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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 18.05.1999
Aktenzeichen: I R 103/97
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 364b
AO 1977 § 364b Abs. 1
AO 1977 § 364b Abs. 2 Satz 1
FGO § 126 Abs. 3 Nr. 2
FGO § 100
FGO § 100 Abs. 1
FGO § 100 Abs. 2
FGO § 100 Abs. 3 Satz 1
FGO § 100 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Revisionsbeklagte ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die während des Revisionsverfahrens durch eine formwechselnde Umwandlung aus der X-GmbH entstanden ist. Diese GmbH (künftig: Klägerin) gab für 1994 (Streitjahr) zunächst keine Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärungen ab. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) schätzte deshalb die Besteuerungsgrundlagen. Durch Bescheid vom 4. November 1996 stellte er für den Gewerbebetrieb der Klägerin einen vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 1994 in Höhe von ... DM fest (gesondert festgestellter vortragsfähiger Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 1993 ... DM abzüglich geschätzter Gewerbeertrag 1994 ... DM).

Die Klägerin legte am 4. Dezember 1996 Einspruch ein und trug unter Hinweis auf beigefügte Kontennachweise vor, sie habe auch im Streitjahr einen Verlust erlitten. Sie kündigte an, sie werde die Steuererklärungen und die Bilanz, die nur noch redaktionell bearbeitet werden müßten, in der 50. Kalenderwoche 1996 abgeben. Am 3. Februar 1997 erinnerte das FA die Klägerin an die Abgabe der Steuererklärungen und Begründung des Einspruchs. Die Klägerin reagierte nicht. Daraufhin setzte das FA ihr am 3. März 1997 eine Frist gemäß § 364b der Abgabenordnung (AO 1977) bis zum 24. März 1997 zur Angabe der Tatsachen, durch deren Nichtberücksichtigung bei der Schätzung sich die Klägerin beschwert fühlt. Außerdem bat das FA, innerhalb der gesetzten Frist eine Abschrift der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung einzureichen. Da die Klägerin auch auf diese Fristsetzung nicht reagierte, wies das FA den Einspruch am 11. April 1997 als unbegründet zurück. Es vertrat die Auffassung, die vorgelegten Kontennachweise könnten der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden, da sie kein Jahresabschluß seien.

Die Klägerin erhob Klage und legte dem FA am 14. Juli 1997 die Gewerbesteuererklärung 1994 nebst Jahresabschluß vor. Nach den Angaben in der Steuererklärung erlitt die Klägerin im Streitjahr einen Gewerbeverlust. Das FA lehnte es ab, den Verlustfeststellungsbescheid zu ändern. Es verwies dazu auf die gemäß § 364b Abs. 1 AO 1977 gesetzte Frist und die der Klägerin mit der Fristsetzung erteilte Belehrung über die Rechtsfolgen der Nichtbeachtung der Frist. Das Finanzgericht (FG) vertrat dagegen die Auffassung, das FA sei verpflichtet, die Angaben in der Steuererklärung und dem Jahresabschluß noch zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, denn die Frist sei unangemessen kurz gewesen und die Fristsetzung habe daher nicht die Rechtsfolge gemäß § 364b Abs. 2 Satz 1 AO 1977 ausgelöst. Das FG-Urteil, durch das lediglich die Einspruchsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben wurde, ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 1284 veröffentlicht.

Das FA stützt die Revision auf Verletzung des § 364b AO 1977 und beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Entgegen der Auffassung des FG ist die Einspruchsentscheidung nicht wegen einer fehlerhaften Fristsetzung gemäß § 364b AO 1977 rechtswidrig.

Für die Entscheidung über den Einspruch war die Fristsetzung unerheblich. Das FA hat im Einspruchsverfahren keine Erklärungen oder Beweismittel gemäß § 364b Abs. 2 Satz 1 AO 1977 unberücksichtigt gelassen. Es hat lediglich im anschließenden Klageverfahren --also erst nach Abschluß des Einspruchsverfahrens-- unter Hinweis auf diese Vorschrift eine außergerichtliche Erledigung des Rechtsstreites durch Änderung des angefochtenen Feststellungsbescheids abgelehnt. Dies macht die Einspruchsentscheidung selbst dann nicht nachträglich rechtswidrig, wenn die Fristsetzung fehlerhaft gewesen wäre. Daß die Einspruchsentscheidung aus anderen Gründen rechtswidrig sein könnte, hat das FG nicht festgestellt. Solche Gründe ergeben sich auch nicht aus den tatsächlichen Feststellungen des FG.

2. Das Urteil des FG verstößt zudem gegen § 100 FGO.

Das FG hat sich darauf beschränkt, die Einspruchsentscheidung aufzuheben, obwohl die Klägerin auch beantragt hatte, den angefochtenen Verlustfeststellungsbescheid zu ändern. Es hat somit nicht über das gesamte Klagebegehren entschieden. Auch wenn die Einspruchsentscheidung rechtswidrig wäre, hätte sich das FG nicht auf die isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung beschränken dürfen (s. § 100 Abs. 1 und 2 FGO; zu Ausnahmen s. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 44 Rz. 36 bis 41; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl. 1996, § 100 FGO Rz. 21, m.w.N.). Die isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung ohne Entscheidung in der Sache läßt sich auch nicht auf § 100 Abs. 3 Satz 1 FGO stützen. Es ist nicht ersichtlich, daß für die Sachentscheidung noch nach Art oder Umfang erhebliche weitere Ermittlungen erforderlich sind. Außerdem schließt § 100 Abs. 3 Satz 2 FGO im Streitfall die Anwendung des § 100 Abs. 3 Satz 1 FGO aus, da die Klägerin ihrer Erklärungspflicht nicht nachgekommen war und die Besteuerungsgrundlagen deshalb geschätzt worden waren.

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