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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 08.08.2001
Aktenzeichen: I R 104/00
Rechtsgebiete: GewStG


Vorschriften:

GewStG § 2 Abs. 2 Satz 1
GewStG § 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Jahre 1978 gegründete GmbH mit abweichendem Wirtschaftsjahr zum 30. Juni. Gegenstand ihres Unternehmens war ursprünglich die Beratung, Unterstützung und Vertretung in sämtlichen Steuerangelegenheiten sowie die Übernahme wirtschaftsberatender, gutachtlicher und treuhänderischer Tätigkeiten. Zum 1. Juli 1993 veräußerte sie ihre Wirtschafts- und Steuerberatungspraxis. Dabei erzielte sie einen Veräußerungsgewinn von 2,4 Mio. DM. In der Folgezeit wurde eine Umfirmierung sowie ein geänderter Unternehmensgegenstand beschlossen und in das Handelsregister eingetragen. Seit 6. Juni 1995 befindet sich die Klägerin in Liquidation.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) bezog den Veräußerungsgewinn im Erhebungszeitraum 1994, dem Streitjahr, --unter Hinweis auf Abschn. 41 Abs. 2 der Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR 1990, nunmehr Abschn. 40 Abs. 2 GewStR 1998)-- bei der Ermittlung des Gewerbeertrages ein. Er erließ einen entsprechend geänderten Gewerbesteuermessbescheid 1994 und hob den ursprünglichen Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1994 auf.

Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1405 abgedruckt.

Ihre Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben, die angefochtenen Bescheide zu ändern und den Gewerbeertrag 1994 ohne den Praxisveräußerungsgewinn mit ./. 239 479 DM anzusetzen und den Gewerbesteuermessbetrag wie bisher auf 692 DM festzusetzen sowie den negativen Gewerbeertrag auf den 31. Dezember 1994 in Höhe von ./. 239 479 DM festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet.

Es entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass bei Kapitalgesellschaften auch der Gewinn aus der Veräußerung eines Betriebs, eines Teilbetriebs oder einer betrieblichen Beteiligung zum Gewerbeertrag (§ 7 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG--) gehört (vgl. Reichsfinanzhof --RFH--, Urteile vom 5. März 1940 I 40/40, RStBl 1940, 476, und vom 13. Januar 1942 I 261/41, RStBl 1942, 274; Senatsurteile vom 18. November 1970 I R 116/69, BFHE 101, 112, BStBl II 1971, 182; vom 28. Februar 1990 I R 92/86, BFHE 160, 262, BStBl II 1990, 699; Senatsbeschluß vom 20. September 1995 I B 197/94, BFH/NV 1996, 366, 368). Dieser Rechtsprechung haben sich --neben der Vorinstanz (vgl. FG München, Urteil vom 8. April 1999 7 K 890/97, EFG 1999, 723, sowie FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 24. August 2000 3 K 264/98, EFG 2000, 1405; FG Münster, Urteil vom 22. Januar 2001 9 K 4626/98 G, EFG 2001, 585)-- die Verwaltungspraxis (vgl. Abschn. 41 Abs. 2 GewStR 1990, Abschn. 40 Abs. 2 GewStR 1998) als auch ganz überwiegend das Schrifttum angeschlossen (vgl. v. Twickel in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 16. Aufl., § 7 GewStG Rz. 142, 151 ff.). Hiervon ist trotz vereinzelter Kritik im Schrifttum (vgl. Güroff in Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 4. Aufl., § 2 Rz. 187; Obermeier in Blümich, a.a.O., § 2 GewStG Rz. 668; Roser/Tesch, Finanz-Rundschau --FR-- 1998, 183) nicht abzuweichen. Vielmehr ist an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten. Dafür spricht angesichts der langjährigen ständigen Rechtsprechung schon der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit, vor allem aber die Gesetzeslage:

Die Gewerbesteuerpflicht knüpft bei Kapitalgesellschaften allein an die Rechtsform an; die Tätigkeit einer solchen Gesellschaft gilt stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG). Deshalb gehören alle Gewinne von Kapitalgesellschaften, auch Gewinne aus der Veräußerung eines Betriebs, eines Teilbetriebs oder einer betrieblichen Beteiligung, zum Gewerbeertrag.

Zwar erfordert der Gesetzeswortlaut in § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG auch bei Kapitalgesellschaften ausdrücklich eine "Tätigkeit" für die daraus abzuleitende Qualifikationsfiktion als Gewerbebetrieb. Aus dieser Fiktion folgt jedoch zugleich, dass eine Kapitalgesellschaft "stets und in vollem Umfang" allein gewerbliche Tätigkeiten ausübt und dass andere, daneben stehende Vorgänge aus Sicht des Gewerbesteuergesetzes nicht vorstellbar sind. Sämtliche von der Kapitalgesellschaft entfalteten Aktivitäten fallen sonach unterschiedslos in den Bereich gewerblicher Betätigung, gleichviel, ob es sich um "werbende" Tätigkeiten oder um Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Betriebsveräußerung oder -beendigung handelt. Die konkrete Tätigkeit der Gesellschaft ist in jedem Fall unbeachtlich, ebenso wie ihre Nachhaltigkeit. Nicht zuletzt deswegen hat der Senat sich gerade in § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG darin bestätigt gesehen, dass Kapitalgesellschaften aus steuerlicher Sicht über keine außerbetriebliche Sphäre verfügen (vgl. Urteile vom 4. Dezember 1996 I R 54/95, BFHE 182, 123; vom 8. Juli 1998 I R 123/97, BFHE 186, 540).

Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Kapitalgesellschaften im Verhältnis zu Gewerbebetrieben anderer Rechtsformen, bei denen Veräußerungsgewinne nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nicht gewerbesteuerpflichtig sind (vgl. im Einzelnen v. Twickel in Blümich, a.a.O., § 7 GewStG Rz. 125 ff. mit umfassenden Rechtsprechungsnachweisen), liegt darin nicht. Kapitalgesellschaften einerseits sowie natürliche Personen und Personengesellschaften andererseits unterscheiden sich grundlegend voneinander (vgl. Senatsurteile vom 20. Oktober 1976 I R 148/74, BFHE 120, 265, BStBl II 1977, 10; vom 8. Juni 1977 I R 40/75, BFHE 122, 318, BStBl II 1977, 668; vom 28. Juli 1982 I R 196/79, BFHE 136, 547, BStBl II 1983, 77; vom 27. März 1996 I R 89/95, BFHE 181, 499, BStBl II 1997, 224; siehe auch Bundesverfassungsgericht --BVerfG--, Beschlüsse vom 21. März 1977 1 BvR 1/77, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1977, 264, und 1 BvR 2/77, HFR 1977, 265). Im Übrigen ließe sich --was hier nicht weiter vertieft werden muss-- ohnehin fragen, ob Veräußerungs- und Abwicklungsvorgänge nicht allgemein, also bei Gewerbebetrieben aller Rechtsformen, der Gewerbesteuer unterfallen. Einkommensteuerrechtlich gehören zum Gewinn aus Gewerbebetrieb auch Veräußerungs- und Aufgabegewinne. Die einkommensteuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften sind aber gemäß § 7 GewStG vorbehaltlos auch für das Gewerbesteuerrecht verbindlich; hieraus ist der Gewerbeertrag im Ausgangspunkt abzuleiten und zu ermitteln. Eine Unterscheidung zwischen laufenden und einmaligen Gewinnen trifft das Gesetz insoweit nicht (anders demgegenüber die frühere Gesetzeslage, vgl. dazu Roser/Tesch, FR 1998, 183, 186 f.). Ob der sog. Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer es erzwingt, Veräußerungs- und Abwicklungsgewinne dennoch unbesteuert zu lassen, kann zweifelhaft sein (vgl. im Einzelnen die Kritik von v. Twickel in Blümich, a.a.O., § 7 GewStG Rz. 142 ff.; siehe auch Senatsurteil vom 25. Mai 1962 I 78/61 S, BFHE 75, 467, BStBl III 1962, 438, dort unter II. der Entscheidungsgründe; Bundesfinanzhof, Urteil vom 26. April 2001 IV R 75/99, BFH/NV 2001, 1195, Deutsches Steuerrecht 2001, 1212, dort unter 1. a bb der Entscheidungsgründe).



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