1992 --und damit auch für das Streitjahr-- zu, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen oder die Steuer hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der Geldbuße als Betriebsausgabe, wie vorliegend geschehen, vorläufig festgesetzt worden ist (§ 52 Abs. 5 a EStG 1990-StÄndG 1992).
b) Nach den Feststellungen des FG, die den erkennenden Senat binden (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und über die zwischen den Beteiligten auch Einvernehmen besteht, fehlt es im Streitfall bei der hier in Rede stehenden Geldbuße, die das Bundeskartellamt gegen die Klägerin wegen verbotener Preisabsprachen festgesetzt hat, an einem Abzug der Ertragsteuern. Es besteht zwischen den Beteiligten überdies Einvernehmen darüber, daß der von der Klägerin durch die Kartellordnungswidrigkeiten erlangte wirtschaftliche Vorteil vor Abzug der Ertragsteuern sich auf nur 154 000 DM beläuft und daß das Bundeskartellamt im Rahmen der Geldbußenfestsetzung den von der Klägerin bei den geahndeten Preisabsprachen erlangten Mehrerlös nach Maßgabe von § 38 Abs. 4 GWB a.F. (§ 81 Abs. 2 GWB) berücksichtigt hat. Streitig ist allein, ob es sich bei dieser Berücksichtigung des Mehrerlöses (zugleich) um eine Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG 1990-StÄndG 1992 handelt, die in entsprechender Höhe zum Abzug der Geldbuße führt. Dies wird vom FA und von dem dem Verfahren beigetretenen BMF verneint, von der Klägerin jedoch bejaht. Die Vorinstanz hat diese Sichtweise der Klägerin zu Recht bestätigt.
2. Bei der der Klägerin zur Last gelegten verbotenen Preisabsprache handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann, und zwar gemäß § 38 Abs. 4 Satz 1 GWB in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung bis 100 000 DM (jetzt: bis zu 1 Mio. DM, § 81 Abs. 2 GWB), über diesen Betrag hinaus bis zur dreifachen Höhe des durch die Zuwiderhandlung erlangten Mehrerlöses. Damit weicht die Regelung in § 38 Abs. 4 GWB von der allgemeinen ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vorschrift in § 13 Abs. 1 OWiG a.F. (§ 17 Abs. 1 OWiG) ab, wonach die Geldbuße mindestens 5 DM und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens 1 000 DM (jetzt 2 000 DM) beträgt. Unabhängig davon bestimmt § 13 Abs. 4 OWiG a.F. (§ 17 Abs. 4 OWiG), daß die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen soll (Satz 1). Für den Fall, daß das gesetzliche Höchstmaß hierzu nicht ausreicht, kann es überschritten werden (Satz 2). Sowohl die Regelungen in § 13 Abs. 1 OWiG a.F. (§ 17 Abs. 4 OWiG) und § 38 Abs. 4 GWB a.F. (§ 81 Abs. 2 GWB) als auch jene in § 13 Abs. 4 OWiG a.F. (§ 17 Abs. 4 OWiG) gelten gleichermaßen, wenn die Geldbuße, wie im Streitfall, als sog. Verbandsbuße gegenüber einer juristischen Person festgesetzt wird (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 2 und 3 OWiG a.F.; § 30 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 OWiG).
An diesen in § 13 Abs. 4 Satz 1 OWiG a.F. (§ 17 Abs. 4 Satz 1 OWiG) verwendeten Begriff des wirtschaftlichen Vorteils knüpft auch § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG 1990-StÄndG 1992 an.
3. Ausschlaggebend für die Beantwortung der Kontroverse ist folglich in erster Linie das Verhältnis zwischen den Begriffen des "wirtschaftlichen Vorteils" und des "Mehrerlöses" und damit zugleich zwischen § 13 Abs. 4 OWiG a.F. (§ 17 Abs. 4 OWiG) einerseits und § 38 Abs. 4 GWB a.F. (§ 81 Abs. 2 GWB) andererseits.
a) Über beides besteht in Rechtsprechung und Praxis Streit. Eine Meinung stellt sich auf den Standpunkt, § 13 Abs. 4 OWiG a.F. (§ 17 Abs. 4 OWiG) werde durch § 38 Abs. 4 GWB a.F. (§ 81 Abs. 2 GWB) als die speziellere Vorschrift verdrängt. Zur Begründung wird im wesentlichen auf den Unterschied zwischen Mehrerlös und wirtschaftlichem Vorteil abgestellt und darauf hingewiesen, daß neben der für das Kartellrecht vorgesehenen Höchstbuße kein Raum für eine nochmalige Überschreitung dieser Maximalbegrenzung unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Vorteils verbleibe (Fischötter in Gemeinschaftskommentar zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und Europäischen Kartellrecht, 4. Aufl., § 38 GWB Rz. 154, m.w.N.). Demgegenüber steht die Auffassung, bei § 38 Abs. 4 GWB a.F. (§ 81 Abs. 2 GWB) handele es sich um eine den ordnungswidrigkeitenrechtlichen Grundtatbestand in § 13 Abs. 1 OWiG a.F. (§ 17 Abs. 1 OWiG) verdrängende Sonderregelung, nicht aber um eine solche in bezug auf § 13 Abs. 4 OWiG a.F. (§ 17 Abs. 4 OWiG). Diese Vorschrift bleibe vielmehr gleichberechtigt neben § 38 Abs. 4 GWB a.F. (§ 81 Abs. 2 GWB) anwendbar; beide Vorschriften schlössen sich gegenseitig nicht aus. Der maximale Bußgeldrahmen bis zur dreifachen Höhe des Mehrerlöses gemäß § 38 Abs. 4 GWB a.F. (§ 81 Abs. 2 GWB) kann hiernach also noch seinerseits überschritten werden, sofern dieses Höchstmaß nicht ausreichen sollte, um den aus der begangenen Ordnungswidrigkeit erzielten wirtschaftlichen Vorteil abzuschöpfen (überwiegende Meinung; vgl. Achenbach in Frankfurter Kommentar zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 3. Aufl., § 38 Rz. 506, 527, 556 f.; Tiedemann in Immenga/Mestmäcker, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 2. Aufl. 1992, § 38 Rz. 269; Steindorf in Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, § 17 Rz. 136; Göhler, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 12. Aufl., § 17 Rz. 47; Peltzer, Der Betrieb 1977, 1445; jeweils m.w.N.).
b) Dieser letzten Auffassung, die auch vom Bundesgerichtshof (BGH) geteilt wird (Beschluß vom 19. September 1974 KRB 2/74, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1975, 269), ist der Vorzug zu geben. Bereits aus dem Wortlaut des § 38 Abs. 4 Satz 1 GWB a.F. (§ 81 Abs. 2 Satz 1 GWB) ist abzuleiten, daß es hierbei lediglich um die Festlegung einer für das Kartellrecht geltenden Höchstgrenze geht, nämlich zum einen --(zunächst) absolut-- begrenzt auf 1 Mio. DM, zum anderen --diesen Wert relativ erhöhend-- im Hinblick auf einen erzielten Mehrerlös. Durch § 38 Abs. 4 Satz 1 GWB a.F. (§ 81 Abs. 2 Satz 1 GWB) wird folglich --nur-- § 13 Abs. 1 OWiG a.F. (§ 17 Abs. 1 OWiG) abgewandelt, die übrigen Regelungen dieser Vorschrift in den Abs. 2 bis 4 werden dies jedoch nicht. Vielmehr gehören diese zum weiterhin unangetastet bleibenden, allgemein-rechtlichen Teil des Ordnungswidrigkeitenrechts, der den Rahmen für die Bußgeldfestsetzung auch bei Kartellrechtsverstößen vorgibt.
c) In der praktischen Konsequenz bedeutet dies, daß der nach § 38 Abs. 4 GWB a.F. (§ 81 Abs. 2 GWB) berechnete Bußgeldrahmen (nur dann) nach Maßgabe von § 13 Abs. 4 OWiG a.F. (§ 17 Abs. 4 OWiG) überschritten werden kann, wenn das so erzielbare Höchstmaß nicht ausreicht, um den aus der Kartellordnungswidrigkeit gezogenen wirtschaftlichen Vorteil abzuschöpfen und zugleich den Täter spürbar zu sanktionieren. Ansonsten wird der erlangte wirtschaftliche Vorteil, wie sich aus § 13 Abs. 4 Satz 1 OWiG a.F. (§ 17 Abs. 4 Satz 1 OWiG) zweifelsfrei ergibt, bereits über die Buße als Maßnahme der Sanktionierung der zu ahndenden Ordnungswidrigkeit (mit-)abgeschöpft und von dieser konsumiert. Der Vorteil tritt sonach in jenem Umfang, in dem er über die Mehrerlöse im Höchstmaß des mit der Buße verbundenen Sanktionsteils verborgen ist, nicht eigenständig in Erscheinung, vielmehr dient er insoweit nur als Parameter für die Bestimmung der Höchstgrenze der Geldbuße als Sanktion, vermischt sich mit dieser und geht untrennbar in diese ein. Der "wirtschaftliche Vorteil" stellt dabei gegenüber den "Mehrerlösen" den insoweit umfassenderen Begriff dar, als er jegliche Vorteile miteinschließt, solche materieller ebenso wie solche immaterieller Art. Er tritt andererseits hinter den Begriff der "Mehrerlöse" zurück, indem er Kostenpositionen, vor allem die auf die betreffenden Einnahmen entfallenden Ertragsteuern, einbezieht, wohingegen der Begriff der "Mehrerlöse" gleichsam "brutto", ohne Abzug der erwähnten Positionen, verstanden werden muß (BGH-Beschluß in NJW 1975, 269; Meurer, Betriebs-Berater --BB-- 1998, 1236; Tiedemann in Immenga/Mestmäcker, a.a.O., § 38 Rz. 248, 273; Bechtold, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, § 38 Rz. 24). In Anbetracht dieser Wechselwirkungen wird es nur selten vorkommen, daß der nach § 38 Abs. 4 GWB a.F. (§ 81 Abs. 2 GWB) errechnete Höchstwert der festzusetzenden Geldbuße um den wirtschaftlichen Vorteil nach Maßgabe von § 13 Abs. 2 bis 4 OWiG a.F. (§ 17 Abs. 2 bis 4 OWiG) --nochmals-- zu erhöhen sein wird. Ausgeschlossen ist dies jedoch nicht (BGH, ebd.; Steindorf, a.a.O., § 17 Rz. 136; Göhler, a.a.O., § 17 Rz. 47; Achenbach, a.a.O., § 38 Rz. 557; Bechtold, a.a.O., § 38 Rz. 24).
d) Dieses Verständnis der Regelungszusammenhänge hat aber zugleich zur Konsequenz, daß die Begriffsinhalte des in § 38 Abs. 4 GWB a.F. (§ 81 Abs. 2 GWB) angesprochenen "Mehrerlöses" und des "wirtschaftlichen Vorteils" i.S. von § 13 Abs. 4 OWiG a.F. (§ 17 Abs. 4 OWiG), ohne gänzlich identisch zu sein, sich tatsächlich und wirtschaftlich gesehen doch in weiten Bereichen decken: Entweder (und sieht man von Kartellen im Bereich der Beschaffung oder anderen Bereichen außerhalb des Absatzes ab) beinhaltet der "wirtschaftliche Vorteil" eine Teilmenge des Mehrerlöses oder aber umgekehrt der "Mehrerlös" eine Teilmenge des "wirtschaftlichen Vorteils". Stellt aber der erlangte "wirtschaftliche Vorteil" als Untergrenze den Sockelbetrag für die Bemessung der Geldbuße gemäß § 13 Abs. 1 OWiG a.F. (§ 17 Abs. 1 OWiG) in ihrer Gesamtheit dar, die ihrerseits der Höhe nach durch den erlangten "Mehrerlös" gemäß § 38 Abs. 4 GWB a.F. --§ 81 Abs. 2 GWB-- (mit-)bestimmt wird, dann wird der wirtschaftliche Vorteil durch die festgesetzte Geldbuße grundsätzlich unabhängig davon abgeschöpft, ob er sich in Form einer zusätzlichen Erhöhung der Buße über § 13 Abs. 4 OWiG a.F. (§ 17 Abs. 4 OWiG) auswirkt oder ob er lediglich rechnerisch (und von vornherein) als Höchstbetrag in die Bemessung des Bußgeldrahmens nach Maßgabe von § 13 Abs. 1 OWiG a.F. (§ 17 Abs. 1 OWiG) oder § 38 Abs. 4 GWB a.F. (§ 81 Abs. 2 GWB) einbezogen wird. Der wirtschaftliche Vorteil stellt --jedenfalls im Regelfall ("soll")-- immer die nach oben hin offene (vgl. § 13 Abs. 4 Satz 2 OWiG a.F., § 17 Abs. 4 Satz 2 OWiG) Untergrenze der Bußgeldfestsetzung dar. Innerhalb dieser Grenze kommt der Geldbuße eine ahndende und zugleich abschöpfende Doppelfunktion zu und ist sie bezogen auf den abschöpfenden Teil "nur der Form nach Sanktion" (so BFH-Beschluß vom 21. Oktober 1986 VIII R 1/85, BFH/NV 1987, 152, 154, unter IV. 3. c aa der Entscheidungsgründe; Achenbach, a.a.O., § 38 Rz. 557). Das bedeutet jedoch nicht, daß dieser Teil des derart festgesetzten einheitlichen Bußgeldes "eindeutig" abgrenzbar sein müßte (so indes FG Baden-Württemberg, Urteile vom 18. November 1993 6 K 136/91 --Außensenate Stuttgart--, EFG 1994, 608; vom 12. Januar 1996 9 K 208/94, EFG 1996, 530, und vom 24. April 1997 10 K 55/95, EFG 1997, 1300; dem folgend Söhn in Kirchhof/ Söhn, Einkommensteuergesetz, § 4 Rdnr. N 77; Heinicke in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl., § 4 Rz. 520, Stichwort Strafen/Geldbußen; Meurer, BB 1998, 1236; dieselbe in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 4 Rz. 749; Hildesheim in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 4 EStG Anm. 1731). Es genügt, daß sich einerseits der ahndende Teil --regelmäßig nach Maßgabe der regulären gesetzlichen Höchstbeträge gemäß § 13 Abs. 1 OWiG a.F. (§ 17 Abs. 1 OWiG)-- und andererseits der abschöpfende Teil --ggf. auch nur schätzweise (vgl. z.B. Steindorf, a.a.O., § 17 Rz. 126; Achenbach, a.a.O., § 38 Rz. 574)-- nachweisen lassen. Das ist bei der hier in Rede stehenden Geldbuße der Fall.
Daß diese Betrachtungsweise richtig ist, erweist sich nicht zuletzt daran, daß der Mehrerlös, wie aufgezeigt, als Bruttobetrag zu verstehen ist und regelmäßig den Nettobetrag des eigentlichen wirtschaftlichen Vorteils übersteigen wird. Würde angesichts dessen der Mehrerlös bei der Bußgeldbemessung gleichwohl nicht berücksichtigt, weil die Abschöpfung des Erlöses in der Sanktion "aufgeht", bliebe der erlangte wirtschaftliche Vorteil in dieser Höhe steuerlich unbeachtet, obwohl die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in entsprechendem Umfang gemindert wird. Sichtbar wird dies auch und gerade in jenen Fällen, in denen, wie bei der Klägerin, die Geldbuße gemäß § 26 OWiG a.F. (§ 30 OWiG) als Verbandsbuße festgesetzt wird. Denn hier soll diese vorzugsweise dazu dienen, unrechtmäßige wirtschaftliche Vorteile abzuschöpfen und unlauterem Gewinnstreben vorzubeugen (vgl. Cramer in Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, § 30 Rz. 126 f., 131; Tiedemann in Immenga/Mestmäcker, a.a.O., § 38 Rz. 268; s. auch BGH-Beschluß vom 24. April 1991 KRB 5/90, Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht --wistra-- 1991, 268, Wirtschaft und Wettbewerb Entscheidungssammlung zum Kartellrecht --WuW/E-- BGH 2718-2720, unter III. 4.). Auch wenn der Ahndungszweck bei der Bußgeldbemessung im allgemeinen gleichwohl Berücksichtigung finden wird, so tritt er doch deutlich zurück. Im Vordergrund steht hier die Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils.
4. Geschieht dies, ohne daß die darauf entfallende Ertragsteuerbelastung einbezogen wird, ist es verfassungsrechtlich geboten, dem in steuerlicher Hinsicht Rechnung zu tragen (vgl. ausdrücklich BVerfG in BVerfGE 81, 228, BStBl II 1990, 483, unter B. I. 3. a.E. der Entscheidungsgründe zu § 17 Abs. 4 Satz 1 OWiG und § 38 Abs. 4 GWB a.F.). Der erlangte Mehrerlös ist dann in jenem Umfang, in dem er sich mit dem erlangten wirtschaftlichen Vorteil vor Ertragsteuern deckt, nach Maßgabe von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG 1990-StÄndG 1992 steuerlich als Betriebsausgabe abziehbar. Dabei berücksichtigt der Senat auch, daß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 1 EStG 1990-StÄndG 1992 ohnehin einen Verstoß gegen das sog. Nettoprinzip als Ausdruck des allgemeinen Leistungsprinzips beinhaltet, deshalb als Ausnahmevorschrift konzipiert und als solche --wie auch das BMF, wenn auch mit umgekehrter Konsequenz, einräumt-- eng auszulegen ist (vgl. auch BFH-Beschluß in BFH/NV 1987, 152, 153, unter IV. 3. a der Entscheidungsgründe).
5. a) Der erkennende Senat stellt sich nicht in Widerspruch zu der Rechtsprechung des BGH. Allerdings hat dieser in seinen Beschlüssen in wistra 1991, 268, und vom 18. Februar 1992 KRB 13/91 (NJW Rechtsprechungs-Report 1992, 1130) ausgeführt, die Höhe des wirtschaftlichen Vorteils sei ein Umstand, der zu einer weiteren, von § 17 Abs. 1 OWiG (§ 13 Abs. 1 OWiG a.F.) und § 38 Abs. 4 GWB a.F. (§ 81 Abs. 2 GWB) unabhängigen Bußgeldrahmenverschiebung führen könne. Lediglich in jenem Umfang, in dem dabei die festgesetzte Geldbuße die Höhe des sonst angemessenen Bußgeldes überschreite, diene sie der Abschöpfung des durch die Tat erlangten wirtschaftlichen Vorteils. Das deckt sich jedoch im Ergebnis mit der Erkenntnis des Senats, der gleichermaßen davon ausgeht, daß regelmäßig ein Ahndungsteil aus der einheitlichen Gesamtbuße herauszurechnen ist, wobei die gesetzlichen Höchstbeträge den Grenzwert vorgeben. Im übrigen hat der BGH seine Äußerung ohnehin in anderem Zusammenhang zur Auslegung von § 17 Abs. 1 OWiG (§ 13 Abs. 1 OWiG a.F.) und § 38 Abs. 4 GWB a.F. (§ 81 Abs. 2 GWB) gemacht; sie erfolgte auf die Rechtsbeschwerde, die Geldbuße sei überhöht festgesetzt worden, weil sie die Belastung mit den auf den Mehrerlös anfallenden Ertragsteuern vernachlässige. Im Streitfall geht es demgegenüber um die richtige und vor allem verfassungskonforme Auslegung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG 1990-StÄndG 1992. Diese Auslegung wird aber, wie aufgezeigt, von abweichenden Grundsätzen getragen, auch wenn mit dem "wirtschaftlichen Vorteil" eine insoweit übereinstimmende begriffliche Anknüpfung an § 13 Abs. 4 Satz 1 OWiG a.F. (§ 17 Abs. 4 Satz 1 OWiG) besteht.
b) Zugleich weicht der Senat auch nicht von dem BFH-Urteil vom 9. Januar 1997 IV R 5/96, BFHE 182, 520, BStBl II 1997, 353 ab. Der IV. Senat ist in diesem Urteil zwar der hier verworfenen Auffassung des FG Baden-Württemberg in EFG 1994, 608 gefolgt, er tut dies aber nur im Ausgangspunkt und mit einer wesentlichen Einschränkung, indem er --unter inhaltlicher Bezugnahme auf die Regelung in § 17 Abs. 4 Satz 2 OWiG (§ 13 Abs. 4 Satz 2 OWiG a.F.)-- ausdrücklich davon ausgeht, daß ein Bußgeld "jedenfalls" insoweit der Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils diene, als es das an sich vorgesehene gesetzliche Höchstmaß der Geldbuße übersteige (vgl. unter 3. a der Entscheidungsgründe). Das schließt es nicht aus, daß auch in dem darunter liegenden Bußgeldbereich bis zu den zulässigen Höchstbeträgen Gewinne abgeschöpft werden, insbesondere dann, wenn der Höchstrahmen der Buße insgesamt nicht erreicht wird. Im Einklang mit diesem Verständnis hat der IV. Senat des BFH auf die Anfrage des erkennenden Senats gemäß § 11 Abs. 3 FGO (Beschluß vom 9. September 1998) der hier vertretenen Auffassung ausdrücklich zugestimmt (Beschluß vom 4. Februar 1999 IV ER -S- 2/98).
c) Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß der Beschluß des BVerfG in BVerfGE 81, 228, BStBl II 1990, 483 nicht nur zu einer Geldbuße wegen einer Kartellordnungswidrigkeit gemäß § 38 Abs. 4 GWB a.F. (§ 81 Abs. 2 GWB), sondern explizit auch zu § 17 Abs. 4 Satz 1 OWiG (§ 13 Abs. 4 Satz 1 OWiG a.F.) ergangen ist. Das BVerfG hat gerade dieser Vorschrift (und nicht Satz 2 der Vorschrift) entnommen, daß Geldbußen sowohl der von § 17 Abs. 3 OWiG (§ 13 Abs. 3 OWiG a.F.) vorgeschriebenen Ahndung des Gesetzesverstoßes als auch der Abschöpfung der daraus gezogenen Vorteile dienen soll. Das deckt sich mit der Rechtserkenntnis des Senats im Streitfall. Ein hiervon abweichendes Gesetzesverständnis würfe demgegenüber erneute verfassungsrechtliche Einwände auf und zöge einen Verstoß gegen den BVerfG-Beschluß nach sich (vgl. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes).
Ende der Entscheidung
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