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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 24.05.2006
Aktenzeichen: I R 102/04
Rechtsgebiete: GewStG, FGO


Vorschriften:

GewStG § 28
GewStG § 28 Abs. 1 Satz 1
GewStG § 29
GewStG § 29 Abs. 1
GewStG § 29 Abs. 1 Nr. 1
GewStG § 29 Abs. 2
GewStG § 31
GewStG § 33
GewStG § 33 Abs. 1
GewStG § 33 Abs. 1 Satz 1
FGO § 68 Satz 1
FGO § 100
FGO § 118 Abs. 2
FGO § 121
FGO § 127
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Zerlegung des gegen die Beigeladene zu 1, eine Bank, festgesetzten Gewerbesteuermessbetrags.

Die Bank unterhielt im Streitjahr 2000 mehrere Geschäftsstellen, eine davon auf dem Gebiet der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin --A--), einer Gemeinde. Fünf weitere Geschäftsstellen wurden in anderen Gemeinden bzw. in einer Stadt (Beigeladene zu 2 bis 7) unterhalten, wobei sich in der Stadt die Zentrale der Bank befand. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zerlegte den gegen die Bank festgesetzten Gewerbesteuermessbetrag nach Maßgabe der Arbeitslöhne (§ 29 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG--), wobei auf die Klägerin ein Anteil von ca. 8,83 v.H. entfiel. Die Klägerin beanspruchte demgegenüber einen höheren Zerlegungsanteil. Das FA lehnte dies ab.

Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) München vertrat die Auffassung, dass es sachgerecht sei, den Regelzerlegungsmaßstab des § 29 Abs. 1 GewStG anzuwenden; für eine davon abweichende Zerlegung nach Maßgabe des § 33 GewStG aus Gründen der Billigkeit bestehe keine Veranlassung. Das Urteil vom 19. Februar 2004 11 K 2286/03 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 132 veröffentlicht.

Während des Revisionsverfahrens sind die angefochtenen Bescheide für 2000 über den Gewerbesteuermessbetrag und über die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags geändert worden, und zwar durch Bescheide vom 11. März 2005 sowie durch Bescheide vom 22. März 2005. Auf die Klägerin entfällt nach wie vor ein Anteil von 8,83 v.H.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 29 Abs. 1 und § 33 Abs. 1 GewStG. Sie trägt hierzu vor, dass mehrere Bankangestellte, die in der Zentrale in der Stadt beschäftigt seien, logistisch Bankgeschäfte bearbeiteten, die wirtschaftlich dem Kundenstamm der Filiale in A zuzurechnen seien. Diese Angestellten müssten bei der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages nach § 29 Abs. 1 GewStG zugunsten der Klägerin berücksichtigt werden. Unterbleibe eine solche Zurechnung, so müsse zumindest wegen der Kosten, die durch den nicht unbeachtlichen Kundenverkehr in der Bankfiliale in A verursacht würden, eine abweichende Zerlegung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG vorgenommen werden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und unter Abänderung des Bescheids vom 22. März 2005 ihr einen Zerlegungsanteil von 19 526,17 DM zuzuweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 1 unterstützt das Begehren der Klägerin und hält die Revision für begründet. Die Beigeladene zu 2 unterstützt das Begehren des FA und hält die Revision für unbegründet. Eigene Anträge haben weder die Beigeladenen zu 1 und 2 noch die übrigen Beigeladenen gestellt.

II. Die Revision führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung, weil das FA im Laufe des Revisionsverfahrens den angefochtenen Steuerbescheid geändert hat und der Änderungsbescheid nicht Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens gewesen ist. Da dem Urteil der Vorinstanz danach der nicht mehr existierende ursprüngliche Zerlegungsbescheid zu Grunde liegt, kann es keinen Bestand haben (vgl. z.B. Bundesfinanzhof --BFH--, Urteil vom 16. Juni 1999 II R 57/96, BFHE 189, 537, BStBl II 1999, 789, m.w.N.).

Der Änderungsbescheid wurde gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens. Einer Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 127 FGO bedarf es nicht, da die Sache spruchreif ist. Das FA hat den Änderungsbescheid lediglich an den geänderten Gewerbesteuermessbescheid angepasst, den quotalen Zerlegungsanteil der Klägerin aber nicht geändert. Der tatsächliche Streitstoff hat sich dadurch nicht verändert und ein neuer Sachverhalt hat sich nicht ergeben. Der Senat kann deswegen auf der Basis der tatrichterlichen Feststellungen, die unbeschadet des Wegfalls des erstinstanzlichen Urteils fortbestehen, aufgrund seiner Befugnis aus den § 121 und § 100 FGO in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).

III. Das Urteil der Vorinstanz ist hiernach im Ergebnis zu bestätigen.

Die Klägerin kann aufgrund des in § 29 Abs. 1 GewStG vorgegebenen Zerlegungsmaßstabs keinen höheren Zerlegungsanteil beanspruchen (1.a). Die Voraussetzungen einer Zerlegung in besonderen Fällen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG sind im Streitfall nicht erfüllt (2.).

1. Bei der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 und Abs. 2 GewStG können nur solche Arbeitnehmer zugunsten der Klägerin berücksichtigt werden, die ihre Tätigkeit ganz oder wesentlich in der Betriebsstätte in A ausüben.

a) Sind im Erhebungszeitraum Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten worden, so ist der Steuermessbetrag gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile (Zerlegungsanteile) zu zerlegen. Zerlegungsmaßstab ist gemäß § 29 Abs. 1 GewStG das Verhältnis, in dem die Summe der Arbeitslöhne, die an die bei allen Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind, zu den Arbeitslöhnen steht, die an die bei den Betriebsstätten der einzelnen Gemeinden beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind. Dabei sind gemäß § 29 Abs. 2 GewStG die Arbeitslöhne anzusetzen, die in den Betriebsstätten der beteiligten Gemeinden während des betreffenden Erhebungszeitraums erzielt oder gezahlt worden sind. Betriebsstätte in diesem Sinne ist jede feste Einrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient (§ 12 Satz 1 der Abgabenordnung --AO 1977--; vgl. auch BFH-Urteil vom 12. Februar 2004 IV R 29/02, BFHE 205, 295, BStBl II 2004, 602, m.w.N.). Dazu gehören insbesondere die Stätte der Geschäftsleitung sowie Zweigniederlassungen und Geschäftsstellen (§ 12 Satz 2 Nr. 1, 2 und 3 AO 1977).

b) Ein Arbeitnehmer ist i.S. des § 29 Abs. 1 und 2 GewStG "bei der Betriebsstätte" einer Gemeinde beschäftigt, wenn er dort seine Tätigkeit ganz oder wesentlich ausübt (Senatsurteil vom 26. August 1987 I R 376/83, BFHE 151, 452, BStBl II 1988, 201; BFH-Urteil vom 22. Juli 1988 III R 286/84, BFH/NV 1990, 56; Hofmeister in Blümich, § 29 GewStG Rz. 7; Güroff in Glanegger/ Güroff, GewStG, 6. Aufl., § 29 Anm. 6; Sarrazin in Lenski/ Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 29 Anm. 9). Entscheidend ist insoweit, wo der Arbeitnehmer seine Tätigkeit tatsächlich ausübt, während es auf die Frage, welcher Betriebsstätte seine Tätigkeit (nach welchen Maßstäben auch immer) wirtschaftlich zugerechnet werden kann, regelmäßig nicht ankommt. Zwar sollen die Gemeinden, in denen Betriebsstätten unterhalten werden, durch die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages einen finanziellen Ausgleich für diejenigen Lasten erhalten, die ihnen durch die Betriebsstätten erwachsen. Weil sich jedoch die tatsächliche Höhe dieser Lasten (wenn überhaupt) nur mit großem Aufwand und auch dann in der Regel nur ungenau ermitteln lässt, hat sich der Gesetzgeber mit der Regelung des § 29 Abs. 1 GewStG bewusst für einen indirekten und groben Zerlegungsmaßstab entschieden (vgl. auch BFH-Urteil vom 12. Mai 1992 VIII R 45/90, BFH/NV 1993, 191). Müsste in jedem Einzelfall geprüft werden, welche Betriebsstätte von der Tätigkeit eines Arbeitnehmers, der seine Tätigkeit in einer anderen Betriebsstätte verrichtet, wirtschaftlich profitiert, würde der Vereinfachungszweck des § 29 Abs. 1 GewStG unterlaufen.

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann mit dem Urteil des IV. Senats in BFHE 205, 295, BStBl II 2004, 602 kein anderes Ergebnis begründet werden. In dem genannten Verfahren ging es (u.a.) um drei Arbeitnehmer, die nicht für das Unternehmen arbeiteten, bei dem sie angestellt waren, sondern ausschließlich für ein anderes Unternehmen, und zwar in den Geschäftsräumen des anderen Unternehmens in einer anderen Stadt. Der IV. Senat hat entschieden, dass in einem solchen Fall bei der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages die Arbeitslöhne nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht dem Anstellungsunternehmen zuzurechnen seien, sondern dem Beschäftigungsunternehmen; dies kam im Ergebnis der (anderen) Stadt zugute, in der die betreffenden Arbeitnehmer tatsächlich tätig waren. Demgegenüber geht es im vorliegenden Streitfall schon nicht um die Frage, welchem Arbeitgeber die betreffenden Arbeitnehmer zuzurechnen sind, sondern darum, bei welcher Betriebsstätte (ein und desselben Unternehmens) sie beschäftigt sind. Vor allem aber sind im Streitfall die betreffenden Arbeitnehmer, auch nach dem Vortrag der Klägerin, weder ausschließlich für die auf ihrem Gebiet belegene Betriebsstätte tätig geworden noch haben sie sich tatsächlich dort aufgehalten.

d) An die diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen des FG, die nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen worden sind, ist der BFH als Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden. In Anbetracht dieser Umstände ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass die in der Zentrale der Bank beschäftigten Arbeitnehmer bei der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags nicht zugunsten der Klägerin berücksichtigt werden dürfen.

2. Eine von dem Regelmaßstab des § 29 Abs. 1 GewStG abweichende Zerlegung gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG kommt im Streitfall nicht in Betracht.

a) Die Gewerbesteuer ist gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG unter der Voraussetzung, dass die Zerlegung nach den §§ 28 bis 31 GewStG zu einem offenbar unbilligen Ergebnis führt, nach einem Maßstab zu zerlegen, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt. Allerdings rechtfertigt nach ständiger Rechtsprechung nicht jede offenbare Unbilligkeit, die sich aus dem Zerlegungsmaßstab des § 29 Abs. 1 GewStG ergibt, eine Zerlegung nach einem abweichenden Maßstab, sondern nur eine eindeutige Unbilligkeit von erheblichem Gewicht (Senatsurteil vom 17. Februar 1993 I R 19/92, BFHE 171, 304, BStBl II 1993, 679, m.w.N.; vgl. auch Hofmeister in Blümich, § 33 GewStG Rz. 3 f., m.w.N.). Eine solche liegt nur dann vor, wenn aufgrund der atypischen Umstände des Einzelfalles die sich aus dem groben Maßstab des § 29 GewStG allgemein ergebende Unbilligkeit offensichtlich übertroffen wird (Senatsurteil vom 26. Februar 1992 I R 16/90, BFH/NV 1992, 836, m.w.N.).

b) In Bezug auf die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages einer Bank muss darüber hinaus beachtet werden, dass der Gesetzgeber den Sonderzerlegungsmaßstab des § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG 1968, der für Versicherungs-, Bank- und Kreditunternehmen eine Zerlegung nach den jeweils erzielten Betriebseinnahmen vorsah, mit dem Vermögensteuerreformgesetz vom 17. April 1974 (BGBl I 1974, 949, BStBl I 1974, 233) abgeschafft hat. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, die Anwendung dieses Maßstabes sei in der Praxis zunehmend auf Schwierigkeiten gestoßen; für die betreffenden Unternehmen sollten daher künftig ebenfalls die Arbeitslöhne Grundlage für die Zerlegung sein (BTDrucks 7/78, S. 45; BTDrucks 6/3418, S. 111 f.). Diese gesetzgeberische Entscheidung darf nicht über die Vorschrift des § 33 Abs. 1 GewStG entkräftet werden. Das bedeutet --wie das FG zutreffend ausgeführt hat--, dass Unbilligkeiten, die Banken im Allgemeinen treffen, die Anwendung eines abweichenden Zerlegungsmaßstabs schon aus diesem Grund nicht rechtfertigen können; denn auch insoweit hat der Gesetzgeber den groben Zerlegungsmaßstab des § 29 Abs. 1 GewStG als Regelmaßstab verbindlich vorgegeben. Aus diesem Grund ist ferner die Entscheidung des erkennenden Senats zur Gewerbesteuerzerlegung bei der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern (Senatsurteil in BFH/NV 1992, 836) hier nicht maßgeblich.

c) Demnach fehlt es im Streitfall an einer offenbaren Unbilligkeit i.S. des § 33 Abs. 1 GewStG. Besondere Nachteile, die vor allem die Klägerin --anders als andere Banken-- treffen bzw. die sie in einem besonders erheblichen Maße treffen, hat das FG nicht festgestellt.

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