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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 26.05.2004
Aktenzeichen: I R 101/03
Rechtsgebiete: KStG, EStG, FGO


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
EStG § 4 Abs. 1 Satz 1
FGO § 96 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine im Jahre 1977 in Berlin (West) gegründete und im Jahre 1996 in das Land Brandenburg verlegte GmbH, betreibt Industrievertretungen jeder Art sowie den Im- und Export. Seit 1984 sind Geschäftsführer ihre Gesellschafter X und dessen Mutter Y. X hält 75 v.H., Y 25 v.H. der Anteile. X war in den Streitjahren 1993 bis 1995 zugleich Gesellschafter und Mitgeschäftsführer der in Sachsen tätigen Z-GmbH, die am 24. August 1999 mit der Klägerin durch Aufnahme verschmolzen wurde.

Für seine Tätigkeit bei der Klägerin erhielten X 253 111,80 DM (1993), 238 291 DM (1994) und 242 950,80 DM (1995). Y erhielt 166 799 DM (1993), 158 070 DM (1994) sowie 161 398 DM (1995). Für seine Tätigkeit bei der Z-GmbH vereinnahmte X 214 000 DM (1991), 148 000 DM (1992), 210 000 DM (1993) und 168 000 DM (1994). Den Vergütungen lagen die --wiederholt ergänzten und geänderten-- Geschäftsführeranstellungsverträge vom 26. Februar 1982 (Y) bzw. 28. Oktober 1983 und 1. Oktober 1987 zugrunde.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sah eine Gesamtausstattung für beide Geschäftsführer in Höhe von nur 300 000 DM als angemessen an und behandelte die darüber hinausgehenden Beträge als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA).

Das Finanzgericht (FG) des Landes Brandenburg wies die Klage ab. Das Urteil des FG vom 2. Juli 2003 2 K 870/01 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 1336 veröffentlicht.

Ihre Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dessen Feststellungen ermöglichen keine abschließende Beurteilung der Frage, ob die Gehälter von X in Anbetracht seiner Funktion als Geschäftsführer bei der Klägerin, aber auch bei deren Schwestergesellschaft noch als angemessen anzusehen sind.

1. Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) darf eine vGA das steuerlich zu erfassende Einkommen einer Körperschaft nicht mindern. VGA in diesem Sinne sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats Vermögensminderungen und verhinderte Vermögensmehrungen, die nicht auf einer offenen Gewinnausschüttung beruhen, sich auf den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auswirken und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind (z.B. Senatsurteile vom 19. Januar 2000 I R 24/99, BFHE 191, 107, BStBl II 2000, 545; vom 15. März 2000 I R 40/99, BFHE 191, 330, BStBl II 2000, 504; vom 9. August 2000 I R 12/99, BFHE 193, 274, BStBl II 2001, 140). Dazu gehören insbesondere einem Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlte Vergütungen, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter (§ 43 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer unter ansonsten vergleichbaren Verhältnissen nicht gewährt hätte (Senatsurteil vom 27. März 2001 I R 27/99, BFHE 195, 228, BStBl II 2002, 111).

2. Zwischen den Beteiligten ist hiernach streitig, ob die Gesamtausstattungen der beiden Gesellschafter-Geschäftsführer in den Streitjahren ihrer Höhe nach angemessen waren.

a) Das FA hat dies lediglich bis zu einer Gesamthöhe von 300 000 DM bejaht; bei den darüber hinaus geleisteten Beträgen handele es sich um vGA. Das FG ist dem im Ergebnis gefolgt: Die Vergütungen von X seien jedenfalls infolge seiner Paralleltätigkeit als Geschäftsführer sowohl der Klägerin als auch der Z-GmbH in einem solchen Maße überhöht, dass es auf die Angemessenheit der an Y gezahlten Beträge im Hinblick auf das verfahrensrechtliche Verböserungsverbot nicht mehr ankomme. Die im Rahmen des Fremdvergleichs aufgrund vornehmlich betriebsexterner Anhaltspunkte jährlich als angemessen anzusehenden Vergütungen von 246 000 DM (1993), 258 000 DM (1994) und 270 000 DM (1995) seien wegen der mehrfachen Geschäftsführertätigkeit im Schätzungswege um jeweils 50 v.H. zu reduzieren.

Die Klägerin ist dem mit ihrer Revision entgegengetreten: Die Tätigkeit von X in der auf Wunsch der von ihr vertretenen Industriewerke gegründeten anderen GmbH habe zu einer starken Ausweitung der Geschäftstätigkeit in den jeweiligen Bundesländern geführt. Davon hätten beide GmbH profitiert. Es sei ermöglicht worden, bessere Konditionen auszuhandeln und die Vertriebsprobleme in den drei Ländern Berlin, Brandenburg und Sachsen zu lösen. Der tatsächliche Arbeitseinsatz von X sei auch keineswegs geschmälert worden; X habe in den Streitjahren wöchentlich an durchschnittlich mehr als 80 Stunden gearbeitet.

b) Unterstellt, dieses Sachvorbringen der Klägerin träfe zu, wäre der Klage u.U. (ggf. auch nur teilweise) zu entsprechen. Wie der Senat in seinen Urteilen vom 27. Februar 2003 I R 46/01 (BFHE 202, 241, BStBl II 2004, 132) und I R 80, 81/01 (BFH/NV 2003, 1346) entschieden hat, wird der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter einer Gesellschaft bei der Bemessung eines Geschäftsführergehalts die Tätigkeit des Geschäftsführers für andere Unternehmen zwar regelmäßig mindernd berücksichtigen, weil ein für mehrere Unternehmen tätiger Geschäftsführer naturgemäß nicht jedem einzelnen dieser Unternehmen seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung stellen kann. Eine (vollständige oder teilweise) Nichtberücksichtigung anderweitiger Tätigkeiten wird jedoch in Betracht kommen, wenn gerade die anderweitige Tätigkeit für die zu beurteilende Gesellschaft Vorteile mit sich bringt, die den Verlust an zeitlichem Einsatz des Geschäftsführers ausgleichen. Das ist, wenn unter diesem Gesichtspunkt Streit über die Angemessenheit der Vergütung besteht, von der Gesellschaft darzulegen und erforderlichenfalls nachzuweisen. Dazu besteht umso mehr Veranlassung, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer vertraglich verpflichtet ist, seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen.

Im Klageverfahren wurde von der Klägerin Entsprechendes weder dargelegt noch nachgewiesen. Auf der Grundlage der Senatsurteile in BFHE 202, 241, BStBl II 2004, 132 und in BFH/NV 2003, 1346, in denen die vorstehenden Grundsätze zur Angemessenheit bei mehrfacher Geschäftsführertätigkeit aufgestellt wurden, hätte das FG aber Anlass gehabt, solchen Überlegungen nachzugehen. Da dies unterblieben ist, ist die notwendige Prüfung im 2. Rechtsgang nachzuholen. Das FG wird dabei zu berücksichtigen haben, dass sich nach Aktenlage sowohl X als auch Y offenbar verpflichtet hatten, ausschließlich für die Klägerin tätig zu sein (vgl. § 2 der in diesem Punkt übereinstimmenden Geschäftsführeranstellungsverträge vom 1. Oktober 1987 bzw. vom 26. Februar 1982: "... ganze Arbeitskraft ... unter Ausschluß jeder nebenberuflichen Tätigkeit ...").

3. Der Senat weist für den 2. Rechtsgang auf Folgendes hin:

a) Das FG hat im Rahmen des von ihm angestellten Fremdvergleichs zunächst vornehmlich anhand betriebsexterner Faktoren, insbesondere einschlägiger Gehaltsstrukturuntersuchungen (Kienbaum, BBE, Tänzer), die noch angemessene Höhe des Geschäftsführergehalts von X bestimmt. Es ist dabei von der Gesamtausstattung unter Einbeziehung aller Vorteile ausgegangen, die X in dem jeweils maßgeblichen Veranlagungszeitraum bezogen hat. Das FG hat sodann die im Streitfall bestehenden besonderen Umstände (die guten Ertragsaussichten, die Aufbauphase, in der sich die Klägerin befand, aber auch die nur begrenzte interne Geschäftsführerzuständigkeit von X) berücksichtigt und in seine Prüfung durch Berechnung eines "Sicherheitszuschlages" zu den ermittelten Werten von 20 v.H. einbezogen.

b) Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden. Für die Bemessung der angemessenen Bezüge eines Gesellschafter-Geschäftsführers gibt es keine festen Regeln. Der angemessene Betrag ist vielmehr im Einzelfall durch Schätzung zu ermitteln (vgl. Senatsurteile in BFHE 202, 241, BStBl II 2004, 132, und in BFH/NV 2003, 1346, jeweils m.w.N.). Wo im konkreten Einzelfall die Grenze zwischen (noch) angemessenen und (schon) unangemessenen Gesamtbezügen verläuft, ist eine Frage, deren Beantwortung dem FG vorbehalten ist (§ 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Dabei zählt es zum Bereich der vom FG zu treffenden Sachverhaltsfeststellungen, welchen Kriterien der Vorrang zur Beurteilung der Angemessenheit der Geschäftsführervergütung im Einzelfall beizumessen ist. Vorausgesetzt, die Erkenntnisse des FG sind nicht verfahrensfehlerhaft zustande gekommen und verstoßen nicht gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze, ist das Revisionsgericht hieran gebunden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Das ist unabhängig davon, ob sich aus den vorhandenen Schätzungsgrundlagen gleichermaßen andere Beträge hätten ableiten lassen.

Zu den Maßstäben für die Beurteilung der Angemessenheit einer Vergütung können u.a. diejenigen Entgelte gehören, die gesellschaftsfremde Arbeitnehmer des betreffenden Unternehmens beziehen (interner Fremdvergleich) oder die --unter ansonsten vergleichbaren Bedingungen-- an Fremdgeschäftsführer anderer Unternehmen gezahlt werden (externer Fremdvergleich). Beurteilungskriterien sind Art und Umfang der Tätigkeit, die künftigen Ertragsaussichten des Unternehmens, das Verhältnis des Geschäftsführergehalts zum Gesamtgewinn und zur verbleibenden Kapitalverzinsung sowie Art und Höhe der Vergütungen, die gleichartige Betriebe ihren Geschäftsführern für entsprechende Leistungen gewähren. In diesem Sinne können im Rahmen der Angemessenheitsprüfung auch Gehaltsstrukturuntersuchungen berücksichtigt werden (z.B. Senatsurteil vom 4. Juni 2003 I R 38/02, BFHE 202, 500, BStBl II 2004, 139, m.w.N.). Fehlt es an hinreichend aussagefähigen Vergleichswerten, so ist ein hypothetischer Fremdvergleich erforderlich, der sich an den mutmaßlichen Überlegungen eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters orientiert. Jedoch darf bei keiner dieser Vergleichsmethoden allein darauf abgestellt werden, ob sich die vereinbarte Vergütung bei rückschauender Betrachtung als angemessen erweist. Maßgebender zeitlicher Bezugspunkt ist vielmehr grundsätzlich derjenige, in dem die zu beurteilende Gehaltsvereinbarung abgeschlossen wurde (Senatsurteil in BFHE 202, 500, BStBl II 2004, 139, m.w.N.).

Vor diesem Hintergrund lässt sich im Streitfall revisionsrechtlich nichts dagegen einwenden, dass das FG den Maßstab für das Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anhand betriebsinterner und -externer Vergleichsgrößen beurteilt hat. Die dagegen gerichteten Einwände der Klägerin sind nicht gerechtfertigt. Durch sie wird lediglich der Sachverhalt anders gewürdigt und die Berücksichtigung abweichender Vergleichsfaktoren eingefordert. Es werden hierdurch jedoch weder Verstöße gegen die Denkgesetze oder Erfahrungssätze noch Verfahrensfehler nachgewiesen.

Im Übrigen decken sich die vom FG ermittelten Werte annähernd mit jenen, die in den Streitjahren tatsächlich an X gezahlt worden sind, was die Richtigkeit der Schätzungsergebnisse bestätigt. Dass das FG dennoch vGA angenommen hat, hängt letztlich allein mit der Frage zusammen, ob und in welchem Umfang sich die mehrfache Geschäftsführung von X bei verschiedenen GmbH auswirkt.

c) Das FG wird im 2. Rechtsgang --ggf. im Wege der Saldierung-- auch die Angemessenheit der an Y geleisteten Geschäftsführervergütungen zu prüfen haben. Im Hinblick auf die Anstellung von zwei Geschäftsführern sind dabei die Grundsätze zu berücksichtigen, welche der Senat in seinem Urteil in BFHE 202, 500, BStBl II 2004, 139 aufgestellt hat.

Ende der Entscheidung

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